tag:blogger.com,1999:blog-29737991727831486002024-03-18T10:47:32.460+01:00Weites FeldUnknownnoreply@blogger.comBlogger2129125tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-19806415524922640882024-03-16T12:17:00.003+01:002024-03-16T12:18:33.946+01:00 Helmut Gollwitzer: und führen, wohin du nicht willst (2. Teil)<p> <a href="https://fontanefan3.blogspot.com/2023/11/helmut-gollwitzer-und-fuhren-wohin-du.html"><span style="font-family: georgia;"><b>Erster Teil der Buchvorstellung in diesem Blog</b></span></a></p><p><b style="color: #333333; font-family: georgia;">Zitate und Zusammenfassungen 2. Teil</b></p><div><i><span style="font-family: georgia;">Das letzte Jahr (S.245-342)</span></i></div><div><i><span style="font-family: times;">Gollwitzer wird 1949 einem Transport zugeordnet, von dem r schon aus der Zusammensetzung entnehmen kann, dass er kein Transport in die Heimat sein wird.</span></i></div><div style="text-align: right;"><span style="font-family: times;">29.3.1949</span></div><div><span style="font-family: georgia;"><i>"</i>Die 'H<span style="background-color: white; color: #222222;">ölle von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Asbest_(Stadt)">Asbest</a>' hatte bei den Gefangenen in der Sowjetunion, wie schon der Name sagt, keinen guten Ruf; ich hatte früher schon von dem dortigen Massensterben in den Hungerjahren gehört. Was wir aber jetzt darüber vernahmen, war ermutigend: Es sei jetzt alles sehr in Ordnung, gute Verdienstmöglichkeiten, bessere Arbeit als die Bergwerksarbeit, mit der die anderen Lager der Umgebung beschäftigt waren, saubere Baracken mit viel Einzelräumen, viel Konzerte und Theater der guten Kulturgruppe. Aber immerhin, es sei eben Regimelager – und das sei natürlich schlecht für den, der dort hinkommt. Warum? Weil seine Heimfahrtaussichten sehr viel geringer sind als die in einem normalen Lager. Regimelager sind zwar nicht eigentliche Straflager, unterscheiden sich aber von den übrigen Lagern dadurch, dass diejenigen, die dort sind, alle mit einem besonderen, und zwar negativen Grund hinkommen; dort werden die gesammelt, gegen die die <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Innenministerium_der_UdSSR">MWD</a> irgendetwas <i>auf dem Herzen hat</i> [Eine mich sehr beeindruckende Formulierung. Das Innenministerium der UdSSR zur Zeit Stalins bekommt darin etwas - ironisch - rührend Menschliches] [...] So fand man dort vor allem die Angehörigen der SS-Divisionen, die als besonders nazistisch (übrigens zu Unrecht) verdächtigen Divisionen 'Großdeutschland', 'Feldherrnhalle', 'Brandenburg', aber auch namenloser Panzer- und Infanteriedivisionen, die bei den Russen aus irgendeinem Grunde einen schlechten Ruf hatten." (S. 255)</span></span></div><p><span style="font-family: georgia;"><span style="background-color: white; color: #333333;"></span></span></p><div><span style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;">Das Lager Asbest hatte "den ausgezeichneten deutschen Lagerführer, einen Metzger aus der Magdeburger Gegend, der durch seinen mannhaftes Auftreten und seine unbestechliche Gerechtigkeit und Fürsorge sich bei Deutschen und Russen ungeteilte Achtung erwarb und dem viele Leben und Gesundheit verdanken), Verpflegung und Verdienst waren in den Regimelagern nicht schlechter als anderswo auch." (S. 256)</span></span></div><div><span style="color: #222222;"><div style="background-color: white; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;"><i>Inzwischen sind neue Regeln eingeführt worden und im Prinzip sollen die Gefangenen, wenn sie die Mindestnorm übertreffen, ihren Verdienst in Rubeln ausbezahlt bekommen.</i></div><div dir="auto" style="background-color: white; font-family: georgia;">"So stand die Regelung auf dem Papier, in der Praxis ging die Sache freilich nicht so glatt. Immerhin kam damit Geld in die Lager, und der Hunger nahm ab. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht seit jener Währungsreform der gesamte Lebensstandard der sowjetischen Bevölkerung sich merklich gehoben hätte. Zwar waren alle Waren, die nicht zum Notwendigsten gehören, unerschwinglich teuer geworden, die einfachsten Nahrungsmittel aber, vor allem das Brot, waren nun billig zu haben. Der Rubel hatte jetzt etwa die Kaufkraft von 0,10 Reichsmark im Jahre 1938. Ein Kilo schwarzes, nasses Brot kostete jetzt 3 Rubel, Ein Pfund Margarine 9 Rubel – wer von uns nun 70-100 Rubel im Monat ausbezahlt bekam, konnte so viel zusetzen, dass sein Körper bei der Arbeit wenigstens nicht mehr abbaute, was freilich der Fall war, solange ma<span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="font-size: small;">n auf die immer noch kärgliche Norm-Verpflegung angewiesen blieb." (S.257)</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; font-family: georgia;"><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="font-size: small;">"</span>Wichtiger aber war, dass am zweiten Abend in Asbest einer von den alten Lagerinsassen zu mir kam und mich fragte, ob es zutreffe, dass ich Pastor sei. Als ich bejahte, setzte er sich zu mir mit allen Zeichen der Freude, und lud mich ein, ich möchte doch zu dem kleinen Bibelkreise kommen, in dem sie sich hier wöchentlich zusammenfänden. [...] </div><div dir="auto" style="background-color: white; font-family: georgia;">Bei Landsleuten im irdischen Sinne kann er dann freilich immer noch große Enttäuschung erleben; aber das Landsleute solcher Art wie ich sie hier fand, bei aller Menschlichkeit nur Geschenk und Hilfe sein würden, das war mir unzweifelhaft; wer sich hier um die Bibel scharte, der war mein Landsmann noch in einem höheren Sinne und stand in der gleichen Art zu leben und gerade das hiesige Leben zu leben wie ich." (S.261)</div><div dir="auto" style="background-color: white;"><div style="font-family: georgia;">"Wir waren nun innerhalb des Regimelagers der so genannte 'Regimezug', der Zug der besonders schweren Verbrecher, und konnten daraus entnehmen, was in den Papieren, die uns von Moskau hierher begleitet hatten wohl gestanden haben mochte." (S.262)</div><div dir="auto" style="font-family: georgia;">"Sie aber reduzierten sich, wenn ich als Laie den soziologischen Anschauungsunterricht, den uns das Lagerleben gab, recht verstanden habe, auf die beiden Fragen, wieviel Kapital vorhanden ist und wie dieses Kapital geleitet wird. Kapital entsteht natürlich nur als Produktionsleistung. Sie ist also wohl die Voraussetzung, mit ihr ist aber noch nichts entschieden. Es fragt sich, wieviel Kapital zum Lebensverbrauch ausgeschüttet wird. Solange die Lagerleitung aus unserem Verdienst nur wenig Geld für die geringen Mengen von zusätzlichem Essen zur Verfügung stellte, handelte sie wie die sowjetische Regierung, die den größten Teil des entstehenden Kapitals in Neuinvestitionen zum Aufbau der Rüstungsindustrie steckt; [...]" (S.263/264)</div><div dir="auto"><span style="font-family: times;"><i>Ein Kamerad mit volkswirtschaftlichen Kenntnissen erläuterte G</i>.:</span><span style="font-family: georgia;">" [...] Wenn das Geld reicht, dann erst kann sich die soziale Moral beim Unternehmer durchsetzen. Seit die Brigaden in der Karriere [<i>Produktion von Asbest</i>] sich Butter aufs Brot streichen und Pralinen kaufen, habt ihr anderen auch mehr Suppe und mehr trockenes Brot. So ist es überall auf der Welt!" Mir gaben diese Beobachtungen Veranlassung, gegen meinen gewohnten Antikapitalismus kritisch zu werden. Die Frage, warum die englische Arbeiterbewegung einen so anderen Kurs einschlug, als Max in ihrer Frühzeit sich von ihr erhofft hatte, und warum heute die kommunistische Demagogie entgegen Marx' Vorhersage nicht in den hochkapitalistischen Ländern, sondern in den Ländern mit unterentwickeltem Kapitalismus die Massen gewinnt, beantwortet sich mir nun auf eine mir unerwartete Weise:. Die soziale Frage in ihrer materiellen Form, gestellt durch die Verelendung großer Massen, entsteht nicht durch den Kapitalismus, das heißt durch die privatwirtschaftlich organisierte industrielle Produktion an sich, sondern durch den unentwickelten Kapitalismus, und sie wird lösbar nicht durch den revolutionären Sturz des Kapitalismus, sondern durch seine Weiterentwicklung und Demokratisierung. Der hochentwickelte Kapitalismus, in dem zugleich die Organisationen der Massen auf die besitzende Schicht drücken, beseitigt das Elend, das er in seiner unentwickelten Form produzierte, [...]" (S.265)</span></div><div dir="auto"><span style="font-family: georgia;"><span>"</span>Meine sozialistischen Freunde mögen mir den Vergleich, der sich mir dort aufdrängte, verzeihen, aber ich konnte mich ihm nicht entziehen: War die Gesellschaft eines solchen Kriegsgefangenenlagers nicht das Muster einer sozialistischen Gesellschaft im kleinen? Es gab keinen Privatbesitz an Produktionsmitteln. Was jeder besaß, war das, was ihm nach Abzug der für das Gemeinwesen nötigen Summen zum privaten Verbrauch von seinem Verdienst ausgehändigt wurde. Es gab keine Arbeitslosigkeit, kein arbeitsloses Einkommen, kein Recht zur Faulheit. Es herrschte vollkommene soziale Sicherheit: Wir mussten uns nicht um Arbeit und Verdienst, nicht um ärztliche Betreuung und um unsere Existenz im Falle der Invalidität sorgen. Alles, was uns zustand, war gesetzlich festgelegt, und wir lebten davon, dass das uns Zustehende uns zugeteilt wurde. Die Gefahren, in die der einzelne gerät, wo er auf sich selbst gestellt den Kampf ums Dasein bestehen muss wie in der bürgerlichen Gesellschaft, waren alle beseitigt. Es war allseitig für uns gesorgt – und wir können für unseren Vergleich einmal davon absehen, dass das immer noch kärglich genug war. [...] Es trat nicht ein die Aufhebung der Abhängigkeit des Menschen von der Macht anderer Menschen, das Verschwinden der Klassenschichtung und die Entstehung eines neuen Gemeinschaftsethos. An die Stelle der Macht einzelner Men/schen war nicht die Macht des Gesetzes getreten, sondern immer noch stand es sehr in der Macht einzelner, wo ich zur Arbeit eingesetzt wurde, wie mein Verdienst verrechnet wurde, ob ich nach oben kam oder unten blieb. Und keineswegs war der Arbeitende und gerade der schwer Arbeitenden auf der obersten Stufe des sozialen Leiter, sondern oben stand der Funktionär, der Aufsichtsführende, der Bürokrat." (S.266/67)</span></div><div dir="auto"><span style="font-family: georgia;">"[...] ich wurde die Frage nicht mehr los, ob das alles (und es wäre noch mehr zu nennen, vor allem die dadurch entstandene Unfähigkeit, für sein Leben und Werk selbst verantwortlich zu denken, die heimliche Interessenlosigkeit an der Arbeit, weil bei ihr nicht meine eigene Existenz auf dem Spiel steht, der fehlende Antrieb zur eigenen Gestaltung des Lebens, das fraglose Handeln nach Vorschrift, kurz die Charakterzüge des 'Lagermenschen') nicht zur unvermeidlichen Eigenart einer sozialistisch geregelten Gesellschaft gehört." (S.267)</span></div><div dir="auto"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></div><div dir="auto"><span style="font-family: times;"><i>In der Freiheit ist G. dann zu einer anderen Position gelangt</i>:</span><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="font-size: small;"> </span></div><div dir="auto"><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="font-size: small;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Helmut_Gollwitzer">Wikipedia</a>: "</span><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;">Als Professor an der </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Freie_Universit%C3%A4t_Berlin" style="background-attachment: initial; background-clip: initial; background-image: none; background-origin: initial; background-position: initial; background-repeat: initial; background-size: initial; color: #0645ad; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px; overflow-wrap: break-word;" title="Freie Universität Berlin">Freien Universität Berlin</a><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;"> war er ein enger Freund und Wegbegleiter von </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Rudi_Dutschke" style="background-attachment: initial; background-clip: initial; background-image: none; background-origin: initial; background-position: initial; background-repeat: initial; background-size: initial; color: #0645ad; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px; overflow-wrap: break-word;" title="Rudi Dutschke">Rudi Dutschke</a><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;">.</span><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15px; text-wrap: nowrap;"> [...] </span><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;">Er engagierte sich für die </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/68er-Bewegung" style="background-attachment: initial; background-clip: initial; background-image: none; background-origin: initial; background-position: initial; background-repeat: initial; background-size: initial; color: #0645ad; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px; overflow-wrap: break-word;" title="68er-Bewegung">68er-Studentenbewegung</a><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;">, war befreundet mit </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Rudi_Dutschke" style="background-attachment: initial; background-clip: initial; background-image: none; background-origin: initial; background-position: initial; background-repeat: initial; background-size: initial; color: #0645ad; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px; overflow-wrap: break-word;" title="Rudi Dutschke">Rudi Dutschke</a><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;"> und Seelsorger von </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrike_Meinhof" style="background-attachment: initial; background-clip: initial; background-image: none; background-origin: initial; background-position: initial; background-repeat: initial; background-size: initial; color: #0645ad; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px; overflow-wrap: break-word;" title="Ulrike Meinhof">Ulrike Meinhof</a><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;">, setzte sich auch als Mitglied der </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Internationale_der_Kriegsdienstgegner/innen" style="background-attachment: initial; background-clip: initial; background-image: none; background-origin: initial; background-position: initial; background-repeat: initial; background-size: initial; color: #0645ad; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px; overflow-wrap: break-word;" title="Internationale der Kriegsdienstgegner/innen">Internationale der Kriegsdienstgegner/innen</a><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;"> (IDK) gegen </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Vietnamkrieg" style="background-attachment: initial; background-clip: initial; background-image: none; background-origin: initial; background-position: initial; background-repeat: initial; background-size: initial; color: #0645ad; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px; overflow-wrap: break-word;" title="Vietnamkrieg">Vietnamkrieg</a><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;"> und </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Wettr%C3%BCsten" style="background-attachment: initial; background-clip: initial; background-image: none; background-origin: initial; background-position: initial; background-repeat: initial; background-size: initial; color: #0645ad; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px; overflow-wrap: break-word;" title="Wettrüsten">Wettrüsten</a><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;"> ein. [...]</span><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;"> 1980 wurde er ehrenamtlicher </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Bew%C3%A4hrungshelfer" style="background-attachment: initial; background-clip: initial; background-image: none; background-origin: initial; background-position: initial; background-repeat: initial; background-size: initial; color: #0645ad; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px; overflow-wrap: break-word;" title="Bewährungshelfer">Bewährungshelfer</a><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;"> für den aus der Haft entlassenen </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Horst_Mahler" style="background-attachment: initial; background-clip: initial; background-image: none; background-origin: initial; background-position: initial; background-repeat: initial; background-size: initial; color: #0645ad; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px; overflow-wrap: break-word;" title="Horst Mahler">Horst Mahler</a> [<span style="font-family: times;"><i>Dessen <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Horst_Mahler#Hinwendung_zum_Rechtsextremismus">Hinwendung zum Rechtsextremismus</a> erfolgte erst fünf Jahre nach Gollwitzer Tod.</i>..]</span><span face="sans-serif" style="color: #202122;">.</span><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;">Hier kommt Gollwitzers eigenständiger </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Sozialismus" style="background-attachment: initial; background-clip: initial; background-image: none; background-origin: initial; background-position: initial; background-repeat: initial; background-size: initial; color: #0645ad; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px; overflow-wrap: break-word;" title="Sozialismus">Sozialismus</a><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;"> ins Spiel: Der verheißenen Zukunft Gottes entspricht in der Gegenwart ein Standort des Christen, der die gegebene Wirtschafts- und Sozialordnung kritisch „unterhöhlt“, sie in Richtung gerechterer, sozialerer Verhältnisse umstürzt und verändert, da sie den Armen hier und jetzt keine Zukunft bieten kann. Damit folgt der Christ unter den heutigen Bedingungen Jesus selber nach, der diesen Kampf für die „<a href="https://www.lebenshaus-alb.de/magazin/006092.html">Befreiung zur Solidarität</a>“ (Buchtitel Gollwitzers) mit den Armen unter damaligen Bedingungen führte und vorlebte. Die Freiheit, die uns Gottes Gnade schenkt, besteht nicht im Festhalten von Privilegien, sondern im Dienst an und im Teilen mit den Armen. [...] </span><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;">Seit etwa 1970 war Gollwitzer bekannt für die klare und in der deutschen evangelischen Theologie fast nur von ihm vertretene These: „Sozialisten können Christen, Christen müssen Sozialisten sein“ (zitiert nach </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Grimme" style="background-attachment: initial; background-clip: initial; background-image: none; background-origin: initial; background-position: initial; background-repeat: initial; background-size: initial; color: #0645ad; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px; overflow-wrap: break-word;" title="Adolf Grimme">Adolf Grimme</a><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;">).</span></div><div dir="auto"><span style="font-family: georgia;">"Was für Manipulationen, Bestechungen und Berechnungen nötig sind, um einer Brigade an einer schlechten Baustelle, bei der jeder einzelne wegen der hohen Normen, der schlechten Löhne, die die Firma zahlte (denn auch hier gab es große Unterschiede und keineswegs einen einheitlichen Tarif), und der schlechten Arbeitsbedingungen keine Aussicht hat, über die dem Lager zufallenden 450 Rubel hinaus zu verdienen, dennoch einen Verdienst zu ermöglichen, Der für jeden ihrer Angehörigen noch 100 Rubel abfallen lässt, das zu schildern würde zu weit führen – genug dass es gelang." (S.269)</span></div><div dir="auto"><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;"><br /></span></div><div dir="auto"><span style="color: #202122; font-size: 15.75px;"><span style="font-family: georgia;"><b>Vom Leben des Sowjetmenschen</b> </span></span><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;">(S.273ff.)</span></div></div></span><div><span style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;">"Wir denken von nicht gegebenen Voraussetzungen her, wenn wir bei dem Funktionär eines totalitären Regimes die Frage nach der Echtheit seine Überzeugung stellen. Sie setzt die Möglichkeit freier Entscheidung und selbstständiger Meinungsbildung voraus, die er nie hatte. Seine Entscheidung für den Kommunismus ist eben so frei und echt, wie unsere Entscheidung, nicht vor einen fahrenden D-Zug zu springen: wenn er leben will, hat er keine andere Wahl. Nur wenn er innerlich dem Christentum begegnet, gewinnt er überhaupt erst die Freiheit der Entscheidung und solche Fälle kommen immer wieder vor, weniger sicher bei höheren Funktionieren als bei einfachen Partei- und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Komsomol">Komsomol</a>-Mitgliedern." (S. 289)</span></span><br /><div><i>Es wäre interessant, wenn man den Gollwitzer mit seinem damaligen Reflexionsstand über die Möglichkeit von Untertanen des Putinregimes zur Fähigkeit von Russen zur freien Meinungsbildung über den russischen Angriff auf die Ukraine befragen könnte. </i> </div></div></div><div><br /></div><div><i>Im Folgenden werde ich die Zitate nicht hintereinander weg vorstellen, wie sie im Buch stehen, sondern die für die Gesamtaussage wichtigsten als erstes zu schreiben versuchen und die anderen nach und nach nachzureichen suchen, wie es sich ergibt. </i></div><div><i><span style="font-family: georgia;"><br /></span></i></div><div><span style="font-family: georgia;"><span style="background-color: white;"><i>"</i></span><span style="background-color: white; color: #222222;">Wie solche unermüdliche und beständige Arbeit aussieht,/ das sah ich, als ich Weihnachten 1946 in das Fabriklager in Beschiza kam. Drei evangelische Geistliche und ein katholischer Theologiestudent waren unter den dortigen Gefangenen. In einem von ihnen aber brannte in besonderer Weise das Feuer der Liebe zu seinem Herrn und zu den Menschen, die der Herr sucht. Er zeigte uns, was Unermüdlichkeit heißt, und wurde dadurch unser wahrer Bischof. Er war ein Vikar der Berliner <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Bekennende_Kirche">Bekennenden Kirche</a>; was in dem Kampf um die Kirche in den vergangenen Jahren der eigentliche Sinn gewesen war, nicht die Abwehr, nicht der Kampf nach außen, sondern die Erneuerung der Kirche, das war in ihm zur Kraft geworden, und so setzte er das Bekenntnis, dem er in der Freiheit sich verpflichtet hatte, hier in der Gefangenschaft fort." (S.305/306)</span></span></div><div><span style="font-family: georgia;"><span style="background-color: white; color: #222222;"><br /></span></span></div><div><span style="font-family: georgia;"><span style="background-color: white; color: #222222;">"Wie ich in <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Asbest_(Stadt)">Asbest</a> auf den dortigen Bibelkreis gestoßen bin, habe ich schon erzählt. Er wurde uns gerade in dem letzten Jahr mit seinen neuen Bedrängnissen, von denen später noch zu berichten ist, zu einer tröstlichen Heimat und war in mancher Hinsicht lehrreich. Er war eine höchst ökumenische Gemeinde. [...] Sein Ursprungskern bestand aus einer Gruppe, die man als Pietisten der verschiedenen Schattierungen bezeichnen konnte: die zur Landeskirche gehörigen stammten aus dem rheinischen Pietismus, dem <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Entschieden_f%C3%BCr_Christus">EC</a> und dem CVJM, einer kam von der Gruppe <a href="https://www.deutsche-biographie.de/sfz107960.html">Fritz von der Ropps</a> und einer aus einer schwäbischen Missionarsfamilie. Dazu traten zwei Baptisten, ein <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Br%C3%BCderbewegung#Name">Darbyst</a> [</span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/John_Nelson_Darby" style="background: none rgb(255, 255, 255); color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="John Nelson Darby">John Nelson Darby</a>] <span style="background-color: white; color: #222222;">und ein durch die <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Theophil_Krawielitzki">Krawelitzkische</a> <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Gemeinschaftsbewegung">Gemeinschaft</a> erweckter Arzt, auch einer, der seine Herkunft aus der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Pfingstbewegung">Pfingstbewegung</a> nicht verleugnen konnte. Als der Kreis sichg mehrte, umfasste er schließlich noch einige Landeskirchliche, einige Katholiken, einen Griechisch-Unierten, einen <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Emanuel_Swedenborg">Swedenborgianer</a> und einen, der der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Science">Christian Science</a> nahestand. (S.313)</span></span></div><div><i><br /></i></div><div><span style="font-family: georgia;">"Es ergab sich g<span style="background-color: white; color: #222222;">anz notwendig, dass wir uns nicht zum Ziele setzen konnten, einander von der Richtigkeit je unserer besonderen Anschauung zu überzeugen, den anderen zu unserer Konfession zu bekehren. [...] Wir mussten einander ruhig stehen lassen in dem, was den einen von dem anderen als besondere Überzeugung trennte. Dieses Trennende wurde nicht ängstlich totgeschwiegen, aber die Auseinandersetzung darüber blieb aus dem gemeinsamen Zusammenkünften verbannt. Im Einzelgespräch kam es zur Aussprache darüber, mehr aber mit dem Ziele, einander die Aufgabe zu verdeutlichen, im Bereiche der eigenen Konfession auch in der Heimat die Erfahrungen des hiesigen ökumenisches Zusammenseins wirksam zu machen." (S.315)</span></span></div><div><i><br /></i></div><div><span style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;">"Jetzt erwies sich das Evangelium als das Licht, dass auch die aussichtsloseste Lage erhellt, d. h. das auch der fürchterlichen Sinnlosigkeit eines solchen Schicksals einen Sinn gibt. Wer davon nicht erreicht wurde, dem blieb nur stoische oder dumpfe Resignation oder Anklammerung an eine vage Hoffnung bis zu der verzweifelten Hoffnung auf einen Krieg, dessen wahrscheinlichste Opfer ja die Gefangenen selbst sein würden. Wer aber auch in dieser Lage das Evangelium mit dem Herzen hören durfte, dem versprach es volle Sinngebung, indem es die irdische Zeit als bloßen Durchgang auf das ewige Leben hin zeigte (wie töricht erschienen uns nun die, die in dieser Verheißung christliche Weltflucht gesehen hatten!), indem es beharrliche Gegenwart des Wortes Gottes verhieß und konkrete Aufgaben in Aussicht stellte dadurch, dass es an die Leidensgefährten erinnerte, für die einer da sein konnte, und schließlich indem es zeigte, dass einer auch einsam in einem Kerker verfaulend bis zum letzten Atemzuge Kraft erhalten kann, Gott zu loben und darin einen unverlierbaren Sinn jeder Stunde zu finden. Weil es das Evangelium des Kreuzes und der Auferstehung ist, kann es halten, was es verspricht." (S.328)</span></span></div>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-79181381241300180082024-03-16T11:15:00.025+01:002024-03-18T08:24:16.228+01:00 Marquez: Leben, um davon zu erzählen<p><span style="font-family: georgia;"> <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Gabriel_Garc%C3%ADa_M%C3%A1rquez">Marquez</a>: <i><a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Living_to_Tell_the_Tale">Leben, um davon zu erzählen</a>, </i>2002 (<a href="https://www.perlentaucher.de/buch/gabriel-garcia-marquez/leben-um-davon-zu-erzaehlen.html">Perlentaucher</a>)</span></p><div><span style="font-family: georgia;"><br /></span></div><div><span style="font-family: georgia;">"[...] <span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: white; color: #222222; font-size: normal;">Sie war morgens in B. eingetroffen, kam aus dem fernen Städtchen, in dem die Familie wohnte, und hatte keine Ahnung, wie sie mich finden sollte. Sie fragte hier und dort bei Bekannten nach, und man gab ihr den Hinweis, in der Buchhandlung Mundo oder in den Cafés der Umgebung zu suchen, wo ich mich zweimal täglich mit meinen Schriftstellerfreunden zu treffen pflegte. [...] Mit ihrem leichtfüßigen Schritt bahnte sie sich den Weg durch die Büchertische, stand vor mir, schaute mir mit dem schalthaften Lächeln ihrer besten Tage in die Augen und sagte, noch bevor ich reagieren konnte: "Ich bin deine Mutter." (S.9)</span></span></div><div><span style="font-family: georgia;"><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: white; color: #222222; font-size: normal;">"</span><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: white; color: #222222; font-size: normal;">Natürlich konnten weder meine Mutter noch ich damals ahnen, wie bestimmend dieser harmlose zweitägige Ausflug für mich sein sollte, so dass auch das längste und arbeitsamste Leben nicht ausreichen würde, erschöpfend davon zu erzählen." (S.11)</span></span></div><div><span style="font-family: georgia;"><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: white; color: #222222; font-size: normal;">"</span><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: white; color: #222222; font-size: normal;">Es begann an einem besonders schlimmen Sonnabend, als ein rechtschaffener Ortsansässiger, dessen Name nicht überliefert ist, mit einem Kind an der Hand in eine Bar trat und um ein Glas Wasser für den Kleinen bat. Ein Fremder, der allein am Tresen stand, wollte den Jungen zwingen, statt des Wassers einen Schluck Rum zu trinken. Der Vater versuchte das zu verhindern, der Fremde bestand jedoch darauf, bis der verängstigte Junge aus Versehen mit einem Handschlag den Rum verschüttet. Woraufhin der Fremde ihn ohne viel Federlesens mit einem Schuss niederstreckte.</span></span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;">Das war ein weiteres Gespenst meiner Kindheit. Papalelo erwähnte die Geschichte des Öfteren, wenn wir zusammen in einer Bar eine Erfrischung trinken wollten, aber es klang so unwirklich, dass nicht einmal er daran zu glauben schien. [...] Vom Täter war nur bekannt, dass er im gezierten Tonfall der Andenbevölkerung sprach, also richteten sich die Repressalien gegen jeden der vielen verhassten Fremden, der genauso sprach. Trupps von Einheimischen, bewaffnet mit Zuckerrohrmacheten, fielen in die finsteren Straßen ein, packten sich jede unkenntliche Gestalt, auf die sie in der Dunkelheit stießen und befahlen:</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;">'Sprechen!'</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;">Nur aufgrund der Aussprache hieben sie mit der Machete auf ihr Opfer ein, ohne zu bedenken, dass es bei so vielen verschiedenen Akzenten unmöglich war, gerecht zu verfahren." (S. 56/57)</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;">"Meine Mutter wuchs in diesem verlorenen Nest zur Frau heran, und alle Liebe konzentrierte sich auf sie, nachdem der Typhus Margarita Maria Miniata dahingerafft hatte. Auch sie war kränklich. Das Wechselfieber hatte ihr eine ungewisse Kindheit beschert, als sie aber vom letzten Anfall genas, tat sie dies so gründlich und ein für alle Mal und war fort an so gesund, dass sie ihren 97. Geburtstag mit ihren elf Kindern und vier weiteren ihres Ehemannes, mit 65 Enkeln, 88 Urenkeln und 14 Urenkeln feiern konnte. Nicht gezählt die, von denen man nie erfahren hat." (S.59)</span><br clear="all" style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: normal;" /></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;">Sie war eine erfolgreiche Schülerin, nur nicht in der Klavierstunde, die ihr von der Mutter auferlegt worden war, weil diese sich keine anständige junge Dame vorstellen konnte, die nicht zugleich eine virtuoser Klavierspielerin war. Gehorsam mühte sich Luisa Santiaga drei Jahre lang und gab dann eines Tages auf, weil sie der täglichen Fingerübungen in der drückenden Siestazeit überdrüssig war. Ihre Charakterstärke war die einzige Tugend, die ihr in der Blüte ihrer 20 Jahre wirklich nutzte, als die Familie entdeckte, dass sie zu dem jungen und stolzen Telegrafisten von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Aracataca">Aracataca</a> in Liebe entbrannt war. In meiner Jugend war die Geschichte dieser angefeindeten Liebe für mich eine Quelle des Staunens." (S.60)</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;"><i><br /></i></span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;"><i>Ganz offenbar hat Marquez </i><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="color: #222222; font-size: normal;"><i>auch seine Autobiographie </i></span><i style="background-color: transparent;">im Stil des </i><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Magischer_Realismus#Lateinamerikanische_Literatur" style="background-color: transparent;">magischen Realismus</a><i style="background-color: transparent;"> geschrieben. Ich hebe mir die Lektüre seiner Werke auf, bis ich mich mit diesem Stil mehr angefreundet habe. Immerhin habe ich die <a href="https://fontanefan3.blogspot.com/2010/08/gottergesprach.html">Aeneis </a>von Vergil erst, nachdem sie 40 Jahre in meinen Bücheregalen gestanden hat, ernsthaft zur Lektüre vorgenommen. Sehr gut denkbar, dass es in diesem Fall weit schneller geht.</i></span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;"><i style="background-color: transparent;"><br /></i></span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;"><span><i style="background-color: transparent;">"</i></span><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="font-size: normal;">In eben der Zeit kam es zu einem Zwischenfall, mit dem meine Eltern meine Gefühle dermaßen erschüttert haben, dass davon eine nur schwer zu vergessende Narbe zurückblieb. Es war an einem Tag, an dem sich meine Mutter von plötzlicher Sehnsucht erfasst ans Klavier setzte und <i>Cuando el baile se acabò </i>zu klimpern begann, den historischen Walzer ihrer heimlichen Liebe, und mein Vater in romantischer Verspieltheit seine Geige entstaubte, um meine Mutter darauf zu begleiten, obwohl eine Saite fehlte. Sie fiel mühelos in seinen Stil der romantische Nächte ein, spielte besser denn je und sah ihn schließlich beglückt über die Schulter an, wobei sie merkte, dass seine Augen feucht von Tränen waren. 'An wen denkst du?' fragte meine Mutter in wilder Einfalt. "An das erste Mal, als wir ihn zusammen gespielt haben,' erwiderte er vom Walzer inspiriert. Woraufhin meine Mutte wütend mit beiden Fäusten auf die Tasten schlug.</span></span></div><div style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;">'Das war nicht ich, du Jesuit!', schrie sie laut. 'Du weißt sehr wohl, mit wem du den Walzer gespielt hast, und du weinst um sie.'</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;">Sie nannte keinen Namen, damals nicht und auch später nie, doch der Schrei ließ uns Kinder an verschiedenen Stellen des Hauses vor Entsetzen erstarren. Louis Enrique und ich, die wir immer geheime Gründe hatten, etwas zu fürchten, versteckten uns unter den Betten. Aida floh ins Nachbarhaus, und Margot verfiel in ein plötzliches Fieberdelirium, das drei Tage dauerte Dabei waren selbst die kleineren Geschwister an die Eifersuchtsexplosionen meiner Mutter gewohnt, ihre Augen standen dann in Flammen, und ihre römische Nase wurde scharf wie ein Messer. Wir hatten erlebt, wie sie mit seltener Ruhe die Bilder im Salon abgehängt und eins nach dem anderen im klirrenden Glashagel auf dem Boden schmetterte. Wir hatten sie dabei ertappt, wie sie Stück für Stück die Kleidung meines Vaters beschnüffelte, bevor sie In den Wäschekorb kam. Nach der Nacht des tragischen Duetts geschah erst einmal nichts, doch dann transportierte der florentinische Klavierstimmer das Klavier ab, um es zu verkaufen, und die Geige vermoderte endgültig neben dem Revolver im Schrank.</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia; font-size: normal;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Barranquilla#Geschichte">Barranquilla</a> war damals ein Vorbild für zivilen Fortschritt, für einen gemäßigten Liberalismus und eine friedliche politische Koexistenz." (S.157)</span></div><div><br /></div><div><i>Ich halte es für möglich, dass das, was E. Falcke in der ZEIT als <span style="font-size: x-normal;">"</span></i><span face="Verdana, Helvetica, sans-serif" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-size: x-normal;"><span>nicht völlig gebändigt</span>"</span></span><i> bezeichnet,
in meinen Augen das Interessantere ist. In Kunstwerken will der Künstler Wahrheit bieten. Wenn er das in seiner Autobiographie tut, nimmt er mir die Möglichkeit, andere Aspekte seines Lebens zu sehen als die, die er mir zeigen will. - Bei Fontane und Thomas Mann, die ich um ihres Stils und ihrer Weltdarstellung willen liebe, ist mir das wichtiger als ihre Tagebücher, bei Christa Wolf, die ich wegen einiger ihrer Werke und ihrer literarisch-politischen Lebensleistung willen schätze, bin ich ihr dankbar für ihr einzigartiges Tagebuch "</i><a href="https://fontanefan3.blogspot.com/2023/10/christa-wolf-ein-tag-im-jahr.html">Ein Tag im Jahr</a><i>", bei Frisch liebe ich die Tagebücher als Vorbereitung von Werken und Vorstellung von Werken, die er als Einzelwerke wohl nicht hatte veröffentlichen wollen, insbesondere für die Fragebögen im </i><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Tagebuch_1966%E2%80%931971">Tagebuch 1966 - 1971</a><i>, die für mich eindeutig einen Höhepunkt seines Werks darstellen.</i></div>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-7568933500340333672024-03-10T20:02:00.006+01:002024-03-10T20:02:55.260+01:00Julia Franck: Die Streuselschnecke (2002)<p><a href="https://cdf.bildungslandschaft.berlin/wp-content/uploads/2021/03/AB-5-KG-Streuselschnecke.pdf"> https://cdf.bildungslandschaft.berlin/wp-content/uploads/2021/03/AB-5-KG-Streuselschnecke.pdf</a></p><p>Der Text berührt mich, wenn ich ihn mit den Berichten vergleiche, wo Erwachsene jahrelang mit Hilfe ihres Gencodes nach irgendwelchen Verwandten suchen. </p>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-33036894756378087102024-03-07T15:48:00.009+01:002024-03-07T16:05:28.556+01:00Brecht: Kriegsfibel<p><i>Brecht dichtete die Vierzeiler zu aus Illustrierten ausgeschnittenen Fotos, damit sie nicht im Sinne der Kriegsverherrlichung interpretiert werden konnten. Er nannte die Kombination „<span style="font-family: Times New Roman, serif;"><span>Fotoepigramm“. </span></span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ruth_Berlau">Ruth Berlau</a><span style="font-family: Times New Roman, serif;"><span> schrieb dazu: "</span></span></i><span style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">Dieses Buch will die Kunst, lehren, Bilder zu lesen." <i>Denn für den,." der nicht darin geübt sei, sei es</i> " ebenso schwer, ein Bild zu lesen wie irgendwelche.Hieroglyphen</span></p><div>2</div><div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">"Was macht ihr, Brüder?" – "Einen Eisenwagen."</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">Und was aus diesen Platten dicht daneben?</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">"Geschosse, die durch Eisenwände schlagen."</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">"Und warum all das, Brüder?" – "Um zu leben."</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;"><br /></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">13</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">Er war zwar ihres Feindes Feind, jedoch</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">War etwas an ihm, was man nicht verzeiht</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">Denn seht: ihr Feind war seine Obrigkeit.</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">So warfen sie ihn als Rebell ins Loch.</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;"><br /></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">15</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">Wir sind's, die über deine Stadt gekommen</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">Oh Frau, die du um deine Kinder bangst!</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">Wir haben dich und sie aufs Ziel genommen</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">Und fragst du uns warum, so wiss': aus Angst</div></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;"><br /></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">17</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;"><div>Noch bin ich eine Stadt, doch nicht mehr lange.</div><div>Fünfzig Geschlechter haben mich bewohnt</div><div>Wenn ich die Todesvögel jetzt empfange:</div><div>In tausend Jahren erbaut, verheert in einem Mond.</div></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;"><br /></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;"><i>Zum Foto einer beim Anblick ihres</i></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;"><i>toten Kindes schreienden Frau </i></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;"><i>im britisch kolonisierten Singapur, </i></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;"><i>das von Japan bombardiert worden ist:</i></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;"><br /></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;"><div dir="auto">Oh Stimme aus dem Doppeljammerchore</div><div dir="auto">Der Opfer und der Opferer in Fron</div><div dir="auto">Der Sohn des Himmels, Frau, braucht Singapore</div><div dir="auto">Und niemand als du selbst braucht deinen Sohn.</div></div><p><br /></p><p><b>Dazu:</b></p><p><a href="https://www.freitag.de/autoren/sabine-kebir/wie-ruth-berlaus-und-bertolt-brechts-kriegsfibel-entstand ">"Schneiden Sie aus!"</a> der Freitag, 22.2.2024 von Sabine Kebir</p><div> "Ein in seiner Bedeutung bislang unterschätztes Antikriegswerk Bertolt Brechts ist die Kriegsfibel. Sie entstand aus einer im Exil angelegten Sammlung von Kriegsfotos, ausgeschnitten aus deutschen Zeitungen und aus Blättern in Brechts skandinavischen Exilländern sowie den USA. Kombiniert mit Vierzeilern, die Brecht zu den Aufnahmen dichtete, wurde daraus die erst 1955 erschienene Kriegsfibel, ein Gemeinschaftswerk mit Brechts Mitarbeiterin und Geliebten <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ruth_Berlau">Ruth Berlau</a>. </div><div>Seit 1937 sammelten sie Zeitungsbilder, beginnend mit Aufnahmen aus dem Spanischen Bürgerkrieg, sodass ein erster Grundstock für das spätere Werk entstand. Aus dem finnischen Exil dankte Berlau 1941 dem in Dänemark gebliebenen Freund Knud Rasmussen enthusiastisch für die Illustrierte <i>Billedbladed</i>, die bei "himself" Jubel ausgelöst habe. [...]</div><div><span style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;">Das Publikum, dem die ursprüngliche propagandistische Funktion mancher Fotos aus der NS- Zeit noch gegenwärtig war, forderte er auf, Bilder grundsätzlich zu prüfen. Hintergründe zu erforschen und gegebenenfalls neu zu kontextualisieren. Mit der Kriegsfibel erwies er sich als gewiefter Medien- und Kommunikationsexperte, der seiner Zeit weit voraus war.</span></span><span style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">"</span></div><div><br /></div>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-56221221854073661022024-03-05T07:33:00.022+01:002024-03-07T07:44:43.309+01:00Joan Baez, Bob Dylan, ...<p> Wer nur die Zusammenarbeit von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Joan_Baez">Joan Baez</a> und<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Bob Dylan"> Bob Dylan</a> kennt, kennt nicht einmal die Hälfte dieser Geschichte. Nicht nur, weil Joan Baez und Bob Dylan jede(r) ihre eigene <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Joan_Baez:_I_Am_a_Noise">Geschichte</a> haben, weil die Zusammenarbeit nur kurze Zeit dauerte: Sie die Pazifistin, die dafür auch ins <a href="https://web.archive.org/web/20160322013601/http://www.spiegel.de/spiegel/kulturspiegel/d-61630120.html">Gefängnis</a> ging und er der Dichter, der sich nicht auf äußere Ziele festlegen lassen wollte, sondern nur <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Bob_Dylan%E2%80%99s_Greatest_Hits_Volume_3">seinem Werk</a> lebte, sondern weil neben dieser Zusammenarbeit und Rivalität auch die der Schwester <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Mimi_Fari%C3%B1a">Mimi</a> Baez sowie die des Ehepaares Mimi und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Richard Fariña">Dick </a><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Fari%C3%B1a" style="background: none rgb(255, 255, 255); color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Richard Fariña"><span style="font-family: times;">Fariña</span></a>, auch hier Sängerin und Dichter, bestand. Die hat <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/David_Hajdu">David Hajdu</a> in <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Positively_4th_Street">Positively 4th Street</a> geschildert, seinerseits ein Buch<span><span style="font-size: x-small;"> [</span><a href="https://archive.nytimes.com/www.nytimes.com/books/first/h/hajdu-01street.html">hier</a><span style="font-size: x-small;"> seine Schilderung der Kindheit der Schwestern]</span></span> und ein Song von Bob wie <span style="font-family: times;"><span style="background-color: white; color: #202122;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Like_a_Rolling_Stone" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Like a Rolling Stone">Like a Rolling Stone</a> oder sein Album </span><span style="background-color: white; color: #202122;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Highway_61_Revisited" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Highway 61 Revisited">Highway 61 Revisited</a>. Wieso jetzt aber Henry Miller auslassen oder <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Jens_Rosteck">Jens Rostecks</a> Buch </span></span><a href="https://musicheadquarter.de/buecher/joan-baez-jens-rosteck-portraet-einer-unbeugsamen/">Joan Baez Porträt einer Unbeugsamen</a>, oder die Geschichte der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Protestlied">Protestsongs</a>, des <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Country-Musik">Country</a>, die Geschichte des <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Popmusik">Pop</a> überhaupt und Bobs <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Polar_Music_Prize">Musiknobelpreis</a> (2000) und des <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Nobelpreis_f%C3%BCr_Literatur">Nobelpreises für Literatur</a> (2016) übergehen?</p><p>Wenn man den hier eingesetzten Wikipedialinks folgt, erhält man ein umfassenderes Bild als ich mit meiner Lektüre von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Jens_Rosteck" style="font-family: times;">Jens Rostecks</a><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: times;"> <a href="https://www.amazon.de/Joan-Baez-Portr%C3%A4t-einer-Unbeugsamen/product-reviews/3955101428">Buch</a> (Amateurrezensionen <a href="https://www.amazon.de/Joan-Baez-Portr%C3%A4t-einer-Unbeugsamen/product-reviews/3955101428/ref=cm_cr_arp_d_viewpnt_lft?filterByStar=positive&pageNumber=1">pro</a> und <a href="https://www.amazon.de/Joan-Baez-Portr%C3%A4t-einer-Unbeugsamen/product-reviews/3955101428/ref=cm_cr_arp_d_viewpnt_rgt?filterByStar=critical&pageNumber=1">contra</a>), trotzdem will ich bei bei Gelegenheit noch über meine Lektüre des Buchs berichten.</span></p><p><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: times;"><i>Rosteck schreibt überhaupt nicht ausgewogen, er ist uneingeschränkt beeindruckt:</i></span></p><p><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: times;">"Nie ließ sie sich vereinnahmen, nie gab sie sich parteiisch, nie saß sie - die Stimme des Protests schlechthin - einer Ideologie auf. Nie wurde sie müde, ihre Maxime 'Ich trage keine Scheuklappen' zu wiederholen, angesichts der Anfeindungen durch hartnäckige Kritiker." (S.12)</span></p><p><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: times;"><i>Er erwähnt die Kritik, macht sie sich aber nicht zu eigen, sondern baut begründeter Kritik vor - etwa an ihrer scharfen Kritik an dem noch vielseitiger hochbegabten Bob Dylan in der Zeit ihres Zerwürfnisses mit ihm - mit:</i> "Man konnte ihre Kompromisslosigkeit gelegentlich mit Starrsinn oder Besserwisserei verwechseln." (S.12) Ästhetische Kritik, Kritik an Starkult und Vergötterung durch ihre Fans wehrt er ab, indem er ihre Prioritäten anführt: "Alles, was letztlich zählte, war ihr Einsatz für die Benachteiligten dieser Erde, bedingungslose Friedfertigkeit ihr wichtigstes Anliegen - und ein immerwährender Kampf für ihre Durchsetzung. Ausnahmslos mit rein künstlerischen Mitteln ausgefochten." (S.13)</span></p><p><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: times;">Diese Prioritäten übernimmt er, ohne ihr Handeln an Effizienz und Effektivität zu messen, wie das gegenwärtig fast durchgängig der Maßstab für alles gesellschaftliche Handeln ist.</span></p><p><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: times;">Was heute als unerlaubt gilt, Einsatz für Benachteiligte, ohne andere mit ihnen in Konflikt Stehende ebenfalls Geschädigte ausdrücklich anzuführen (Engagement für <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Palästinenser">Palästinenser</a> als eine Form von "<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Antisemitismus">Antisemitismus</a>"); sich zur Stimme von Unterdrückten zu machen, ohne dass man ihre Herkunft und ihr spezifisches Schicksal teilt ("<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kulturelle_Aneignung">kulturelle Aneignung</a>"), das lässt er als Kritik nicht gelten, weil damals Unterdrückte meist keine Mindestanforderungen an die stellten, die sie unterstützen wollten. </span></p><p><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: times;">Und bevor er Joan Baez' Lebensstufen schildert, stellt er - ohne sich an Chronologie zu halten - ihren Einsatz für Opfer bestimmter Verhältnisse dar. </span></p><p><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: times;">2005: Aktivisten belagern den <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Prairie_Chapel_Ranch">Ferien-Wohnsitz</a> von George W. Bush und fordern von ihm Rechenschaft für den Tod eines Opfers des Irakkrieges <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Cindy_Sheehan#Casey_Sheehan">Casey Sheehan</a>, J. Baez singt. (S.23ff.)</span></p><p><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: times;">1978: Ein Rock-Konzert mit <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Frank_Zappa">Frank Zappa</a>. J. Baez singt nur mit akustischer Gitarre. (Diesmal nicht für Opfer, doch </span><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: times;">Rosteck bewundert sie für ihren Mut für den Stilbruch und dafür, dass sie damit ankommt.) </span><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: times;">(S.27ff.)</span></p><p><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: times;">Mai 1966: J. Baez gibt ein Konzert vor wenigen ausgesuchten parteitreuen in der DDR, setzt durch, dass der mit Auftrittsverbot belegte <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Wolf_Biermann">Wolf Biermann</a> es besuchen darf, und singt ausdrücklich für ihn:<i> <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Oh,_Freedom">Oh, Freedom</a></i>. (S.21ff.)</span></p><p><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: times;">28.8.1963: Die 22-jährige J. Baez singt auf dem</span><span style="font-family: times;"><span style="background-color: white; color: #202122;"> </span><span style="background-color: white; color: #202122;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Marsch_auf_Washington_f%C3%BCr_Arbeit_und_Freiheit">March on Washington for Jobs and Freedom</a><i> </i></span><span style="background-color: white; color: #202122;">und dirigiert die Teilnehmer zum Refrain von Oh, Freedom und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/We_Shall_Overcome">We shall Overcome</a><i>. </i>Martin Luther King hält seine Rede <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/I_Have_a_Dream">I have a Dream</a>.</span></span></p><p><span style="font-family: times;"><span style="background-color: white; color: #202122;">Durch diese Zeitsprünge übergeht er die Frage nach der Tragik des frühen Erfolgs, die sich bei Stars im Sport (Boris Becker) oder im Showgeschäft des öfteren stellt. Vergleiche mit <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Madonna_(K%C3%BCnstlerin)">Madonna</a> (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Pop-Ikone">Pop-Ikone</a>) oder <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Paris Hilton">Paris Hilton</a> (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/It-Girl">it-Girl</a>) drängen sich nicht auf, auch wenn Rosteck al Kapitelüberschrift für die Kindheit Nowhwere Girl (S.45) verwendet. Denn J. Baez hat trotz ihres teilweise finanziellen Erfolgs keine kommerzielle Karriere gemacht, sondern wurde beim </span></span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Marsch_auf_Washington_f%C3%BCr_Arbeit_und_Freiheit" style="font-family: times;">March on Washington for Jobs and Freedom</a> als junge Erwachsene für einen Auftritt ausgesucht, was sie in eine Reihe mit bereits weltbekannten Showstars brachte.</p><p>Nowhwere Girl (Kindheit und Jugend, S.45-80)</p><p><i>Nach den Berichten über das Stimmwunder und den kometenhaften Aufstieg und den unerschütterlichen vom Elternhaus übernommenen Pazifismus rechnet man nicht mit Panikattacken und ständigen Brechanfällen in der Jugend, nicht damit, dass die ständigen Ortswechsel aufgrund der Berufsentscheidungen des Vaters heimatlos und ohne Bindungen an einen Freundeskreis machten. Man rechnet nicht damit, dass sie ihre Stimme durch fortwährendes Manipulieren an ihrem Kehlkopf zurecht trimmt, nicht damit, dass sie vom Vater sich ganz unverstanden fühlt und der nicht, weiß, was er mit ihr anfangen soll, ihr hilflos gegenüber steht. Rechnet nicht damit, dass die entscheidende Erziehung zum Pazifismus im Sinne Gandhis erst durch</i> <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Ira_Sandperl">Ira Sandperl</a> <i>erfolgt.</i></p><p><i>Der Umzug des Vaters ans MIT in Cambridge führt die Familie dann in das Studentenmilieu von Boston und Harvard, wo sie Anerkennung findet.</i> "Innerhalb weniger Monate hatte Joan sich einen Namen gemacht in den wenigen Quadratkilometern rund um den Harvard Square und damit auf den Brettern, die damals die Welt für sie bedeuteten. [...] Zum ersten Mal in ihrem jungen Leben durfte sie richtig glücklich sein und sich begehrenswert fühlen." (S.76)</p><p>Lady Madonna (Der Aufstieg, S.81ff.)</p><p>Begegnung mit Bob Dylan</p><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;">"Richtig an ihn heran kommt Joan allerdings kaum, auch dann nicht, als sie bereits ein Paar sind. 'Er hält uns alle auf Abstand, abgesehen von jenen ganz seltenen Momenten, nach denen wir alle gieren.' Ihre Zuneigung zu ihm wächst jedoch stündlich, der Ton in den Briefen an Big Joan, wenn sie über ihr Zusammensein Bericht erstattet, wird zusehends euphorischer. [...] 'Wir sahen dieses verwahrloste, kleine, dreckige menschliche Wesen mit dem blassen Gesicht auf die Bühne gehen und seinen <i><a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Song_to_Woody">Song to Woody</a></i> singen.' Sein rauer, ungehobelter Vortragsstil lässt sie innehalten, wirkt aufwühlend auf sie. Das Ruppige und Kauzige an ihm zieht sie in den Bann. Zärtlich tauft sie ihn ihren 'Dada-König'. (S.107)</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;"><br /></span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;">"Sie spürt mehr denn je zuvor, dass ihr bisheriges Repertoire, ausnahmslos Folk-Oldies Songs aus der Child-Sammlung und Traditionals, schon seit langem viel zu begrenzt ist und sie zunehmend einengt. 'Ich wusste nicht, wie ich diese Lücke füllen sollte – es lagen nun / mal nicht überall tolle neue Protestsongs herum.' Auf Anhieb erkennt sie, dass Dylan alle jene Anliegen, die ihr am Herzen liegen, mit seinen Liedern auf den Punkt bringt und den Zuhörern damit eine Vision eröffnet; sie reißt sich daher um jede neue Frucht seines Schaffens, stürzt sich auf seine Songs wie eine Verdurstende. Ringt ihm mehr als einmal das Versprechen ab, diese Perlen innovativer Kunst als Erste interpretieren zu dürfen, nimmt für jede neue Solo- Platte mehrere Dylan-Titel auf. [...]</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;">Baez kann mit Dylans Songs endlich das Image der Artigen und Harmlosen loswerden; ihr Agieren und ihr Gesang sind endlich deckungsgleich. Alles Nostalgische wird von nun an eliminiert. Ein immenser Zuwachs an künstlerischer und politischer Identität ist für sie zu verzeichnen. Und einige seiner Songs verwandelt sie sich auf eine derart vereinnahmende Weise an, erfüllt sie dermaßen mit Leben, Seele und Inbrunst, dass man glauben könnte, sie seien ihre eigenen 'brain children', und macht sie im Handumdrehen zu Klassikern ihres Repertoires.".(S.108/109)</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;"><i>Für mich hat diese Passage etwas Komisches:</i> Ihr Ton "</span><span style="font-family: times;">wird zusehends euphorischer. [...] 'Wir sahen dieses verwahrloste, kleine, dreckige menschliche Wesen [...]" </span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;">Sie "</span><span style="font-family: times;">stürzt sich auf seine Songs wie eine Verdurstende. [...] </span><span style="font-family: times;">Ein immenser Zuwachs an künstlerischer und politischer Identität". <i>Wie kann man durch fremde Texte Zuwachs an </i>'Identität' <i>gewinnen? </i></span><span style="font-family: times;">stürzt sich auf seine Songs wie eine Verdurstende. <i>Vorher hat Roseck es besser getroffen: Er findet dichterische Worte für das, was sie weitergeben will</i>. </span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;"><br /></span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;"><i>Nach dieser Phase der Gemeinsamkeit hat Dylan aber genug von den politisch ausgerichteten Songs und wendet sich dem Rock zu. Bei seiner Tour durch Großbritannien im Frühjahr 1965 fährt sie zwar noch in seinem Tross, aber er genießt seine Show für sich allein, holt sie nicht auf die Bühne. Der Bruch ist eindeutig.</i> (S.110-122)</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;"><i>1975/76 gehen die beiden aber noch einmal auf eine gemeinsame Konzertreise </i></span><span style="background-color: transparent; color: #1f1f1f;"><span style="font-family: Times New Roman, serif;"><span style="font-size: small;">"begleitet
von einer ganzen Schar musikalischer und literarischer Paradiesvögel,
auf der Bühne der Rolling Thunder Revue, e</span></span></span><span style="background-color: transparent; color: #222222;"><span face="Arial, Helvetica, sans-serif"><span style="font-size: small;">i</span></span></span><span style="background-color: transparent; color: #222222;"><span style="font-family: Times New Roman, serif;"><span style="font-size: small;">nem
karnevalesken Wanderzirkus der Sonderklasse, und touren damit quer
durch die Vereinigten Staaten. Geschminkt, verkleidet, tanzend, changierende Identitäten ausprobierend und zusammen eine herrliche,
unbeschwerte Zeit genießend. [...] Selten hat man Baez und Dylan so
unbeschwert und natürlich erlebt wie auf dieser kunterbunten
Konzertreise".<i> Joan spielt dann auch noch als "Woman
in White" in Dylans Filmcollage </i></span></span></span><span style="background-color: transparent; color: #222222;"><span style="font-family: Times New Roman, serif;"><span style="font-size: small;">Renaldo
und Clara</span></span></span><span style="background-color: transparent; color: #222222;"><span style="font-family: Times New Roman, serif;"><span style="font-size: small;"><i>
mit.</i> (S. 124)</span></span></span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;"><i>2015 sagt Joan Baez im Rückblick: </i>"Die paar Jahre, die ich mit ihm auf der Bühne stand, waren jedenfalls glorios. Es war schlicht die beste Zeit meines Lebens." (S.125)</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;"><br /></span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;">Mit (einem Gott auf ihrer Seite: Baez singt Dylan (S.127-135)</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;"><span>"Als Interpretin blieb Baez Dylans vielseitigen Schöpfungen auch treu, als er sich längst von der Ära der Friedensmärsche, des Kampfes gegen die Rassentrennung und des Civil-Rights- Movement losgesagt bzw. emanzipiert hatte. Selbst wenn sie sich mit seinem Verzicht auf konkretes Engagement, seinen Unwillen [!] zu direkten Stellungnahmen und seiner Abkehr von politischer Aktualitätl ange Zeit nicht abfinden mochte. [...] 'Dylans Name', so prophezeite Baez schon Mitte der 1980er Jahre in ihren Memoiren würde 'auch in Zukunft dermaßen mit der Rad die kahlen Bewegungen der Sixties in Verbindung gebracht werden, dass er, mehr als alle anderen, die auf ihn folgten [...] für alle Zeiten in die Geschichtsbücher Eingang finden würde als ein Anführer, der Widerspruchsgeist verkörperte und dem es um sozialen Wandel zu tun war. Ob es ihm gefiel oder nicht.' [...] Dylan gehörte zu ihrem ganz persönlichen 'Welt'-Kulturerbe." </span>(S.131/132) Andererseits lässt sie sich "zu Dylan-Parodien hinreißen: indem sie sich über seinen Gesangstil mokierte" (S.133)</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;"><br /></span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Pazifismus">Peacenik</a>, Häftling, Troubadour (S.136-160)</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;"><br /></span></div><div dir="auto" style="background-color: white;"><i><span style="font-family: times;"><span style="color: #222222;">1968 heiratet sie den <span style="color: #202122;">Journalisten</span></span><span style="color: #202122;"> </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/David_Harris_(Journalist)" style="background-attachment: initial; background-clip: initial; background-image: none; background-origin: initial; background-position: initial; background-repeat: initial; background-size: initial; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="David Harris (Journalist)">David Harris</a><span style="color: #202122;">, dem Gründer der<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Draft_evasion_in_the_Vietnam_War"> </a></span><a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Draft_evasion_in_the_Vietnam_War">Draft evasion in the Vietnam War</a>, lebt mit ihm zusammen, bis er ins Gefängnis kommt. Beim <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Woodstock-Festival">Woodstock-Festival</a> ist sie mit ihrem Sohn Gabriel (*Dez. 1969) im 6. Monat schwanger. Als Harris 1970 entlassen wird, hat sie sich aber schon wieder von ihm gelöst. Die Ehe hat nur bis 1973 Bestand.</span></i></div><div dir="auto" style="background-color: white;"><div style="color: #222222;"><span style="font-family: times;">" 'Ich weiß einfach nicht, wie Künstler überhaupt mit einer Person verheiratet sein können', hadert sie im Gespräch mit einer deutschen Ärztin und Musikkritikerin, und gibt auf die Nachfrage, warum nicht, zur Antwort: 'Weil da immer etwas ist, was du für interessanter hältst, gerade dort, um die nächste Ecke, und manchmal ist es auch so.'</span></div><div style="color: #222222;"><span style="font-family: times;">Die so überaus kurze Ehe mit Harris, über die sie ständig widersprüchliche Aussagen trifft – einerseits 'passen wir perfekt zusammen', andererseits soll die Verbindung von Beginn an dem Untergang geweiht gewesen sein –, zerbricht denn auch keinesfalls aufgrund von Bagatellen oder Launenhaftigkeit. [...] 'Ich konnte nicht länger versuchen, eine Ehefrau zu sein. Nur das Alleinsein passt zu mir, und so habe ich es seitdem auch gehalten.' Sie räumt ein, hoffnungslos promiskuitiv gewesen zu sein. Oder sie konstatiert mit entwaffnender Ehrlichkeit: 'Es ist unmöglich, mit mir zu leben.' [...]Es ist für mich keine Option, im selben Haus mit irgendjemandem zu leben. Manchmal fühle ich mich sehr, sehr einsam. Aber ich ziehe diese Einsamkeit dem verzweifelten Gefühl des Scheiterns vor, das mich befällt, sobald mir klar wurde, dass es mir nie gelingen würde', eine ideale Gattin oder, eine Nummer kleiner, einfach nur Harris' Ehefrau zu sein." (S.203)</span></div></div><div dir="auto"><span style="font-family: arial; font-size: x-small;"><i style="background-color: white;"><span face="sans-serif"><span>"</span></span></i><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;">1972 reiste sie in der Weihnachtszeit mit einer Delegation der </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Friedensbewegung" style="background: none white; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Friedensbewegung">Friedensbewegung</a><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;"> nach </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Nordvietnam" style="background: none white; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Nordvietnam">Nordvietnam</a><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;">. Dort wurde sie von der US-Militäraktion </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Linebacker_II" style="background: none white; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Operation Linebacker II">Operation Linebacker II</a><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;"> (bekannt auch als </span><i style="background-color: white; color: #202122;">Christmas Day Bombing</i><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;">) überrascht, bei der die US-Luftwaffe zwölf Tage lang </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Hanoi" style="background: none white; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Hanoi">Hanoi</a><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;"> massiv bombardierte; viele Menschen wurden dabei getötet, die Stadt schwer beschädigt. Baez und ihre Mitreisenden überlebten den Angriff.</span><sup class="reference" id="cite_ref-18" style="background-color: white; color: #202122; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; line-height: 1; text-wrap: nowrap; unicode-bidi: isolate;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Joan_Baez#cite_note-18" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;">[18]</a></sup><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;"> Nach eigenen Angaben wurde sie von dem Erlebnis schwer </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Trauma_(Psychologie)" style="background: none white; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Trauma (Psychologie)">traumatisiert</a><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;">. Das 1973 erschienene Album </span><i style="background-color: white; color: #202122;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Where_Are_You_Now,_My_Son%3F" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Where Are You Now, My Son?">Where Are You Now, My Son?</a></i><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;"> gibt im gleichnamigen vertonten Gedicht, das mit live aufgenommenen Tonbandaufzeichnungen des Geschehens vor Ort untermalt ist, in einer Länge von etwa 21 Minuten die Eindrücke von Joan Baez’ Erleben in Hanoi wieder.</span><sup class="reference" id="cite_ref-19" style="background-color: white; color: #202122; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; line-height: 1; text-wrap: nowrap; unicode-bidi: isolate;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Joan_Baez#cite_note-19" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;">[19]</a></sup><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;"> Auch nach Beendigung des Vietnamkriegs engagierte sich Baez weiterhin in </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%BCdostasien" style="background: none white; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Südostasien">Südostasien</a><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;">. In den 1980er-Jahren reiste sie mit einer humanitären Organisation nach </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kambodscha" style="background: none white; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Kambodscha">Kambodscha</a><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;">, um Lebensmittel und Medikamente in den besonders notleidenden Westen des Landes zu bringen. [...] </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%A1clav_Havel" style="background: none white; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Václav Havel">Václav Havel</a><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;"> sprach sie „entscheidenden Einfluss auf die </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Samtene_Revolution" style="background: none white; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Samtene Revolution">samtene Revolution</a><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;">“ in der </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Tschechoslowakei" style="background: none white; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Tschechoslowakei">Tschechoslowakei</a><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;"> von 1989 zu. Im selben Jahr veröffentlichte sie den Protestsong </span><i style="background-color: white; color: #202122;">China</i><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;">, in dem sie die blutige Niederschlagung des Volksaufstandes auf dem </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Tian%E2%80%99anmen-Platz" style="background: none white; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Tian’anmen-Platz">Tian’anmen-Platz</a><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;"> (</span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Tian%E2%80%99anmen-Massaker" style="background: none white; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Tian’anmen-Massaker">Tian’anmen-Massaker</a><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;">) anprangerte. [...] </span><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;">Sie sang gegen Diktaturen und </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Putsch" style="background: none white; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Putsch">Militärputsche</a><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;"> in </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%BCdamerika" style="background: none white; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Südamerika">Südamerika</a><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;"> und gründete 1979 die </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Menschenrechtsorganisation" style="background: none white; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Menschenrechtsorganisation">Menschenrechtsorganisation</a><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;"> „</span><a class="new" href="https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Humanitas_International_Human_Rights_Committee&action=edit&redlink=1" style="background: none white; color: #ba0000; overflow-wrap: break-word;" title="Humanitas International Human Rights Committee (Seite nicht vorhanden)">Humanitas International Human Rights Committee</a><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;">“, die sich um </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Boatpeople" style="background: none white; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Boatpeople">Boatpeople</a><span face="sans-serif" style="color: #202122;"><span style="background-color: white;"> aus Vietnam kümmerte.[</span><span style="background-color: #fcff01;">*</span><span style="background-color: white;">] Sie leitete die Organisation, bis diese 1992 ihre Dienste einstellte.</span></span><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;">"</span></span><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;"> </span><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122; font-size: 15.75px;">(</span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Joan_Baez" style="background-color: white; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px;">Wikipedia</a><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122; font-size: 15.75px;">) </span></div><div dir="auto" style="color: #222222;"><span style="font-family: times;"><span style="color: #202122;"><span face="sans-serif" style="background-color: white; font-size: 15.75px;">[</span><span face="sans-serif" style="background-color: #fcff01; font-size: 15.75px;">*</span><span style="background-color: white;"><span face="sans-serif" style="font-size: 15.75px;">] </span><i>Dazu wurde sie von </i></span></span></span><span style="background-color: white; color: #202122;"><span style="font-family: times;"><i><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ginetta_Sagan">Ginetta Sagan</a> angeregt, die mit ihr das Engagement für <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Amnesty_International">Amnesty International</a> teilte.</i></span></span></div><div dir="auto" style="color: #222222;"><span style="background-color: white; color: #202122;"><span style="font-family: times;"><i><br /></i></span></span></div><div><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;"><br /></span></div><div dir="auto" style="background-color: white;"><br /></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;"><br /></span></div>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-82886754714610707672024-03-04T20:40:00.007+01:002024-03-04T21:07:11.412+01:00 Gerhard Schick: Die Bank gewinnt immer<p><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Schick"> Gerhard Schick</a>: <a href="https://www.campus.de/buecher-campus-verlag/wirtschaft-gesellschaft/wirtschaft/die_bank_gewinnt_immer-16214.html">Die Bank gewinnt immer</a> (mit Leseprobe) (<a href="https://www.perlentaucher.de/buch/gerhard-schick/die-bank-gewinnt-immer.html">Perlentaucher</a>)</p><h4 style="background-color: white; border: 0px; box-sizing: border-box; color: #222222; line-height: 15px; margin: 0px; outline: 0px; padding: 0px 0px 4px; text-transform: uppercase;"><span style="font-family: times;">KLAPPENTEXT</span></h4><div class="smaller" style="background-color: white; border: 0px; box-sizing: border-box; color: #222222; line-height: 16.5px; margin: 0px; outline: 0px; padding: 0px;"><span style="font-family: times;">Der Finanzmarkt zieht uns das Geld aus der Tasche. Unfairer Umgang mit Sparvermögen und unserer Altersvorsorge, gigantischer Steuerbetrug und dreiste Immobilienspekulation machen uns das Leben schwer. Eine fehlgesteuerte Finanzindustrie birgt Crashgefahr und schafft immer neue Probleme - bei den globalen Herausforderungen, aber auch im Alltag der Bürger und Verbraucher. Sie ist zu groß, zu mächtig und zu intransparent. Und sie vergiftet das gesellschaftliche Klima. Es ist höchste Zeit für eine Finanzwende, sagt der quer durch alle politischen Lager hoch geschätzte Finanzexperte Gerhard Schick. Neue Regeln und Maßnahmen müssen her und kriminelle Akteure gestoppt werden.</span></div><p><b>Zitate:</b></p><p>Die BaFin sieht sich "bisher vor allem als Solvenzaufsicht, mit anderen Worten, zuständig dafür, Pleiten zu verhindern. Andere Bereiche klammert die Behörde am liebsten aus. Statt wegzuschauen sollte die BaFin ihre Kompetenz systematisch gegen illegale Finanzmarktgeschäfte einbringen." (S.50)</p><div dir="auto">"Ist der wirtschaftlich Berechtigte einer Immobilie nicht feststellbar oder wird er vom im Grundbuch eingetragenen Strohmann-Eigentümer nicht offengelegt, sollte die Immobilie nach einer Übergangszeit in Bürgerhand übergehen. Damit ist gemeint, dass sich niemand hinter komplexen Firmenkonstruktionen oder Scheinfirmen verstecken darf. Die Gemeinde sollte dann über die Immobilie im Sinne des Gemeinwohls verfügen." (S.51)</div><div dir="auto"><br /></div><div dir="auto">"Um die Steuer Flucht in Schattenfinanzzentren weniger attraktiv zu machen und gleichzeitig die Unternehmen an den verursachten Kosten zu beteiligen, könnte eine Strafgebühr auf Transaktionen mit Unternehmen, die ihren juristischen Sitz in einer Steueroase haben, ein probates Mittel sein. Um hier eine Lenkungswirkung zu entfalten, müssten diese Sanktionen aber automatisch erfolgen und sich für die Betroffenen empfindlich bemerkbar machen." (S.52)</div><div><br style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;" /></div><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgrJPRxKAlg39rvIV6CHECVWLpKgsdeVKPJgTCo9UfELAEyf4nG0Ma3RB1eeim7GC018mAqMgHmoVUnI_0WVTDAZKDPCjQiIGIgujlewy8aOsUv7MQdz0V2a-3ZkJPv7sK4e3PiClAG3rvABVt_fpSnjU1kJJKG3ht2ozvevVR81l3JHJF7B6CxC5xt6lQI/s581/Inhalt1a_Sn.jpg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="581" data-original-width="362" height="997" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgrJPRxKAlg39rvIV6CHECVWLpKgsdeVKPJgTCo9UfELAEyf4nG0Ma3RB1eeim7GC018mAqMgHmoVUnI_0WVTDAZKDPCjQiIGIgujlewy8aOsUv7MQdz0V2a-3ZkJPv7sK4e3PiClAG3rvABVt_fpSnjU1kJJKG3ht2ozvevVR81l3JHJF7B6CxC5xt6lQI/w620-h997/Inhalt1a_Sn.jpg" width="620" /></a></div><br /><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhV0f9GWkdedVPy4MD4vLI6aMwwnKIrrMRSCdRAIX10whZf1iXiiKbkV04JqXIlT0oEbjQMNdTx5SwJUJ0AJEA0QMu5EbihQ_uFOzoenzdvVrjq1nuPekYoQGP363S62eYhI2SogxKwuif2fwkZtufz0GTn_2l2yAaGETyIRmH2zwPIBJ_w5SGOv1AIS6v6/s581/Inhalt1b.JPG" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="581" data-original-width="400" height="940" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhV0f9GWkdedVPy4MD4vLI6aMwwnKIrrMRSCdRAIX10whZf1iXiiKbkV04JqXIlT0oEbjQMNdTx5SwJUJ0AJEA0QMu5EbihQ_uFOzoenzdvVrjq1nuPekYoQGP363S62eYhI2SogxKwuif2fwkZtufz0GTn_2l2yAaGETyIRmH2zwPIBJ_w5SGOv1AIS6v6/w646-h940/Inhalt1b.JPG" width="646" /></a></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><br /><div><br /></div><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjhA1z1WzmLGw8dH0oIcDa-B-ex1c0DXLMmGRJJp4U4HdR92N1c3CajSS62H5Umb7Awmk_a8SJHJ2sB5c1zdOmYB4jLBk41zBlrW8J_AqpCo6GC8BWfd6j79jKkUa3HUeIJRH5-1KCWZuQBFjE5k3UpwVFhAAYVjvBjymJeVzgcNAfLnHW6FdGAbbiPSJUj/s536/Inhalt2_Snapseed.jpg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="536" data-original-width="353" height="977" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjhA1z1WzmLGw8dH0oIcDa-B-ex1c0DXLMmGRJJp4U4HdR92N1c3CajSS62H5Umb7Awmk_a8SJHJ2sB5c1zdOmYB4jLBk41zBlrW8J_AqpCo6GC8BWfd6j79jKkUa3HUeIJRH5-1KCWZuQBFjE5k3UpwVFhAAYVjvBjymJeVzgcNAfLnHW6FdGAbbiPSJUj/w644-h977/Inhalt2_Snapseed.jpg" width="644" /></a></div><br /><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjXfkDozTw5mDnLhvqEt8q11RuPcLUOeiRtUmjVDOLwNDZwFNHQkX78DENAaRCof06PyTE-h28Iev19gOMnyck7drG9a9PMpQRzBmDTOFFaXdwmQHL2xtTzOLibac1wOja7urr5VBhlp_q4c8K6-1Tb21NLjUQvbBSYe-x569xUf40Mm0dtR1Ul3HUfXFxA/s347/Inhalt3_Snapseed.jpg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="150" data-original-width="347" height="266" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjXfkDozTw5mDnLhvqEt8q11RuPcLUOeiRtUmjVDOLwNDZwFNHQkX78DENAaRCof06PyTE-h28Iev19gOMnyck7drG9a9PMpQRzBmDTOFFaXdwmQHL2xtTzOLibac1wOja7urr5VBhlp_q4c8K6-1Tb21NLjUQvbBSYe-x569xUf40Mm0dtR1Ul3HUfXFxA/w617-h266/Inhalt3_Snapseed.jpg" width="617" /></a></div><br /><div><br /></div>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-9627698532917693032024-03-03T22:12:00.003+01:002024-03-03T22:12:27.121+01:00Wieder ein Blick ins Glasperlenspiel<p> Es ist bekannt, dass Hesse mit der Charakteristik des Vorgängers von Josef Knecht als Glasperlenspielmeister, als mit der von Thomas von der Trave, auf Thomas Mann anspielt.</p><p>Bei neuerlicher Lektüre des Abschnitts, wo Bertram, der Vertreter von Thomas von der Trave bei der Ausübung seines Amtes so versagt, dass er flieht und offenbar den Freitod sucht, kommt der im Sterben liegende Thomas nicht gut weg. Ob es eine Anspielung auf Goethes Ausnutzung seines Sohnes August sein könnte? Dann wäre es zwar ein sehr kritisher, aber für Thomas Mann sehr ehrenvoller Vergleich.</p><p>Ich denke dabei einerseits daran, wie Th. Mann Gerhart Hauptmann im Zauberberg eine eindrucksvolle, aber sehr unschmeichelhafte Rolle spielen lässt, und auch daran, wie er im Dr. Faustus seinen eigenen Liebling Frido in der Gestalt des Echo einen grausamen Tod sterben lässt. </p><p>Mag sein, der Künstler braucht eine Figur und nimmt aus seinem Leben eine, die für die Figur passt, die er an dieser Stelle des Werks braucht. Ist das wirklich zwingend notwendig? Welche Grenzen sollte literarische Fiktion einhalten? Wird seine Gestaltung nicht zu blutleer, wenn er seine eigensten Erfahrungen nicht einbringen darf?</p><p>Böse gesagt: Ist das Glasperlenspiel nicht ohnehin so abstrakt, dass solche Grenzüberschreitung des Bezugs auf reale Personen den Charakter des Werks sowieso nicht mehr wesentlich verändern kann.</p><p>Die Buddenbrooks sind voller lebensvoller Gestalten, dies nobelpreiswürdige Meisterwerk war einem jungen Autor nur möglich, indem er viel von seiner Erfahrungswelt möglichst unverändert aufnahm. Aber das Glasperlenspiel als ein für die gedankliche Aussage konstruiertes Werk hat diese Rechtfertigung nicht.</p><p>Doch, dass ich inzwischen wieder auf das Alterswerk Hesses zurückkomme, läaat erkennen, dass ich es doch immer wieder lesenswert finde. </p>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-82776022216332492572024-03-03T18:24:00.005+01:002024-03-03T18:28:29.485+01:00Frauen in der Gruppe 47<p> Nicole Seifert: Einige Herren sagten etwas dazu.</p><p><b>Klappentext:</b></p><p>Nicole Seifert erzählt die Geschichte der Gruppe 47 aus einer neuen Perspektive: der der Frauen. Ihr Ergebnis kommt einer Sensation gleich. "Einige Herren sagten etwas dazu" macht es zwingend, die deutsche Gegenwartsliteratur neu zu denken, die literarische Landschaft neu zu ordnen.Es waren viel mehr Autorinnen bei den berühmt-berüchtigten Treffen der Gruppe 47 als Ingeborg Bachmann und Ilse Aichinger, aber sie sind in Vergessenheit geraten, sie fielen aus der Geschichte heraus, wurden meist gar nicht miterzählt und wenn doch, dann nicht als Autorinnen ihrer Texte, sondern als begehrenswerte Körper oder als tragische Wesen. Nicole Seifert erzählt von den Erfahrungen der Autorinnen bei der Gruppe 47, von ihrem Leben in den Fünfziger- und Sechzigerjahren in der BRD und von ihren Werken. Ein Buch, das sofort große Lektürelust entfacht. Schriftstellerinnen wie Gisela Elsner und Gabriele Wohmann müssen neu gelesen, Schriftstellerinnen wie Ruth Rehmann, Helga M. Novak und Barbara König neu entdeckt werden. Ein ganz neuer Blick auf die Gruppe 47 und die Nachkriegsliteratur, der uns bis in die Gegenwart führt.</p><p><a href="https://www.perlentaucher.de/buch/nicole-seifert/einige-herren-sagten-etwas-dazu.html">Perlentaucher</a> mit Leseprobe</p><p>Antonia Baum in<a href="https://www.zeit.de/2024/10/gruppe-47-schriftsteller-frauen-literatur-geschichte"> Ein Frauenthema,</a> ZEIT 29.2.2024 über: Nicole Seifert: Einige Herren sagten etwas dazu.</p><p><br /></p><p>Mein eigener Eindruck: </p><p>Marie Luise Kaschnitz: <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Das_dicke_Kind">Das dicke Kind</a> wurde mir nicht über die Gruppe 47 bekannt. Bei den männlichen Autorenweiß ich schwer zu entscheiden. Grass und Johnson sprachen für sich. Sie lernte ich kennen und damit die Gruppe 47. Über Ingeborg Bachmann lernte ich, dass sie für wichtige Autoren der Gruppe wichtig war und zusammen mit Ilse Aichinger, die ich getrennt von Günter Eich kennenlernte, die Frau, die von der Gruppe ernst genommen wurde. Von ihren Texten tatsächlich nur Lyrik. Die Prosa blib mir fremd, bis ich über der Beschäftigung mit Frisch und Johnson mich bemüht habe, mit ihr etwas anzufangen.</p><p><a href="https://fontanefan3.blogspot.com/search/label/Drewitz">Ingeborg Drewitz</a> habe ich im Bewusstsein nie mit der Gruppe 47 verbunden, wohl aber damit, dass sie die Themen Nazizeit, Bundesrepublik und Frauenrolle in einer Weise verband, die mir viel zu sagen hatte, weit mehr als <a href="https://fontanefan3.blogspot.com/search/label/Grass">Günter Grass</a>. </p><p><i>Später mehr</i></p>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-24752029989909175782024-02-28T16:41:00.002+01:002024-02-28T16:42:47.581+01:00Charles Dickens: David Copperfield<p><span style="font-family: georgia;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Dickens"> Charles Dickens</a>: <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/David_Copperfield_(Roman)">David Copperfield</a></span></p><p><span style="font-family: georgia;">"[...] <span style="background-color: white; text-indent: 2em;">Um mit dem Beginn meines Lebens anzufangen, bemerke ich, daß ich, wie man mir mitgeteilt hat, und wie ich auch glaube, an einem Freitag um Mitternacht zur Welt kam. Es heißt, daß die Uhr zu schlagen begann, gerade als ich zu schreien anfing.</span></span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Was den Tag und die Stunde meiner Geburt betrifft, so behaupteten die Kindsfrau und einige weise Frauen in der Nachbarschaft, die schon Monate zuvor, ehe wir noch einander persönlich vorgestellt werden konnten, eine lebhafte Teilnahme für mich gezeigt hatten,</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">erstens: Daß es mir vorausbestimmt sei, nie im Leben Glück zu haben, und</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">zweitens: Daß ich die Gabe besitzen würde, Geister und Gespenster sehen zu können. Wie sie glaubten, hingen diese beiden Eigenschaften unvermeidlich all den unglücklichen Kindern beiderlei Geschlechts an, die in der Mitternachtsstunde eines Freitags geboren sind.</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Über den ersten Punkt brauche ich nichts weiter zu sagen, weil ja meine Geschichte am besten zeigen wird, ob er eingetroffen ist oder nicht.</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Was den zweiten anbelangt, will ich nur feststellen, daß ich bisher noch nichts bemerkt habe. – Vielleicht habe ich schon als ganz kleines Kind diesen Teil meiner Erbschaft angetreten und aufgebraucht. Ich beklage<a class="zenoTXKonk" href="http://www.zeno.org/Literatur/L/Dickens-Copperfield+Bd.+1" name="3" style="color: #1446c6; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; letter-spacing: 0px; text-decoration-line: none;" title="Vorlage">[3]</a> mich auch durchaus nicht, falls mir diese schöne Gabe vorenthalten bleiben sollte. Und wenn sich irgend jemand anders ihrer vielleicht bemächtigt hat, mag er sie in Gottesnamen behalten.</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Ich kam in einem Hautnetz zur Welt, das später um den niedrigen Preis von fünfzehn Guineen in den Zeitungen zum Verkauf ausgeschrieben wurde. Ob damals die Seereisenden gerade knapp bei Kasse waren oder schwach im Glauben und daher Korkjacken vorzogen, weiß ich nicht; ich weiß bloß soviel, daß nur ein einziges Angebot einlief und zwar von einem Anwalt der zugleich Wechselagent war und zwei Pfund bar und den Rest in Sherry geben wollte und es entschieden ablehnte, um einen höhern Preis diese Garantie gegen das Ertrinken zu erwerben. Die Annonce wurde zurückgezogen – denn was Sherry anbelangte, so wurde meiner armen lieben Mutter eigner Sherry gerade damals versteigert.</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Das Hautnetz wurde zehn Jahre später in unserer Gegend in einer Lotterie unter fünfzig Personen ausgeknobelt; je fünfzig Bewerber zahlten eine halbe Krone per Kopf, und der Gewinner hatte noch fünf Schillinge daraufzulegen. Ich selbst war gegenwärtig und erinnere mich, wie unbehaglich und verlegen mir zu Mute war, als ein Teil meines eignen Selbsts auf diese Weise veräußert wurde. Ich weiß noch, daß eine alte Dame mit einem Handkorb das Netz gewann und die ausgemachten fünf Schillinge in lauter Halfpennystücken zögernd herausholte.</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Es fehlten damals noch zwei und ein halber Penny, was man ihr nur mit einem großen Aufwand an Zeit und Arithmetik begreiflich machen konnte. Tatsache ist, daß die alte Dame wirklich nie ertrank, sondern triumphierend im Bette starb; zweiundneunzig Jahre alt.</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Ich ließ mir erzählen, daß sie sich bis an ihr Ende außerordentlich damit brüstete, in ihrem ganzen Leben niemals auf dem Wasser gewesen zu sein, höchstens auf einer Brücke, und daß sie bei ihrem Tee, dem sie sehr zugetan war, stets ihre Entrüstung über die Gottlosigkeit der Seeleute aussprach, die sich auf dem Meere »herumtrieben«.</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Es war vergebens, ihr vorzustellen, wie viele Annehmlichkeiten wir, den Tee zum Beispiel mit inbegriffen, dieser<a class="zenoTXKonk" href="http://www.zeno.org/Literatur/L/Dickens-Copperfield+Bd.+1" name="4" style="color: #1446c6; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; letter-spacing: 0px; text-decoration-line: none;" title="Vorlage">[4]</a> Unsitte verdanken. Stets erwiderte sie mit noch größerm Nachdruck und mit instinktivem Bewußtsein von der Gewalt ihres Einwandes: »Man hat sich trotzdem nicht herumzutreiben.«</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Um mich aber nicht selbst herumzutreiben und abzuschweifen, will ich wieder zu meiner Geburt zurückkehren.</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Ich erblickte in Blunderstone in Suffolk oder daherum, wie man in Schottland sagt, das Licht der Welt. Ich bin ein nachgebornes Kind. Meines Vaters Augen schlossen sich sechs Monate früher, als die meinigen sich öffneten.</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Es liegt etwas Seltsames für mich in dem Gedanken, daß mein Vater mich niemals gesehen hat, und noch Seltsameres in der schattenhaften Erinnerung aus meiner ersten Kinderzeit an den weißen Grabstein auf dem Kirchhof. Ich empfand unsäglichen Kummer, daß er dort draußen allein liegen mußte in der dunklen Nacht, während unser kleines Wohnzimmer warm und hell war von Feuer und Licht und das Tor unseres Hauses – fast grausam kam es mir manchmal vor – für ihn verriegelt und verschlossen. [...]"</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">(</span><span style="background-color: transparent;"><span style="font-family: georgia;">Charles Dickens: <a href="http://www.zeno.org/Literatur/M/Dickens,+Charles/Romane/Die+Lebensgeschichte,+Abenteuer,+Erfahrungen+und+Beobachtungen+David+Copperfields+des+J%C3%BCngeren/Erster+Band/Erstes+Kapitel">David Copperfield, 1. Band, 1. Kapitel</a>)</span></span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><br /></p>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-69011646928458447612024-02-26T04:37:00.005+01:002024-02-26T04:37:40.695+01:00Jean Paul: Das Testament<p> <span style="background-color: white;"><span style="font-family: georgia;">Solange Haßlau eine Residenz ist, wußte man sich nicht zu erinnern, daß man darin auf etwas mit solcher Neugier gewartet hätte – die Geburt des Erbprinzen ausgenommen – als auf die Eröffnung des van der Kabelschen Testaments. – Van der Kabel konnte der Haßlauer Krösus – und sein Leben eine Münzbelustigung heißen oder eine Goldwäsche unter einem goldnen Regen oder wie sonst der Witz wollte. Sieben noch lebende weitläuftige Anverwandte von sieben verstorbenen weitläuftigen Anverwandten Kabels machten sich zwar einige Hoffnung auf Plätze im Vermächtnis, weil der Krösus ihnen geschworen, ihrer da zu gedenken; aber die Hoffnungen blieben zu matt, weil man ihm nicht sonderlich trauen wollte, da er nicht nur so mürrisch-sittlich und uneigennützig überall wirtschaftete – in der Sittlichkeit aber waren die sieben Anverwandten noch Anfänger – sondern auch immer so spöttisch dareingriff und mit einem solchen Herzen voll Streiche und Fallstricke, daß sich auf ihn nicht fußen ließ: Das fortstrahlende Lächeln um seine Schläfe und Wulstlippen und die höhnische Fistelstimme schwächten den guten Eindruck, den sein edel gebautes Gesicht und ein Paar große Hände, aus denen jeden Tag Neujahrsgeschenke und Benefiz-Komödien und Gratiale fielen, hätten machen können; deswegen gab das Zuggevögel den Mann, diesen lebendigen Vogelbeerbaum, worauf es aß und nistete, für eine heimliche Schneuß aus und konnte die sichtbaren Beeren vor unsichtbaren Haarschlingen kaum sehen.</span></span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Zwischen zwei Schlagflüssen hatt' er sein Testament aufgesetzt und dem Magistrate anvertraut. Noch als er den Depositionsschein den sieben Präsumtiv-Erben halbsterbend übergab: sagt' er mit altem Tone, er wolle nicht hoffen, daß dieses Zeichen seines Ablebens gesetzte Männer niederschlage, die er sich viel lieber als lachende Erben denke denn als weinende; und nur einer davon,<a class="zenoTXKonk" href="http://www.zeno.org/Literatur/L/Jean+Paul-W,+1.+Abt.+Bd.+2" name="571" style="color: #1446c6; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; letter-spacing: 0px; text-decoration-line: none;" title="Vorlage">[571]</a> der kalte Ironiker, der Polizei-Inspektor Harprecht, erwiderte dem warmen: ihr sämtlicher Anteil an einem solchen Verluste stehe wohl nicht in ihrer Gewalt.</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Endlich erschienen die sieben Erben mit ihrem Depositionsschein auf dem Rathause, namentlich der Kirchenrat Glanz, der Polizei-Inspektor, der Hofagent Neupeter, der Hoffiskal Knoll, der Buchhändler Paßvogel, der Frühprediger Flachs und Flitte aus Elsaß. Sie drangen bei dem Magistrate auf die vom sel. Kabel insinuierte Charte und die Öffnung des Testaments ordentlich und geziemend. Der Ober-Exekutor des letztern war der regierende Bürgermeister selber, die Unter-Exekutores der restierende Stadt-Rat. Sofort wurden Charte und Testament aus der Rats-Kammer vorgeholt in die Ratsstube – sämtlichen Rats- und Erbherrn herumgezeigt, damit sie das darauf bedruckte Stadt-Sekret besähen – die auf die Charte geschriebene Insinuations-Registratur vom Stadtschreiber den sieben Erben laut vorgelesen und ihnen dadurch bekannt gemacht, daß der Selige die Charte dem Magistrate wirklich insinuiert und scrinio rei publicae anvertraut, und daß er am Tage der Insinuation noch vernünftig gewesen – endlich wurden die sieben Siegel, die er selber darauf gesetzt, ganz befunden. Jetzt konnte das Testament nachdem der Stadtschreiber wieder über dieses alles eine kurze Registratur abgefasset – in Gottes Namen aufgemacht und vom regierenden Bürgermeister so vorgelesen werden, wie folgt:</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Ich van der Kabel testiere 179* den 7. Mai hier in meinem Hause in Haßlau in der Hundsgasse ohne viele Millionen Worte, ob ich gleich ein deutscher Notarius und ein holländischer Dominé gewesen. Doch glaub' ich, werd' ich in der Notariatskunst noch so zu Hause sein, daß ich als ordentlicher Testator und Erblasser auftreten kann.</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Testatoren stellen die bewegenden Ursachen ihrer Testamente voran. Diese sind bei mir, wie gewöhnlich, der selige Hintritt und die Verlassenschaft, welche von vielen gewünscht wird. Über Begraben und dergleichen zu reden, ist zu weich und dumm. Das aber, als was Ich übrigbleibe, setze die ewige<a class="zenoTXKonk" href="http://www.zeno.org/Literatur/L/Jean+Paul-W,+1.+Abt.+Bd.+2" name="572" style="color: #1446c6; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; letter-spacing: 0px; text-decoration-line: none;" title="Vorlage">[572]</a> Sonne droben in einen ihrer grünen Frühlinge, in keinen düstern Winter.</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Die milden Gestifte, nach denen Notarien zu fragen haben, mach' ich so, daß ich für dreitausend hiesige Stadtarme jeder Stände ebenso viele leichte Gulden aussetze, wofür sie an meinem Todestage im künftigen Jahre auf der Gemeinhut, wenn nicht gerade das Revue-Lager da steht, ihres aufschlagen und beziehen, das Geld froh verspeisen und dann in die Zelte sich kleiden können. Auch vermach' ich allen Schulmeistern unsers Fürstentums, dem Mann einen Augustd'or, so wie hiesiger Judenschaft meinen Kirchenstand in der Hofkirche. Da ich mein Testament in Klauseln eingeteilt haben will, so ist diese die erste.</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p class="zenoPC" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: center;"><span style="font-family: georgia;">2te Klausel</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Allgemein wird Erbsatzung und Enterbung unter die wesentlichsten Testamentsstücke gezählt. Demzufolge vermach' ich denn dem Hrn. Kirchenrat Glanz, dem Hrn. Hoffiskal Knoll, dem Hrn. Hofagent Peter Neupeter, dem Hrn. Polizei-Inspektor Harprecht, dem Hrn. Frühprediger Flachs und dem Hrn. Hofbuchhändler Paßvogel und Hrn. Flitten vor der Hand nichts, weniger weil ihnen als den weitläuftigsten Anverwandten keine Trebellianica gebührt, oder weil die meisten selber genug zu vererben haben, als weil ich aus ihrem eigenen Munde weiß, daß sie meine geringe Person lieber haben als mein großes Vermögen, bei welcher ich sie denn lasse, so wenig auch an ihr zu holen ist. –</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Sieben lange Gesichtslängen fuhren hier wie Siebenschläfer auf. Am meisten fand sich der Kirchenrat, ein noch junger, aber durch gesprochene und gedruckte Kanzelreden in ganz Deutschland berühmter Mann, durch solche Stiche beleidigt – dem Elsasser Flitte entging im Sessionszimmer ein leicht geschnalzter Fluch – Flachsen, dem Frühprediger, wuchs das Kinn zu einem Bart abwärts – mehrere leise Stoß-Nachrufe an den seligen Kabel, mit Namen Schubjack, Narr, Unchrist usw., konnte der Stadtrat hören. Aber der regierende Bürgermeister Kuhnold winkte mit<a class="zenoTXKonk" href="http://www.zeno.org/Literatur/L/Jean+Paul-W,+1.+Abt.+Bd.+2" name="573" style="color: #1446c6; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; letter-spacing: 0px; text-decoration-line: none;" title="Vorlage">[573]</a> der Hand, der Hoffiskal und der Buchhändler spannten alle Spring- und Schlagfedern an ihren Gesichtern wie an Fallen wieder an, und jener las fort, obwohl mit erzwungenem Ernste:</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p class="zenoPC" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: center;"><span style="font-family: georgia;">3te Klausel</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ausgenommen gegenwärtiges Haus in der Hundsgasse, als welches nach dieser meiner dritten Klausel ganz so, wie es steht und geht, demjenigen von meinen sieben genannten Hrn. Anverwandten anfallen und zugehören soll, welcher in einer halben Stunde (von der Vorlesung der Klausel an gerechnet) früher als die übrigen sechs Nebenbuhler eine oder ein paar Tränen über mich, seinen dahingegangenen Onkel, vergießen kann vor einem löblichen Magistrate, der es protokolliert. Bleibt aber alles trocken, so muß das Haus gleichfalls dem Universalerben verfallen, den ich sogleich nennen werde. –</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Hier machte der Bürgermeister das Testament zu, merkte an, die Bedingung sei wohl ungewöhnlich, aber doch nicht gesetzwidrig, sondern das Gericht müsse dem ersten, der weine, das Haus zusprechen, legte seine Uhr auf den Sessionstisch, welche auf 11 1/2 Uhr zeigte, und setzte sich ruhig nieder, um als Testaments-Vollstrecker so gut wie das ganze Gericht aufzumerken, wer zuerst die begehrten Tränen über den Testator vergösse.</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">– Daß es, solange die Erde geht und steht, je auf ihr einen betrübtern und krausern Kongreß gegeben als diesen von sieben gleichsam zum Weinen vereinigten trocknen Provinzen, kann wohl ohne Parteilichkeit nicht angenommen werden. Anfangs wurde noch kostbare Minuten hindurch bloß verwirrt gestaunt und gelächelt; der Kongreß sah sich zu plötzlich in jenen Hund umgesetzt, dem mitten im zornigsten Losrennen der Feind zurief: wart auf! – und der plötzlich auf die Hinterfüße stieg und Zähne-bleckend aufwartete – vom Verwünschen wurde man zu schnell ins Beweinen emporgerissen.</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">An reine Rührung konnte – das sah jeder – keiner denken, so im Galopp an Platzregen, an Jagdtaufe der Augen; doch konnte in 26 Minuten etwas geschehen.<a class="zenoTXKonk" href="http://www.zeno.org/Literatur/L/Jean+Paul-W,+1.+Abt.+Bd.+2" name="574" style="color: #1446c6; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; letter-spacing: 0px; text-decoration-line: none;" title="Vorlage">[574]</a></span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Der Kaufmann Neupeter fragte, ob das nicht ein verfluchter Handel und Narrensposse sei für einen verständigen Mann, und verstand sich zu nichts; doch verspürt' er bei dem Gedanken, daß ihm ein Haus auf<i> einer</i> Zähre in den Beutel schwimmen könnte, sonderbaren Drüsen-Reiz und sah wie eine kranke Lerche aus, die man mit einem eingeölten Stecknadelknopfe – das Haus war der Knopf – klistiert.</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Der Hoffiskal Knoll verzog sein Gesicht wie ein armer Handwerksmann, den ein Gesell Sonnabend abends bei einem Schusterlicht rasiert und radiert; er war fürchterlich erboset auf den Mißbrauch des Titels von Testamenten und nahe genug an Tränen des Grimms.</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Der listige Buchhändler Paßvogel machte sich sogleich still an die Sache selber und durchging flüchtig alles Rührende, was er teils im Verlage hatte, teils in Kommission; und hoffte etwas zu brauen; noch sah er dabei aus wie ein Hund, der das Brechmittel, das ihm der Pariser Hundearzt Hemet auf die Nase gestrichen, langsam ableckt; es war durchaus Zeit erforderlich zum Effekt.</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Flitte aus Elsaß tanzte geradezu im Sessionszimmer, besah lachend alle Ernste und schwur, er sei nicht der Reichste unter ihnen, aber für ganz Straßburg und Elsaß dazu wär' er nicht imstande, bei einem solchen Spaß zu weinen. –</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Zuletzt sah ihn der Polizei-Inspektor Harprecht sehr bedeutend an und versicherte: falls Monsieur etwan hoffe, durch Gelächter aus den sehr bekannten Drüsen und aus den Meibomischen und der Karunkel und andern die begehrten Tropfen zu erpressen und sich diebisch mit diesem Fensterschweiß zu beschlagen, so wolle er ihn erinnern, daß er damit so wenig gewinnen könne, als wenn er die Nase schneuzen und davon profitieren wollte, indem in letztere, wie bekannt, durch den ductus nasalis mehr aus den Augen fließe als in jeden Kirchenstuhl hinein unter einer Leichenpredigt. – Aber der Elsasser versicherte, er lache nur zum Spaß, nicht aus ernstern Absichten.</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Der Inspektor seinerseits, bekannt mit seinem dephlegmierten Herzen, suchte dadurch etwas Passendes in die Augen zu treiben, daß er mit ihnen sehr starr und weit offen blickte.<a class="zenoTXKonk" href="http://www.zeno.org/Literatur/L/Jean+Paul-W,+1.+Abt.+Bd.+2" name="575" style="color: #1446c6; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; letter-spacing: 0px; text-decoration-line: none;" title="Vorlage">[575]</a></span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Der Frühprediger Flachs sah aus wie ein reitender Betteljude, mit welchem ein Hengst durchgeht; indes hätt' er mit seinem Herzen, das durch Haus- und Kirchenjammer schon die besten schwülsten Wolken um sich hatte, leicht wie eine Sonne vor elendem Wetter auf der Stelle das nötigste Wasser aufgezogen, wär' ihm nur nicht das herschiffende Flöß-Haus immer dazwischengekommen als ein gar zu erfreulicher Anblick und Damm.</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Der Kirchenrat, der seine Natur kannte aus Neujahrs- und Leichenpredigten, und der gewiß wußte, daß er sich selber zuerst erweiche, sobald er nur an andere Erweichungs-Reden halte, stand auf – da er sich und andere so lang am Trockenseile hängen sah – und sagte mit Würde, jeder, der seine gedruckten Werke gelesen, wisse gewiß, daß er ein Herz im Busen trage, das so heilige Zeichen, wie Tränen sind, eher zurückzudrängen, um keinem Nebenmenschen damit etwas zu entziehen, als mühsam hervorzureizen nötig habe aus Nebenabsichten. – »Dies Herz hat sie schon vergossen, aber heimlich, denn Kabel war ja mein Freund«, sagt' er und sah umher.</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Mit Vergnügen bemerkte er, daß alle noch so trocken dasaßen wie Korkhölzer; besonders jetzt konnten Krokodile, Hirsche, Elefanten, Hexen, Reben leichter weinen als die Erben, von Glanzen so gestört und grimmig gemacht. Bloß Flachsen schlugs heimlich zu; dieser hielt sich Kabels Wohltaten und die schlechten Röcke und grauen Haare seiner Zuhörerinnen des Frühgottesdienstes, den Lazarus mit seinen Hunden und seinen eigenen langen Sarg in der Eile vor, ferner das Köpfen so mancher Menschen, Werthers Leiden, ein kleines Schlachtfeld und sich selber, wie er sich da so erbärmlich um den Testaments-Artikel in seinen jungen Jahren abquäle und abringe – noch drei Stöße hatt' er zu tun mit dem Pumpenstiefel, so hatte er sein Wasser und Haus.</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">»O Kabel, mein Kabel«, fuhr Glanz fort, fast vor Freude über nahe Trauertränen weinend, »einst wenn neben deine mit Erde bedeckte Brust voll Liebe auch die meinige zum Vermod« – –</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">»Ich glaube, meine verehrtesten Herren«, sagte Flachs, betrübt aufstehend und überfließend umhersehend, »ich weine« – setzte<a class="zenoTXKonk" href="http://www.zeno.org/Literatur/L/Jean+Paul-W,+1.+Abt.+Bd.+2" name="576" style="color: #1446c6; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; letter-spacing: 0px; text-decoration-line: none;" title="Vorlage">[576]</a> sich darauf nieder und ließ es vergnügter laufen; er war nun auf dem Trocknen; vor den Akzessitaugen hatt' er Glanzen das Preis-Haus weggefischt, den jetzt seine Anstrengung ungemein verdroß, weil er sich ohne Nutzen den halben Appetit weggesprochen hatte. Die Rührung Flachsens wurde zu Protokoll gebracht und ihm das Haus in der Hundsgasse auf immer zugeschlagen. Der Bürgermeister gönnt' es dem armen Teufel von Herzen; es war das erstemal im Fürstentum Haßlau, daß Schul- und Kirchenlehrers Tränen sich, nicht wie die der Heliaden in leichten Bernstein, der ein Insekt einschließet, sondern, wie die der Göttin Freia, in Gold verwandelten. Glanz gratulierte Flachsen sehr und machte ihm froh bemerklich, vielleicht hab' er selber ihn rühren helfen. Die übrigen trennten sich durch ihre Scheidung auf dem trockenen Weg von der Flachsischen auf dem nassen sichtbar, blieben aber noch auf das restierende Testament erpicht.</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Nun wurd' es weiter verlesen.</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p class="zenoPC" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: center;"><span style="font-family: georgia;">4te Klausel</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Von jeher habe ich zu einem Universalerben meiner Activa – also meines Gartens vor dem Schaftore, meines Wäldleins auf dem Berge und der elftausend Georgd'ors in der Südseehandlung in Berlin und endlich der beiden Fronbauern im Dorf Elterlein und der dazugehörigen Grundstücke – sehr viel gefodert, viel leibliche Armut und geistlichen Reichtum. Endlich habe ich in meiner letzten Krankheit in Elterlein ein solches Subjekt aufgetrieben. Ich glaubte nicht, daß es in einem Dutzend- und Taschenfürstentümlein einen blutarmen, grundguten, herzlichfrohen Menschen gebe, der vielleicht unter allen, die je den Menschen geliebt, es am stärksten tut. Er hat einmal zu mir ein paar Worte gesagt, und zweimal im Dunkeln eine Tat getan, daß ich nun auf den Jüngling baue, fast auf ewig. Ja ich weiß, dieses Universalerben tät' ihm sogar wehe, wenn er nicht arme Eltern hätte. Ob er gleich ein juristischer Kandidat ist, so ist er doch kindlich, ohne Falsch, rein, naiv und zart, ordentlich ein frommer<a class="zenoTXKonk" href="http://www.zeno.org/Literatur/L/Jean+Paul-W,+1.+Abt.+Bd.+2" name="577" style="color: #1446c6; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; letter-spacing: 0px; text-decoration-line: none;" title="Vorlage">[577]</a> Jüngling aus der alten Väterzeit und hat dreißigmal mehr Kopf, als er denkt. Nur hat er das Böse, daß er erstlich ein etwas elastischer Poet ist, und daß er zweitens, wie viele Staaten von meiner Bekanntschaft bei Sitten-Anstalten, gern das Pulver auf die Kugel lädt, auch am Stundenzeiger schiebt, um den Minutenzeiger zu drehen. Es ist nicht glaublich, daß er je eine Studenten-Mausfalle aufstellen lernt; und wie gewiß ihm ein Reisekoffer, den man ihm abgeschnitten, auf ewig aus den Händen wäre, erhellet daraus, daß er durchaus nicht zu spezifizieren wüßte, was darin gewesen und wie er ausgesehen.</span></p><p class="zenoPLm4n0" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-indent: 2em;"><span style="font-family: georgia;">Dieser Universalerbe ist der Schulzen-Sohn in Elterlein, namens <i>Gottwalt Peter Harnisch</i>, ein recht feines, blondes, liebes Bürschchen – –</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p class="zenoPC" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: center;"><span style="font-family: georgia;">*</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Die sieben Präsumtiv-Erben wollten fragen und außer sich sein; aber sie mußten forthören.</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p class="zenoPC" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: center;"><span style="font-family: georgia;">5te Klausel</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Allein er hat Nüsse vorher aufzubeißen. Bekanntlich erbte ich seine Erbschaft selber erst von meinem unvergeßlichen Adoptivvater van der Kabel in Broek im Waterland, dem ich fast nichts dafür geben konnte als zwei elende Worte, Friedrich Richter, meinen Namen. Harnisch soll sie wieder erben, wenn er mein Leben, wie folgt, wieder nach- und durchlebt.</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p class="zenoPC" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: center;"><span style="font-family: georgia;">6te Klausel</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Spaßhaft und leicht mags dem leichten poetischen Hospes dünken, wenn er hört, daß ich deshalb bloß fordere und verordne, er soll – denn alles das lebt' ich eben selber durch, nur länger – weiter nichts tun als:</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p class="zenoPLm4n8" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; padding-left: 4em; text-indent: -2em;"><span style="font-family: georgia;">a) <i>einen</i> Tag lang Klavierstimmer sein – ferner</span></p><p class="zenoPLm4n8" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; padding-left: 4em; text-indent: -2em;"><span style="font-family: georgia;">b) <i>einen</i> Monat lang mein Gärtchen als Obergärtner bestellen – ferner</span></p><p class="zenoPLm4n8" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; padding-left: 4em; text-indent: -2em;"><span style="font-family: georgia;">c) <i>ein</i> Vierteljahr Notarius – ferner</span></p><p class="zenoPLm4n8" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; padding-left: 4em; text-indent: -2em;"><span style="font-family: georgia;">d) solange bei einem Jäger sein, bis er einen Hasen erlegt, es dauere nun <i>2</i> Stunden oder <i>2</i> Jahre –<a class="zenoTXKonk" href="http://www.zeno.org/Literatur/L/Jean+Paul-W,+1.+Abt.+Bd.+2" name="578" style="color: #1446c6; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; letter-spacing: 0px; text-decoration-line: none;" title="Vorlage">[578]</a></span></p><p class="zenoPLm4n8" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; padding-left: 4em; text-indent: -2em;"><span style="font-family: georgia;">e) er soll als Korrektor 12 Bogen gut durchsehen</span></p><p class="zenoPLm4n8" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; padding-left: 4em; text-indent: -2em;"><span style="font-family: georgia;">f) er soll eine buchhändlerische Meßwoche mit Hrn. Paßvogel beziehen, wenn dieser will –</span></p><p class="zenoPLm4n8" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; padding-left: 4em; text-indent: -2em;"><span style="font-family: georgia;">g) er soll bei jedem der Hrn. Akzessit-Erben eine Woche lang wohnen (der Erbe müßt' es sich denn verbitten) und alle Wünsche des zeitigen Mietsherrn, die sich mit der Ehre vertragen, gut erfüllen –</span></p><p class="zenoPLm4n8" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; padding-left: 4em; text-indent: -2em;"><span style="font-family: georgia;">h) er soll ein paar Wochen lang auf dem Lande Schul halten – endlich</span></p><p class="zenoPLm4n8" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; padding-left: 4em; text-indent: -2em;"><span style="font-family: georgia;">i) soll er ein Pfarrer werden; dann erhält er mit der Vokation die Erbschaft. – Das sind seine <i>neun</i> Erb-Ämter.</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p class="zenoPC" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: center;"><span style="font-family: georgia;">7te Klausel</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Spaßhaft, sagt' ich in der vorigen, wird ihm das vorkommen, besonders da ich ihm verstatte, meine Lebens-Rollen zu versetzen und z.B. früher die Schulstube als die Messe zu beziehen – bloß mit dem Pfarrer muß er schließen –; aber, Freund Harnisch, dem Testament bieg' ich zu jeder Rolle einen versiegelten Reguliertarif, genannt die geheimen Artikel, bei, worin ich Euch in den Fällen, wo Ihr das Pulver auf die Kugel ladet, z.B. in Notariatsinstrumenten, kurz gerade für eben die Fehler, die ich sonst selber begangen, entweder um einen Abzug von der Erbschaft abstrafe, oder mit dem Aufschube ihrer Auslieferung. Seid klug, Poet, und bedenkt Euren Vater, der so manchem Edelmann im -a-n gleicht, dessen Vermögen wie das eines russischen zwar in Bauern besteht, aber doch nur in einem einzigen, welches er selber ist. Bedenkt Euren vagabunden Bruder, der vielleicht, eh' Ihrs denkt, aus seinen Wanderjahren mit einem halben Rocke vor Eure Türe kommen und sagen kann: »Hast du nichts Altes für deinen Bruder? Sieh diese Schuhe an!« – Habt also Einsichten, Universalerbe!</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p class="zenoPC" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: center;"><span style="font-family: georgia;">8te Klausel</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Den Hrn. Kirchenrat Glanz und alle bis zu Hrn. Buchhändler Paßvogel und Flitte (inclusive) mach' ich aufmerksam darauf, wie schwer Harnisch die ganze Erbschaft erobern wird, wenn sie<a class="zenoTXKonk" href="http://www.zeno.org/Literatur/L/Jean+Paul-W,+1.+Abt.+Bd.+2" name="579" style="color: #1446c6; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; letter-spacing: 0px; text-decoration-line: none;" title="Vorlage">[579]</a> auch nichts erwägen als das einzige hier an den Rand genähte Blatt, worauf der Poet flüchtig einen Lieblings-Wunsch ausgemalt, nämlich den, Pfarrer in Schweden zu werden. (Herr Bürgermeister Kuhnold fragte hier, ob ers mitlesen solle; aber alle schnappten nach mehren Klauseln, und er fuhr fort:) Meine t. Hrn. Anverwandten fleh' ich daher – wofür ich freilich wenig tue, wenn ich nur zu einiger Erkenntlichkeit ihnen zu gleichen Teilen hier sowohl jährlich zehn Prozent aller Kapitalien als die Nutznießung meines Immobiliar-Vermögens, wie es auch heiße, so lange zuspreche, als besagter Harnisch noch nicht die Erbschaft nach der sechsten Klausel hat antreten können – solche fleh' ich als ein Christ die Christen an, gleichsam als sieben Weise dem jungen möglichen Universalerben scharf aufzupassen und ihm nicht den kleinsten Fehltritt, womit er den Aufschub oder Abzug der Erbschaft verschulden mag, unbemerkt nachzusehen, sondern vielmehr jeden gerichtlich zu bescheinigen. Das kann den leichten Poeten vorwärtsbringen und ihn schleifen und abwetzen. Wenn es wahr ist, ihr sieben Verwandten, daß ihr nur meine Person geliebt, so zeigt es dadurch, daß ihr das Ebenbild derselben recht schüttelt (den Nutzen hat das Ebenbild) und ordentlich, obwohl christlich, chikaniert und vexiert und sein Regen- und Siebengestirn seid und seine böse Sieben. Muß er recht büßen, nämlich passen, desto ersprießlicher für ihn und für euch.</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p class="zenoPC" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: center;"><span style="font-family: georgia;">9te Klausel</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ritte der Teufel meinen Universalerben so, daß er die Ehe bräche, so verlör' er die Viertels-Erbschaft – sie fiele den sieben Anverwandten heim –; ein Sechstel aber nur, wenn er ein Mädchen verführte. – Tagreisen und Sitzen im Kerker können nicht zur Erwerbzeit der Erbschaft geschlagen werden, wohl aber Liegen auf dem Kranken- und Totenbette.</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p class="zenoPC" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: center;"><span style="font-family: georgia;">10te Klausel</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Stirbt der junge Harnisch innerhalb zwanzig Jahren, so verfället die Erbschaft den hiesigen corporibus piis. Ist er als christlicher<a class="zenoTXKonk" href="http://www.zeno.org/Literatur/L/Jean+Paul-W,+1.+Abt.+Bd.+2" name="580" style="color: #1446c6; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; letter-spacing: 0px; text-decoration-line: none;" title="Vorlage">[580]</a> Kandidat examiniert und bestanden: so zieht er, bis man ihn voziert, zehn Prozent mit den übrigen Hrn. Erben, damit er nicht verhungere.</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p class="zenoPC" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: center;"><span style="font-family: georgia;">11te Klausel</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Harnisch muß an Eidesstatt geloben, nichts auf die künftige Erbschaft zu borgen.</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p class="zenoPC" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: center;"><span style="font-family: georgia;">12te Klausel</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Es ist nur mein letzter Wunsch, obwohl nicht eben mein Letzter Wille, daß, wie ich den van der Kabelschen Namen, er so den Richterschen bei Antritt der Erbschaft annehme und fortführe; es kommt aber sehr auf seine Eltern an.</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p class="zenoPC" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: center;"><span style="font-family: georgia;">13te Klausel</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ließe sich ein habiler, dazu gesattelter Schriftsteller von Gaben auftreiben und gewinnen, der in Bibliotheken wohl gelitten wäre: so soll man dem venerabeln Mann den Antrag tun, die Geschichte und Erwerbzeit meines möglichen Universalerben und Adoptivsohnes, so gut er kann, zu schreiben. Das wird nicht nur diesem, sondern auch dem Erblasser – weil er auf allen Blättern vorkommt – Ansehen geben. Der treffliche, mir zur Zeit noch unbekannte Historiker aber nehme von mir als schwaches Andenken für jedes Kapitel <i>eine</i> Nummer aus meinem Kunst- und Naturalienkabinett an. Man soll den Mann reichlich mit Notizen versorgen.</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p class="zenoPC" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: center;"><span style="font-family: georgia;">14te Klausel</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Schlägt aber Harnisch die ganze Erbschaft aus, so ists so viel, als hätt' er zugleich die Ehe gebrochen und wäre Todes verfahren; und die 9te und lote Klausel treten mit vollen Kräften ein.</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p class="zenoPC" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: center;"><span style="font-family: georgia;">15te Klausel</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Zu Exekutoren des Testaments ernenn' ich dieselben hochedlen<a class="zenoTXKonk" href="http://www.zeno.org/Literatur/L/Jean+Paul-W,+1.+Abt.+Bd.+2" name="581" style="color: #1446c6; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; letter-spacing: 0px; text-decoration-line: none;" title="Vorlage">[581]</a> Personen, denen oblatio testamenti geschehen; indes ist der regierende Bürgermeister, Hr. Kuhnold, der Obervollstrecker. Nur er allein eröffnet stets denjenigen unter den geheimen Artikeln des Reguliertarifs vorher, welcher für das jedesmalige gerade von Harnisch gewählte <i>Erb-Amt</i> überschrieben ist. – In diesem Tarif ist es auf das genaueste bestimmt, wieviel Harnischen z.B. für das Notariuswerden beizuschießen ist – denn was hat er? und wieviel jedem Akzessit-Erben zu geben, der gerade ins <i>Erb-Amt</i> verwickelt ist, z.B. Herrn Paßvogel für die Buchhändler-Woche oder für siebentägigen Hauszins. Man wird allgemein zu frieden sein.</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p class="zenoPC" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: center;"><span style="font-family: georgia;">16te Klausel</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Folioseite 276 seiner vierten Auflage fodert Volkmannus emendatus von Erblassern die providentia oder »zeitige Fürsehung«, so daß ich also in dieser Klausel festzusetzen habe, daß jeder der sieben Akzessit-Erben oder alle, die mein Testament gerichtlich anzufechten oder zu rumpieren suchen, während des Prozesses keinen Heller Zinsen erhalten, als welche den andern oder streiten sie alle – dem Universalerben zufließen.</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p class="zenoPC" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: center;"><span style="font-family: georgia;">17te und letzte Klausel</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ein jeder Wille darf toll und halb und weder gehauen noch gestochen sein, nur aber der Letzte nicht, sondern dieser muß, um sich zum zweiten-, dritten-, viertenmal zu <i>runden</i>, also <i>konzentrisch</i>, wie überall bei den Juristen, zur clausula salutaris, zur donatio mortis causa und zur reservatio ambulatoriae voluntatis greifen. So will ich denn hiemit darzu gegriffen haben, mit kurzen und vorigen Worten. – Weiter brauch' ich mich der Welt nicht aufzutun, vor der mich die nahe Stunde bald zusperren wird. Sonstiger Fr. Richter, jetziger van der Kabel.</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p class="zenoPC" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: center;"><span style="font-family: georgia;">*</span></p><span style="font-family: georgia;"><br style="background-color: white;" /></span><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Soweit das Testament. Alle Formalien des Unterzeichnens und Untersiegelns etc. etc. fanden die sieben Erben richtig beobachtet.<a class="zenoTXKonk" href="http://www.zeno.org/Literatur/L/Jean+Paul-W,+1.+Abt.+Bd.+2" name="582" style="color: #1446c6; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; letter-spacing: 0px; text-decoration-line: none;" title="Vorlage">[582]</a></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><br /></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;">Jean Paul: <a href="http://www.zeno.org/Literatur/M/Jean+Paul/Romane+und+Erz%C3%A4hlungen/Flegeljahre/Erstes+B%C3%A4ndchen/Nr.+1.+Bleiglanz">Flegeljahre (1804/05). 1. Bändchen, Bleiglanz, Testament - DasWeinhaus</a></p>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-39480255200012083172024-02-19T18:34:00.007+01:002024-02-19T18:50:09.640+01:00Edward Snowden: Permanent Record. Meine Geschichte<p><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Edward_Snowden">Edward Snowden</a>: <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Permanent_Record_(Autobiografie)">Permanent Record. <span style="font-size: x-small;">Meine Geschichte</span></a>, <span style="font-size: x-small;">Fischer,</span> <span style="font-size: x-small;">2019 (jeweils Wikipedialinks</span>)</p><p><a href="https://www.perlentaucher.de/buch/edward-snowden/permanent-record.html">Perlentaucher</a> </p><p><span style="font-family: times; font-size: medium;">Zitate:</span></p><p>" <span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: white; color: #222222;">Ich hatte mir wenig Gedanken darüber gemacht, was / ich tun würde, wenn das Spiel vorbei war, vor allem, weil ich kaum mit einem guten Ausgang gerechnet hatte. Mir war nur wichtig gewesen, der Welt die Fakten zu präsentieren, und ich hatte die Vorstellung, wenn ich die Dokumente in die Öffentlichkeit brächte, würde ich auch mich selbst dem Urteil der Öffentlichkeit unterstellen, mich damit mehr oder weniger dem Urteil der Öffentlichkeit ausliefern. Es dürfte nicht nur eine einzige Ausstiegsstrategie geben, denn jeder Schritt, den ich als nächsten geplant hätte, hätte den Erfolg der Aktion gefährden können. [...]</span></p><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Das Haupthindernis für ein gerechtes Verfahren war eine gravierende Lücke im Gesetz, die die Regierung bewusst herbeigeführt hatte. Jemand in meiner Position dürfte vor Gericht gar nicht erst geltend machen, dass die Enthüllungen gegenüber dem Journalisten dem Allgemeinwohl dienten. Selbst heute, Jahre später, dürfte ich nicht vorbringen, dass meine Enthüllungen den Kongress veranlasst hätten, gewisse Gesetze zur Überwachung zu ändern, oder die Gerichte davon überzeugt hätten, ein bestimmtes Massenüberwachungsprogramm für illegal zu erklären, oder den Justizminister und den Präsidenten der Vereinigten Staaten dazu gebracht hätten einzuräumen, dass die Diskussion über Massenüberwachung für die Öffentlichkeit von zentraler Bedeutung sei und das Land letztlich stärker machen würde. All diese Einwände würden nicht nur / als irrelevant angesehen, sondern in dem Gerichtsverfahren, das mich zu Hause erwarten würde, gar nicht erst zugelassen. Meine Regierung müsste vor Gericht einzig und allein beweisen, dass ich Journalisten geheime Informationen verraten hatte, und dieser Sachverhalt war unstrittig." (Permanent Record, S.369-371)</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"><br /></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">aus dem <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Permanent_Record_(Autobiografie)">Wikipediaartikel</a>:</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"><p style="color: #202122; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px; margin: 0.5em 0px;">"In Begleitung von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Sarah_Harrison_(Journalistin)" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Sarah Harrison (Journalistin)">Sarah Harrison</a> von WikiLeaks versuchte Snowden, nach <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ecuador" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Ecuador">Ecuador</a> zu reisen, um dort politisches Asyl zu suchen. Sie planten über <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Moskau" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Moskau">Moskau</a> nach <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Havanna" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Havanna">Havanna</a>, von dort nach <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Caracas" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Caracas">Caracas</a>, um dann nach <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Quito" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Quito">Quito</a>, Ecuador, zu fliegen, da sie nicht direkt von Hongkong aus fliegen konnten und alle anderen Anschlussflüge durch den Luftraum der Vereinigten Staaten reisten. Sie kamen am 23. Juni am <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Flughafen_Moskau-Scheremetjewo" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Flughafen Moskau-Scheremetjewo">Flughafen Moskau-Scheremetjewo</a> an, wurden aber von einem Mann des russischen Geheimdienstes (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/FSB_(Geheimdienst)" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="FSB (Geheimdienst)">FSB</a>) abgefangen und befragt. Der Mann bat Snowden, für sie zu arbeiten, doch Snowden lehnte das Angebot ab und sagte, er habe nicht die Absicht, in <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Russland" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Russland">Russland</a> zu bleiben. Der Mann informierte Snowden, dass das <a class="mw-redirect" href="https://de.wikipedia.org/wiki/US-Au%C3%9Fenministerium" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="US-Außenministerium">US-Außenministerium</a> seinen Pass annulliert hatte. Er fuhr fort, Snowden zu bitten, Informationen mit ihnen zu teilen, aber er lehnte ab. Snowden war vierzig Tage in Sheremetyevo inhaftiert. Während dieser Zeit beantragte er in siebenundzwanzig Ländern <a class="mw-redirect" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Politisches_Asyl" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Politisches Asyl">politisches Asyl</a>, aber keines bot es an. Am 1. August gewährte die russische Regierung Snowden vorübergehend Asyl.</p><p style="color: #202122; font-family: sans-serif; margin: 0.5em 0px;">Das vorletzte 28. Kapitel des Buches besteht aus Einträgen aus Lindsay Mills Tagebuch aus dem Jahr 2013. Snowden erklärte, dass niemand außer ihr die Erfahrung oder das Recht hatte, diese Zeit ihres Lebens zu erzählen: „Die FBI-Verhöre, die Überwachung, die Aufmerksamkeit der Presse, die Online-Belästigung, die Verwirrung und der Schmerz, die Wut und die Traurigkeit.“<sup class="reference" id="cite_ref-3" style="font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; line-height: 1; text-wrap: nowrap; unicode-bidi: isolate;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Permanent_Record_(Autobiografie)#cite_note-3" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;">[3]</a></sup></p><p style="color: #202122; font-family: sans-serif; margin: 0.5em 0px;">Im letzten Kapitel, „Liebe und Exil“, äußert Snowden seine Gedanken zu den Auswirkungen seiner Enthüllungen, einschließlich des Gerichtsverfahrens <i><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/American_Civil_Liberties_Union" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="American Civil Liberties Union">ACLU</a> v. <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/James_R._Clapper" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="James R. Clapper">Clapper</a></i> und der EU-<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Datenschutz-Grundverordnung" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Datenschutz-Grundverordnung">Datenschutzverordnung</a>, sowie zu seinen Hoffnungen auf die Zukunft von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Technologie" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Technologie">Technologie</a> und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Datenschutz" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Datenschutz">Datenschutz</a>. Er diskutiert auch, wie er sich mit Lindsay an das Leben in Moskau gewöhnen kann. Zum Schluss verrät Snowden, dass er und Lindsay 2017 geheiratet haben."</p></div><div><br /></div><div><br /></div><div><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Laura_Poitras" style="background: none rgb(255, 255, 255); color: #0645ad; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px; overflow-wrap: break-word;" title="Laura Poitras">Laura Poitras</a><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px;"> </span></div><div><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Glenn_Greenwald" style="background: none rgb(255, 255, 255); color: #0645ad; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px; overflow-wrap: break-word;" title="Glenn Greenwald">Glenn Greenwald</a><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px;">.</span></div>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-86636479672040177172024-02-16T16:55:00.002+01:002024-02-16T16:59:57.285+01:00Hermann Hesse: Wenn der Krieg noch zwei Jahre dauert<p><i> Der Ich-Erzähler ist in eine kafkaeske Welt geraten, , wo von ihm ungezählte Berechtigungsscheine gefordert werden und wo er für alles bestraft wird.</i></p><p><br /></p><p><b><span style="font-family: georgia;">Zitate:</span></b></p><div style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;">"Ich sah, ich war zu lange weg gewesen. Es war schwer, sich wieder einzuleben." (S.250)</span></div><div style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;">"[...] Ich verstehe, sagte ich. Es ist eigentlich weiter nicht erstaunlich. Nur eins begreife ich nicht ganz. Sagen Sie mir: wozu eigentlich macht nun die ganze Welt diese riesigen Anstrengungen? Diese Entbehrungen, diese Gesetze, diese tausend Ämter und Beamte – was ist es eigentlich, was man damit beschützt und aufrecht erhält?" /</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;">Erstaunt sah der Herr mir ins Gesicht.</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;">"Ist das eine Frage!" rief er mit Kopfschütteln. Sie wissen doch, dass Krieg ist, Krieg in der ganzen Welt! Und das ist es, was wir erhalten, wofür wir Gesetze geben, wofür wir Opfer bringen. Der Krieg ist es. Ohne diese enormen Anstrengungen und Leistungen könnten die Armeen keine Woche länger im Felde stehen. Sie werden verhungern – es wäre unausstehlich!"</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;">"Ja", sagte ich langsam, "das ist allerdings ein Gedanke! Also der Krieg ist das Gut, das mit solchen Opfern aufrechterhalten wird! Ja, aber – erlauben Sie eine seltsame Frage – warum schätzen Sie den Krieg so hoch? Ist er denn alles wert? Ist denn der Krieg überhaupt ein Gut?"</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;">Mitleidig zuckte der Beamte die Achseln. Ich sah, ich verstand ihn nicht.</span></div><div dir="auto" style="color: #222222;"><span style="font-family: georgia;"><span style="background-color: white;">"Lieber Herr Sinclair</span><span style="background-color: #fcff01;">*</span><span style="background-color: white;">", sagte er, Sie sind sehr weltfremd geworden. Aber bitte, gehen Sie durch eine einzige Straße, reden Sie mit einem einzigen Menschen, strengen Sie ihre Gedanken nur ein klein wenig an und fragen Sie sich: was haben wir noch? Worin besteht unser Leben? Dann müssen Sie doch sofort sagen: Der Krieg ist das einzige, was wir noch haben! Vergnügen und persönlicher Erwerb, gesellschaftlicher Ehrgeiz, Habgier, Liebe, Geistesarbeit – alles existiert nicht mehr. Der Krieg ist es einzig und allein, dem wir es verdanken, dass noch so etwas wie Ordnung, Gesetz, Gedanke, Geist in der Welt vorhanden ist. – Können Sie denn das nicht sehen?" [1917] (S.251/252)</span></span><span style="background-color: white; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;"> (in: "Europäische Erzähler des 20. Jahrhunderts", Copyright 1985, <a href="https://www.penguin.de/Verlag/Heyne/30000.rhd">Heyne</a> Allgemeine Reihe Nr. 01/8708 - <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Heyne_Verlag">Wikipedia</a>)</span></div><div dir="auto" style="color: #222222;"><span style="background-color: white; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;"><br /></span></div><div dir="auto" style="color: #222222;"><span style="background-color: #fcff01; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">*</span><span style="background-color: white; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Emil Sinclair war eine Zeitlang <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Hesse">Hermann Hesse</a>s Pseudonym.</span></div><div><br /></div>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-58771876895600693932024-02-01T21:39:00.006+01:002024-03-12T09:59:20.215+01:00Knut Hamsun: Segen der Erde<p><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Knut_Hamsun"> Knut Hamsun</a>:<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Segen der Erde"> Segen der Erde</a> (2 Wikipediaartikel)</p><p><i>Die Sprache ist nicht von Blut und Boden getränkt. Halbnaiv wird berichtet. </i></p><p><i>Ich wurde hineingezogen, wollte dann unbedingt mehr über das Buch wissen und werde aber angesichts meiner anderen Lektüren wohl nicht weit über die Seite 40 hinauskommen. </i></p><p><i>Ich bin aber froh, dass ich erstmals mehr als 2 - 3 Seiten von Hamsun im Zusammenhang gelesen habe. </i></p><p><span style="font-family: times;"><i><span style="background-color: white; color: #202122;">Der Roman spielt etwa in der Zeit von 1870 bis 1900. Die Hauptpersonen sind Isak und seine Frau Inger mit ihren Söhnen Eleseus und Sivert; der Nachbar Brede mit seiner Tochter Barbro, der andere Nachbar Aksel, der Kaufmann Aronsen mit seinem Ladendiener </span></i></span><span style="text-align: justify; text-indent: 14.4px;"><span style="font-family: times;"><i>Andresen</i></span></span><i><span style="background-color: white; color: #202122;"><span style="font-family: times;"> sowie der </span></span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Lensmann_(Beh%C3%B6rde)" style="background: none rgb(255, 255, 255); color: #0645ad; font-family: times; overflow-wrap: break-word;" title="Lensmann (Behörde)">Lensmann</a><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: times;"> Geißler, der für fragwürdige Geschäftstüchtigkeit steht, am Schluss aber Hamsuns Überzeugung ausspricht, dass das Leben in Naturverbundenheit als Bauer das einzig richtige ist.</span></i></p><h3 style="box-sizing: border-box; text-align: center;"><span style="font-family: georgia;">1</span></h3><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">"Der lange, lange Pfad über das Moor in den Wald hinein – wer hat ihn ausgetreten? Der Mann, der Mensch, der erste, der hier war. Für ihn war noch kein Pfad vorhanden. Später folgte dann das eine oder andere Tier der schwachen Spur über Sümpfe und Moore und machte sie deutlicher, und wieder später schnupperte allmählich der oder jener Lappe den Pfad auf und benützte ihn, wenn er von Berg zu Berg wanderte, um nach seinen Renntieren zu sehen. So entstand der Weg durch die weite Allmende, die niemand gehörte, durch das herrenlose Land.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Der Mann kommt in nördlicher Richtung gegangen. Er trägt einen Sack, den Sack, der Mundvorrat und einiges Handwerkszeug enthält. Der Mann ist stark und derb, er hat einen rostigen Bart und kleine Narben im Gesicht und an den Händen – diese Wundenzeichen, hat er sie sich bei der Arbeit oder im Kampf geholt? Er kommt vielleicht aus dem Gefängnis und will sich verbergen, vielleicht ist er ein Philosoph und sucht Frieden, jedenfalls aber kommt er dahergewandert, ein Mensch mitten in dieser ungeheuren Einsamkeit. Er geht und geht, still ist es ringsum, kein Vogel, kein Tier ist zu hören, bisweilen redet er ein paar Worte mit sich selbst. Ach ja, Herrgott im Himmel! sagt er. Wenn er auf seiner Wanderung an Moore und wirtliche Stellen oder offene freie Plätze im Walde kommt, legt er seinen Sack ab, geht umher und untersucht die Bodenverhältnisse; nach einer Weile kehrt er zurück, nimmt seinen Sack wieder auf den Rücken und wandert weiter. Dies währt den ganzen Tag, er sieht an der Sonne, welche Zeit es ist, es wird <a id="page6" name="page6" style="box-sizing: border-box;" title="akling/Wunibald"></a>Nacht und er wirft sich ins Heidekraut und schläft auf seinem Arm.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Nach einigen Stunden geht er wieder weiter. Ach ja, Herrgott im Himmel! geht wieder geradeaus nach Norden, sieht an der Sonne die Tageszeit, hält Mittagsrast mit einem Stück Hartbrot und Ziegenkäse, trinkt Wasser aus einem Dach dazu und setzt seinen Weg fort. Auch diesen ganzen Tag wandert er ununterbrochen weiter, denn er muß sehr viele wirtliche Plätze im Walde untersuchen. Was sucht er? Land, Erde? Er ist vielleicht ein Auswanderer aus den Dörfern, denn er schaut sich scharf und spähend um, manchmal ersteigt er auch einen Hügel und späht von da umher. Jetzt ist die Sonne wieder am Untergehen.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Er befindet sich jetzt auf der Westseite eines langgestreckten Tales mit gemischtem Wald, hier ist auch Laubwald und Weideflächen mischen sich darein, stundenlang geht es so fort; es dämmert, aber der Mann hört das leise Rauschen eines Flusses, und dieses leichte Rauschen ist wie etwas Lebendiges und muntert ihn auf. Als er die Höhe erreicht, sieht er das Tal im Halbdunkel vor sich liegen und weit draußen nach Süden den Himmel darüber. Nun legt er sich schlafen.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Am Morgen sieht er eine Landschaft mit Wald und Weideland vor sich ausgebreitet. Er steigt hinunter: da ist ein grüner Berghang, weit unten erblickt er ein Stück des Flusses und einen Hasen, der in einem Sprung darüber hinwegsetzt. Der Mann nickt, als sei es ihm gerade recht, daß der Fluß nicht breiter ist als ein Hasensprung. Ein brütendes Schneehuhn flattert plötzlich zu seinen Füßen auf und zischt ihn wild an, und wieder nickt der Mann: hier sind Tiere und Vögel, das ist abermals gerade recht! Seine Füße waten durch Blaubeerenbüsche und Preiselbeerkraut, durch siebengezackte Waldsterne und niedere Farnkräuter; wenn er da und dort anhält und mit einem Eisen in der Erde gräbt, findet er hier Walderde und dort mit Laub und verrotteten Zweigen seit Tausenden von Jahren gedüngten Moorboden. Der Mann nickt, hier will er sich niederlassen, ja, hier sich niederlassen, das will er. Noch zwei weitere Tage streift er in der <a id="page7" name="page7" style="box-sizing: border-box;" title="akling/TBeaker"></a>Gegend umher, kehrt aber am Abend immer wieder zu dieser Halde zurück. Des Nachts schläft er auf einem Lager aus Tannenzweigen, er ist ganz daheim hier, er hat ja schon ein Lager unter einem Felsvorsprung.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Das schlimmste war gewesen, den Ort zu finden, einen Ort, der niemand gehörte, der sein war; jetzt kamen die Tage der Arbeit. Er fing sofort an, in den etwas weiter entfernten Wäldern Rinde von den Birken zu schälen, jetzt, während der Saft noch in den Bäumen war. Dann legte er die Rinden fest zusammen, beschwerte sie mit Steinen und ließ sie trocknen. Wenn er eine große Last beisammen hatte, trug er sie die vielen Meilen zurück ins Dorf und verkaufte sie als Baumaterial. Und auf seine Halde dort droben brachte er neue Säcke mit Lebensmitteln und Werkzeug heim: Mehl, Speck, einen Kochtopf, einen Spaten; unverdrossen wanderte er den Pfad hin und her und schleppte sich ab. Ein geborener Lastträger, ein Prahm, der durch die Wälder ging, o es war, als liebe er diesen seinen Beruf, viel zu gehen und viel zu tragen, als dünke ihn, ohne Last auf dem Rücken zu gehen, ein faules Dasein, das für ihn nicht passe.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Eines Tages kam er dahergewandert mit seiner schweren Last auf dem Rücken und außerdem mit zwei Ziegen und einem jungen Bock an der Leine. Er war so beglückt über die Ziegen, gerade als seien es Kühe, und er war gut gegen sie. Der erste fremde Mensch kam vorüber, ein wandernder Lappe. Dieser sah die Ziegen und erriet, daß er auf einen Mann traf, der sich da niedergelassen hatte, und sagte:</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Willst du hier dauernd wohnen? – Ja, antwortete der Mann. – Wie heißt du? – Isak. Weißt du keine Magd für mich? – Nein, aber ich will darüber reden, dort, wo ich vorüberkomme. – Ja, tu das! Sage, daß ich Haustiere habe, aber niemand, der sie besorgt.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Isak also, ja, auch das wollte der Lappe ausrichten. Der Mann auf der Halde war kein Flüchtling, er sagte seinen Namen. Er ein Flüchtling? Dann hätte man ihn aufgespürt. Er war nur ein unverdrossener Arbeiter, er sammelte Winterfutter für seine Ziegen, <a id="page8" name="page8" style="box-sizing: border-box;" title="akling/rudi49"></a>fing an Boden urbar zu machen, einen Acker zu roden, Steine wegzuschaffen, Steinwälle aufzurichten. Im Herbst hatte er eine Wohnung fertig, eine Erdhütte, eine <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kote_(Samen)">Gamme</a>, die war dicht und warm, sie krachte nicht in den Fugen beim Sturm, und sie konnte nicht abbrennen. Er konnte in diese Heimstätte hineingehen, die Türe hinter sich zumachen und da drinnen bleiben, oder er konnte vor der Türöffnung stehen und sich als den Herrn seines Hauses zeigen, wenn jemand vorbeikäme. Die <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kote_(Samen)">Gamme</a> war in zwei Teile geteilt, in dem einen wohnte er selbst, im andern seine Tiere. Ganz innen unter dem Felsen hatte er seinen Heuboden errichtet. Alles war da.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Wieder kommen ein paar Lappen vorüber, Vater und Sohn. Sie bleiben stehen, stützen sich mit beiden Händen auf ihre langen Stöcke, betrachten die Hütte und das urbar gemachte Land und hören die Ziegenglocken oben am Hang.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Ja, guten Tag, sagen sie, hier sind ja große Leute hergekommen. Die Lappen schmeicheln immer.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Ihr wißt wohl keine Magd für mich? versetzt Isak, denn er hat nur das eine im Kopf.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Eine Magd zur Hilfe? Nein. Aber wir wollen es weiter sagen. – Ja, wenn ihr so gut sein wollt. Und daß ich ein Haus und Ackerland und Vieh habe, aber keine Magd zur Hilfe, das sollt ihr sagen.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Ach, so oft er mit seinen Birkenrinden drunten im Dorfe war, hatte er nach dieser Magd zur Hilfe ausgeschaut, aber keine gefunden. Sie hatten ihn betrachtet, eine Witwe, ein paar ältere Mädchen, es aber nicht gewagt, ihm Hilfe zu versprechen; woher das kommen mochte, das begriff Isak nicht. Begriff er es wirklich nicht? Wer wollte bei einem Manne dienen, draußen im Ödland, meilenweit von den Menschen, ja eine Tagereise von der nächsten menschlichen Behausung entfernt! Und der Mann selbst war nicht die Spur lieb und hübsch, im Gegenteil, wenn er sprach, war er kein Tenor mit gen Himmel gerichteten Augen, sondern hatte eine etwas tierische und grobe Stimme.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Dann mußte er eben allein bleiben.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;"><a id="page9" name="page9" style="box-sizing: border-box;" title="akling/rudi49"></a>Im Winter machte er große Holztröge, verkaufte diese im Dorfe und kam mit Säcken voll Lebensmitteln und Werkzeug durch den Schnee zurück. Das waren harte Tage, ja er hatte eine schwere Last. Er hatte ja Haustiere, und die konnte er nicht längere Zeit verlassen. Wie hielt er es da? Die Not macht erfinderisch, sein Gehirn war stark und unverbraucht, und er übte es immer mehr. Das erste, was er tat, wenn er fortging, war, die Ziegen loszulassen, so daß sie an den Zweigen im Walde ihren Hunger stillen konnten. Aber er wußte auch noch einen anderen Ausweg. Er hängte am Fluß ein großes Holzgefäß auf und ließ ein kleines Rinnsal hineinlaufen; es dauerte vierzehn Stunden, bis dies Gefäß voll war. Wenn das Gefäß bis zum Überlaufen voll war, dann hatte es gerade das rechte Gewicht, daß es heruntersank, aber indem es sank, zog es an einer Leine, die mit dem Heuboden in Verbindung stand, eine Luke öffnete sich, drei abgemessene Geißenmahlzeiten fielen herunter, und die Tiere hatten ihre Nahrung.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Auf diese Weise machte er es.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Eine geistreiche Erfindung, ja vielleicht eine Eingebung von Gott, dem Manne war geholfen. Es ging gut bis in den Spätherbst, dann kam Schnee, dann Regen, dann wieder Schnee, dauernd Schnee; da wirkte die Einrichtung mit der Heuversorgung verkehrt, das Gefäß füllte sich mit Regenwasser und öffnete die Luke vor der Zeit. Der Mann deckte das Gefäß zu, dann ging es wieder eine Weile gut, aber als der Winter einsetzte, fror das Rinnsal ein, und die Einrichtung versagte gänzlich.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Da mußten die Ziegen und auch der Mann selbst entbehren lernen.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Das waren harte Tage, der Mann mußte Hilfe haben, hatte jedoch keine. Er wurde aber deshalb doch nicht ratlos. Er schaffte an seinem Heim weiter, machte ein Fenster in die Hütte, ein Fenster mit zwei Glasscheiben. Das war ein merkwürdiger und heller Tag in seinem Leben, als er nicht auf dem Herd Feuer anzünden mußte, um sehen zu können, nun konnte er drinnen sitzen bleiben und bei Tageslicht Tröge aus <a id="page10" name="page10" style="box-sizing: border-box;" title="akling/Muerei"></a>Holz anfertigen. Es wurde besser für ihn und lichter. Ach ja, Herrgott im Himmel! Er las nie in einem Buche, seine Gedanken beschäftigten sich aber oft mit Gott, er konnte nicht anders, Vertrauen und Ehrfurcht wohnten in seiner Seele. Der Sternenhimmel, das Rauschen des Waldes, die Einsamkeit, die Schneemassen, die Gewalten auf der Erde und über der Erde stimmten ihn oftmals am Tage nachdenklich und andächtig; er fühlte sich sündig und war gottesfürchtig, des Sonntags wusch er sich zur Ehre des Feiertages, arbeitete aber sonst wie alle Tage.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Der Frühling kam heran, er bebaute seinen kleinen Acker und steckte Kartoffeln. Er hatte jetzt einen größeren Viehbestand, jede Ziege hatte Zwillinge gebracht, es waren jetzt sieben Geißen, groß und klein zusammengerechnet. Mit der Zukunft vor Augen erweiterte er seinen Stall und setzte auch da ein paar Fensterscheiben ein. Es wurde heller und tagte in jeder Weise.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Eines Tages kam die Hilfe. Droben auf der Halde wanderte sie lange hin und her, ehe sie sich hervorwagte. Es wurde Abend, bis sie herankam, aber dann kam sie – ein großes, braunäugiges Mädchen; sie war so üppig und derb, mit festen guten Händen, mit Lappenschuhen an den Füßen, obgleich sie keine Lappin war, und mit einem Kalbfellsack auf dem Rücken. Sie war wohl schon etwas bei Jahren, höflich gesprochen, nahe an den Dreißigern.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Warum sollte sie sich denn fürchten? Sie grüßte, fügte jedoch rasch hinzu: Ich muß nur über die Berge, darum bin ich diesen Weg gegangen. – So, sagte der Mann. Er verstand sie nicht ganz, sie redete undeutlich und wendete überdies das Gesicht weg. – Ja, sagte sie. Und es ist ein sehr weiter Weg. – Ja, antwortete er. Willst du über das Gebirge? – Ja. – Was willst du dort? – Ich habe meine Leute dort. – So, hast du deine Leute dort? Wie heißt du? – Inger, und wie heißt du? – Isak. – So, Isak. Wohnst du hier? – Ja, ich wohne hier und habe es so, wie du hier siehst. – Das ist wohl nicht übel, sagte sie lobend.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;"><a id="page11" name="page11" style="box-sizing: border-box;" title="akling/Muerei"></a>Isak war im Denken ein ganzer Mann geworden, und nun kam ihm der Gedanke, daß sie wohl im Auftrag von jemand gekommen, ja daß sie direkt von zu Hause hierher gekommen sei und nicht weiter wolle. Sie hatte vielleicht gehört, daß ihm weibliche Hilfe fehle.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Komm herein und ruh dich aus! sagte er.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Sie traten in die Hütte, aßen von ihrem Mundvorrat und tranken von seiner Geißenmilch; dann kochten sie Kaffee, den sie in einer Blase bei sich hatte. Sie hatten es sehr behaglich beim Kaffee, ehe sie schlafen gingen. Nachts lag er da und war gierig nach ihr und bekam sie.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Am Morgen ging sie nicht wieder weg und den Tag über auch nicht; sie machte sich nützlich, melkte die Ziegen und scheuerte die Holzgefäße mit feinem Sand und machte sie sauber. Sie ging nie wieder fort. Inger hieß sie, Isak hieß er.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Nun begann ein anderes Leben für den einsamen Mann. Das einzige war, daß seine Frau undeutlich redete und wegen einer Hasenscharte immer das Gesicht wegwendete; aber das war nichts, um sich darüber zu beklagen. Ohne diesen verunstalteten Mund wäre sie wohl nie zu ihm gekommen, die Hasenscharte war sein Glück. Und er selbst, war er ohne Fehl? Isak mit dem rostigen Vollbart und dem zu untersetzten Körper, er war wie ein greulicher Mühlgeist, ja wie durch eine verzerrende Fensterscheibe gesehen. Und wer sonst ging mit einem solchen Ausdruck im Gesicht umher? Es war, als könne er jeden Augenblick eine Art von Barrabas loslassen. Es bedeutete schon viel, daß Inger nicht davonlief.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Sie lief nicht davon. Wenn er fort war und wieder heimkam, war Inger bei der Hütte, die beiden waren eins, die Hütte und sie.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Er hatte nun einen Menschen mehr zu versorgen, aber es lohnte sich, er konnte länger fort sein, er konnte sich rühren. Da war der Fluß, ein freundlicher Fluß, der neben seinem freundlichen Aussehen auch tief und raschen Laufes war; es war durchaus kein geringer Fluß, er mußte aus einem großen See droben im Gebirge <a id="page12" name="page12" style="box-sizing: border-box;" title="akling/Muerei"></a>kommen. Nun verschaffte Isak sich Fischgeräte und suchte diesen See auf, wenn er dann am Abend heimkam, brachte er eine ordentliche Anzahl Forellen und Alpensalme mit. Inger empfing ihn mit großer Verwunderung, sie war ganz überwältigt, schlug die Hände zusammen und rief: Um alles in der Welt! Sie merkte wohl, wie erfreut und stolz er über ihr Lob war, und da sagte sie noch mehr freundliche Worte: daß sie so etwas noch nie gesehen habe und gar nicht verstehe, wie er das zuwege bringen konnte.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Auch auf andere Weise war Inger ein Segen für ihn. Obgleich sie nicht gerade ein schönes Gesicht und Verstand im Kopfe hatte, so hatte sie doch bei einem ihrer Leute zwei Schafe mit ihren Lämmern stehen, und die holte sie. Das war das notwendigste, was jetzt in die Gamme gebracht werden konnte, Schafe mit Wolle und Lämmern, vier lebende Tiere, der Viehstand vermehrte sich im großen Stil, wunderbar war es, wie er zunahm. Inger holte außerdem noch ihre Kleider und andere Sachen, die ihr gehörten, einen Spiegel, eine Schnur mit einigen hübschen Glasperlen daran, Kartätschen und ein Spinnrad. Sieh, wenn sie so weiter machte, war bald alles voll vom Boden bis zur Decke, und die Gamme hatte nicht Raum für alles! Isak war natürlich sehr bewegt beim Anblick dieser irdischen Reichtümer; aber da er von Natur wortkarg war, fiel es ihm schwer, sich darüber auszusprechen, er ging hinaus vors Haus, sah nach dem Wetter und kam wieder herein. Ja, gewiß hatte er großes Glück gehabt, und er fühlte immer mehr einen heißen Drang in sich aufsteigen, Zuneigung oder Liebe, oder was es nun genannt werden konnte.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Du brauchst nicht so viel mitzubringen, sagte er. – Ich habe sogar anderswo noch mehr. Und dann habe ich den Oheim Sivert, den Bruder meiner Mutter, hast du von ihm gehört? – Nein. – Das ist ein reicher Mann, er ist Bezirkskassierer der Gemeinde.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Die Liebe macht den Klugen dumm; Isak wollte sich auf seine Weise angenehm zeigen, und da tat er zu viel.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Was ich sagen wollte, begann er; du sollst die Kartoffeln <a id="page13" name="page13" style="box-sizing: border-box;" title="akling/Muerei"></a>nicht hacken. Ich werde sie hacken, wenn ich heute abend heimkomme.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Damit nahm er die Axt und ging in den Wald. Sie hörte ihn im Walde Bäume fällen, es war nicht weit weg, und sie hörte am Krachen, daß er große Stämme fällte. Nachdem sie eine Weile zugehört hatte, ging sie hinaus und hackte die Kartoffeln. Die Liebe macht den Dummen klug.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Am Abend kam er mit einem großen Balken an, den er an einem Seil hinter sich herschleppte. Ach, der grobe, treuherzige Isak, er machte so viel Lärm mit dem Balken, als er nur konnte, räusperte sich und hustete, damit sie herauskommen und sich nicht wenig über ihn verwundern sollte.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Ganz richtig, als er daherkam, rief sie auch: Ich glaube, du bist verrückt! Du bist doch wohl ein Mensch! sagte sie. Der Mann erwiderte nichts. Das fiel ihm nicht ein. Im Vergleich zu einem Baumstamm etwas mehr als ein Mensch zu sein, das war nicht der Rede wert. – Und wozu willst du denn den Stamm? fragte sie. – Ach, das weiß ich selbst noch nicht, antwortete er wichtigtuend.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Aber jetzt sah er, daß sie die Kartoffeln schon gehackt hatte, und dadurch zeigte sie sich fast ebenso tüchtig wie er. Das war jedoch nicht nach seinem Sinn, da machte er das Seil von dem Baumstamm los und ging damit fort. Gehst du wieder fragte sie. – Ja, antwortete er beleidigt.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Er kam mit einem zweiten Baumstamm daher, schnaufte nicht, lärmte nicht, sondern zog ihn nur wie ein Ochse bis zur Gamme heran und ließ ihn da liegen.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;"><span>Im Laufe des Sommers schleppte er noch viele Baumstämme vor die Gamme</span><span>. (</span><span style="text-align: left;"><span>Hamsun: Segen der Erde </span></span><span style="text-indent: 0.8em;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/hamsun/segenerd/chap001.html">1. Teil, 1. Kapitel</a>)</span></span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia; text-indent: 0.8em;"><br /></span></p><h3 style="box-sizing: border-box; text-align: center;"><span style="font-family: georgia; font-size: small;">9</span></h3><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Im Frühjahr ereignete sich etwas höchst Unerwartetes und dabei sehr Bedeutungsvolles: der Betrieb in den Kupfergruben sollte wieder aufgenommen werden, Geißler hatte seinen Berg verkauft. War das Unglaubliche geschehen? Ach, dieser Geißler war nun einmal ein unergründlicher Herr, er konnte tun und konnte lassen, verneinend den Kopf schütteln und bejahend nicken. Er konnte ein ganzes Dorf wieder zum Lächeln bringen.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Hatte ihm am Ende doch das Gewissen geschlagen und wollte er den Bezirk, in dem er Lensmann gewesen war, nicht länger mit selbstgebauter Grütze und mit Geldmangel strafen? Oder hatte er gar seine Viertelmillion bekommen? Oder war vielleicht die Sache so, daß Geißler selbst Geld brauchte und den Berg für das, was er eben dafür bekam, verkaufen mußte? Fünfundzwanzigtausend oder fünfzigtausend sind ja schließlich auch ein schönes Geld. Es wurde übrigens behauptet, sein Sohn habe in seinem Namen das Geschäft abgeschlossen.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;"><a id="page335" name="page335" style="box-sizing: border-box;" title="akling/cal"></a>Jedenfalls aber wurde der Betrieb wieder aufgenommen; derselbe Ingenieur mit verschiedener Arbeiterschaft kehrte zurück, und dieselbe Arbeit fing wieder an. Dieselbe Arbeit ja, aber auf eine ganz andere Weise als früher, gerade umgekehrt.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Alles schien ganz in Ordnung zu sein; die Schweden kamen mit Leuten und Dynamit und Geld, was konnte da noch fehlen? Und auch Aronsen kam wieder, der Kaufmann Aronsen, und wollte durchaus Storborg wieder kaufen. – Nein, erklärte Eleseus, ich verkaufe nicht. – Ihr werdet doch gewiß verkaufen, wenn Ihr Geld genug bekommt? – Nein.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Nein, Eleseus wollte Storborg nicht verkaufen. Die Sache war die, sein Dasein als Kaufmann auf dem Ödland kam ihm nicht mehr gar so elend vor, er hatte eine schöne Veranda mit bunten Glasscheiben, er hatte einen Ladendiener, der die Arbeit tat, er selbst konnte auf Reisen sein. Ja, reisen auf dem ersten Platz, zusammen mit vornehmen Leuten. Wenn er nur einmal ganz bis nach Amerika kommen könnte, daran hatte er schon oft gedacht. Schon allein von diesen Geschäftsreisen in die Städte im Süden, um Verbindungen anzuknüpfen, konnte er nachher immer noch lange zehren. Nicht, als ob er üppig gelebt hätte, mit eigenem Dampfschiff gefahren wäre und Orgien gefeiert hätte. Er und Orgien! Er war eigentlich ein sonderbarer Mensch, um Mädchen bekümmerte er sich gar nicht mehr, er ließ sie links liegen, hatte alles Herz für sie verloren. Nein, aber natürlich war er der Sohn des Markgrafen, der auf dem ersten Platz fuhr und vielerlei Waren kaufte. Er selbst kam jedesmal von seinen Ausflügen ein wenig feiner und vornehmer nach Hause, das letztenmal kam er mit Galoschen an den Füßen zurück. Trägst du zwei Paar Schuhe, wurde er gefragt. – Ja, ich leide an kalten Füßen, erklärte Eleseus. Und da hatte man herzliches Mitleid mit seinen kalten Füßen.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Glückselige Tage, ein Herrenleben und Müßiggang! Nein, er wollte Storborg nicht verkaufen. Sollte er wieder in das Städtchen zurückkehren, von neuem in dem kleinen Bauernkramladen stehen und keinen Ladendiener <a id="page336" name="page336" style="box-sizing: border-box;" title="akling/cal"></a>unter sich haben! Übrigens hoffte er auch darauf, es werde sich von nun an ein ungeheurer Betrieb auf Storborg entwickeln; die Schweden waren zurückgekehrt und würden die Gegend mit Geld überschwemmen, er wäre ein Narr, wenn er verkaufen würde! Aronsen mußte einmal ums andere mit einer Absage seines Weges ziehen und entsetzte sich immer mehr über seine eigene Dummheit, das Ödland verlassen zu haben.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Ach, Aronsen hätte mit seinen Selbstvorwürfen Maß halten und ebenso hätte Eleseus seine großen Erwartungen einschränken dürfen; aber vor allen Dingen hätten die Ansiedler und die Dorfbewohner weniger große Hoffnungen hegen und nicht lächeln und sich die Hände reiben sollen, wie es die Englein tun, weil sie selig sind; nein, das hätten die Ansiedler und Dorfbewohner durchaus nicht tun sollen, denn nun wurde die Enttäuschung gewaltig. Sollte man es glauben, die Grubenarbeit begann zwar ganz richtig, aber sie begann auf der andern Seite des Berges, zwei Meilen weit entfernt, am südlichen Ende von Geißlers Gebiet, weit drinnen in einem anderen Kirchspiel, das die diesseitigen Bewohner nichts anging. Von da aus sollte sich die Arbeit langsam nach Norden zu durchfressen, bis zu der ersten Fundstelle des Kupfers, bis zu Isaks Fundstelle, und ein Segen für das Ödland und das Dorf werden. Das würde im besten Fall viele Jahre dauern, vielleicht Menschenalter.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Diese Erkenntnis kam und wirkte wie die ärgste Dynamitsprengung mit Bewußtlosigkeit und Taubheit. Die Dorfbewohner versanken in Kummer und Sorgen. Einige schimpften auf Geißler: dieser verfluchte Geißler habe ihnen wieder einen Possen gespielt; andere krochen zu einer Versammlung zusammen und schickten eine neue Gesandtschaft von Vertrauensmännern aus, diesmal zu der Grubengesellschaft, zu dem Ingenieur. Dieser Schritt führte zu gar nichts; der Ingenieur setzte ihnen auseinander, daß er mit der Arbeit auf der Südseite beginnen müsse, weil es von dort näher zum Meere sei, dort brauche man keine Luftbahn, dort sei fast gar kein Transport nötig. Nein, die Arbeit müsse aus der Südseite anfangen. Damit basta!</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;"><a id="page337" name="page337" style="box-sizing: border-box;" title="akling/cal"></a>Da reiste Aronsen sofort hinüber auf das neue Arbeitsfeld zu der neuen Goldgrube. Er wollte auch den Ladendiener Andresen mitnehmen: Wozu willst du hier im Ödland bleiben? sagte er. Es ist viel besser für dich, wenn du mit mir .gehst. – Aber der Ladendiener Andresen wollte das Ödland nicht verlassen, es war unbegreiflich, aber es war gerade, als ob ihn etwas hier fesselte, es schien ihm hier zu gefallen, er war hier festgewurzelt. Andresen selbst mußte sich verändert haben, das Ödland hatte sich nicht geändert. Hier waren die Leute und die Verhältnisse noch genau so wie früher: der Bergwerksbetrieb war zwar aus der Gegend verschwunden, aber keiner der Ödlandbewohner hatte darüber den Kopf verloren, sie hatten ihre Landwirtschaft, ihre Ernten und ihren Viehbestand. Bares Geld gab es allerdings nicht so viel bei ihnen, sie hatten alle Lebensbedürfnisse, einfach alle. Nicht einmal Eleseus verzweifelte darüber, daß der Geldstrom an ihm vorüberfloß; das Schlimmste war, daß er in der ersten Begeisterung eine Menge unverkäuflicher Waren angeschafft hatte. Nun, die mußten eben vorläufig lagern bleiben, sie putzten den Laden heraus und dienten ihm zur Ehre.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia; text-indent: 0.8em;"></span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Nein, der Ödlandbewohner verlor den Kopf nicht. Er fand die Luft nicht ungesund, hatte Bewunderer genug für seine neuen Kleider, er vermißte die Diamanten nicht, und Wein kannte er nur von der Hochzeit zu Kanaan. Der Ödlandbewohner quälte sich nicht wegen der Herrlichkeiten, auf die er verzichten mußte: Kunst, Zeitungen, Luxus, Politik waren gerade soviel wert, als die Menschen dafür bezahlen wollten, nicht mehr. Der Erntesegen aber mußte erarbeitet werden um jeden Preis, das war der Ursprung, die Quelle von allem und jedem.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Hamsun: Segen der Erde, <a href="https://www.projekt-gutenberg.org/hamsun/segenerd/chap028.html">2. Teil Kapitel 9</a></span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><h3 style="box-sizing: border-box; text-align: center;"><span style="font-family: georgia; font-size: small;">10</span></h3><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Eine Frau wandert durch das Ödland hinauf. Es fällt ein milder Sommerregen, sie wird naß, aber darum kümmert sie sich nicht, sie hat anderes zu denken, sie ist sehr gespannt, ob – es ist Barbro, und keine andere, Barbro, Bredes Tochter. Jawohl, sie darf wohl gespannt sein, sie kann nicht wissen, wie dieses Abenteuer ablaufen wird, aber sie ist von der Frau Lensmann entlassen und ist fort aus dem Dorf. So steht es.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Sie macht einen Bogen um alle Ansiedlungen im Ödland herum, denn sie möchte alle Menschen vermeiden. Jedermann würde ja gleich erraten, wohin sie will, den sie trägt ein Bündel mit Kleidern auf dem <a id="page350" name="page350" style="box-sizing: border-box;" title="akling/cal"></a>Rücken. Jawohl, sie will nach Maaneland und will wieder dort bleiben.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Zehn Monate lang hat sie bei der Frau Lensmann gedient, und das ist keine kurze Zeit, wenn man sie in Tage und Nächte umrechnet, aber wenn man den Zwang und alle die hinausziehenden Gedanken bedenkt, dann ist es eine Ewigkeit. Im Anfang ging alles wirklich gut; Frau Heyerdahl war sehr besorgt um Barbro und gab ihr Schürzen und putzte sie heraus, es war eine Freude, in so schönen Kleidern in den Kaufladen geschickt zu werden. Barbro war ja schon als Kind hier im Dorf gewesen, sie kannte alle Leute von der Zeit her, wo sie hier in die Schule gegangen war und die Jungen geküßt und mit Steinen und Muscheln allerlei Spiele gespielt hatte. Ein paar Monate ging alles gut. Aber dann umsorgte die Frau Heyerdahl sie immer noch mehr, und als die Weihnachtsvergnügungen angingen, wurde Frau Heyerdahl streng. Aber wozu das alles, doch nur um das gute Verhältnis zu stören! Barbro hätte es überhaupt nicht ausgehalten, wenn sie nicht gewisse Nachtstunden für sich gehabt hätte: von zwei Uhr an bis morgens um sechs konnte sie ziemlich sicher sein, und sie gestattete sich manche verstohlene Freuden in diesen Stunden. Aber was für ein Mädchen war denn die Köchin, daß sie Barbro nicht anzeigte? Sie war das ganz gewöhnliche Dienstmädchen und ging selbst unerlaubterweise aus. Die beiden hielten abwechselnd Wache. [<i>Das geht aber einmal schief, weil sie sich beide unwillentlich gegenseitig hineinreiten. Ohne diese Vergnügungen hält Barbro aber nichts mehr bei Frau Heyerdahl.</i>] </span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Während der Tage, die seither verflossen sind, hat sich Barbro bei ihren Eltern aufgehalten. Aber dort <a id="page354" name="page354" style="box-sizing: border-box;" title="Natasi/akling"></a>konnte sie nicht immer bleiben. O, es ging ihnen nicht schlecht, die Mutter trieb jetzt einen Kaffeeausschank, und es kamen immer viele Leute ins Haus; aber davon konnte Barbro nicht leben, und sie konnte ja auch andere gute Gründe haben, warum sie wieder in eine feste Stellung kommen wollte. So nahm sie also heute einen Sack mit Kleidern auf den Rücken und wanderte das Ödland hinauf. Nun kam es darauf an, ob Axel Ström sie wieder aufnehmen würde! Aber sie hatte am letzten Sonntag das Aufgebot verkünden lassen.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Es regnet, der Weg ist schmutzig, aber Barbro geht weiter. Es wird Abend, und da der Sankt Olafstag noch nicht gewesen ist, wird es nicht dunkel. Arme Barbro, sie schont sich nicht, sie hat eine bestimmte Absicht, sie hat ein Ziel, und so nimmt sie den ersten Kampf auf. Sie hat sich im Grunde niemals geschont, ist niemals träge gewesen, darum ist sie auch ein schönes und feines Geschöpf. Barbro hat eine leichte Auffassungsgabe, gebraucht sie jedoch oftmals zu ihrem eigenen Verderben. Was war auch anderes zu erwarten? Sie hat gelernt, sich von einer Not in die andere zu retten, aber sie hat verschiedene gute Eigenschaften behalten; der Tod eines Kindes ist ihr nichts, aber ein lebendes Kind könnte es gut bei ihr haben. Außerdem hat sie ein sehr musikalisches Ohr, sie klimpert weich und richtig auf der Gitarre und singt mit etwas heiserer Stimme dazu, was angenehm und etwas wehmütig anzuhören ist. Sich selbst schonen? Ho, so wenig, daß sie sich selbst völlig weggeworfen und den Verlust nicht einmal empfunden hatte. Dann und wann weinte sie, und das Herz wollte ihr über dies und jenes in ihrem Leben fast brechen; das gehört dazu, das kommt von den rührenden Liedern, die sie singt, das ist die Poesie und die süße Wonne der Wehmut in ihr, sie hat häufig sich selbst und andere damit angeführt. Hätte sie ihre Gitarre mit sich nehmen können, so hätte sie heute abend Axel etwas vorgeklimpert.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Sie richtet sich so ein, daß sie spät anlangt, und auf Maaneland ist alles still, als sie den Hofraum betritt. Sieh, Axel hat schon in der Nähe des Hauses mit dem Mähen begonnen und wahrhaftig auch schon <a id="page355" name="page355" style="box-sizing: border-box;" title="Natasi/akling"></a>etwas trockenes Heu eingefahren! Nun überlegt sich Barbro, die alte Oline werde drinnen in der Schlafkammer schlafen und Axel in der Heuscheune, wo sie selbst früher geschlafen hatte. Wie ein Dieb in der Nacht schleicht sie auf die bekannte Tür zu, dann ruft sie leise: Axel! – Was gibt's? antwortet Axel sofort. – Ich bin's nur, sagt Barbro und tritt zu ihm ein. Kannst du mich über Nacht hier behalten?</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Axel schaut sie an, er ist etwas langsam, er sitzt in seinen Unterkleidern da und schaut sie an. So, du bist's? sagt er. Wo willst du hin? – Ja, das kommt nun zuerst darauf an, ob du eine Hilfe für die Sommerarbeit brauchst, erwidert sie. – Axel denkt darüber nach und fragt: Bleibst du nicht mehr dort, wo du gewesen bist? – Nein, bei Lensmanns hab ich Schluß gemacht. – Ich könnte recht gut eine Hilfe für die Sommerzeit brauchen, sagt Axel. Aber was soll das heißen, willst du etwa wiederkommen? – Nein, du brauchst dich gar nicht um mich zu kümmern, wehrt Barbro ab. Morgen geh ich weiter, ich geh nach Sellanraa und über die Berge, dort hab ich eine Stelle. – So, du hast dich verdingt? – Ja. – Ich könnte wohl eine Hilfe für den Sommer brauchen, wiederholt Axel.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Barbro ist ganz naß, sie hat Kleider in ihrem Bündel bei sich und muß sich umziehen. Kümmere dich gar nicht darum, daß ich hier bin, sagt Axel und weicht nur ein wenig nach der Tür zurück. Barbro zieht die nassen Kleider aus, und währenddessen sprechen sie miteinander und Axel dreht öfters den Kopf nach ihr um. – Aber jetzt mußt du ein wenig hinausgehen, sagt Barbro. – Hinausgehen? fragt er. Und es war auch wirklich kein Wetter zum Hinausgehen. Er steht da und sieht zu, wie sie immer nackter wird, er kann kein Auge von ihr abwenden; und wie gedankenlos Barbro ist, sie hätte gut immer ein trockenes Stück anlegen können, wenn sie das nasse abzog, aber das tat sie nicht. Ihr Hemd ist ganz dünn und klebt an ihrem Körper, sie knöpft es auf der einen Achsel auf und wendet sich um, sie ist sehr geübt. In diesem Augenblick schweigt Axel bums still, und sieht, daß sie <a id="page356" name="page356" style="box-sizing: border-box;" title="Natasi/akling"></a>nur einen Griff oder zwei braucht, um das Hemd abzuziehen. Das ist prachtvoll gemacht, denkt er. Und da bleibt sie nun ganz gedankenlos stehen.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Später liegen sie im Heu und unterhalten sich. Jawohl, er brauche eine Hilfe für den Sommer, das sei schon wahr. – Ja, so sagte man mir, stimmt Barbro bei. – Er habe auch in diesem Jahr wieder allein mit dem Mähen und Heumachen anfangen müssen, Barbro könne wohl verstehen, wie ratlos er sei. – Ja, Barbro verstand alles. – Andererseits sei es doch gerade Barbro gewesen, die damals davongelaufen sei und ihn ohne weibliche Hilfe zurückgelassen habe; das könne er nicht vergessen, und die Ringe habe sie auch mitgenommen. Und zu aller Schmach sei auch noch ihre Zeitung immer weiter gekommen, diese Bergensche Zeitung, die er gar nicht loswerden konnte, und er habe sie hinterher noch für ein ganzes Jahr bezahlen müssen. – Das war ja ein schändliches Blatt, sagte Barbro und stellte sich die ganze Zeit auf seine Seite. Aber bei so großer Willfährigkeit konnte auch Axel kein Unmensch sein, er gab zu, daß Barbro Grund gehabt haben könnte, sich auch über ihn zu ärgern, weil er die Aufsicht über die Telegraphenlinie ihrem Vater weggenommen hatte. Übrigens kann dein Vater den Telegraphen wieder haben, ich mache mir nichts daraus, es ist nur Zeitverlust. – Ja, sagte Barbro. – Axel überlegte eine Weile, dann fragte er geradezu: Ja, wie ist das, willst du nur den Sommer über bleiben? – Ach, das soll so werden, wie du es haben willst, entgegnete Barbro. – So, ist das deine aufrichtige Meinung? – Ja, genau was du willst, das will ich auch. Du brauchst nicht mehr an mir zu zweifeln. – So. – Nein. Und ich hab uns auch in der Kirche aufbieten lassen.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">So. Das war keine schlimme Kunde. Axel blieb ruhig liegen und überlegte. Wenn es diesmal ernst war und nicht wieder ein schändlicher Verrat, so hatte er die eigene Frau im Hause, und es war ihm für alle Zeit geholfen. – Ich hätte eine Frau von daheim haben können, sagte er. Sie hat geschrieben, sie wolle mich haben. Aber ich hätte ihr die Rückreise von Amerika <a id="page357" name="page357" style="box-sizing: border-box;" title="Natasi/akling"></a>bezahlen müssen. – Barbro fragt: So, ist sie in Amerika? – Ja, sie ist voriges Jahr hingereist; aber es gefällt ihr nicht dort. – Nein, du mußt dich nicht um sie kümmern! erklärt Barbro. Was würde sonst aus mir? fragt sie und beginnt zu weinen. – Darum hab ich es auch nicht fest mit ihr gemacht, sagt Axel. [...]</span></p><h3 style="box-sizing: border-box; text-align: center;"><span style="font-family: georgia; font-size: small;">11</span></h3><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Die Zeit vergeht, der Winter vergeht, es wird wieder Frühling. Natürlich mußte Isak eines Tages notwendig ins Dorf. Es wurde gefragt, was er dort wolle. Ich weiß es nicht recht, sagte er. Aber er putzte den Karren sehr rein, stellte den Sitz darauf und fuhr davon. Und natürlich hatte er verschiedentliche Eßwaren für Eleseus auf Storborg bei sich. Es fuhr ja kein Wagen von Sellanraa ab, der nicht irgend etwas für Eleseus mitnahm.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;"><a id="page364" name="page364" style="box-sizing: border-box;" title="cal/akling"></a>Wenn Isak das Ödland hinunterfuhr, so war das kein unbedeutendes Ereignis; er selbst tat es nur selten, Sivert pflegte es an seiner Statt zu tun. In den zwei ersten Ansiedlungen stehen die Leute unter der Gammentür und sagen zueinander: Das ist der Isak selbst, ich möchte nur wissen, warum er heute fährt. Als er nach Maaneland kommt, steht Barbro mit einem Kind auf dem Arm unter dem Fenster, und als sie ihn sieht, denkt sie: das ist der Isak selbst!</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Er kommt nach Storborg und hält an: Prrr! Ist Eleseus daheim? – Eleseus kommt heraus. Jawohl, er ist daheim, er ist noch nicht abgereist, aber er will abreisen, er will seinen Frühlingsausflug nach den Städten im Süden antreten. – Da schickt dir die Mutter etwas, sagt der Vater. Ich weiß nicht, was es ist, es wird weiter nichts Besonderes sein. – Eleseus nimmt die Gefäße entgegen, dankt und fragt: Hast du nicht auch einen Brief oder so etwas? – Doch, antwortet der Vater und sucht in seinen Taschen. Er ist wohl von der kleinen Rebekka. – Eleseus bekommt den Brief, darauf hat er gewartet, er sieht, das er schön dick ist, und sagt zu seinem Vater: Es ist sehr schade, daß du so früh kommst, zwei Tage zu früh. Aber wenn du ein bißchen warten willst, kannst du meinen Koffer gleich mitnehmen.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Isak steigt ab und bindet das Pferd an. Dann macht er einen Gang über die Felder. Der kleine Ladendiener Andresen ist kein schlechter Landwirt auf Eleseus Grund und Boden, Sivert ist ihm allerdings mit den Pferden von Sellanraa zu Hilfe gekommen, aber er hat auch auf eigene Faust Moor entwässert und einen Mann zu Hilfe genommen, der die Gräben mit Steinen auslegte. In diesem Jahr braucht auf Storborg kein Futter gekauft zu werden, und im nächsten Jahr konnte sich Eleseus vielleicht ein eigenes Pferd halten. Das hatte er Andresens Freude an der Landwirtschaft zu verdanken. [...]</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Endlich kommen sie zu den beiden Ansiedlungen, die am weitesten unten im Tal liegen, und man merkt jetzt wohl, daß man in der Nähe des Dorfes ist, auf beiden Neusiedlungen hängen wahrhaftig an dem kleinen Stubenfenster, das nach der Straße geht, weiße Vorhänge, und auf dem Dachfirst des Heubodens ist eine kleine Stange für die Flagge zu Ehren des siebzehnten Mai aufgepflanzt. – Das ist der Isak selbst, sagen die Leute der beiden Ansiedlungen, als sie die Reisenden sehen.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Endlich vermag Eleseus seine Gedanken so weit von seiner eigenen Person und seinen eigenen Angelegenheiten abzulenken, daß er fragt: Was hast du eigentlich heute vor? – Hm! eigentlich nichts Besonderes, erwidert sein Vater. Aber Eleseus reiste ja jedenfalls ab, so konnte es also nichts schaden, wenn er erfuhr, was der Vater vorhatte. – Die Jensine vom Schmied will ich holen, erklärte der Vater, ja, gesteht er wirklich zu. – Mußt du dir selbst die Mühe machen; hätte denn nicht Sivert fahren können? fragt Eleseus. – Seht, Eleseus verstand es nicht besser, er meinte also, Sivert werde Jensine mit dem Wagen wieder holen, nachdem sie einmal so hochmütig getan hatte und von Sellanraa fortgegangen war!</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Nein, es war letztes Jahr mit dem Heumachen gar nicht gegangen. Inger hatte sich allerdings sehr darangehalten, wie sie versprochen hatte, Leopoldine tat auch ihre Arbeit, und dazu hatten sie auch den Heurechen, der von einem Pferd gezogen wurde. Aber das Heu war zum Teil schweres Timotheusgras und die Wiesen weit vom Hause entfernt. Sellanraa war jetzt ein großes Gut, die Frauen hatten dort anderes zu tun, als Heu zu machen; all das viele Vieh mußte versorgt werden, das Essen mußte zur rechten Zeit fertig sein, das Buttern und Käsemachen war zu besorgen, desgleichen das Waschen und das Backen, Mutter und Tochter schafften sich gar zu sehr ab. Einen solchen Sommer wollte Isak nicht noch einmal erleben, er bestimmte kurz und gut, daß Jensine wiederkommen solle, <a id="page367" name="page367" style="box-sizing: border-box;" title="WeBa/akling"></a>wenn sie zu haben sei. Inger hatte jetzt auch nichts mehr dagegen, sie hatte ihren Verstand wieder und sagte: Meinetwegen mach es, wie du willst. O, Inger war jetzt fügsamer geworden, es ist keine kleine Sache, wenn man seinen verlorenen Verstand wiederkriegt. Inger hatte keine heiße Glut mehr zu verstecken, keine innere Leidenschaft mehr im Zaum zu halten, der Winter hatte sie abgekühlt, sie hatte nur noch Glut genug für den Hausgebrauch. Sie fing jetzt an, an Körperfülle zuzunehmen, schön und stattlich sah sie aus. Es war merkwürdig, wie wenig sie alterte, sie wurde nicht stückweise alt und welk, vielleicht kam es daher; weil sie erst so spät aufgeblüht war. Gott mag wissen, woher alles kommt, nichts hat nur eine einzige Ursache, alles hat eine Ursachenreihe! Und hatte nicht Inger das größte Lob bei der Frau des Schmieds? Was konnte die Schmiedfrau ihr vorwerfen? Durch ihr verunziertes Gesicht war sie um ihren Lenz betrogen worden, später war sie in künstliche Luft versetzt worden, und dadurch waren ihr sechs Jahre ihres Sommers gestohlen; da sie aber doch heißes Blut hatte, mußte ihr Herbst wilde Schößlinge treiben. Inger ist besser als so eine Schmiedfrau, zwar ein bißchen beschädigt, ein bißchen verzerrt, aber eine gute Natur, eine tüchtige Natur ...</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Vater und Sohn fahren weiter, sie fahren an Brede Olsens Herberge vor und führen das Pferd in den Schuppen. Es ist Abend geworden. Sie selbst gehen ins Haus.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Brede Olsen hat dieses Haus gemietet, es ist eigentlich ein Nebengebäude, das dem Kaufmann gehört, jetzt sind zwei Stuben und zwei Schlafkammern darin eingerichtet; es ist ganz erträglich, und die Lage ist gut, das Haus wird von Kaffeegästen besucht und außerdem von den Leuten in der Umgegend, die mit dem Postschiff fahren wollen.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Brede scheint wirklich einmal Glück gehabt zu haben, er ist auf den richtigen Platz gekommen, und das hat er seiner Frau zu verdanken. Bredes Frau kam auf den Gedanken, dieses Kaffeehaus und diese Herberge einzurichten, als sie während der Versteigerung auf Breidablick Kaffee verkaufte; das war damals sehr <a id="page368" name="page368" style="box-sizing: border-box;" title="WeBa/akling"></a>unterhaltend gewesen, es war angenehm, Münze zwischen den Fingern zu haben, bares Geld. Seit sie hierher gekommen sind, ist alles gut gegangen, die Frau verkauft jetzt im Ernst Kaffee und beherbergt allerlei Leute, die kein Dach über dem Kopf haben. Sie wird auch von den Reisenden recht gelobt. Natürlich ist ihre Tochter Katrine, die jetzt ein großes Mädchen und eine flinke Aufwärterin ist, eine gute Hilfe. Aber ebenso natürlich ist es nur eine Zeitfrage, bis wann die kleine Katrine nicht mehr im Hause ihrer Eltern sein und da aufwarten wird. Aber inzwischen geht es ganz ordentlich mit dem Umsatz, und das ist die Hauptsache. Der Anfang war entschieden gut gewesen und hätte noch besser sein können, wenn sich der Kaufmann genügend mit Brezeln und Spekulatius zum Kaffee vorgesehen hätte; da saßen nun alle Leute, die den siebzehnten Mai feiern wollten, und riefen vergebens nach Kuchen zum Kaffee: Kaffeekuchen! Da lernte es der Kaufmann, sich mit Backwaren für die Feste des Dorfes zu versehen.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Brede und die ganze Familie leben von diesem Betrieb, so gut es geht. Zu gar vielen Mahlzeiten gibt es nichts als Kaffee mit übriggebliebenem Kaffeekuchen, aber auch das hält Leib und Seele zusammen, und die Kinder bekommen davon ein feines, ja sozusagen ein verfeinertes Aussehen. Es haben nicht alle Kuchen zum Kaffee! sagten die Leute im Dorf. Der Familie Brede scheint es gut zu gehen, sie halten sogar einen Hund, der bei den Gästen herumschleicht, Bissen erschnappt und fett wird. Was ist doch so ein fetter Hund eine Anpreisung für die Verpflegung in einer Herberge!</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Brede Olsen nimmt also die Stelle des Hausherrn in diesem Betrieb ein und hat sich auch nebenher emporgearbeitet. Er ist wieder der Begleiter und Amtsdiener des Lensmannes geworden und hatte in dieser Stellung eine Zeitlang viel zu tun. Aber letzten Herbst hat seine Tochter Barbro mit der Frau Lensmann Streit bekommen, wegen einer Kleinigkeit, gerade herausgesagt, wegen einer Laus, und seit der Zeit ist auch Brede bei der Herrschaft nicht mehr gern gesehen. Aber <a id="page369" name="page369" style="box-sizing: border-box;" title="WeBa/akling"></a>Brede hat dadurch nicht viel verloren, er hat andere Herrschaften, die ihn, gerade um die Frau Lensmann zu ärgern, aufsuchen, so daß er als Doktorskutscher ein gesuchter Mann ist, und die Frau Pfarrer hat gar nicht so viele Schweine, als sie Brede gerne schlachten lassen würde, – das sind seine eigenen Worte.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Manchmal ist allerdings auch jetzt noch bei der Familie Brede Schmalhans Küchenmeister, und nicht alle sind so fett wie der Hund. Aber Gott sei Dank, Brede hat einen leichten Sinn: Die Kinder werden alle Tage größer, sagt er, obgleich auch immer wieder neue kleine dazu kommen. Die Großen, die fortgezogen sind, sorgen ja nun für sich selbst und schicken zuweilen auch eine Kleinigkeit nach Hause. Barbro ist auf Maaneland verheiratet, und Helge ist beim Heringsfang, sie geben den Eltern Waren oder Geld, wenn sie es möglich machen können, ja sogar Katrine, die zu Hause die Gäste bedient, hat im Winter einmal, als es recht trübe aussah, ihrem Vater einen Fünfkronenschein zustecken können. [...]</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Eleseus ist an das Leben in Gasthäusern gewöhnt, er macht sich's bequem, hängt seinen Überzieher und seinen Stock auf und verlangt Kaffee. Etwas zu essen hat der Vater mit. Katrine kommt mit Kaffee. – Nein, ihr dürft nichts bezahlen, erklärt Brede. Ich bin schon so oft in Sellanraa bewirtet worden, und bei Eleseus stehe ich auch im Schuldbuch. Du nimmst keinen Öre, Katrine! – Aber Eleseus bezahlt, er zieht den Beutel und bezahlt und gibt noch zwanzig Öre Trinkgeld. Nichts da! Kein Geschwätz!</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Isak geht zum Schmied, und Eleseus setzt sich wieder.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Mit Katrine spricht er das Notwendigste, aber nicht mehr, er unterhält sich lieber mit ihrem Vater. Nein, Eleseus macht sich nichts aus den Mädchen, er ist einmal von ihnen schlecht behandelt worden, und jetzt will er nichts mehr von ihnen wissen. Vielleicht hat er überhaupt nie einen Liebesdrang gehabt, der der Rede wert gewesen wäre, da er sich gar nicht um sie kümmert. Ein wunderbarer Mann im Ödland, ein Herr mit schmächtigen Schreiberhänden und ganz weiblichem Sinn für Putz und Regenschirm und Spazierstock und Gummischuhe. Verschroben, verdreht, ein unverständlicher Junggeselle. Auf seiner Oberlippe will nicht einmal <a id="page371" name="page371" style="box-sizing: border-box;" title="WeBa/akling"></a>ein rechter Bart wachsen. Aber vielleicht hatte dieser Junge einmal gute Anlagen gehabt, war einmal von Natur ordentlich ausgesteuert gewesen, war aber dann in unnatürliche Verhältnisse gekommen und zum Wechselbalg geworden. Ist er so fleißig auf einem Bureau und in einem Kaufladen gewesen, daß all seine Ursprünglichkeit verloren gegangen ist? Vielleicht war es so. Jedenfalls ist er nun da, gewandt und leidenschaftslos, etwas schwächlich, etwas gleichgültig, und geht weiter und weiter auf seinem Abweg. Er könnte jeden einzelnen Mann im Ödland beneiden, allein nicht einmal dazu ist er imstande. [...]</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Gebt doch dem Hund nichts! sagte Brede. – Aber Eleseus war wieder ein bißchen Mensch geworden und spielte sich auf. Das ist einmal ein riesig fetter Hund! sagte er.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Von dem einen Gedanken kam er auf den andern, er brach die Unterhaltung mit Brede ab und ging hinaus, ging in den Schuppen zu dem Pferd. Dort machte er den Brief auf, den er in der Tasche hatte. Er hatte ihn nur eingesteckt und nicht nachgesehen, wieviel Geld er enthielt, er hatte solche Briefe von zu Hause schon <a id="page373" name="page373" style="box-sizing: border-box;" title="WeBa/akling"></a>öfters erhalten, und es waren immer verschiedene Geldscheine darin gewesen, eine Beisteuer zu der Reise. Was war aber jetzt das? Ein großes Stück graues Papier, über und über bemalt von der kleinen Rebekka für ihren lieben Bruder Eleseus, dabei ein Briefchen von der Mutter. Was sonst noch? Nichts mehr. Kein Geld.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Die Mutter schrieb, sie habe den Vater nicht mehr um Geld bitten können, denn es sei jetzt von dem Reichtum, den sie seinerzeit für den Kupferberg bekommen hätten, nicht mehr viel übrig. Das Geld sei für den Ankauf von Storborg und seither für alle die Waren und für die vielen Reisen draufgegangen. Nun müsse er versuchen, sich das Geld für die Reise diesmal selbst zu beschaffen, denn das Geld, das jetzt noch da sei, müßten seine Geschwister bekommen, die dürften auch nicht ganz leer ausgehen. Glückliche Reise und herzliche Grüße!</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Kein Geld.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Eleseus hatte selbst nicht genug Geld für die Reise, er hatte seine Ladenkasse umgekehrt, aber nicht viel darin gefunden. Ach, wie dumm war er gewesen, er hatte erst neulich seinem Lieferanten in Bergen einen Geldbrief geschickt und einige Rechnungen bezahlt. Das hätte warten können. Natürlich war es auch allzu sorglos von ihm gewesen, sich auf den Weg zu machen, ohne vorher den Brief zu öffnen, da hätte er sich die Wagenfahrt ins Dorf mit seinem elenden Koffer sparen können. Jetzt stand er da ...</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Der Vater kam vom Schmied zurück mit wohlgelungener Besorgung: Jensine wollte morgen mit ihm kommen. Seht, Jensine war durchaus nicht querköpfig gewesen und hatte sich nicht lange bitten lassen, sie hatte sofort begriffen, daß man auf Sellanraa eine Hilfe für die Sommerarbeit brauchte und hatte nichts dagegen, wiederzukommen. Wieder ein glatter Bescheid.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Während der Vater erzählt, denkt Eleseus über seine eigenen Angelegenheiten nach. Er zeigt dem Vater den Koffer des Amerikaners und sagt: Ich wäre froh, wenn ich da stünde, wo dieser Koffer hergekommen ist! – Und der Vater erwidert: Ja, das wäre noch nicht das Schlimmste ...</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;"><a id="page374" name="page374" style="box-sizing: border-box;" title="WeBa/akling"></a>Am nächsten Morgen macht sich der Vater zur Heimfahrt bereit; er frühstückt, spannt an und fährt beim Schmied vor, um Jensine und ihre Truhe abzuholen. Eleseus sieht ihnen lange nach, und als der Wagen im Walde verschwunden ist, bezahlt er in der Herberge und gibt wieder ein Trinkgeld. Laß meinen Koffer dastehen, bis ich zurückkomme, sagt er zu Katrine und geht fort.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Wo geht Eleseus hin? Er hat nur einen Ort, wo er hingehen kann, er dreht um, er muß in sein Heim zurückkehren. Er nimmt den Weg hinauf unter die Füße und gibt sich Mühe, dem Vater und Jensine so nahe als möglich zu bleiben, ohne von ihnen gesehen zu werden. Er geht und geht, und jetzt fängt er wirklich an, jeden einzelnen Ödlandbauern zu beneiden.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Es ist schade um Eleseus, er ist vom Leben so verdreht worden.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Betreibt er denn nicht auf Storborg einen Kaufladen? Jawohl, aber dort Herr zu sein, das will doch gar nichts heißen, er macht zu viele vergnügliche Reisen, um Geschäftsverbindungen anzuknüpfen, die kosten zuviel, er reist nicht billig. Nur nicht kleinlich sein! sagt Eleseus und gibt zwanzig Öre Trinkgeld, wo zehn auch genug wären. Diesen flotten Herrn kann sein Geschäft nicht erhalten, er braucht Zuschuß von zu Hause. Jetzt erntet man auf Storborg Kartoffeln, Heu und Korn für den Haushalt, aber der Belag aufs Brot muß von Sellanraa kommen. Ist das alles? Sivert muß alle Waren umsonst von der Küste herauffahren. Ist das jetzt alles? Die Mutter muß ihm vom Vater das Geld zu seinen Reisen verschaffen. Ist das jetzt alles?</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Das Schlimmste kommt noch.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Eleseus betreibt sein Geschäft wie ein Narr. Er fühlt sich so geschmeichelt, wenn die Leute aus dem Dorf zu ihm heraufkommen, um einzukaufen, daß er ihnen gern auf Borg gibt. Und als das einmal bekannt wird, kommen mehr und immer mehr und kaufen auf Borg, Eleseus ist entgegenkommend und borgt, sein Laden wird leer und füllt sich wieder. Das alles kostet Geld. Wer bezahlt? Der Vater.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Im Anfang war die Mutter seine gläubige Fürsprecherin: <a id="page375" name="page375" style="box-sizing: border-box;" title="WeBa/akling"></a>Eleseus sei der helle Kopf in der Familie, man müsse ihm ordentlich vorwärts helfen. Bedenke nur, wie billig er Storborg bekommen hat, und wie er gleich haarscharf sagte, was er dafür geben wolle! Wenn der Vater meinte, Eleseus' Geschäft sei allmählich die reine Komödie, so erwiderte seine Mutter: Was ist das für ein Geschwätz! und sie gebrauchte so deutliche Redensarten, daß es war, als sei der gute Isak Eleseus gegenüber doch gar zu familiär geworden.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Seht, die Mutter war selbst weggewesen und hatte Reisen gemacht, sie begriff, daß Eleseus hier im Ödland nicht recht gedeihen konnte, er war an feinere Sitten gewöhnt, hatte sich in allerlei Gesellschaftskreisen bewegt, und hier fehlten ihm Ebenbürtige. Allerdings, er borgte armen Leuten zuviel; aber das tat Eleseus nicht aus Bosheit und um seine Eltern zu ruinieren, er tat es aus guter und vornehmer Veranlagung, er hatte den Drang, den Leuten, die unter ihm standen, zu helfen. Du liebe Zeit, er war der einzige Mensch im Ödland mit einem weißen Taschentuch, das fortwährend gewaschen werden mußte. Wenn sich die Leute vertrauensvoll an ihn wandten und um Kredit baten und er hätte Nein gesagt, so hätte das mißverstanden werden können, als sei er nicht der ausgezeichnete Mensch für den er galt. Außerdem hatte er auch Pflichten als der Städter und das Genie unter den Bewohnern des Ödlandes.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Dies alles zog die Mutter wohl in Betracht.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Aber der Vater, der davon keinen Deut begriff, öffnete ihr eines Tages die Augen und die Ohren und sagte: Sieh her, das ist jetzt der Rest von dem Geld für das Kupferbergwerk. – So so, sagte sie. Und wo ist denn das andere hingekommen? – Das hat alles Eleseus bekommen. – Da schlug sie die Hände zusammen und rief: Dann soll er endlich einmal seinen Verstand gebrauchen!</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Armer Eleseus, er ist zerfahren und verpfuscht. Er hätte Ödlandbauer bleiben sollen, jetzt ist er ein Mensch, der Buchstaben zu schreiben gelernt hat, er hat keinen Unternehmungsgeist, keine Tiefe. Aber ein kohlschwarzer Teufelskerl ist er auch nicht, er ist nicht verliebt und <a id="page376" name="page376" style="box-sizing: border-box;" title="WeBa/akling"></a>nicht ehrgeizig, er ist eigentlich gar nichts, nicht einmal ein großer Übeltäter.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Der junge Mann hatte etwas Unglückliches, etwas Verurteiltes an sich, wie wenn er in seinem Innern Schaden genommen hätte. Der gute Bezirksingenieur aus der Stadt hätte ihn lieber in seiner Jugend nicht entdecken, ihn nicht zu sich nehmen und nicht etwas aus ihm machen sollen, da wurden dem Kinde die Wurzeln abgerissen und es fuhr schlecht dabei. Alles, was er jetzt vornimmt, läßt einen Schaden bei ihm erkennen, etwas Dunkles auf hellem Grunde ...</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Eleseus geht und geht. Die beiden auf dem Wagen sind an Storborg vorbeigefahren. Eleseus macht einen Bogen darum herum und wandert auch an Storborg vorbei; was sollte er daheim in seinem Kaufladen? Die zwei auf dem Wagen kamen mit Anbruch der Nacht auf Sellanraa an, Eleseus ist ihnen dicht auf den Fersen. Er sieht daß Sivert auf den Hofplatz herauskommt und verwundert Jensine betrachtet; die beiden geben einander die Hand und lachen ein wenig, dann nimmt Sivert das Pferd am Zügel und führt es in den Stall.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Jetzt wagt sich auch Eleseus hervor, er, der Stolz der Familie wagt sich hervor. Er geht nicht, er schleicht, er trifft Sivert im Stall. Ich bin's nur, sagt er. – Was, du bist auch da! ruft Sivert und ist von neuem verwundert.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Die beiden Brüder reden leise miteinander, es handelt sich darum, ob Sivert wohl die Mutter dazu bringen kann, Geld herbeizuschaffen, eine Rettung, Reisegeld. So wie jetzt könne es nicht weitergehen.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Eleseus habe es jetzt satt, er habe schon oft daran gedacht, und heute nacht solle es nun geschehen, eine lange Reise, Amerika, jetzt in dieser Nacht noch. – Amerika! sagt Sivert laut. – Pst! Ich habe schon oft daran gedacht, jetzt mußt du die Mutter dazu bringen, es geht so nicht weiter, ich habe schon oft daran gedacht. – Aber Amerika! sagt Sivert. Nein, das darfst du nicht tun. – Unbedingt! Ich gehe auf der Stelle wieder zurück, ich erreiche das Postschiff noch. – Du wirst doch wohl vorher etwas essen? – Ich bin nicht <a id="page377" name="page377" style="box-sizing: border-box;" title="WeBa/akling"></a>hungrig. – Willst du nicht ein wenig schlafen? – Nein.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Sivert will seinem Bruder wohl und sucht ihn zurückzuhalten, allein Eleseus ist standhaft, zum erstenmal standhaft. Sivert ist ganz verwirrt, zuerst, als er Jensine sah, war ihm schon ein wenig sonderbar zumut geworden, und nun will Eleseus das Ödland vollständig verlassen, sozusagen diese Welt verlassen. – Was willst du mit Storborg anfangen? fragt er. – Andresen kann es haben, antwortet Eleseus. – Andresen kann es haben, wieso denn? – Bekommt er denn nicht Leopoldine? – Das weiß ich nicht. Doch das kann wohl sein.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Sie reden und reden immer leise weiter. Sivert meinte, es wäre am besten, wenn der Vater selbst herauskäme, so daß Eleseus mit ihm reden könnte; aber Nein, nein! flüstert Eleseus zurück. Nein, das könne er nicht; er hat es noch nie vermocht. Gefahren von solcher Art ins Angesicht zu schauen, er hat stets einen Vermittler nötig gehabt. Sivert sagt: Du weißt ja, wie die Mutter ist. Mit ihr kommst du nicht weiter vor lauter Tränen und Zuständen, sie darf es nicht wissen. – Nein, sagt auch Eleseus, sie darf es nicht wissen. [...]</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Die Brüder wandern zusammen den Weg hinunter, und nach einer Weile setzen sie sich und essen. Eleseus ist hungrig, er kann kaum ersättigt werden. Es ist die herrlichste Frühlingsnacht, auf allen Hügeln balzen die Auerhähne, und dieser heimische Laut macht den Auswanderer einen Augenblick verzagt. Es ist schönes Wetter, sagt er. Aber jetzt mußt du umdrehen, Sivert. – So, sagt Sivert und geht weiter. – Sie kommen an Storborg vorbei, an Breidablick vorbei, die Auerhähne balzen auf dem ganzen Weg auf dem und jenem Hügel; es ist keine Hornmusik wie in den Städten, nein, aber es sind Stimmen, das öffentliche Aufgebot, das den Frühling verkündigt. Plötzlich hören sie den ersten Singvogel vom Gipfel eines Baumes, er weckt auch andere, sie fragen und antworten von allen Seiten, das ist mehr als ein Gesang, das ist ein Lobgesang. Der Auswanderer fühlt etwas Heimweh in sich aufsteigen, etwas Hilfloses, er soll nach Amerika, niemand ist dazu so reif wie er. – Aber jetzt mußt du umkehren, Sivert, sagt er. – Ja, erwiderte der Bruder, da du es durchaus willst.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Sie setzen sich am Waldrand nieder und sehen das Dorf vor sich liegen, den Kaufladen, den Landungsplatz, Bredes Herberge. Beim Postschiff laufen einige Leute hin und her und machen sich zur Abreise fertig.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Ich habe keine Zeit mehr, noch länger hier sitzen zu bleiben, sagt Eleseus und steht wieder auf. – Es ist recht schade, daß du so weit fortgehst, sagt Sivert. – Eleseus erwidert: Aber ich komme wieder. Und dann reise ich nicht bloß mit einem Wachstuchkoffer.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Als sie einander Lebewohl sagen, steckt Sivert dem Bruder ein kleines Ding zu, etwas, das in Papier gewickelt ist. – Was ist das? fragt Eleseus. – Sivert entgegnet: Schreib auch fleißig! dann geht er.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Eleseus macht das Papier auf und sieht nach: es ist das Goldstück, die zwanzig Kronen in Gold. – Nein, das sollst du mir nicht geben! ruft er dem Bruder nach. – Aber Sivert geht weiter.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;"><a id="page379" name="page379" style="box-sizing: border-box;" title="WeBa/akling"></a>Er geht eine Weile, dann dreht er um und setzt sich wieder am Waldrand nieder. Um das Postschiff her wird es immer lebhafter, er sieht, wie die Leute an Bord gehen, auch sein Bruder geht an Bord, und das Schiff fährt ab. Da reist Eleseus nach Amerika.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Er kam niemals wieder. (Hamsun: Segen der Erde 2. Teil, Kapitel <a href="https://www.projekt-gutenberg.org/hamsun/segenerd/chap029.html">10</a> und <a href="https://www.projekt-gutenberg.org/hamsun/segenerd/chap030.html">11</a>]</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">12 [...]</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Plötzlich wird Sivert von jemand angerufen. Die Stadt ist also doch nicht völlig verlassen, nicht ganz ausgestorben. Ein Mann an einer Hausecke winkt ihnen. Sivert schwankt mit seiner Last auf ihn zu und erkennt sofort, wer es ist: Es ist Geißler.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Ein merkwürdiges Zusammentreffen! sagt Geißler. Er hat ein blühend rosiges Gesicht, aber seine Augen scheinen in der hellen Frühlingssonne Schaden gelitten zu haben, denn er trägt einen grauen Zwicker. Er spricht lebhaft wie immer. Ein glückliches Zusammentreffen! sagt er. Das spart mir den Weg nach Sellanraa, ich habe soviel zu besorgen. Wie viele Ansiedlungen sind jetzt dort auf der Allmende? – Zehn. – Zehn Ansiedlungen? Das gefällt mir, da bin ich zufrieden. Zweiunddreißigtausend solche Männer wie dein Vater sollten im Lande sein, ich hab es ausgerechnet! sagt er und nickt dazu.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Kommst du, Sivert? ruft die Karawane. – Geißler horcht auf und antwortet rasch: Nein! – Ich komme nach! ruft Sivert und legt seine Last ab.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Die beiden setzen sich und reden zusammen; über Geißler ist der Geist gekommen, und er schweigt nur, so oft Sivert eine kurze Antwort gibt, dann legt er wieder los: Ein ganz einzigartiges Zusammentreffen! Ich komme gar nicht davon weg! Meine ganze Reise ist so ausgezeichnet verlaufen, und nun treffe ich dich auch noch hier und kann mir den Umweg über Sellanraa sparen! Wie geht's zu Hause? – Dank der Nachfrage. – Habt ihr schon den Heuboden auf dem steinernen Stallgebäude aufgeschlagen? – Ja. – Ja, ich bin sehr überlastet, die Geschäfte wachsen mir allmählich über den Kopf. Sieh dir doch einmal an, wo wir <a id="page384" name="page384" style="box-sizing: border-box;" title="cal/akling"></a>jetzt sitzen, lieber Sivert? Auf der Ruine einer Stadt. Die haben nun die Menschen ihrem eigenen Vorteil gerade entgegen aufgebaut. Eigentlich bin ich die Ursache von dem allem, das heißt, ich bin einer der Vermittler in einem kleinen Komödienspiel des Schicksals. Es hat damit angefangen, daß dein Vater im Gebirge einige Steine fand und dich damit spielen ließ, als du noch ein Kind warst. Damit hat es angefangen. Ich wußte ganz genau, daß diese Steine nur den Wert hatten, den die Menschen ihnen beilegten; gut, ich setzte einen Preis dafür fest und kaufte sie. Von da an gingen die Steine von Hand zu Hand und plünderten die Leute aus. Die Zeit verging. Vor einigen Tagen bin ich hier heraufgekommen, und weißt du, was ich hier will? Die Steine wieder zurückkaufen!</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Geißler schweigt und schaut Sivert an. Dabei fällt ihm auch der große Sack in die Augen und er fragt plötzlich: Was hast du da? – Waren, antwortet Sivert. Wir wollen damit hinunter ins Kirchspiel.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Geißler bezeugt keine besondere Teilnahme für diese Antwort, er hat sie vielleicht gar nicht gehört, er fährt fort: Ich will also die Steine zurückkaufen. Das letztemal ließ ich meinen Sohn verkaufen, der ist ein junger Mann deines Alters und weiter nichts. Er ist der Blitz in der Familie, ich bin der Nebel. Ich gehöre zu denen, die das Rechte wissen, aber es nicht tun. Er ist der Blitz, zur Zeit hat er sich in den Dienst der Industrie gestellt. Er hat das letztemal in meinem Namen verkauft. Ich bin etwas, aber er ist nichts, er ist nur der Blitz, der rasche Mann der Gegenwart. Aber der Blitz als solcher ist unfruchtbar. Nehmen wir einmal euch Leute auf Sellanraa. Ihr seht alle Tage blaue Berge vor euch; das sind keine erfundenen Dinge, das sind alte Berge, die stehen da seit alter grauer Vorzeit, aber sie sind eure Kameraden. So geht ihr zusammen mit Himmel und Erde, seid eins mit ihnen, seid eins mit dieser Weite und seid bodenständig. Ihr braucht kein Schwert in der Faust, ihr geht unbewehrten Hauptes und mit unbewehrter Faust durchs Leben, umgeben von großer Freundlichkeit. Sieh, da ist die Natur, sie gehört dir und den <a id="page385" name="page385" style="box-sizing: border-box;" title="akling/cal"></a>Deinen. Der Mensch und die Natur bekämpfen einander nicht, sie geben einander recht, sie treten nicht in Wettbewerb, laufen nicht um die Wette irgendeinem Vorurteil nach, sie gehen Hand in Hand. Mitten drin geht ihr Leute auf Sellanraa und gedeiht. Die Berge, der Wald, die Moore, die Matten, der Himmel und die Sterne – ach, das alles ist nicht armselig und karg zugemessen, das ist ohne alles Maß! Hör auf mich, Sivert, sei zufrieden mit deinem Los! Ihr habt alles, was ihr zum Leben braucht, alles, wofür ihr lebt, ihr werdet geboren und erzeugt neue Geschlechter, ihr seid notwendig auf der Erde. Das sind nicht alle, aber ihr seid es: notwendig auf der Erde. Ihr erhaltet das Leben. Bei euch folgt ein Geschlecht dem andern, wenn das eine stirbt, tritt das nächste an seine Stelle. Das eben ist unter dem ewigen Leben zu verstehen. Und was habt ihr dafür? Ein Dasein in Recht und Gerechtigkeit, ein Dasein in wahrer und aufrichtiger Stellung zu allem. Was habt ihr weiter dafür? Nichts unterjocht und beherrscht euch Leute von Sellanraa, ihr habt Ruhe und Macht und Gewalt, ihr seid umschlossen von der großen Freundlichkeit. Das habt ihr dafür. Ihr liegt an einem warmen Busen und spielt mit einer weichen Mutterhand und trinkt euch satt. Ich denke an deinen Vater, er ist einer von den zweiunddreißigtausend. Was ist so mancher andere? Ich bin etwas, ich bin der Nebel, ich bin hier und ich bin dort, ich woge hin und her, zuweilen bin ich der Regen auf einer dürren Stätte. Aber die anderen? Mein Sohn ist der Blitz, der eigentlich nichts ist, ein nutzloses Aufleuchten, er kann Handel treiben. Mein Sohn ist der Typus des Menschen unserer Zeit, er glaubt aufrichtig an das, was die Zeit ihn gelehrt hat, was der Jude und der Janker ihn gelehrt haben; ich jedoch schüttle den Kopf dazu. Aber ich bin nichts Geheimnisvolles, nur in meiner eigenen Familie bin ich der Nebel, da sitze ich und schüttle den Kopf. Die Sache ist die, mir fehlt die Gabe zu einem reuelosen Handeln. Hätte ich diese Gabe, dann könnte ich selbst der Blitz sein. So bin ich der Nebel.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Plötzlich kommt Geißler gleichsam wieder zu sich und <a id="page386" name="page386" style="box-sizing: border-box;" title="akling/cal"></a>fragt: Habt ihr den Heuboden auf eurem steinernen Stallgebäude aufgeschlagen? – Ja. Und der Vater hat auch noch ein Wohnhaus gebaut. – Noch ein Wohnhaus? – Ja, für den Fall, daß jemand kommt, sagt er, für den Fall, daß der Geißler kommt, sagt er. – Geißler denkt darüber nach und erklärt: Dann muß ich gewiß kommen. Doch, dann komm ich, sag das deinem Vater. Aber ich habe so viele Geschäfte. Jetzt bin ich hier heraufgekommen und habe zu dem Ingenieur gesagt: Grüßen Sie die Herren in Schweden und sagen Sie, ich sei Käufer. Und nun müssen wir sehen, was daraus wird. Mir ist es einerlei, ich habe keine Eile. Du hättest den Ingenieur sehen sollen! Er hat hier den Betrieb im Gang gehalten mit Menschen und Pferden und Geld und Maschinen und allem Zeug, er glaubte, das Rechte zu tun, er wußte es nicht anders. Er meint, je mehr Steine er zu Geld mache, desto besser sei es und er tue etwas Verdienstvolles damit, daß er dem Kirchspiel, daß er dem Lande Geld verschafft, es rast mit ihm immer mehr dem Untergang entgegen und er merkt es nicht. Nicht Geld braucht das Land, das Land hat Geld mehr als genug. Solche Männer, wie dein Vater einer ist, davon hat es nicht genug. Wenn man bedenkt, daß sie das Mittel zum Zweck machen und stolz darauf sind! Sie sind krank und verrückt, sie arbeiten nicht, sie kennen den Pflug nicht, sie kennen nur den Würfel. Haben sie denn keine Verdienste, sie reiben sich ja auf mit ihrer Narretei? Sieh sie an, setzen sie denn nicht ihr alles ein? Der Fehler dabei ist nur, daß dieses Spiel nicht Übermut ist, nicht einmal Mut, es ist Schrecken. Weißt du, was Glücksspiel ist? Es ist Angst, die einem den Schweiß auf die Stirne treibt, das ist es. Der Fehler ist, daß sie nicht im Takt mit dem Leben schreiten wollen, sie wollen rascher gehen als das Leben, sie jagen, sie treiben sich selbst wie Keile ins Leben hinein. Aber dann sagen ja ihre Flanken – halt, es knackt, such einen Ausweg, halt inne, die Flanken! Dann zerbricht sie das Leben, höflich, aber bestimmt. Und dann beginnen die Klagen über das Leben, das Toben gegen das Leben. Jeder nach seinem Gefallen, einige haben wohl Grund zur <a id="page387" name="page387" style="box-sizing: border-box;" title="akling/cal"></a>Klage, andere nicht, aber niemand sollte gegen das Leben toben. Man sollte das Leben nicht hart und streng und gerecht beurteilen, man sollte barmherzig gegen es sein und es verteidigen: bedenke doch, mit welchen Mitspielern das Leben sein Spiel spielen muß!</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Geißler kommt wieder zu sich und sagt: Wir wollen das auf sich beruhen lassen. Er ist augenscheinlich müde, er gähnt. Willst du hinunter? fragt er. – Ja. – Das eilt nicht. Du bist mir noch einen weiten Gang über die Berge schuldig, lieber Sivert, weißt du noch? Ich erinnere mich noch an alles und jedes. Ich erinnere mich noch, wie ich anderthalb Jahre alt war: Da stand ich schwankend auf der Scheunenbrücke auf dem Hof Garmo in Lom und roch einen bestimmten Geruch. Diesen Geruch kenne ich immer noch. Aber wir wollen auch das auf sich beruhen lassen. Wir hätten jetzt den Gang über die Berge machen können, wenn du nicht den Sack da tragen müßtest. Was hast du in dem Sack? – Waren. Andresen will sie verkaufen. – Ich bin also ein Mann, der das Richtige weiß, aber es nicht tut, sagt Geißler. Das ist buchstäblich zu verstehen. Ich bin der Nebel. An einem der nächsten Tage kaufe ich vielleicht den Berg wieder, das ist gar nicht unmöglich. Aber in diesem Falle stelle ich mich nicht hin, schaue in die Luft und sage: Luftbahn, Südamerika! Das ist etwas für Glücksspieler. Die Leute hier meinen, ich sei der leibhaftige Teufel, weil ich wußte, daß es hier einen Krach geben werde. Aber es ist nichts Geheimnisvolles an mir, die ganze Sache ist sehr einfach: die neuen Kupferlager in Montana. Die Yankees sind schlauere Spieler als wir, die schlagen uns mit ihrem Wettbewerb in Südamerika tot. Unser Erz ist zu arm. Mein Sohn ist der Blitz, er hörte ein Vögelchen davon singen, da bin ich hergeschwommen. So einfach ist es. Ich war nur den Herren in Schweden ein paar Stunden voraus, das ist alles.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Geißler gähnt wieder, steht auf und sagt: Wenn du hinunter willst, so wollen wir jetzt gehen.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Sie gehen miteinander den Berg hinunter, Geißler stapft hinterdrein und ist schlapp und müde. Die Karawane hat am Landungsplatz haltgemacht, der muntere <a id="page388" name="page388" style="box-sizing: border-box;" title="akling/cal"></a>Fredrik Ström ist dabei, Aronsen steigen zu lassen. Ich habe keinen Tabak mehr, habt ihr Tabak? – Ich werd dir Tabak geben! ruft Aronsen. – Fredrik lacht und tröstet ihn: Nehmt es doch nicht so schwer, Aronsen! Wir wollen jetzt nur diese Waren vor Euren Augen verkaufen, dann gehen wir wieder heim. – Halt deinen ungewaschenen Mund! ruft Aronsen erbost. – Hahaha, nein, Ihr sollt nicht so aufgeregt umherlaufen, Ihr sollt wie eine ruhige Landschaft sein!</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Geißler ist müde, sehr müde, nicht einmal der graue Zwicker hilft mehr, die Augen wollen ihm in dem hellen Frühlingsschein zufallen. Leb wohl, lieber Sivert! sagt er plötzlich. Nein, ich kann diesmal doch nicht nach Sellanraa kommen, sag das deinem Vater. Ich habe so viel zu besorgen. Aber sag ihm, daß ich später einmal komme. – [...]</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Dort schreitet Isak übers Feld und sät, er ist ein Mühlengeist von Gestalt, ein Klotz. Er trägt hausgewebte Kleider, die Wolle stammt von seinen eigenen Schafen, die Stiefel stammen von seinen eigenen Kälbern und Kühen. Er geht nach frommer Sitte barhaupt, während er sät, auf dem Wirbel ist er kahl, sonst aber überaus haarig, ein ganzer Kranz von Haar und Bart steht um seinen Kopf. Das ist Isak der Markgraf.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Er wußte selten das genaue Datum, wozu hätte er es wissen sollen? Er hatte keine Papiere einzulösen. Die Kreuze im Kalender zeigten an, wann jede Kuh kalben sollte. Aber er wußte, daß bis zum Sankt Olafstag im Herbst alles Heu hereingebracht sein mußte, und er wußte, wann im Frühjahr der Viehmarkt war und daß drei Wochen danach der Bär aus seiner Höhle ging. Da mußte die Saat in der Erde sein. Das Notwendige wußte er.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Er ist Ödlandbauer bis in die Knochen und Landwirt vom Scheitel bis zur Sohle. Ein Wiedererstandener aus der Vorzeit, der in die Zukunft hinausdeutet, ein Mann aus der ersten Zeit des Ackerbaus, ein Landnamsmann, neunhundert Jahre alt und doch auch wieder der Mann des Tages.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Nein, er hatte nichts mehr übrig von dem Geld für <a id="page391" name="page391" style="box-sizing: border-box;" title="akling/cal"></a>den Kupferberg, das war in alle Winde verflogen. Und wer hatte jetzt noch etwas davon, da der Berg wieder verlassen war? Aber die Allmende liegt da und trägt zehn Neusiedlungen und wartet auf weitere Hunderte.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Wächst und gedeiht hier nichts? Hier wächst und gedeiht alles, Menschen und Tiere und die Früchte des Feldes. Isak sät. Die Abendsonne bescheint das Korn, er streut es im Bogen aus seiner Hand, und wie ein Goldregen sinkt es auf die Erde. Da kommt Sivert und eggt, nachher walzt er, dann eggt er wieder. Der Wald und die Berge stehen da und schauen zu, alles ist Macht und die Hoheit, hier ist ein Zusammenhang und ein Ziel.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Klingeling! sagen die Kuhglocken auf den Halden, sie kommen näher und näher, das Vieh zieht seinem Stalle zu. Es sind fünfzehn Kühe und fünfundvierzig Stück Kleinvieh, im ganzen sechzig Stück Vieh. Da gehen die Frauen mit ihren Melkkübeln dem Sommerstall zu, sie tragen sie am Joch über den Schultern, es ist Leopoldine, Jensine und die kleine Rebekka. Alle drei gehen barfuß. Die Markgräfin, Inger selbst, ist nicht mit dabei, sie ist im Haus, sie kocht das Abendessen; hoch und stattlich schreitet sie durch ihr Haus, eine Vestalin, die das Feuer in einem Kochherd unterhält. Nun, Inger ist auf das weite Meer hinausgesegelt, sie ist in der Stadt gewesen, jetzt ist sie wieder daheim. Die Welt ist weit, es wimmelt auf ihr von Punkten, Inger hat mitgewimmelt. Sie war beinahe ein Nichts unter den Menschen, nur ein einzelner unter ihnen.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Und nun wird es Abend. (Knut Hamsun: Segen der Erde, <a href="https://www.projekt-gutenberg.org/hamsun/segenerd/chap031.html">2. Teil Kapitel 12)</a></span><span style="font-family: arial; text-indent: 0.8em;"> </span></p><div><br /></div>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-47905319437561903372024-01-27T20:09:00.002+01:002024-01-27T20:09:36.478+01:00Kafka: Reisetagebuch aus Paris<p> "[...] <span style="font-family: arial; text-align: justify; text-indent: 0.8em;">Ein Mensch, der kein Tagebuch hat, ist einem Tagebuch gegenüber in einer falschen Position. Wenn dieser zum Beispiel in Goethes Tagebuch liest, daß dieser am 11. Januar 1797 den ganzen Tag zu Hause »mit verschiedenen Anordnungen beschäftigt« war,</span><span style="font-family: arial; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"> </span><a id="page465" name="page465" style="box-sizing: border-box; font-family: arial; text-align: justify; text-indent: 0.8em;" title="Wassermann/erftstahl"></a><span style="font-family: arial; text-align: justify; text-indent: 0.8em;">so scheint es diesem Menschen, daß er selbst noch niemals so wenig gemacht hat. [...]</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="text-indent: 0.8em;">Ansammlung der Besucher vor dem Öffnen des Louvre. Die Mädchen sitzen zwischen den hohen Säulen, lesen im Baedeker, schreiben Ansichtskarten.</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><a id="page469" name="page469" style="box-sizing: border-box;" title="Wassermann/KimBo"></a>Venus von Milo, deren Anblick bei dem langsamsten Umgehen schnell und überraschend wechselt. Leider eine erzwungene (über Taille und Hülle), aber einige wahre Bemerkungen gemacht, zu deren Erinnerung ich eine plastische Reproduktion nötig hätte, besonders darüber, wie das gebogene linke Knie den Anblick von allen Seiten mitbestimmt, manchmal aber nur sehr schwach. Die erzwungene Bemerkung: Man erwartet, daß über der aufhörenden Hülle der Leib sich gleich verjüngt, er wird aber zunächst noch breiter. Das fallende, vom Knie gehaltene Kleid.</p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;">Der Borghesische Fechter, dessen Vorderanblick nicht der Hauptanblick ist, denn er bringt den Beschauer zum Zurückweichen und ist verstreuter. Von hinten aber gesehen, dort, wo der Fuß zuerst auf dem Boden ansetzt, wird der überraschte Blick das festgezogene Bein entlang gelockt und fliegt geschützt über den unaufhaltsamen Rücken zu dem nach vorn gehobenen Arm und Schwert.</p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;"><i><br /></i></span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;"><i>Beschreibung eins Unfalls:</i></span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><br /></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><b style="box-sizing: border-box;">Montag, 11. September.</b> Auf dem Asphaltpflaster sind die Automobile leichter zu dirigieren, aber auch schwerer einzuhalten. Besonders wenn ein einzelner Privatmann am Steuer sitzt, der die Größe der Straßen, den schönen Tag, sein leichtes Automobil, seine Chauffeurkenntnisse für eine kleine Geschäftsfahrt ausnützt und dabei an Kreuzungsstellen sich mit dem Wagen so winden soll <a id="page472" name="page472" style="box-sizing: border-box;" title="Wassermann/KimBo"></a>wie die Fußgänger auf dem Trottoir. Darum fährt ein solches Automobil knapp vor der Einfahrt in eine kleine Gasse, noch auf dem großen Platz in ein Tricycle hinein, hält aber elegant, tut ihm nicht viel, tritt ihm förmlich nur auf den Fuß, aber während ein Fußgänger mit einem solchen Fußtritt desto rascher weitereilt, bleibt das Tricycle stehen und hat das Vorderrad gekrümmt. Der Bäckergehilfe, der auf diesem der Firma gehörigen Wagen bisher vollständig sorglos mit jenem den Dreirädern eigentümlichen schwerfälligen Schwanken dahingefahren ist, steigt ab, trifft den Automobilisten, der ebenfalls absteigt, und macht ihm Vorwürfe, die durch den Respekt vor einem Automobilbesitzer gedämpft und durch die Furcht vor seinem Chef angefeuert werden. Es handelt sich nun zuerst darum, zu erklären, wie es zu dem Unfall gekommen. Der Automobilbesitzer stellt mit seinen erhobenen Handflächen das heranfahrende Automobil dar, da sieht er das Tricycle, das ihm in die Quere kommt, die rechte Hand löst sich ab und warnt durch Hin- und Herfuchteln das Tricycle, das Gesicht ist besorgt, denn welches Automobil kann auf diese Entfernung bremsen. Wird es das Tricycle einsehen und dem Automobil den Vortritt lassen? Nein, es ist zu spät, die Linke läßt vom Warnen ab, beide Hände vereinigen sich zum Unglücksstoß, die Knie knicken ein, um den letzten Augenblick zu beobachten. Es ist geschehen und das still dastehende verkrümmte Tricycle kann schon bei der weiteren Beschreibung mithelfen. Dagegen kann der Bäckergehilfe nicht gut aufkommen. Erstens ist der Automobilist ein gebildeter lebhafter Mann, zweitens ist er bis jetzt im Automobil gesessen, hat sich ausgeruht, kann sich bald wieder hineinsetzen und weiter ausruhn und drittens hat er von der Höhe des Automobils den Vorgang wirklich besser gesehn. Einige Leute haben sich inzwischen angesammelt und stehen, wie es die Darstellung des Automobilisten verdient, nicht eigentlich im Kreise um ihn, sondern mehr vor ihm. Der Verkehr muß sich inzwischen ohne den Platz behelfen, den diese Gesellschaft einnimmt, die überdies nach den Einfällen des Automobilisten hin und her rückt. So ziehen zum Beispiel einmal alle zum Tricycle, um den Schaden, von dem so viel gesprochen worden ist, einmal genauer anzusehen. Der Automobilist hält ihn nicht für arg (einige halten in mäßig lauten Unterredungen zu ihm), trotzdem er sich nicht mit dem bloßen Hinschauen begnügt, sondern rundherum geht, oben hinein und unten <a id="page473" name="page473" style="box-sizing: border-box;" title="Wassermann/cookie12"></a>durch schaut. Einer, der schreien will, setzt sich, da der Automobilist Schreien nicht braucht, für das Tricycle ein; er bekommt aber sehr gute und sehr laute Antworten von einem neu auftretenden fremden Mann, der, wenn man sich nicht beirren läßt, der Begleiter des Automobilisten gewesen ist. Einige Male müssen einige Zuhörer zusammen lachen, beruhigen sich aber immer mit neuen sachlichen Einfällen. Nun besteht eigentlich keine große Meinungsverschiedenheit zwischen Automobilisten und Bäckerjungen, der Automobilist sieht sich von einer kleinen freundlichen Menschenmenge umgeben, die er überzeugt hat, der Bäckerjunge läßt von seinem einförmigen Armeausstrecken und Vorwürfemachen langsam ab, der Automobilist leugnet ja nicht, daß er einen kleinen Schaden angerichtet hat, gibt auch durchaus dem Bäckerjungen nicht alle Schuld, beide haben Schuld, also keiner, solche Dinge kommen eben vor usw. Kurz, die Angelegenheit würde schließlich in Verlegenheit ablaufen, die Stimmen der Zuschauer, die schon über den Preis der Reparatur beraten, müßten abverlangt werden, wenn man sich nicht daran erinnern würde, daß man einen Polizeimann holen könnte. Der Bäckerjunge, der in einer immer untergeordnetere Stellung zum Automobilisten geraten ist, wird von ihm einfach um einen Polizisten geschickt und vertraut sein Tricycle dem Schutz des Automobilisten an. Nicht mit böser Absicht, denn er hat es nicht nötig, eine Partei für sich zu bilden, hört er auch in Abwesenheit des Gegners mit seinen Beschreibungen nicht auf. Weil man rauchend besser erzählt, dreht er sich eine Zigarette. In seiner Tasche hat er ein Tabaklager. Neu Ankommende, Uniformierte, und wenn es auch nur Geschäftsdiener sind, werden systematisch zuerst zum Automobil, dann zum Tricycle geführt und erst dann über die Details unterrichtet. Hört er aus der Menge von einem weiter hinten Stehenden einen Einwand, beantwortet er ihn auf den Fußspitzen, um dem ins Gesicht sehen zu können. Es zeigt sich, daß es zu umständlich ist, die Leute zwischen Automobil und Tricycle hin- und herzuführen, deshalb wird das Automobil mehr zum Trottoir in die Gasse hineingefahren. Ein ganzes Tricycle hält, und der Fahrer sieht sich die Sache an. Wie zur Belehrung über die Schwierigkeiten des Automobilfahrens ist ein großer Motoromnibus mitten auf dem Platz stehengeblieben. Man arbeitet vorn am Motor. Die ersten, die sich um den Wagen niederbeugen, sind seine ausgestiegenen <a id="page474" name="page474" style="box-sizing: border-box;" title="Wassermann/Konmax"></a>Passagiere im richtigen Gefühl ihrer näheren Beziehung. Inzwischen hat der Automobilist ein wenig Ordnung gemacht und auch das Tricycle mehr zum Trottoir geschoben. Die Sache verliert ihr öffentliches Interesse. Neu Ankommende müssen schon erraten, was eigentlich geschehen ist. Der Automobilist hat sich mit einigen alten Zuschauern, die als Zeugen Wert haben, förmlich zurückgezogen und spricht mit ihnen leise. Wo wandert aber inzwischen der arme Junge herum? Endlich sieht man ihn in der Ferne, wie er mit dem Polizisten den Platz zu durchqueren anfängt. Man war nicht ungeduldig, aber das Interesse zeigt sich sogleich aufgefrischt. Viele neue Zuschauer treten auf, die auf billige Weise den äußersten Genuß der Protokollaufnahme haben werden. Der Automobilist löst sich von seiner Gruppe und geht dem Polizisten entgegen, der die Angelegenheit sofort mit der gleichen Ruhe aufnimmt, welche die Beteiligten erst durch halbstündiges Warten sich verschafft haben. Die Protokollaufnahme beginnt ohne lange Untersuchung. Der Polizist zieht aus seinem Notizbuch mit der Schnelligkeit eines Bauarbeiters einen alten schmutzigen, aber leeren Bogen Papier, notiert die Namen der Beteiligten, schreibt die Bäckerfirma auf und geht, um dies genau zu machen, schreibend um das Tricycle herum. Die unbewußte unverständige Hoffnung der Anwesenden auf eine sofortige sachliche Beendigung der ganzen Angelegenheit durch den Polizisten geht in eine Freude an den Einzelheiten der Protokollaufnahme über. Diese Protokollaufnahme stockt bisweilen. Der Polizist hat sein Protokoll etwas in Unordnung gebracht, und in der Anstrengung, es wieder herzustellen, hört und sieht er weilchenweise nichts anderes. Er hat nämlich den Bogen an einer Stelle zu beschreiben angefangen, wo er aus irgendeinem Grunde nicht hätte anfangen dürfen. Nun ist es aber doch geschehen, und sein Staunen darüber erneuert sich öfters. Er muß den Bogen immerfort wieder umdrehen, um den schlechten Protokollanfang zu glauben. Da er aber von diesem schlechten Anfang bald abgelassen und auch anderswo zu schreiben angefangen hat, kann er, wenn eine Spalte zu Ende ist, ohne großes Auseinanderfalten und Untersuchen unmöglich wissen, wo er richtigerweise fortzusetzen hat. Die Ruhe, die dadurch die Angelegenheit gewinnt, läßt sich mit jener früheren, durch die Beteiligten allein erreichten, gar nicht vergleichen."</p>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-60446562088478946882024-01-27T17:34:00.020+01:002024-01-27T20:25:03.519+01:00Kafka: Zusammenstellung von Texten von und über Kafka<p><i> Nicht ich habe Kafka für mich entdeckt, sondern mein Bruder hat mir früh die Erzählung/Parabel <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Vor_dem_Gesetz">Vor dem Gesetz</a> (einen Ausschnitt aus dem Roman <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Der Prozess">Der Prozess</a>) vorgestellt, von da an hat er mich fasziniert. Aber wie hätte er Lieblingsdichter eines nachmaligen Fontanefans werden können?</i></p><p><i>Jetzt sind viele von Kafkas Texten online zugänglich, die ich noch nicht kannte.</i></p><p><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Kafka">Franz Kafka</a> (Wikipediaartikel)</p><p><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/kafka.html"><b>Kafkas Werke</b> in Gutenberg.de</a></p><p><span style="font-family: arial; font-size: small; text-align: center;">Kleine Fabel</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-size: x-small;">»Ach«, sagte die Maus, »die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, daß ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, daß ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, daß ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.« – »Du mußt nur die Laufrichtung ändern«, sagte die Katze und fraß sie.</span></p><ul style="box-sizing: border-box; font-family: Arial; margin-bottom: 6pt; margin-top: 0px;"><li style="box-sizing: border-box;"><span style="font-size: x-small;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/kafka/amerika/amerika.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;">Amerika</a> (Romanfragment)</span></li><li style="box-sizing: border-box;"><span style="font-size: x-small;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/kafka/aphorism/aphorism.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;">Aphorismen</a> (Aufzeichnungen aus dem Jahre 1920, Paralipomena, Betrachtungen über Sünde, Leid, Hoffnung und den wahren Weg)</span></li><li style="box-sizing: border-box;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/kafka/blumfeld/blumfeld.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;"><span style="font-size: x-small;">Blumfeld, ein älterer Junggeselle</span></a></li><li style="box-sizing: border-box;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/kafka/vater/vater.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;"><span style="font-size: x-small;">Brief an den Vater</span></a></li><li style="box-sizing: border-box;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/kafka/brieffam/brieffam.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;"><span style="font-size: x-small;">Briefe an Ottla und die Familie. Auszüge</span></a></li><li style="box-sizing: border-box;"><span style="font-size: x-small;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/kafka/testamen/testamen.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;">Briefe an Max Brod</a> (Testament)</span></li><li style="box-sizing: border-box;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/kafka/schloss/schloss.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;"><span style="font-size: x-small;">Das Schloß</span></a></li><li style="box-sizing: border-box;"><span style="font-size: x-small;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/kafka/bau/bau.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;">Der Bau</a> (Erzählung)</span></li><li style="box-sizing: border-box;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/kafka/gruft/gruft.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;"><span style="font-size: x-small;">Der Gruftwächter</span></a></li><li style="box-sizing: border-box;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/kafka/prozess/prozess.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;"><span style="font-size: x-small;">Der Prozeß</span></a></li><li style="box-sizing: border-box;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/kafka/verwandl/verwandl.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;"><span style="font-size: x-small;">Die Verwandlung</span></a></li><li style="box-sizing: border-box;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/kafka/erzaehlg/erzaehlg.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;"><span style="font-size: x-small;">Erzählungen I</span></a></li><li style="box-sizing: border-box;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/kafka/misc/misc.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;"><span style="font-size: x-small;">Erzählungen II</span></a></li><li style="box-sizing: border-box;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/kafka/fragment/fragment.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;"><span style="font-size: x-small;">Fragmente aus Heften und losen Blättern</span></a></li><li style="box-sizing: border-box;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/kafka/strafkol/strafkol.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;"><span style="font-size: x-small;">In der Strafkolonie</span></a></li><li style="box-sizing: border-box;"><span style="font-size: x-small;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/kafka/oktavhef/oktavhef.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;">Die 8 Oktavhefte</a> (Fragmente)</span></li><li style="box-sizing: border-box;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/kafka/tagebuch/tagebuch.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;"><span style="font-size: x-small;">Tagebücher 1910 - 1923</span></a></li></ul><div><span style="font-family: Arial; font-size: x-small;">Kafkas <a href="http://www.zeno.org/Literatur/M/Kafka,+Franz">Werke bei Zeno.org</a></span></div><p>über <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Kafka#Werke">Kafkas Werke in der Wikipedia</a> (insbesondere: <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Urteil_(Kafka)">Das Urteil</a>, <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Verwandlung">Die Verwandlung</a>, )</p><p><a href="https://www.zeit.de/2024/05/franz-kafka-reiner-stach-biograf">Reiner Stach und Franz Kafka</a> (mit Kommentar) [ZEIT]</p><p><span style="background-color: white; color: #252525; font-family: FranziskaWebPro, Georgia, Palatino, "Palatino Linotype", FreeSerif, serif;"><span style="font-size: x-small;">"[...] Reiner Stach spricht nicht gern über seine Jugend, das liegt vor allem an seinem Vater. Der Junge hatte vor, Philosophie zu studieren, das passte dem Vater nicht. Reiner Stach kaufte sich von seinem Taschengeld Bücher des Philosophen Jean-Paul Sartre, hörte in seinem Zimmer die Rolling Stones, auch das war dem Vater ein Ärgernis. "Wovon willst du denn mal leben?", habe er den Sohn gefragt. "Es war bei uns wie bei den Kafkas", sagt Stach heute. Auch Franz Kafka litt unter einem herrischen Vater, der den Jungen einschüchterte. [...] </span></span><span style="font-size: x-small;"><span style="background-color: white; color: #252525; font-family: FranziskaWebPro, Georgia, Palatino, "Palatino Linotype", FreeSerif, serif;">Gerade hat Stach seine kommentierte Ausgabe von Kafkas Roman </span><em style="background-color: white; box-sizing: border-box; color: #252525; font-family: FranziskaWebPro, Georgia, Palatino, "Palatino Linotype", FreeSerif, serif;">Der Process</em><span style="background-color: white; color: #252525; font-family: FranziskaWebPro, Georgia, Palatino, "Palatino Linotype", FreeSerif, serif;"> fertiggestellt. Er steht mit Kafka auf und geht mit Kafka schlafen. Achtzehn Jahre lang arbeitete er an einer </span><a href="https://www.zeit.de/2008/28/L-Kafka" style="background-color: white; border-bottom: 1px solid rgba(var(--z-color-link--rgb), 0.5); box-sizing: border-box; font-family: FranziskaWebPro, Georgia, Palatino, "Palatino Linotype", FreeSerif, serif; text-decoration-line: none; transition-duration: 0.2s; transition-property: border-bottom-color, color;" target="_blank">Kafka-Biografie, die 2014 fertig wurde</a><span style="background-color: white; color: #252525; font-family: FranziskaWebPro, Georgia, Palatino, "Palatino Linotype", FreeSerif, serif;"> und mehr als 2.000 Seiten hat. </span></span></p><p><span style="font-size: x-small;"><span style="background-color: white; color: #252525; font-family: FranziskaWebPro, Georgia, Palatino, "Palatino Linotype", FreeSerif, serif;"><a href="https://www.zeit.de/2008/28/L-Kafka/komplettansicht">Greiner: Kafka ganz nah</a> </span></span>[ZEIT]</p><p style="margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #252525;"><span style="font-family: FranziskaWebPro, Georgia, Palatino, Palatino Linotype, FreeSerif, serif; font-size: x-small;">"[...] Reiner
Stach nähert sich seinem Autor, so paradox das klingt, mit einem
liebenden, zudringlichen Respekt. Er will keine Distanz, er will
Kafka so gut und genau verstehen, wie man einen anderen Menschen
überhaupt zu verstehen vermag, und man kann sogar sagen, dass dieser
Biograf Kafka besser versteht, als der sich selber verstehen konnte,
denn Stach nutzt den historischen Abstand, studiert zahllose Quellen
und Zeugnisse und hat alles gleichzeitig zur Hand, was sich für den
Porträtierten auf die ganze Strecke seines Lebens verteilte, die
Briefe, die Texte, die Tagebücher und vieles mehr. [...]"</span></span></p><p><a href="https://www.zeit.de/2024/05/franz-kafka-humor-literatur-geschichte">Fröhlicher Fatalismus</a> [ZEIT]</p><p><span style="font-size: x-small;"><span style="background-color: white; color: #252525; font-family: FranziskaWebPro, Georgia, Palatino, "Palatino Linotype", FreeSerif, serif;">"[...] Diese Literatur ist, mit einem Wort ihres Autors gesagt, "stehender Sturmlauf". Das ganze Leben erscheint Kafka zwei Jahre vor seinem Tod als "stehendes Marschieren". Viel Energie, enormer Aufwand, aber man dreht sich, von einer Peitsche angetrieben, immerfort im Kreis wie die Varieté-Reiterin in der Erzählung </span><em style="background-color: white; box-sizing: border-box; color: #252525; font-family: FranziskaWebPro, Georgia, Palatino, "Palatino Linotype", FreeSerif, serif;">Auf der Galerie.</em><span style="background-color: white; color: #252525; font-family: FranziskaWebPro, Georgia, Palatino, "Palatino Linotype", FreeSerif, serif;"> In </span><em style="background-color: white; box-sizing: border-box; color: #252525; font-family: FranziskaWebPro, Georgia, Palatino, "Palatino Linotype", FreeSerif, serif;">Der Bau </em><span style="background-color: white; color: #252525; font-family: FranziskaWebPro, Georgia, Palatino, "Palatino Linotype", FreeSerif, serif;">versucht ein nicht näher bezeichnetes Tier, "durch Kratzen und Beißen, Stampfen und Stoßen" dem "widerspenstigen Boden" ein labyrinthisches Netz von Gängen und Plätzen abzuringen, aber niemals ist der Bau vollendet, nie wird die vollkommene Sicherheit vor Feinden erreicht</span></span><span style="background-color: white; color: #252525; font-family: FranziskaWebPro, Georgia, Palatino, "Palatino Linotype", FreeSerif, serif; font-size: 22.5px;">. </span><span style="font-size: x-small;"><span style="background-color: white; color: #252525; font-family: FranziskaWebPro, Georgia, Palatino, "Palatino Linotype", FreeSerif, serif;">[...] </span><span style="background-color: white; color: #252525; font-family: FranziskaWebPro, Georgia, Palatino, "Palatino Linotype", FreeSerif, serif;">Der österreichische Schriftsteller Franz Blei hat in seinem </span><em style="background-color: white; box-sizing: border-box; color: #252525; font-family: FranziskaWebPro, Georgia, Palatino, "Palatino Linotype", FreeSerif, serif;">Großen Bestiarium </em><em style="background-color: white; box-sizing: border-box; color: #252525; font-family: FranziskaWebPro, Georgia, Palatino, "Palatino Linotype", FreeSerif, serif;">der modernen Literatur</em><span style="background-color: white; color: #252525; font-family: FranziskaWebPro, Georgia, Palatino, "Palatino Linotype", FreeSerif, serif;"> von 1922 zeitgenössische Autoren als Tiere zu beschreiben versucht. Es gibt auch einen Eintrag zu Kafka. Er lautet: "Die Kafka. Die Kafka ist eine sehr selten gesehene prachtvolle mondblaue Maus, die kein Fleisch frißt, sondern sich von bittern Kräutern nährt. Ihr Anblick fasziniert, denn sie hat Menschenaugen."</span></span></p><p><span style="background-color: white; color: #252525; font-family: FranziskaWebPro, Georgia, Palatino, "Palatino Linotype", FreeSerif, serif;"><b>Aus seinen Tagebüchern</b></span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-size: x-small;"><b>1910:</b> "[...] Die Tänzerin Eduardowa ist im Freien nicht so hübsch wie auf der Bühne. Die bleiche Farbe, diese Wangenknochen, welche die Haut so spannen, daß im Gesicht kaum eine stärkere Bewegung ist, die große Nase, die sich wie aus einer Vertiefung erhebt, mit der man keine Späße machen kann – wie die Härte der Spitze prüfen oder sie am Nasenrücken leicht fassen und hin und her ziehen, wobei man sagt: »Jetzt aber kommst du mit.« Die breite Gestalt mit hoher Taille in allzu faltigen Röcken – wem kann das gefallen – sie sieht einer meiner Tanten, einer ältlichen Dame, ähnlich, viele ältere Tanten vieler Leute sehn ähnlich aus. Für diese Nachteile aber findet sich bei der Eduardowa im Freien außer den ganz guten Füßen eigentlich kein Ersatz, da ist wirklich nichts, was zum Schwärmen, Staunen oder auch nur zur Achtung Anlaß gäbe. Und so habe ich auch die Eduardowa sehr oft mit einer Gleichgültigkeit behandelt gesehn, die selbst sonst sehr gewandte, sehr korrekte Herren nicht verbergen konnten, obwohl sie sich natürlich viele Mühe in dieser Richtung gaben, einer solchen bekannten Tänzerin gegenüber, wie es die Eduardowa immerhin war.</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-size: x-small;">Meine Ohrmuschel fühlte sich frisch, rauh, kühl, saftig an wie ein Blatt.</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-size: x-small;">Ich schreibe das ganz bestimmt aus Verzweiflung über meinen Körper und über die Zukunft mit diesem Körper.</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-size: x-small;">Wenn sich die Verzweiflung so bestimmt gibt, so an ihren Gegenstand gebunden ist, so zurückgehalten wie von einem Soldaten, der den Rückzug deckt und sich dafür zerreißen läßt, dann ist es nicht die richtige Verzweiflung. Die richtige Verzweiflung hat ihr Ziel gleich und immer überholt, (bei diesem Beistrich zeigt es sich, daß nur der erste Satz richtig war).</span></p><p class="vers" style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin: 1em 2em;"><span style="font-size: x-small;">Bist du verzweifelt?<br style="box-sizing: border-box;" />Ja? du bist verzweifelt?<br style="box-sizing: border-box;" />Läufst weg? Willst dich verstecken? </span><span class="footnote" style="box-sizing: border-box; color: #505050; display: inline; font-size: 16.2px;">Im Manuskript folgen hier Federzeichnungen. Auch im weiteren Manuskript finden sie sich des öfteren.[...] (<a href="http://Gutenberg.de">Gutenberg.de</a>)</span></p><p class="vers" style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin: 1em 2em;"><span class="footnote" style="box-sizing: border-box; display: inline; font-size: 16.2px;"><a href=" https://www.projekt-gutenberg.org/kafka/tagebuch/chap005.html">Tagebücher 1914</a>:</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-size: x-small;"><b style="box-sizing: border-box;">12. Januar.</b> Gestern: die Liebschaften Ottiliens, die jungen Engländer. – Tolstois Verlobung, klarer Eindruck eines zarten, stürmischen, sich bezwingenden, ahnungsvollen, jungen Menschen. Schön gekleidet, dunkel und dunkelblau.</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-size: x-small;">Das Mädchen im Kaffeehaus. Der schmale Rock, die weiße, lose, fellbesetzte Seidenbluse, der freie Hals, der knapp sitzende, graue Hut aus gleichem Stoff. Ihr volles, lachendes, ewig atmendes Gesicht, freundliche Augen, allerdings ein wenig geziert. Das Heißwerden meines Gesichtes in Gedanken an F.</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-size: x-small;">Weg nach Hause, klare Nacht, deutliches Bewußtsein des bloß Dumpfen in mir, das so weit von großer, ohne Hindernisse ganz sich ausbreitender Klarheit ist.</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-size: x-small;">Nicolai, Literaturbriefe.</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-size: x-small;">Es gibt Möglichkeiten für mich, gewiß, aber unter welchem Stein liegen sie?</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-size: x-small;">Vorwärtsgerissen, auf dem Pferd –</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-size: x-small;">Sinnlosigkeit der Jugend. Furcht vor der Jugend, Furcht vor der Sinnlosigkeit, vor dem sinnlosen Heraufkommen des unmenschlichen Lebens.</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-size: x-small;">Tellheim:<span class="footnote" style="box-sizing: border-box; color: #505050; display: inline;">Zitiert aus Dilthey ›Das Erlebnis und die Dichtung‹.</span>»Er hat jene freie Beweglichkeit des Seelenlebens, welche unter den wechselnden Lebensumständen immer wieder durch ganz neue Seiten überrascht, wie sie nur die Schöpfungen echter Dichter besitzen.«</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-size: x-small;"> </span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-size: x-small;"><b style="box-sizing: border-box;">19. Januar.</b> Angst im Bureau abwechselnd mit Selbstbewußtsein. Sonst zuversichtlicher. Großer Widerwillen vor ›Verwandlung‹. Unlesbares Ende. Unvollkommen fast bis in den Grund. Es wäre <a id="page255" name="page255" style="box-sizing: border-box;" title="Wassermann/Anna Waffel"></a>viel besser geworden, wenn ich damals nicht durch die Geschäftsreise gestört worden wäre.</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-size: x-small;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/kafka/tagebuch/chap014.html">Tagebücher 1923</a></span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-size: x-small;"><b style="box-sizing: border-box;">12. Juni.</b> Die schrecklichen letzten Zeiten, unaufzählbar, fast ununterbrochen. Spaziergänge, Nächte, Tage, für alles unfähig, außer für Schmerzen.</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-size: x-small;">Und doch. Kein »und doch«, so ängstlich und gespannt du mich ansiehst, Krizanowskaja auf der Ansichtskarte vor mir.</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-size: x-small;">Immer ängstlicher im Niederschreiben. Es ist begreiflich. Jedes Wort, gewendet in der Hand der Geister – dieser Schwung der Hand ist ihre charakteristische Bewegung –, wird zum Spieß, gekehrt gegen den Sprecher. Eine Bemerkung wie diese ganz besonders. Und so ins Unendliche. Der Trost wäre nur: es geschieht, ob du willst oder nicht. Und was du willst, hilft nur unmerklich wenig. Mehr als Trost ist: Auch du hast Waffen.</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-size: x-small;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/kafka/tagebuch/chap015.html">Reisetagebücher</a></span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">daraus:</span><span style="font-family: arial;"><span style="font-size: x-small;"> <a href="https://fontanefan3.blogspot.com/2024/01/kafka-reisetagebuch-aus-paris.html">Ausschnitt des Tagebuchs aus Paris</a></span></span></p><p><a href="https://fontanefan3.blogspot.com/search/label/Kafka">Stichwort Kafka in diesem Blog</a></p><p><a href="https://fontanefan3.blogspot.com/search?q=Kafka">Erwähnung von Kafka in diesem Blog</a></p><p><a href="https://www.nli.org.il/en/discover/literature-and-poetry/authors/franz-kafka?">Digitalisate von handschriftlichen Texten Kafkas </a></p>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-70637060133482922952024-01-26T00:38:00.002+01:002024-01-26T00:41:38.727+01:00Maxim Gorkij: Erzählungen<p><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/gorki/maerchen/chap039.html"> Matriona, die Dulderin</a></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;">Es war einmal eine Frau, sagen wir, Matriona. Sie arbeitete für einen fremden Onkel, sagen wir Nikita, und für seine Verwandten und seine zahlreichen Leute.</p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;">Es ging der Frau schlecht. Onkel Nikita beachtete sie überhaupt nicht, obwohl er vor den Nachbarn prahlte:</p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;">»Meine Matriona hat mich sehr lieb. Ich tue mit ihr, was ich will. Ein musterhaftes Arbeitstier ist sie, gehorsam wie ein Gaul.« [...]</p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;">Aber der Held quält sie und fragt andauernd:</p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;">»Was bin ich für dich?«</p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;">Und schlägt sie hinter die Ohren und zaust sie am Zopfe.</p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;">Matriona küßt ihn, redet ihm gut zu, spricht freundliche Worte zu ihm:</p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;">»Ach, du mein lieber italienischer Garibaldi, o du mein englischer Cromwell, du mein französischer Bonaparte!«</p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;">Aber nachts weinte sie leise vor sich hin:</p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;">»Herrgott, Herrgott! Ich hatte gedacht, es würde wirklich etwas geschehen. Und das ist nun dabei herausgekommen!«</p><p class="center" style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: center;">*</p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;">Ich gestatte mir daran zu erinnern, daß das ein Märchen ist.</p><p><br /></p><p>Das Mädchen</p><p><i>Ein Mädchen singt im schrecklichsten Elendsviertel mit rührend kindlicher Stimme ihrer Puppe, einem Kochlöffel, ein Schlaflied. Der Erzähler ist gerührt.</i></p><p><i>Da sieht sie ihn - sie ist etwa 11 Jahre - und bietet sich ihm für 15 Kopeken an</i>. "Los, komm schon"<i> Als er nicht darauf eingeht: </i>"Hab dich nicht so! Du glaubst wohl ich würde schreien, weil ich klein bin? Keine Angst, das habe ich früher getan ... während ich jetzt..." [...]</p><p>Ich ließ sie stehen und ging; ich trug in meinem Herzen ein böses Entsetzen und den traurigen Blick der klaren Kinderaugen mit mir davon." (1905)</p><p><i>Bei <a href="https://www.aphorismen.de/gedicht/19235">Storm hieß es noch</a>:</i></p><h2 class="aphoinhalt" id="zitat-title-19235" style="--tw-border-spacing-x: 0; --tw-border-spacing-y: 0; --tw-ring-color: rgb(59 130 246 / .5); --tw-ring-offset-color: #fff; --tw-ring-offset-shadow: 0 0 #0000; --tw-ring-offset-width: 0px; --tw-ring-shadow: 0 0 #0000; --tw-rotate: 0; --tw-scale-x: 1; --tw-scale-y: 1; --tw-scroll-snap-strictness: proximity; --tw-shadow-colored: 0 0 #0000; --tw-shadow: 0 0 #0000; --tw-skew-x: 0; --tw-skew-y: 0; --tw-translate-x: 0; --tw-translate-y: 0; border-color: rgb(229, 231, 235); border-style: solid; border-width: 0px; box-sizing: border-box; color: #1e1c29; hyphens: auto; line-height: 38.25px; margin: 0px; position: relative; white-space-collapse: preserve;"><span style="font-weight: normal;"><span style="font-family: times; font-size: small;">"Die fremde Stadt durchschritt ich sorgenvoll,
der Kinder denkend, die ich ließ zu Haus.
Weihnachten war’s, durch alle Gassen scholl
der Kinder Jubel und des Markts Gebraus.
Und wie der Menschenstrom mich fortgespült,
drang mir ein heiser Stimmlein in das Ohr:
„Kauft, lieber Herr!“ Ein magres Händchen hielt
feilbietend mir ein ärmlich Spielzeug vor.
Ich schrak empor, und beim Laternenschein
sah ich ein blasses Kinderangesicht;
wes Alters und Geschlechts es mochte sein,
erkannt ich im Vorübergehen nicht.
Nur von dem Treppenstein, darauf es saß,
noch immer hört ich, mühsam, wie es schien:
„Kauft, lieber Herr!“ den Ruf ohn Unterlaß;
doch hat wohl keiner ihm Gehör verliehn.
Und ich? War’s Ungeschick, war es die Scham,
am Weg zu handeln mit dem Bettelkind?
Eh’ meine Hand zu meiner Börse kam,
verscholl das Stimmlein hinter mir im Wind.
Doch als ich endlich war mit mir allein, </span></span><span face="Manrope, ui-sans-serif, system-ui, -apple-system, BlinkMacSystemFont, Segoe UI, Roboto, Helvetica Neue, Arial" style="font-size: 1.25rem;">
</span><span style="font-family: times; font-size: small;">erfaßte mich die Angst im Herzen so,
als säß’ mein eigen Kind auf jenem Stein
und schrie nach Brot, indessen ich entfloh."</span></h2><div><span style="font-family: times; font-size: small;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Poetischer_Realismus"><br /></a></span></div><div><span style="font-family: times; font-size: small;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Poetischer_Realismus">Poetischer Realismus</a></span></div><p><br /></p>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-61069460348506955272024-01-07T21:31:00.029+01:002024-02-12T02:19:30.043+01:00Christa Wolf: Ein Tag im Jahr - Fortsetzung und Neuansatz<p><span style="font-family: georgia;">Ich habe meinen <a href="https://fontanefan3.blogspot.com/2023/10/christa-wolf-ein-tag-im-jahr.html">Artikel zum Thema "Ein Tag im Jahr"</a> von Christa Wolf aus dem Oktober 2023 noch einmal gelesen und merke, dem Buch werde ich nicht gerecht, wenn ich ihm nicht weit mehr Raum gebe: <b style="background-color: white; color: #222222;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Christa_Wolf" style="color: #336699;">Christa Wolf</a>: <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ein_Tag_im_Jahr" style="color: #336699;">Ein Tag im Jahr</a>.</b></span></p><p><span style="font-family: georgia;"><span style="background-color: white; color: #222222;"><a href="https://christa-wolf-gesellschaft.de/christa-wolf/biographie/"><b>Daten </b>zu Ch. Wolfs Leben</a></span></span></p><p><span style="font-family: georgia;"><a href="https://genderblog.hu-berlin.de/christa-wolf-im-jahr-2021/">Christa Wolf im Jahr 2021 Briefausgabe, Archivmöglichkeiten</a> (genderblog)</span></p><p><span style="font-family: georgia;"><span style="background-color: white; color: #222222;">(<a href="https://www.zeit.de/2003/42/L-ChristaWolf/komplettansicht">Rezension</a> von Evelyn Finger, 2003)</span></span></p><p><span style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;">Was das Besondere an dem Buch ist, wurde in <a href="https://fontanefan3.blogspot.com/2023/10/christa-wolf-ein-tag-im-jahr.html">dem Artikel</a> dargestellt. Es bietet so viel, dass ich mir weit mehr Zeit nehmen will zum Lesen.</span></span></p><p><span style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;">Christa Wolf, geb. Ihlenfeld, ist 1929 in Landsberg an der Warthe, im heutigen </span></span><span style="color: #222222; font-family: georgia;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Gorz%C3%B3w_Wielkopolski">Gorzów Wielkopolski</a>, geboren, sie wuchs unter der Naziherrschaft auf. Ihre Erfahrungen aus dieser Zeit hat sie literarisch verfremdet in ihrem Roman <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kindheitsmuster">Kindheitsmuster</a> (1976) dargestellt und verarbeitet. Ich habe das Buch in der 3. Auflage des Aufbauverlags 1978 erworben, in meinem Lektüretagbuch aus der Zeit kommt es nicht vor. Ein Lesezeichen findet sich bei den Seiten 368/69. Was für eine Bedeutung das frühere Buch <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Nachdenken_%C3%BCber_Christa_T.">Nachdenken über Christa T.</a> (1968) hatte, habe ich gewiss aus Rezensionen erfahren, als ich es in den Jahren 1981/83 in England las. </span></p><p><span style="color: #222222; font-family: georgia;">Was für Schwierigkeiten Wolf schon 1962 mit ihrer Rolle als Schriftstellerin hat, wo sie erfahren hat, dass sie nicht mehr schreiben kann, was sie schreiben will. (Freundschaft mit dem alten Kommunisten und Widerstandskämpfer Friedrich <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Schlotterbeck">Schlotterbeck</a>, der aus Westdeutschland in die SBZ kam, dann aber 1953 wegen Verdachts von Kontakten zu 6 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde </span><span style="font-family: arial;"><span style="color: #222222;">"Von den eigenen Leuten eingesperrt zu werden, sagt Frieder, fast entschuldigend, das schlaucht dich natürlich ungeheuer."</span><span style="color: #222222;"> </span></span><span style="background-color: white; color: #222222; font-family: georgia;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ein_Tag_im_Jahr" style="color: #336699;">Ein Tag im Jahr</a>, S.52</span><span style="color: #222222; font-family: georgia;">) Das habe ich erst in ihrem Eintrag 1962 gelesen. Das war ein Jahr, bevor ihr Roman </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Der_geteilte_Himmel" style="font-family: georgia;">Der geteilte Himmel</a><span style="color: #222222; font-family: georgia;"> (1963) herauskam, den ich geschätzt habe, aber auch als zu angepasst angesehen habe. Als sie 1964 den Nationalpreis für </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Tr%C3%A4ger_des_Nationalpreises_der_DDR_III._Klasse_f%C3%BCr_Kunst_und_Literatur_(1960%E2%80%931969)" style="font-family: georgia;">Literatur (3. Klasse)</a><span style="color: #222222; font-family: georgia;"> erhält, leidet sie bereits unter der ständigen Aufmerksamkeit und wacht erstmals nachts schreiend auf. - Ihre Wahrheit schreiben zu wollen, aber nur verfremdet schreiben zu dürfen, aber bis 1989 aus Solidarität mit ihren Lesern die DDR noch reformieren zu wollen '</span><span style="color: #222222;"><span style="font-family: georgia;">schlaucht [sie] natürlich ungeheuer'. (</span><span style="font-family: georgia;">"</span><span style="font-family: arial;">u</span></span><span style="background-color: white; color: #222222; font-family: arial;">nd ich frage mich, inwieweit die Schwierigkeiten dieses Jahres nicht einfach meine ganz persönlichen Schwierigkeiten sind, eines zu kleinen Talents, eines zu großen Ehrgeizes, eines zu schwächlichen, halbherzigen Lebens, aus dem eben nicht mehr heraus zu holen ist." (1966)</span><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: white; color: #222222; font-size: small;"> </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ein_Tag_im_Jahr" style="color: #336699; font-family: georgia;">Tag im Jahr</a>, S. <span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: white; color: #222222; font-size: small;">83) </span><span style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;">Am Tag dieses Eintrags geht sie wegen ihrer psychisch-somatischen Probleme zum Arzt, legt aber mehr Make-up auf, um weniger krank auszusehen und nicht zu sehr von ihm durchschaut zu werden. (Auf dem Weg </span><span style="font-family: arial;">"versuche ich dann hochmütig auszusehen", S.88</span><span style="font-family: georgia;">.</span></span><span style="background-color: white; color: #222222; font-family: georgia;">)</span></p><p><span style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;"><i>Sie geht ins Regierungskrankenhaus.</i> </span><span style="font-family: arial;"><span>"</span><span>W</span></span></span><span style="background-color: white; color: #222222; font-family: arial;">ie immer der höfliche Ton der Schwester, die meinen Namen nennt. Die Schwestern werden hier besser bezahlt als in anderen Krankenhäusern. [... Der Arzt] Er sagte plötzlich, dass weder die Patienten des Regierungskrankenhauses noch seine Kollegen, die nur dort arbeiteten, überhaupt wüssten, wie es in unserem Gesundheitswesen wirklich aussieht. Dass man in Krankenhäusern ganze Stationen wegen Personalmangel schließen müsse. Bei ihm lägen manchmal Leute mit Gehirntumor drei Wochen lang und könnten nicht operiert werden, daran sterben natürlich auch einige. Aber dafür gäbe es die famose Lösung: Jeder Beruf helfe sich mit seinen eigenen Kräften. In der Landwirtschaft aber kommen sie seit fünfzehn Jahren nicht mit ihrem Käse zurecht, jedes Jahr krauchten die Studenten vier Wochen lang auf Kartoffelecken herum, anstatt wenigstens als Pfleger in die Krankenhäuser zu gehen. Dann würde sich der Beruf mit seinen eigenen Kräften helfen. Aber für die Landwirtschaft scheint diese Lösung nicht zu gelten. Wenn man aber etwas sagt, heißt es von der Fakultätsparteileitung: Genossen, darüber gibt es keine Diskussion, das müsst ihr einsehen! – Ich: ich habe voriges Jahr eine Woche hier im Krankenhaus gelegen. Da ist mir klar geworden, was es heißt, nie mit der Realität in Berührung zu kommen. – Selbstverständlich. Diese Leute fahren nur in ihren Wagen, sie wissen nicht mehr, was in der S-Bahn vor sich geht, noch weniger, was die normalen Leute denken mögen. Die kommen sich doch verhöhnt vor, wenn in der Gemüseverkaufsstelle ein Plakat hängt: Einwecken - Vorsorge für den Winter! Und in ganz Berlin gibt es kein Einweck-glas zu kaufen. Dann soll sowas doch wenigstens die Stasi berichten, die sich auf den Straßen herumtreibt…" (S.91)</span></p><p><i style="background-color: white; color: #222222; font-family: times;">Natürlich ist eine so genaue auf die Biographie Wolfs bezugnehmende Darstellung auf die Dauer nicht durchzuhalten, aber - wegen Erkältung mich nicht zu entfremdeter Arbeit verpflichtet glaubend - leiste ich sie mir mal, weil sie mir im Rückblick besser erlaubt, mich zu erinnern, was das Buch mir gegeben hat.</i></p><p><i style="background-color: white; color: #222222; font-family: times;">Christa Wolf 1990 im Gespräch mit ihrer Tochter Annette am 27.9. wenige Tage vor der offiziellen deutschen Einigung:</i></p><p><span style="font-family: georgia;"><i style="background-color: white; color: #222222;">"</i><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: white; color: #222222; font-size: small;">Es gibt wohl ein physikalisches Grundgesetz, nach dem Energie nicht verloren gehen kann. Ob dies auch auf seelische Energie zutrifft?</span></span></p><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: georgia;">Das frage ich Annette, sie muss es doch wissen. Sie sagt, hier in diesem Land war sehr viel Energie angestaut, die jetzt explosionsartig ausgebrochen ist. Vieles davon wird verpuffen, meint sie. Wir haben uns doch alle in einem seelischen Ausnahmezustand befunden und kehren jetzt zur Normalität zurück. – Normalität? sage ich. Du meinst: In die Krise. – Mutter, sagt sie, du weißt es doch selbst: Das ist jetzt die Normalität. <i>Muss</i> es auch sein. Wäre schlimm, wenn wir die Krise verdrängen würden. – Krise als Chance, sage ich, Kluge Tochter." (</span><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="font-size: small;">S.469).</span></div><p>Zum 27.9.1995, S.543 ff.</p><p><i>Eindrucksvoll, wie Wolf an dem Plan festhält, weiterhin jährlich aus ihrer jeweiligen Gegenwart heraus zu schreiben und ungeschützt Tagesgedanken festzuhalten, obwohl sie sich dessen bewusst ist, dass sie so nicht ihre reflektierte Wahrheit festhalten kann, sondern nur '</i>Augenblicks'gedanken<i>. Und dann nach über 30 Jahren dieser Arbeit die Formulierung:</i> "<span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: white; color: #222222; font-size: small;">Und ich muss darüber nachdenken, was für einen Unterschied es macht, wenn man eine Geschichte oder auch nur einen Tag von ihrem/seinem Ende hier erzählen kann, oder wenn man einfach mitstenografiert, ohne zu wissen was / kommt – dann kann man auch keine Zentren schaffen, keine Schwerpunkte setzen, selbst die Reflektionen geraten dann dünner." (S. 552/553)</span></p><p><span style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;"><i>Andererseits hat sie vorher zum selben Tag festgehalten:</i></span></span></p><p><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: white; color: #222222; font-size: small;">"</span><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: white; color: #222222; font-size: small;">Am Nachmittag habe ich in den Text für den Luchterhand Verlag, der den Inhalt des <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Medea:_Stimmen">Medea</a>- Manuskripts beschreibt, den Satz geschrieben: 'Die Erzählerin lässt durchscheinen, dass sich die Verhaltensweisen der gesellschaftlich lebenden Menschen nicht geändert haben, seit Geschichte überliefert wurde.' Und dass diese Verhaltensweisen sich auch nicht ändern werden, könnte ich hinzufügen. Und ich frage mich, ob diese anscheinend tief in mich eingedrunge Überzeugung mit dafür verantwortlich ist, dass der Schreibantrieb schwächer geworden ist (was mir Lew Kopelew, wie ich es ihm neulich im Krankenhaus andeutete, verübelte und heftig bestritt). Oder woher sonst rührt das von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Juri_Walentinowitsch_Trifonow">Trifonov</a> beobachtete 'Nachlassen der Schreiblibido'? Aus dem Nachlassen der Gefühllsintensität? Aus dem häufig aufkommenden Reflex: Aber das habe ich doch alles schon erlebt? So dass auch die Befriedigung, ein Manuskript beendet zu haben – wie vorgestern endlich das der Medea, das jetzt beim Schreibbüro ist – sich in Grenzen hält. Und doch ist da etwas, vielleicht nur eine Gewohnheit, vielleicht eine lange eintrainierte Disziplin –, dass mich anhält, eben doch jeden Tag ein Stück zu schreiben, auch meine Tagesabläufe zu notieren." </span><i style="color: #222222;"><span style="font-family: georgia;"> </span></i><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="color: #222222; font-size: small;">(S.544)</span></p><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><i><span style="font-family: georgia;">Vielleicht ist aber auch gerade dieses Notieren von Tagesläufen, das nicht in Anspruch nimmt, dass das Schreiben etwas Sinnhaftes ist, was ihr ermöglicht, die Schreibkrise zu überwinden, obwohl aus den oben genannten Gründen ihre Schreiblibido so stark abgenommen hat.</span></i></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="font-size: small;"><br /></span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="font-size: small;"><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="font-size: small;"> </span><span style="font-family: times;">Bei einer Besichtigung des <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/KZ_Gro%C3%9F-Rosen">KZ Groß-Rosen</a>: "wir bogen hinauf und sahen das Tor, ein körperlicher Schlag. Ich weiß, dieses Tor ist es, dass mich nicht schlafen lässt, 'Arbeit macht frei', ich überwand mich, im Näherkommen zu fotografieren, für <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Honza">Honza</a>, dachte ich, auch für Franci [</span></span><span style="background-color: #f6f5f0; color: #114947;"><span style="font-family: times;">Franci Faktorová </span></span><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;">(1926–1997)</span><span style="background-color: #f6f5f0; color: #114947;"><span style="font-family: times;">, Mutter von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Jan_Faktor">Jan Faktor</a>]</span></span><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="font-size: small;"><span style="font-family: times;">. [...<i>Dann berichtet Wolf, dass</i>] </span></span><span style="font-family: times;">"Eva Erban, die polnische Vorsitzende der <a href="https://www.krzyzowa.pl/de/">Kreisau-Stiftung</a>, die aus Wroclaw herüber gekommen war, sich plötzlich veranlasst sah, von ihren sieben Jahren Sibirien zu sprechen, davon, dass die Russen anderthalb oder zwei Millionen Polen nach Sibirien verschleppt haben, Intellektuelle, Richter, Militärs sowieso, Flüchtlinge aus den Westgebieten… Erinnere mich an die dunklen Augen von Eva Urban, an ihrer Verhaltenheit, wie sie sagt, die Nazis hätten nur zwölf Jahre gehabt, die Sowjets aber siebzig ... . Aber nun wollen wir das Thema wechseln, sagte sie, erinnere ich mich, sie ist dreiundsiebzig und geht schwerfällig, auf einen Stock gestützt. Sie habe '<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kindheitsmuster">Kindheitsmuster</a>' vor zwanzig Jahren 'mit brennenden / Ohren' gelesen. – Ich aber sehe hinter allen, <i>vor</i> allen anderen Bildern das Tor." (S.603)</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><br /></div><div dir="auto" style="color: #222222;"><h2 class="western" style="background-color: white; font-weight: normal;"><span style="font-family: times;"><span style="font-size: small;"><i>Gerhard Wolf </i>"Er
wiederholt, dass er kaum begreifen kann, wie viel wir noch unterwegs
sind, [...] und wenn ich ihn so reden höre, kann ich es selber nicht
begreifen und nehme mir vor, für das nächste Jahr noch einige
Termine abzusagen. [...]</span></span></h2><div style="background-color: white;"><span style="font-family: times;">Ich fange an, darüber nachzudenken, was ich im Februar bei den Poetik-Vorlesungen an der Uni in Göttingen machen könnte. Vielleicht sollte ich über das Tagebuch als literarische Gattung und als Rohstoff für Literatur reden, mir die Frage stellen, wie eigentlich aus den Stück für Stück durchlebten Alltagen 'Schicksal' wird, 'ein Leben', wann und wodurch sich / das banale Alltägliche verwandelt in etwas Tieferes, in Zeitgenossenschaft; überhaupt der Zeitbegriff, unantastbar in seiner schlichten Ausdehnung Minute für Minute, in denen meist gar nichts 'passiert', ich stelle mir die endlosen Minuten der KZ-Häftlinge vor, diese Eintönigkeit, die sicherlich diese Zeit in ihrer Erinnerung unförmig macht und unsere Sucht nach Erleben, nach 'events', die ihrerseits auch die Zeit totschlägt. (Jana sagt, zu ihrem Kummer habe sie kaum Erinnerungen an die Wendezeit, sie ärgert sich, dass sie nichts aufgeschrieben hat.)</span></div><div dir="auto" style="background-color: white;"><span style="font-family: times;">Mein Verlangen, möglichst alles festzuhalten, durch diese Aufzeichnungen die Zeit aufzufressen, die ich für das eigentliche Schreiben benötigen würde, und später, wenn ich die tagebuchartigen Manuskripte wieder lese, festzustellen, dass ich beinah alles vergessen hätte, wenn ich es nicht aufgeschrieben hätte. Wohin entschwindet das Erlebte? Und inwiefern prägt es uns doch? Was ja Literatur behauptet, wenn sie aus dem Alltagsstrom verfälsched bestimmten Vorgängen, bestimmten Gedanken und Gefühlserscheinungen Bedeutsamkeit verleiht. Nicht zufällig liegt 'Kindheitsmuster' ein Reisetagebuch zugrunde, nicht zufällig beruht die Struktur von 'Stadt der Engel' auch auf einem Tagebuch, 'Was bleibt' ist die Beschreibung eines Tages, ebenso 'Störfall'. Anscheinend glaube ich, nur so authentisch sein zu können, den Verfälschungen, die Literatur ja auch bedeutet, zu entgehen. [...]</span></div><div dir="auto"><span style="font-family: times;"><span style="background-color: white;">auf einmal höre ich: In den Ostwind hebt die Fahnen – ein Lied, an das ich viele Jahre nicht mehr gedacht habe, Gerd kennt es, er ist erschrocken wie ich über die Zeilen: Und ein Land gibt uns die Antwort / und es trägt ein deutsch Gesicht / dafür haben / viel geblutet / und nun schweigt der Boden nicht.</span><span style="background-color: red;">*</span> – Woher jetzt dieses Lied aus einer früheren Geschichtsepoche?" (Seite 604-606)</span></div><div dir="auto"><span style="font-family: times;"><br /></span></div><div dir="auto"><span style="font-family: times;"><p><span style="background-color: red;">*</span> <i>Vollständiger Text:</i></p><p><b>In den Ostwind hebt die Fahnen,</b><br />Denn im Ostwind stehn
sie gut,<br />Dann befehlen sie zum Aufbruch,<br />Und den Ruf hört
unser Blut.<br /><i>Denn ein Land gibt uns die Antwort,<br />Und das
trägt ein deutsch Gesicht,<br />Dafür haben wir geblutet,<br />Und drum
schweigt der Boden nicht.</i></p><p><br /></p></span></div>
<p>In den Ostwind hebt die Fahnen,<br />Laßt sie neue Straßen
gehn,<br />Laßt sie neue Straßen ziehen,<br />Daß sie alte Heimat
sehn.<br />Denn ein Land gibt uns die Antwort,<br />Und das trägt ein
deutsch Gesicht,<br />Dafür haben wir geblutet,<br />Und drum
schweigt der Boden nicht.</p>
<p>In den Ostwind hebt die Fahnen,<br />Daß sie wehn zu neuer
Fahrt.<br />Macht euch stark, wer baut im Osten,<br />Dem wird keine
Not erspart.<br />Doch ein Land gibt uns die Antwort<br />Und das
trägt ein deutsch Gesicht,<br />Dafür haben wir geblutet,<br />Und
drum schweigt der Boden nicht.</p>
<p><i>Melodie und Text <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Baumann">Hans Baumann</a></i></p><p><br /></p><p>"Auf dem Anrufbeantworter neben Nachrichten für Gerds Verlag [...] auch ein Anrif von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%BCnter_Gaus">Günter Gaus,</a> seine Stimme ist heiser, er hat seine dritte Chemotherapie hinter sich, es gehe 'ganz gut', er fragt, ob wir uns am 10. Oktober, dem Wahlsonntag, bei uns sehen können. Ich denke sehr oft an ihn [...]" (S.607)</p></div>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-78973856936796719142024-01-01T11:45:00.003+01:002024-01-01T11:46:14.270+01:00 Helmut Schmidt/Giovanni di Lorenzo: Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt<p> <b>Helmut Schmidt/</b>Giovanni di Lorenzo:<b> Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt, </b>2009/2010; 15. Aufl. 2011</p><p><b>Zitate:</b></p><p><i><span style="font-size: medium;">Von der Kubakrise bis zum <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/NATO-Doppelbeschluss">Nato-Doppelbeschluss</a></span></i></p><p>[...] bestand zur Zeit Ihrer Kanzlerschaft wirklich die Gefahr eines Atomkriegs, wie wir damals alle glaubten?</p><p><span style="font-family: arial;">Seit der Kubakrise 1962 keine akute Gefahr. [...]</span></p><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">In diesem Zusammenhang sollte ich erwähnen, dass ich die nukleare Gefahr schon lange vorher sehr deutlich gesehen habe. Als ich 1969 Verteidigungsminister wurde, stieß ich auf Pläne der NATO und der deutschen Militärs, entlang der Zonengrenze auf westdeutscher Seite Hunderte atomarer Landminen zu vergraben.</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"><br /></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;">Von wem stammte denn dieser irrsinnige Plan?</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Von der NATO. Gemeinsam mit einem Amerikaner habe ich diesen todgefährlichen Unfug beseitigen können. Der Amerikaner hieß <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Melvin_R._Laird">Melvin Laird</a>, er war damals amerikanischer Verteidigungsminister. [...] </div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Ich habe gesagt, wenn irgendein kommunistischer Kommandeur in der Verfolgung irgendwelcher flüchtigen Leute über die Grenze rüberkommt und eine atomare Mine geht hoch, dann heben alle deutschen Soldaten die Hände hoch, dann ist Schluss mit der Verteidigung. Dieses Argument hat den amerikanischen Verteidigungsminister überzeugt. Er war genau wie ich ein alter Soldat und wusste, was man Soldaten zumuten kann und was nicht.</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><div><span style="font-family: times;">Verstehe ich nicht.</span></div><div style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Sogar die japanischen Soldaten haben nach der ersten Bombe die Hände hochgehoben. Die zweite Bombe auf <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Atombombenabw%C3%BCrfe_auf_Hiroshima_und_Nagasaki">Nagasaki</a> war gar nicht mehr notwendig.</div><div><span style="font-family: times;">Die Massendemonstration im Bonner Hofgarten gegen die Stationierung amerikanischer Raketen in Deutschland wurde als regelrechte Anti-Schmidt-Demonstration verstanden, das war im Jahr 19 81.</span></div><div dir="auto"><span face="Arial, Helvetica, sans-serif">Die war auch wohl so gemeint. Aber es war im wesentlichen die Angst vor dem Atomkrieg. Die </span><span style="font-family: arial;">Anti-Schmidt-</span><span face="Arial, Helvetica, sans-serif">Komponente spielte eine zweit- oder drittklassige Rolle; denn mein Amtsnachfolger Helmut Kohl musste etwa später eine gleiche Demonstration aushalten.</span></div><div dir="auto"><div><span style="font-family: times;">Wissen Sie noch, was Willy Brandt damals zu den Protesten von mehr als 300.000 Menschen gesagt hat?</span></div><div style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Ich erinnere mich nicht.</div><div><span style="font-family: times;">Er habe auf deutschem Boden schon Schlimmeres gesehen als eine Massendemonstration für den Frieden.</span></div><div style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Ja, das würde ich unterschreiben. Ich habe auf deutschem Boden auch schon viel Schlimmeres gesehen. Willy Brandt hat es von draußen gesehen.</div><div><span style="font-family: times;">Nimmt das Brands Worten etwas?</span></div><div style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Keineswegs. Wohl aber hat der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/NATO-Doppelbeschluss">NATO-Doppelbeschluss</a>, gegen den die beiden Demonstrationen sich richteten, zum allerersten Abrüstungsvertrag und auf beiden Seiten zur Beseitigung aller atomare Mittelstreckenraketen geführt."</div><div style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">(29. November 2007, S.91-93)</div></div></div><p><i><span style="font-size: medium;">Zum Parteiensystem in Deutschland</span></i></p><div style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">"</span><span style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">[...] </span><span style="font-family: times;">bekommen wir politisch in Deutschland bald italienische Verhältnisse: immer mehr Parteien und Koalitionsmöglichkeiten?</span></div><div style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Es gibt eine Übereinstimmung zwischen Italien und Deutschland. [...] Die gleiche Übereinstimmung gibt es aber auch mit Frankreich, Belgien oder Holland. Im deutschen Fall fallen immerhin alle Stimmen für jene Splitterparteien unter den Tisch, die weniger als 5 Prozent erreichen. Aber theoretisch könnten wir im Bundestag bis zu 19 Parteien haben, wenn jede 5,1 Prozent erhält. Das Verhältniswahlrecht zwingt überall zu Koalitionsbildung, weil es zu viele Parteien hervorbringt. [...]</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;">Das Auftreten einer zusätzlichen Partei führt in Hessen zu einer Blockade.</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Das ist eigentlich nicht so schlimm. Die 16 Bundesländer brauchen nicht notwendig Regierung und Opposition; notwendig ist eine anständige Verwaltung und ebenso ein Landtag, der die Verwaltung sorgfältig überwacht. Das Problem der Koalitionsbildung stellt sich im Bund, denn in Berlin muss wirklich regiert werden. Zur Zeit ist es mit der großen Koalition gelöst.</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;">Die einige der Beteiligten längst überhaben. </span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Einige Leute an der Spitze reden so, als ob sie die Koalition nicht mehr wollten. Sie setzen Sie aber fort. [...]</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;">Glauben Sie, dass die SPD mit der Linken einmal koalieren wird? Sehen Sie das schlimm?</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;">Die Frage ist, ob es die Linkspartei noch ein paar Jahrzehnte geben wird. Davon bin ich gar nicht überzeugt.</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">(21. Februar 2008, S.128-130)</div>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-59482602745777157372023-12-28T23:45:00.036+01:002024-01-24T19:53:16.677+01:00Andreas Kappeler: Ungleiche Brüder. Russen und Ukrainer vom Mittelalter bis zur Gegenwart<p><span style="font-family: times;"> Ungleiche Brüder. <b>Russen und Ukrainer </b>vom Mittelalter bis zur Gegenwart</span></p><p><a href="https://www.perlentaucher.de/buch/andreas-kappeler/ungleiche-brueder-russen-und-ukrainer-vom-mittelalter-bis-zur-gegenwart-2023.html"><span style="font-family: times;">Rezension bei Perlentaucher</span></a></p><p><a href="https://cdn-assetservice.ecom-api.beck-shop.de/productattachment/readingsample/15119312/34659701_leseprobe%20ungleiche%20br%C3%BCder.pdf"><span style="font-family: times;">Leseprobe bis S.29</span></a></p><p><span style="font-family: times;"><b>1. Eintracht und Streit in der Familie </b>. . . . . . . . . . . 19 </span></p><p><span style="font-family: times;">Der große und der kleine Bruder . . . . . . . . . . . . . 19 </span></p><p><span style="font-family: times;">Die Großrussen und die Kleinrussen . . . . . . . . . . 25 </span></p><p><span style="font-family: times;"><b> 2. Die gemeinsame Wiege der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kiewer_Rus">Kyjiver Rus’</a></b> . . . . . 28 </span></p><p><span style="font-family: times;">Der Erbstreit der Historiker . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 </span></p><p><span style="font-family: times;">Der Erbstreit der Politiker . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 </span></p><p><span style="font-family: times;"><b> 3. Mongolen und Polen – Asien und Europa:</b>
Die Geschwister gehen getrennte Wege (14. bis 17. Jahrhundert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 </span></p><p><span style="font-family: times;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Daniel_Romanowitsch">Danylo</a> von Galizien-Wolhynien und
<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Jaroslawitsch_Newski">Alexander Nevskij</a> . . . . . . 38 </span></p><p><span style="font-family: times;">Der Aufstieg Moskaus und die Herausbildung
des Zarenreichs. . . 43 </span></p><p><span style="font-family: times;">Die Ukraine unter litauischer und polnischer
Herrschaft . ............46 </span></p><p><span style="font-family: times;"><span style="background-color: white; color: #202122;"> </span><a class="mw-redirect" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kirchenunion_von_Brest" style="background: none rgb(255, 255, 255); color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Kirchenunion von Brest">Kirchenunion von Brest</a><span style="background-color: white; color: #202122;"> 1596, </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ukrainische_griechisch-katholische_Kirche">Ukrainische griechisch-katholische Kirche</a></span></p><p><span style="font-family: times;">Die ukrainischen Kosaken und die Revolution
von 1648 . . . . . . . .51 </span></p><p><span style="font-family: times;">Starker Staat – libertäre Gesellschaft,
belagerte Festung – Orientierung nach Europa . 53</span></p><p><span style="font-family: times;"><b>4</b>. <b>Die Annäherung der Ukraine an Russland
und die Integration der «<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kleinrussische_Identit%C3%A4t">Kleinrussen</a>»
in das Imperium der Zaren</b> (17. bis frühes
19. Jahrhundert) . .. . . . . . . . . . . . . . . . . 56 </span></p><p><span style="font-family: times;"><span style="font-size: x-small;">Die Vereinbarung von</span> <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Perejaslaw">Perejaslav</a> <span style="font-size: x-small;">und der Beginn
der </span>Herrschaft Russlands über die Ukraine 59
Peter der Große, <b><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Iwan_Masepa">Mazepa</a></b> und das Ende des
ukrainischen Kosakentums . . . . . . . . . . . . 65 Doch <span>Angehörige einer ukrainischen Kosakenfamilie erlebten unter der Kaiserin <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_(Russland)">Elisabeth</a> einen auffallenden Aufstieg: <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Alexei_Grigorjewitsch_Rasumowski" style="background: none rgb(255, 255, 255); color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Alexei Grigorjewitsch Rasumowski">Alexei Grigorjewitsch Rasumowski</a><span style="background-color: white; color: #202122;">, </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kirill_Grigorjewitsch_Rasumowski" style="background: none rgb(255, 255, 255); color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Kirill Grigorjewitsch Rasumowski">Kirill Grigorjewitsch Rasumowski</a><span style="background-color: white; color: #202122;"> (S.71), </span></span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Andrei_Kirillowitsch_Rasumowski" style="background: none rgb(255, 255, 255); color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Andrei Kirillowitsch Rasumowski"><span>Andrei Kirillowitsch Rasumowski</span></a> (S.72)</span></p><p><span style="font-family: times;">Die Ukrainisierung der russischen Kultur . .. . . . . . . . . . . . . . . . . 72 "Im 18. Jahrhundert kamen etwa 60 Prozent der Bischöfe des Imperiums aus der Ukraine und Weißrussland." (S.73) <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Theophan_Prokopowitsch">Feofan Prokopovyč</a> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 <span>"<span style="background-color: white; color: #222222;">Ausgerechnet ein ukrainischer Absolvent der Kijiver Akademie wurde so zum wichtigsten frühen Ideologen des autokratischen Absolutismus in Russland. [...]</span> <span style="background-color: white; color: #222222;">Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts hob sich die linksufrige Ukraine von Russland durch ein merklich höheres Bildungsniveau ab, wie ausländische Beobachter bestätigten. Sie wies ein recht breites Netz von Kirchenschulen auf, an denen auch Mädchen ausgebildet wurden." (S.75/76)</span></span></span></p><p><span style="font-family: times;"><span style="background-color: white; color: #222222;">"Im Laufe des 18. Jahrhunderts erlebte die auf Mittel- und Westeuropa ausgerichtete weltliche Bildung und Kultur auch in Russland einen raschen Aufschwung. Die Kijiver Akademie und die anderen Bildungsstätten in der Ukraine sanken dagegen zu Priesterseminaren ab, während die weltliche höre Bildung seit dem Jahr 1755, als die Universität Moskau gegründet wurde, immer mehr von russischen Institutionen übernommen wurde. Allerdings wurde die zweite (russischsprachige) Universität des Imperiums 1805 in <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Charkiw">Charkiv</a> gegründet, wo sie auf dem dortigen Collegium aufbauen konnte. Trotzdem beraubte der ständig zunehmende <i>Brain Drain</i> die Ukraine zahlreicher Gebildeter. In der Mitte des 18. Jahrhunderts drehte sich die Richtung des Kulturtransfers um, und die Ideen der französischen Aufklärung kamen nicht mehr über die Ukraine nach Russland, sondern über St. Petersburg in die Ukraine. Die Bildungssprachen waren nicht mehr Latein und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kirchenslawisch">Kirchenslawisch</a>, sondern Deutsch, Französisch und zunehmend Russisch. (S.76/ 77)</span></span></p><p><span style="font-family: times;">Die Expansion Russlands ans Schwarze Meer
<span style="font-size: x-small;">und in die</span> rechtsufrige Ukraine . . .. . . . . . 77 "<span style="background-color: white; color: #222222;"><span>Der Steppengürtel nördlich des schwarzen Meeres war seit der Antike Durchzugsgebiet aus Asien kommender Reiternomaden gewesen. Seit dem 15. Jahrhundert stand er unter der Herrschaft der Krimtataren, deren Khan Vasall des Osmanischen Reiches war. Die Region war landwirtschaftlich nicht erschlossen und kaum besiedelt. Lediglich die Saporoger Kosaken hatten am Unterlauf des <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Dnepr">Dnjepr</a> Fuß gefasst. Sie standen in ständigen kriegerischen Auseinandersetzungen (aber auch in Handelsbeziehungen) mit den Krimtataren und fuhren mit ihrem kleinen Booten auf das Schwarze Meer, wo sie osmanische Galeeren kaperten und Hafenstädte ausraubten.</span></span></span></p><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;">Im <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Russisch-T%C3%BCrkischer_Krieg_(1768%E2%80%931774)">Türkischen Krieg von 1768 bis 1774</a> eroberte Russland das gesamte Gebiet nördlich des Schwarzen Meeres, 1783 folgte die Annexion der Krim." (S. 77)</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;"><span>"</span>Das eroberte Gebiet im Süden der heutigen Ukraine wurde offiziell als Neurussland bezeichnet und in einem Generalgouverneurment dieses Namens zusammengefasst. Die südukrainische Steppe mit ihren fruchtbaren Schwarzerdeböden wurde nun für die Landwirtschaft nutzbar gemacht, und in den folgenden Jahrzehnten wurde sie von<span style="font-size: small;"> </span>ukrainischen und russischen Bauern besiedelt. Sie kamen zum größeren Teil in die Abhängigkeit von (vorwiegend russischen) Adligen, denen die Regierung in Neurussland Güter verliehen hatte. [...] Zunächst rief man aus dem Osmanischen Reich orthodoxe Bulgaren, Serben, Rumänen und Griechen ins Land. Die größte Gruppe waren die deutschen Kolonisten, unter ihnen zahlreiche Mennoniten, die als tüchtige Ackerbauern den ostslawischen Bauern als Vorbild dienen sollten. Die Region stieg in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum wichtigsten Getreideproduzenten des Imperiums auf. In den Städten ließen sich Russen, Juden, Griechen und Armenier nieder, während die Ukrainer hier nur kleine Minderheiten stellten. (S.77/78)</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="color: #1f1f1f; font-variant-ligatures: no-contextual;"><span style="font-family: times;">"Katharina II. rechtfertigte die Annexion des östlichen Polen-Litauens damit, dass diese Länder und Städte, die an das Russische Reich angrenzen, einst in seinem Besitz waren und von ihren Stammesgenossen bevölkert sind, die zum orthodoxen Glauben bekehrt wurden und ihn bis heute ausüben. Indem die Kaiserin darauf verwies, dass diese Gebiete früher im Besitz Russlands (gemeint ist die Kyjiver Rus') gewesen sein, lancierte sie die Auffassung von der 'Wiedervereinigung' der Ukraine und Weißrussland. Obwohl sie diesen 'Stammesgenossen' ihre besondere Fürsorge verhieß, kümmerte man sich in der Folge kaum um die ukrainischen Leibeigenen, sondern verkehrte mit Ihnen nur indirekt über ihre adeligen polnischen Herren. Eine Ausnahme war die Konfession. Staat und Kirche betrachteten sich als Schutzjahren ihrer orthodoxen Untertanen, die gegen katholische Einflüsse abgeschirmt werden sollten. "</span></span><span style="font-family: times;"><span style="color: #1f1f1f; font-variant-ligatures: no-contextual;">(</span><span style="color: #1f1f1f; font-variant-ligatures: no-contextual;">S. 80)</span></span></div><p><span style="font-family: times;"> Die Entdeckung <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kleinrussland">Kleinrusslands</a> durch die Russen
um 1800 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 </span></p><p><span style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;">Im Geiste Rousseaus wurde die Ukraine als einfaches, moralisch reines, von der Zivilisation nicht verdorbenes Volk und ihr Leben als ländliche Idylle idealisiert. Die ukrainischen Bauern erschienen als Kinder der Natur, als ehrlich, fröhlich, treu, offen, gastfreundlich, musikalisch, emotional und tief religiös. [...] Man kann von einer Kleinrussland-Mode im Russland der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sprechen. Nicht nur die Reiseberichte, sondern auch die wichtigsten russischen Zeitschriften der ersten vier Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts, sowohl konservativer wie liberaler Ausrichtung, zeichneten ein überwiegend positives Bild von der Ukraine. [...]</span></span></p><p><span style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;">Die Ukrainer seien in ihrer Entwicklung stecken geblieben und hätten es nicht verstanden, eine gebildete Elite, eine höhere Zivilisation und einen Staat zu schaffen. Die idealisierten traditionellen Sitten wurden somit umgedeutet zu Rückständigkeit, Ignoranz und Aberglauben. Das häufigste Attribut, dass russische Beobachter den Ukrainern zuschrieben, war deren Trägheit und Faulheit."<span style="font-size: x-small;"> (S.83)</span></span></span></p><p><span style="font-family: times;"><b> 5. Zwei verspätete Nationen</b> . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 </span></p><p><span style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;">Russland und die Ukraine existieren als Nationalstaaten erst seit einem Vierteljahrhundert. Sie sind junge, verspätete Nationen [...] Dass die Ukrainer eine verspätete Nation sind, ist evident. Sie wurde nach dem plötzlichen Erscheinen des Nationalstaats auch als 'unerwartete Nation' bezeichnet, und es wird sogar bestritten, dass sie überhaupt eine Nation sein. 'Die Ukraine ist ein unabhängiger Staat, der kein Nationalstaat ist. Zwischen Historikern ist umstritten, ob es überhaupt eine ukrainische Nation gibt', so der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt [...] kurz nach der Annexion der Krim durch Russland. [...] </span></span></p><p><span style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;">Nicht selbstverständlich ist dagegen die These von den Russen als einer verspäteten Nation. Im Gegensatz zur Ukraine verfügt Russland über eine seit dem Mittelalter ununterbrochene staatliche Tradition, und bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion lebten fast alle Russen in einem Staat zusammen. Allerdings war der Staat nicht, wie in Westeuropa, der Kern, sondern der wichtigste Hemmschuh für die russische Nationsbildung [...]. Gerade der übermächtige, territorial riesige Stadt, das russländische Imperium [...] und die Sowjetunion behinderten die Formierung einer russischen Nation [...] Die autoritären Regime der Zaren und Sowjets verhinderten eine demokratische Entwicklung, eine politische Emanzpation der russischen Gesellschaft und ihre Integration zu einer Staatsbürgernation, Die Multiethnizität und die soziale Polarisierung standen der Bildung einer ethnischen Nation im Weg.". (S.85/86)</span></span></p><p>Prozesse der Nationsbildung in der Vormoderne . . 87 </p><div style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;">Das vormoderne kosakisch-kleinrussische Nationalbewusstsein äußerte sich noch einmal in einem bemerkenswerten Text, der die Beziehung des 'kleinen' zum 'großen' Russland zum Thema hat. 'Ein Gespräch zwischen Großrussland und Kleinrussland' des Absolventen der Kijiver Akademie Semen <span style="background-color: transparent;">Divovyc </span>wurde im Jahr 1762 in russischen Versen abgefasst, aber erst im Jahr 1882 gedruckt. Zu Beginn fragt Großrussland Kleinrussland:</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;">'Welcher Herkunft bist du und woher bist Du gekommen? Sprich, sprich von deinen Ursprüngen, von denen du herstammst!'</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;">Kleinrussland erklärt dann ausführlich seine glanzvolle Geschichte seit dem Mittelalter, unter der Herrschaft des polnischen Könige und besonders die Heldentaten der Kosaken bis zu ihrer <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Perejaslaw">freiwilligen Unterstellung</a> unter den russischen Herrscher <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Alexei_I._(Russland)">Alexej Michajlovic</a>, der ihnen die Erhaltung ihrer Privilegien garantierte." (S. 91)</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;">Divovyc verfasste sein 'Gespräch' kurz nach dem Regierungsantritt Katharinas II. Er verteidigt die Eigenständigkeit und die Rechte 'Kleinrusslands', genauer des Kosaken-Hetmanats, und pocht auf Gleichberechtigung der ukrainischen Elite mit dem russischen Adel. Dabei werden die Bezeichnungen 'klein' und 'groß', wie wir wissen zu Unrecht, mit der unterschiedlichen Größe der beiden Länder erklärt. Es ist bemerkenswert, dass Divovyc die Verwandtschaft der beiden Völker nicht erwähnt, sondern Kleinrussland als eigenes Objekt mit einer von großen Russland getrennten Geschichte vorstellt. Von der gemeinsamen Abkunft von der <span style="background-color: transparent;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kiewer_Rus">Kyjiver Rus’</a></span> ist nicht die Rede." (S.92)</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;"><br /></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"><span style="background-color: transparent; font-size: xx-small;">Varianten eines</span><span style="background-color: transparent; font-size: small;"> russischen Nationalbewusstseins</span><span style="background-color: transparent;">
<span style="font-size: xx-small;">in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert</span></span><span style="background-color: transparent;"><span style="font-size: xx-small;">s </span><span style="font-size: x-small;">. . 93</span></span></div><div dir="auto" style="background-color: white;"><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: transparent; color: #222222;"><span style="font-size: x-small;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Westler_(Russland)">Westler</a> (u.a. </span></span><span style="font-family: times; font-size: x-small;"><span face="sans-serif" style="color: #202122;"> </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Iwan_Sergejewitsch_Turgenew" style="background-attachment: initial; background-clip: initial; background-image: none; background-origin: initial; background-position: initial; background-repeat: initial; background-size: initial; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Iwan Sergejewitsch Turgenew">Iwan Turgenew</a><span face="sans-serif" style="color: #202122;">, </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Iwan_Iwanowitsch_Panajew" style="background-attachment: initial; background-clip: initial; background-image: none; background-origin: initial; background-position: initial; background-repeat: initial; background-size: initial; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Iwan Iwanowitsch Panajew">Iwan Panajew</a><span face="sans-serif" style="color: #202122;">, </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Pjotr_Jakowlewitsch_Tschaadajew" style="background-attachment: initial; background-clip: initial; background-image: none; background-origin: initial; background-position: initial; background-repeat: initial; background-size: initial; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Pjotr Jakowlewitsch Tschaadajew">Pjotr Tschaadajew</a><span face="sans-serif" style="color: #202122;">, </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Wissarion_Grigorjewitsch_Belinski" style="background-attachment: initial; background-clip: initial; background-image: none; background-origin: initial; background-position: initial; background-repeat: initial; background-size: initial; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Wissarion Grigorjewitsch Belinski">Wissarion Belinski</a><span face="sans-serif" style="color: #202122;"> und</span> <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Iwanowitsch_Herzen" style="background-attachment: initial; background-clip: initial; background-image: none; background-origin: initial; background-position: initial; background-repeat: initial; background-size: initial; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Alexander Iwanowitsch Herzen">Alexander Herzen</a>)</span> und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Slawophile" style="background-color: transparent; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">Slawophile</a><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: transparent; color: #222222; font-size: small;"> Die ukrainische Herausforderung und die russische
Antwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .96</span></div><div dir="auto" style="background-color: white;"><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: transparent; color: #222222; font-size: small;">National<i>dichtung</i>: <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Iwan_Kotljarewskyj">Ivan Kotljarevskij</a> und </span><span style="color: #222222;">National<i>geschichte</i> </span><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: transparent; color: #222222; font-size: small;">'Geschichte der Rus' ' (konzentriert auf die heroische Zeit der Kosaken aber auch Rückgriff auf die </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kiewer_Rus" style="font-family: times;">Kyjiver Rus’</a>); <span face="sans-serif" style="background-color: transparent; color: #202122; font-size: 15.75px;"> die </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kyrill-und-Method-Bruderschaft" style="background: none transparent; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Kyrill-und-Method-Bruderschaft"><span style="font-family: times;">Kyrill-und-Method-Bruderschaft</span></a> "<span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;">spielte eine zentrale Rolle in der Herausbildung eines </span><a class="mw-redirect" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalbewusstsein" style="background-attachment: initial; background-clip: initial; background-image: none; background-origin: initial; background-position: initial; background-repeat: initial; background-size: initial; color: #0645ad; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px; overflow-wrap: break-word;" title="Nationalbewusstsein">Nationalbewusstseins</a><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;"> in der </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ukraine" style="background-attachment: initial; background-clip: initial; background-image: none; background-origin: initial; background-position: initial; background-repeat: initial; background-size: initial; color: #0645ad; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px; overflow-wrap: break-word;" title="Ukraine">Ukraine</a><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;">.</span><sup class="reference" id="cite_ref-1" style="color: #202122; font-family: sans-serif; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; line-height: 1; text-wrap: nowrap; unicode-bidi: isolate;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kyrill-und-Method-Bruderschaft#cite_note-1" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;">[1]</a></sup>" (Wikipedia), <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Nikolai_Iwanowitsch_Kostomarow">Mykola<b style="color: #202122; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px;"> </b><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;">Kostomarow</span></a> (Gründer), <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Taras_Schewtschenko">Taras Schewtschenko</a> (nach Kasachstan verbannt)(S.96-98); eine vergleichbare russischr Gruppe, der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Fjodor_Michailowitsch_Dostojewski">Dostojewski</a> angehörte, wurde härter bestraft (Todesurteil, Begnadigung zu Zwangsarbeit in Sibirien). </div><div dir="auto" style="background-color: white;"><div dir="auto" style="color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">18 42 wurde Nikolai Gogol's Roman '<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Die_toten_Seelen">Die Toten Seelen</a>' publiziert was Anlass zu Erörterungen über die nationale Zuordnung des ukrainisch-russischen Schriftstellers gab. [...] Gogol' selbst äußerte sich dazu zwei Jahre später in einem Schreiben, in dem er bekannte, eine doppelte 'Seele' zu haben. Er wisse selbst nicht, 'welche Seele ich habe, die eines Chochol [Spitzname für Ukrainer] oder eine russische. Ich weiß nur, dass ich keineswegs dem Kleinrussen vor dem Russen noch den Russen vor dem Kleinrussen den Vorzug geben würde. Beide Naturen sind von Gott üppig bedacht worden, und mit Bedacht besitzt jede von Ihnen für sich das, was der anderen fehlt: ein klares Zeichen, dass sie einander ergänzen müssen.'</div><div dir="auto" style="color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">Gogol', der aus einer ukrainischen Kosakenfamilie stammte, steht für die zahlreichen Ukrainer, die nach Moskau oder St. Petersburg zogen, und sich dort sprachlich russifizierten, gleichzeitig aber die russische Kultur ukrainisierten. Seine Erzählzyklen 'Abende auf dem Gutshof bei Dikan'ka' und 'Migorod' hatten ukrainische Themen und waren in einem Russisch geschrieben, das viele Ukrainismen aufweist. In Russland wurden sie als Beispiele der exotischen Kleinerussischen Literatur positiv aufgenommen. Sie führten die Ukraine in die russische Literatur ein; ihre Natur verbundenen pittoresken, humorvollen, faulen, ess- und trinkfesten Gestalten mit einer deformierten Sprache und Irrationalität prägten das russische Ukrainebild für lange Zeit. In Russland warf man Gogol' vor, die Russen negativ und die Kleineussen mit viel Sympathie darzustellen, worauf er in dem zitierten Brief antwortet." (S. 100/101)</div></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"><span style="background-color: transparent; font-size: x-small;"><br /></span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"><span style="background-color: transparent;"><span style="font-size: x-small;"></span></span><span style="background-color: transparent; font-size: x-small;">Der russische imperiale</span><span style="background-color: transparent; font-size: small;"> Nationalismus </span><span style="background-color: transparent; font-size: x-small;">und die</span><span style="background-color: transparent; font-size: small;">
Krise der ukrainischen Nationsbildung . . . . 103 </span></div><p><b> 6. Ein asymmetrisches Verhältnis: Russen und Ukrainer
im Russländischen Reich</b> im 19. und frühen 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Russische Stadt – ukrainisches Dorf . . . . . . . . . . . 114 Hierarchie der Kulturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Wechselseitige Perzeptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Akkulturation und doppelte Identität . . . . . . . . . 124 War die Ukraine eine Kolonie Russlands? . . . . . . . 130 </p><p><b> 7. Die Russische und die Ukrainische
Revolution .</b> . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . 132</p><p>In der Zeit von 1917-1922 herrschten in der Ukraine unübersichtliche und zeitlich rasch wechselnde Machtverhältnisse:</p><p>Die national-ukrainisch orientierten Kräfte des Bürgertums und der Intelligenz, die Mittelmächte, die <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Wei%C3%9Fe_Armee">weißen Truppen</a> [<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Iwanowitsch_Denikin">Deniken</a>, <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Pjotr_Nikolajewitsch_Wrangel">Wrangel</a>], die die russische Revolution annullieren wollten, die ukrainischen Bauern, die weitgehend russischen, bolschewistisch orientierten Arbeiter, die provisorische russische Regierung ab Februar 1917, die Rote Armee der Sowjetunion. (Eine gewisse Sonderrolle spielte die im November 1918 in Lemberg ausgerufene Westukrainische Volksrepublik (S.142) der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ruthenen_(Habsburgermonarchie)">Ruthenen</a>/Ukrainer im Bereich der Habsburger Monarchie. [<i>Einen groben Überblick liefern die Seiten 132-149 und im Internet die betreffenden Artikel, die nur zum Teil verlinkt sind, einiges ist dort genauer dargestellt als im Buch.</i>] </p><p>Die Russische Revolution
(Februar 1917 bis März 1918) . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
Die Ukrainische <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Zentralna_Rada">Zentralrada</a> und ihr Verhältnis
zu Petrograd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
Die <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ukrainische_Volksrepublik">Ukrainische Volksrepublik</a> <span style="font-size: xx-small;">[UNR]</span><span style="font-size: x-small;"> </span>zwischen den
«roten» und den «<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Wei%C3%9Fe_Armee">weißen</a>»<span style="background-color: #fcff01;">*</span> Russen.141 <span style="background-color: #fcff01;">*</span>"<span style="background-color: white; color: #202122; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px;">Die </span><i style="background-color: white; color: #202122; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px;">Weißen</i><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px;">, deren bewaffneter Arm die </span><i style="background-color: white; color: #202122; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px;">Weiße Armee</i><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px;"> war, vereinten politisch sehr unterschiedliche Kräfte der russischen Gesellschaft, deren Vorstellungen über die Methoden, die Richtung und die Ziele des Kampfes gegen </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Sowjetrussland" style="background: none rgb(255, 255, 255); color: #0645ad; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px; overflow-wrap: break-word;" title="Sowjetrussland">Sowjetrussland</a><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px;"> stark differierten." </span>Weshalb gelang es den Bolschewiki, den
Bürgerkrieg zu gewinnen und die Herrschaft über
den größten Teil der Ukraine zu erringen? . .(<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Neue_%C3%96konomische_Politik">NÖP</a>) . . . . ................................................146 "[...] die Ukrainer waren nach 1918 das größte Volk Europas ohne Nationalstaat." (S.147)</p><p><b> 8. Russen und Ukrainer in der sowjetischen
«Völkerfamilie»</b> . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
Die Gründung der Ukrainischen und der
Russländischen Sowjetrepublik . . . . . . . . . . . 151
<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Korenisazija">Korenizacija</a> und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ukrainisierung">Ukrainisierung</a> . .[unter Stalin zurückgenommen] . . . . . . . . . . . .155
Der ukrainische Nationalkommunismus . [ <span style="background-color: white; color: #202122; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Mykola_Skrypnyk">Skrypnyk</a>;S.163/64] . . . . .</span> . . . 162 Industrialisierung, <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Holodomor#Entkulakisierung_und_Zwangskollektivierung">Zwangskollektivierung</a> und
<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Holodomor">Hungersno</a>t . . . . . . . . . . . . . . . 165
Sowjetpatriotismus, Völkerfreundschaft und die
Rückkehr des «Großen Bruders» . . . 171 <a href="https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-116254">Referat von Kappelers Darstellung</a>: <i>"<span style="background-color: white; color: #222222; font-family: linux_libertine_oregular; font-size: 18.2px; orphans: 3; widows: 3;">Die Ukrainische Nation habe in den 1920er-Jahren ein soziales Fundament erhalten, das die Brüder näher auf Augenhöhe brachte. </span><span style="background-color: white; color: #222222; font-family: linux_libertine_oregular; font-size: 18.2px; orphans: 3; widows: 3;">Erst Stalin setzte dem ukrainischen Nationalkommunismus ein Ende, als er die Ukraine zum Risikofaktor für den Fünfjahrplan erklärte. Kappeler weist den Genozidbegriff von sich, mit dem die von Stalin induzierte Hungerkatastrophe der frühen 1930er-Jahre zuweilen beschrieben wird; doch Terror und Hungersnot richteten sich auch in Kappelers Deutung gezielt gegen die neue ukrainische Elite. Der „Große Bruder“ kehrte zurück und er bestimmte auch die Lesart nach 1945.</span>"</i>. . . . . . . . . . .. ..... . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . Großer Vaterländischer Krieg oder antisowjetischer
Befreiungskampf . . . . . . . . . . . . . 175
Von der Völkerfamilie zum Sowjetvolk . . . . . . . . . 183 Russland und die Ukraine als Totengräber der
Sowjetunion . . . . . . . . .. . . . . . . 192 </p><p><b> 9. Feindliche Brüder? Die Konfrontation der
beiden postsowjetischen Staaten</b> . . . 199
Die Unabhängigkeit der Ukraine und die Reaktion
Russlands . . .. . . . . . . 199 Kontroversen und Kompromisse . . . . . . . . . . . . . 203 Die Orange Revolution von 2004: Juščenko,
Janukovyč und Putin . 212 Die Revolution des Euro- Majdan . . .219 Das militärische Eingreifen Russlands – Versuch
einer Deutung . . . . .222 Putins Begründungen zur Rechtfertigung des
Anschlusses der Krim . 226 </p><p><b>10. Feinde statt Brüder: Russlands Krieg gegen
die Ukraine</b> . . . . .232 </p><p>Die Ukraine und Russland in der ersten Phase
des Krieges (2014 bis 2021) . 232 Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine
im Jahr 2022 . . 242 Putins Begründungen und Rechtfertigungen
des Kriegs . . . . . . . 255 </p><p><b>11. Russland, die Ukraine und Europa</b> . . . . . . . . . . 264</p>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-26222850763634804382023-12-28T17:58:00.028+01:002024-01-27T12:19:44.764+01:00Richard C. Schneider: Die Sache mit Israel Fünf Fragen zu einem komplizierten Land<p><i>Das Buch erschien vor dem 7.10.2023. </i></p><p><a href="https://www.penguin.de/leseprobe/Die-Sache-mit-Israel/leseprobe_9783421070104.pdf"><b> Leseprobe</b></a> Prolog bis S.12 (<a href="https://www.penguin.de/leseprobe/Die-Sache-mit-Israel/leseprobe_9783421070104.pdf">pdf</a>)</p><p>Auf S.10 erinnert Schneider an einen <a href="https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-07/westjordanland-dschenin-huwara-israel-militaeroperation/komplettansicht">Angriff jüdischer Siedler auf die palästinensische Kleinstadt Huwara</a>. Sie "zündeten Autos und Häuser an [...] die Armee und die Polizei brauchten endlos viel Zeit, um dem Wahnsinn ein Ende zu bereiten [...]" </p><p style="background-color: white; box-sizing: border-box; color: #191919; font-family: FortWeb, "Lucida Grande", sans-serif; font-size: 18px; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px;">"Ist Israel eine Demokratie? Ist Israel ein Apartheidstaat? Ist Kritik an Israel antisemitisch? Ist Israel ein fundamentalistischer Staat? Gehört Palästina den Palästinensern?</p><p style="background-color: white; box-sizing: border-box; color: #191919; font-family: FortWeb, "Lucida Grande", sans-serif; font-size: 18px; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px;">Richard C. Schneider [<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_C._Schneider">Wikipedia</a>], SPIEGEL-Autor und langjähriger Israel-Korrespondent der ARD, lebt seit fast 20 Jahren in Tel Aviv, kennt Alltag und Geschichte des Landes und weiß um die gängigen Vorbehalte und Vorurteile in Deutschland. Bei den Antworten auf diese fünf Fragen setzt er an, um einige grundlegende Dinge über Israel zu erklären – 75 Jahre nach der Staatsgründung Israels und in einem entscheidenden Moment für die Demokratie des Landes." (<a href="https://presse.penguinrandomhouse.de/edition/9783421070104">https://presse.penguinrandomhouse.de/edition/9783421070104</a>)</p><p style="background-color: white; box-sizing: border-box; color: #191919; font-family: FortWeb, "Lucida Grande", sans-serif; font-size: 18px; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px;"><a href="https://richard-c-schneider.de/internationale-presse/">Artikel von Schneider</a> <a href="https://richard-c-schneider.de/buchautor-schriftsteller/">Bücher von ihm</a></p><p style="background-color: white; box-sizing: border-box; color: #191919; font-family: FortWeb, "Lucida Grande", sans-serif; font-size: 18px; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px;"><b>Leserrezensionen:</b></p><div style="background-color: white; box-sizing: border-box; color: #212529; font-family: Fort-Book, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; font-size: 18px;">Von: Klaus Hans Wilhelm Rohrmann aus Berlin<p style="box-sizing: border-box; font-size: 16px; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;">14.08.2023</p></div><div style="box-sizing: border-box; color: #212529; padding-bottom: 34px;"><p style="background-color: white; box-sizing: border-box; font-family: Fort-Book, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; font-size: 16px; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;">"Sehr geehrter Herr Schneider, Ihre informative und sachliche Berichterstattung über Israel aus der Sicht eines Natives ist mir aufgefallen und deshalb habe ich Ihr Buch mit Interesse gelesen. Allerdings vermeiden Sie klare Antworten auf gestellte Fragen, geben aber eine deutliche Tendenz. Mir war z.B. neu, dass israelische Extremisten den israelischen Staat mit welcher Begründung auch immer ablehnen... Mein Problem ist: Was soll jedoch mit den zahlreichen palästinensischen Flüchtlingen passieren, die nach wie vor in erbärmlichen Zuständen in den Nachbarländern Syrien, Libanon und Jordanien leben müssen. Diese Frage scheint bei Ihnen und in Israel keine Rolle zu spielen. Solange diese Fragen neben den von Ihnen geschilderten aktuellen inneren Bedrohungen des Staate Israel nicht einvernehmlich gelöst sind, wird es m.E. in dieser Region für alle Bevölkerungsgruppen keinen anhaltenden Frieden, Wohlstand etc. geben. Ich selbst bin 1952 in Warnemünde geboren und war u.a. von 1985-1993 mehrfach als Verkaufsleiter für von der DDR gelieferte Gleitbauschalungen für Getreidesilos in Syrien, Feuerfest-Auskleidungen für Ziegeleien im Irak etc. unterwegs und habe dabei auch erschütternde Zustände in den palästinensischen Flüchtlingslagern gesehen. Ich denke, dass es dem Anliegen Ihres Buches gedient hätte, unbedingt auch diesen Aspekt mit einzubeziehen. Wie wäre es denn, Bereitschaft bei allen beteiligten Seiten vorausgesetzt, eine Konföderation aller in der Region lebenden Bevölkerungsgruppen zu initiieren?" (<a href="https://www.penguin.de/Buch/Die-Sache-mit-Israel/Richard-C-Schneider/DVA-Sachbuch/e612311.rhd">https://www.penguin.de/Buch/Die-Sache-mit-Israel/Richard-C-Schneider/DVA-Sachbuch/e612311.rhd</a> - </p><p style="background-color: white; box-sizing: border-box; font-family: Fort-Book, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;"><span style="font-size: 16px;">Dort findet sich auch eine zweite Rezension (</span><span style="font-size: x-small;">von <a class="link-black" href="https://www.instagram.com/sachbuchsalon/" style="box-sizing: border-box; color: black; text-decoration-line: none; transition: color 0.2s ease 0s;" target="_blank">Sebastian Venske</a>,</span><span style="font-size: 16px;">11.06.2023): </span></p><p style="background-color: white; box-sizing: border-box; font-family: Fort-Book, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;"><span style="font-size: 16px;">"[...] Israel sei eindeutig eine Demokratie, aber eine ethnische Demokratie, in der der Staat einen jüdischen Charakter hat und Araber - Muslime wie Christen – und andere Minderheiten als Staatsbürger alle Individualrechte besitzen, aber nur sehr eingeschränkte Kollektivrechte. Nach Schneider ist das notwendig, da Israel nur so ein sicherer Hafen für Jüdinnen:Juden bleiben kann. Das Buch greift fundamentale und wichtige Debatten rund um Israel auf. Es zu lesen ist bereichernd. Vieles ist bedenkenswert. Eine absolute Leseempfehlung."</span></p><p style="background-color: white; box-sizing: border-box; font-family: Fort-Book, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;"><span style="font-size: 16px;"><b>Zum Inhalt:</b></span></p><p style="background-color: white; box-sizing: border-box; font-family: Fort-Book, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;"><span style="font-size: 16px;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Itamar_Ben-Gvir">Ben Gvir</a> und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Bezalel_Smotrich">Smotrich</a>, "</span><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;">Oberherr der Regierung im von Israel besetzten Westjordanland.</span><sup class="reference" id="cite_ref-6" style="color: #202122; font-family: sans-serif; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; line-height: 1; text-wrap: nowrap; unicode-bidi: isolate;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Bezalel_Smotrich#cite_note-6" style="background: none; color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;">[6]</a>"</sup><span style="font-size: 16px;"> (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Bezalel_Smotrich">Wikipedia</a>), die extremistischen Koalitionspartner Netanyahus. (S.17/18)</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: Fort-Book, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;"><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="color: #222222; font-size: small;"><i style="background-color: white;">Zitat: </i><span style="background-color: white;">"Die Schwierigkeiten dürften noch größer werden, wenn die Justizreform durchkommt. Dann würde die Justiz in Israel nicht mehr als unabhängig angesehen. Bisher bewahrte die Unabhängigkeit des Obersten Gerichts Soldaten, Offiziere und Politiker davor, vor dem <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Internationaler_Strafgerichtshof">ICC</a> wegen möglicher Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt zu werden. Die Unabhängigkeit des Bagatz</span><span style="background-color: #fcff01;">*</span><span style="background-color: white;">, wie das Oberste Gericht in seiner hebräischen Abkürzung genannt wird, war Grund genug, dass das ICC sich zurückhielt beziehungsweise entsprechende Vorstöße abgewehrt werden konnten. Das aber wäre nicht mehr möglich, wenn die Politik sich einen Freifahrtschein ausstellt und die Justiz lahmlegt." (S.19)</span></span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: Fort-Book, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;"><span face="sans-serif" style="background-color: #fcff01; color: #202122; font-size: 15.75px;">*</span><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122; font-size: 15.75px;">"An der Spitze der Judikative, als höchste Berufungsinstanz, steht das Oberste Gericht mit Sitz in </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Jerusalem" style="background: none rgb(255, 255, 255); color: #0645ad; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px; overflow-wrap: break-word;" title="Jerusalem">Jerusalem</a><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122; font-size: 15.75px;">. Aus den Richterinnen und Richtern des Obersten Gerichts bildet sich auch das „Hohe Gericht für Gerechtigkeit“ („Beit-Din Gawoah LeTzedek“ = „<b>BaGaTz</b>“), das je nach Bedeutung des Falles mit drei, fünf oder sieben Richterinnen und Richtern besetzt ist. Dieses Gericht ist die einzige und höchste Appellationsinstanz in Grundsatzfragen und bietet (ähnlich dem Bundesverfassungsgericht) die Möglichkeit, gegen die Regierung sowie alle Vertreter und Institutionen des Staates zu klagen und ihre Maßnahmen auf Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen, sie ggf. sogar auszusetzen." (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Israel#Gerichtswesen">Wikipedia</a>)</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: Fort-Book, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;"><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122; font-size: 15.75px;"><b>Schneiders Antworten auf seine Fragen:</b> (nach <i>meinem</i> Verständnis der Textes)</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: Fort-Book, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;"><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122; font-size: 15.75px;"><span face="FortWeb, "Lucida Grande", sans-serif" style="color: #191919; font-size: 18px;"><b>Ist Israel eine Demokratie?</b> </span></span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: Fort-Book, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;"><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122; font-size: 15.75px;"><span face="FortWeb, "Lucida Grande", sans-serif" style="color: #191919; font-size: 18px;">Israel ist eine<i> "ethnische</i> Demokratie" (passim)</span></span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: Fort-Book, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;"><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122; font-size: 15.75px;"><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="color: #222222; font-size: small;">"[...] Doch man muss unterscheiden: zwischen dem Rechtsruck und wachsendem Rassismus, der die Demokratie insgesamt bedroht, und der klaren Notwendigkeit Israels, eine <i>ethnische Demokratie</i> bleiben zu müssen, wenn der <i>jüdische</i> Charakter des Staates erhalten bleiben soll. Eine vollständig pluralistische Gesellschaftsform mit totaler Gleichstellung aller gesellschaftlichen Gruppen wird es in Israel nie geben, Es wäre das Ende als Staat, wie er jetzt existiert. Das wird die jüdische Mehrheit nicht akzeptieren, selbst, wenn die Progressiven und Wolken im In- und vor allem im Ausland es anders haben wollen. Aber wie schon gesagt, das Jüdische ist eine partikularistische Identität. Seit mehr als 3000 Jahren. Nur so hat das Judentum bis heute überlebt." (S.69)</span></span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: Fort-Book, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;"><span face="FortWeb, "Lucida Grande", sans-serif" style="background-color: white; color: #191919; font-size: 18px;">Ist Israel ein <i>Apartheidstaat</i>? </span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;"><span style="background-color: white; color: #191919;"><span style="font-family: arial; font-size: x-small;"><i>Es gibt Ungleichbehandlung zwischen jüdischen Israelis und arabischen, nicht im offiziellen Rechtsstatus, aber etwa in der Bewilligung von Projekten für jüdische oder arabische Gemeinden. </i><i> - Dies belegt nach Schneider aber keinen Apartheidstaat, da palästinensische und jüdische Israelis de jure gleich gestellt seien. Dann fährt er fort: </i></span></span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;"><span style="background-color: white; color: #191919;"><span style="font-family: arial; font-size: x-small;"><i>"</i></span></span><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: white; color: #222222; font-size: small;">Also herrscht nur im Westjordanland Apartheid? Dort ist die Besatzungsmacht ja nun wahrlich präsent. Leider sind viele Vorwürfe, die Amnesty macht, tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Israel verstößt gegen Menschenrechte, es verstehst auch nach gängigem Recht gegen die Auflagen, die der Staat als Besatzungsmacht zu befolgen hätte, etwa die verbotene Besiedlung besetzter Gebiete. Wie schon erwähnt, wird palästinensisches Land enteignet, die Palästinenser können in bestimmten Gegenden nicht bauen, in manchen Gegenden dürfen sie nicht einmal ihre Häuser aufstocken, wenn die Familie wächst. Sie müssen Gebiete verlassen, die willkürlich zur militärischen Sperrzonen deklariert werden [...]</span></p><div style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">Wozu also sollte Netanyahu oder irgendein anderer Premier, wenn er nicht fundamentalistischer Ideologe ist, auch nur irgendeinen Teil des Westjordanlands annektieren? De facto ist es ja bereits so. Und kostet den Staat so weniger, als wenn es offiziell gemacht wurde, ganz abgesehen von den politischen Implikationen, die ein solcher Schritt erst einmal nach sich ziehen würde.</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">Doch genau solche 'pragmatische' Überlegungen sind der Grund, warum in den besetzten Gebieten irgendwann, vielleicht sogar schon in naher Zukunft der 'Apartheidszustand' tatsächlich eintreten könnte. Egal, ob Israel sich das Westjordanland offiziell einverleiben würde oder nicht. Schon jetzt ist die Gefahr groß, dass die Situation irreversibel ist [...] die Ultras haben sich längst entschieden und sagen es auch. Ihnen ist es wichtiger, dass Israel jüdisch ist. Auf Demokratie können Sie verzichten. Und ihre Anhängerschaft wächst. Sie werden Immer stärker. (S.97/98)</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;"><br /></div><p style="box-sizing: border-box; font-family: Fort-Book, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;"><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122; font-size: 15.75px;"><span face="FortWeb, "Lucida Grande", sans-serif" style="color: #191919; font-size: 18px;"><i>Ist Kritik an Israel antisemitisch? </i></span></span></p><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">"In den seltensten Fällen ist die Kritik an Israel sachlich fundiert. Sie ist eben häufig ein Mix aus uralten anti-kolonialistischen und anti-imperialistischen Ideologien, rassistischen Überzeugungen und einem völlig unreflektierten Blick auf die Welt und die eigene politische Position und Bedeutung." (S.102)</div><p style="box-sizing: border-box; font-family: Fort-Book, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;"><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122; font-size: 15.75px;"></span></p><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">"Es ist kein Zufall, dass die BDS-Bewegung ihr Vorbild in der Anti-Apartheid-Bewegung hat. Auch diese hatte ihren Ursprung in England. BDS übernahm Strategien der Anti-Apartheids- Bewegung zum Teil wortwörtlich." (S.105)</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;"><i><b>Fontanefan dazu:</b> Darauf weist Schneider sehr zu recht hin. Allerdings hat er selbst darauf aufmerksam gemacht, dass "</i>vielleicht sogar schon in naher Zukunft der 'Apartheidszustand' tatsächlich eintreten könnte" <i>Dass.der BDS das zu verhindern versucht, kritisiert er, weil er sie angewandten Mittel für falsch hält. Im Fall Südafrikas waren sie allerdings dank einer günstigen Konstellation erfolgreich. Von S.107 bis 132 beschäftigt er sich mit dem "Antisemitismus der Linken". Aus seiner Sicht ist das gut begründet, weil er jeden Angriff auf einen "jüdischen Staat" als Antisemitismus versteht, weil Israel nur als jüdischer Staat existieren könne. </i></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;"><i>Hier ist der entscheidende Gegensatz zu postkolonialistischen Forderungen zu finden. Wenn eine Zweistaatenlösung nicht mehr in Frage kommt, ist in der Tat zu befürchten, dass auf längere Sicht Mehrheiten entstehen können, die die ungestörte Religionsausübung orthodoxer Juden gefährden würde, weil sie sich nicht mit dem Gleichheitsprinzip vereinigen lasse.</i></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;"><i>Zur Kennzeichnung des Streits um die documenta 15 greift Schneider das Wort von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Sascha_Lobo">Sascha Lobo </a>auf, "dass diese wohl größte Kulturausstellung der Welt zur 'Antisemita 15' mutiert" sei. Der Streit ließ manchmal die Vermutung aufkommen, es habe sich in der Tat darum gehandelt. Der Masse der Werke der Ausstellung, die sich auf die Selbstermächtigung der Kunst konzentrierte, wird diese Bezeichnung freilich kaum gerecht. </i><i>Trotzdem besteht immer die Gefahr, dass Antisemitismus im Namen </i><i style="background-color: transparent;">der Kunstfreiheit gerechtfertigt wird. Darauf wurde zu recht von verschiedenen Seiten hingewiesen. </i></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;"><i style="background-color: transparent;">Schneider formuliert in diesem Zusammenhang: </i><span style="background-color: transparent;">"Im Grunde gab es in dem gesamten Skandal nur eine einzige Person mit echter Haltung und Statur: Die international berühmte und anerkannte Künstlerin <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Hito_Steyerl">Hito Steyerl</a>, die <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Hito_Steyerl#Kritik_an_der_documenta_fifteen">ihr Werk von der documenta schon früh zurückgezogen</a> hatte, weil in der Ausstellung antisemitische Bilder aufgetaucht waren und niemand Verantwortung dafür übernehmen wollte." (S.125)</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;"><span style="background-color: transparent;"><i>Aus meiner Sicht ein zu starkes Wort.</i></span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;"><br /></div><p style="box-sizing: border-box; font-family: Fort-Book, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;"><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122; font-size: 15.75px;"><span face="FortWeb, "Lucida Grande", sans-serif" style="color: #191919; font-size: 18px;"><i>Ist Israel ein <b>fundamentalistischer</b> Staat?</i> (S.133 ff.)</span></span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: Fort-Book, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;"><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;"><span face="FortWeb, "Lucida Grande", sans-serif" style="color: #191919; font-size: 18px;">Diese Frage beantwortet Schneider nicht ausdrücklich, er macht aber deutlich, dass die Siedlerbewegung von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Isaak_Kook">Abraham Isaac Kook</a>, zusammen mit seinem Sohn </span></span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Zwi_Jehuda_Kook" style="background: none rgb(255, 255, 255); color: #0645ad; font-family: sans-serif; overflow-wrap: break-word;" title="Zwi Jehuda Kook">Zwi Jehuda Kook</a><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122; font-size: 15.75px;"> </span><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;"><span face="FortWeb, "Lucida Grande", sans-serif" style="color: #191919; font-size: 18px;">, </span><span face="FortWeb, "Lucida Grande", sans-serif" style="color: #191919;">"</span></span><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;">geistiger Vater der </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Messianismus" style="background: none rgb(255, 255, 255); color: #0645ad; font-family: sans-serif; overflow-wrap: break-word;" title="Messianismus">messianistischen</a><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122;"> Siedlerbewegung </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Gusch_Emunim" style="background: none rgb(255, 255, 255); color: #0645ad; font-family: sans-serif; overflow-wrap: break-word;" title="Gusch Emunim">Gusch Emunim</a>" (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Isaak_Kook#Leben">Wikipedia</a>), <span style="background-color: white; color: #191919; font-size: 18px;"> das religiöse Fundament erhielt, somit von Anfang an zutiefst fundamentalistisch war und dass die israelischen Politiker an zwei wesentlichen Wendepunkten 1967 nach dem Sieg, als das historische Israel erobert wurde und 1973 nach der empfundenen Niederlage jeweils den Siedlern nicht energisch genug entgegentraten, so dass diese durch ihr Eindringen die Zwei-Staaten-Lösung immer unmöglicher machten. Dazu zitiert er Benny Katzover: "Mir war damals klar: Wenn Samaria ohne Juden bleibt, verlieren wir die Legitimation für den ganzen Staat Israel. Die Anfänge des jüdischen Volkes waren hier in </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Sichem" style="background-color: white; font-size: 18px;">Shechem</a><span style="background-color: white; color: #191919; font-size: 18px;">, in Nablus. [...] Hier wurde das jüdische Volk als Nation geschaffen. Wenn dies nicht dem jüdischen Volk gehört, gehört dann Tel Aviv dem jüdischen Volk?" (S,148)</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: Fort-Book, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;"><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122; font-size: 15.75px;"><span face="FortWeb, "Lucida Grande", sans-serif" style="color: #191919; font-size: 18px;"><i>Gehört Palästina den Palästinensern?</i></span></span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: Fort-Book, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;"><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #202122; font-size: 15.75px;"><span face="FortWeb, "Lucida Grande", sans-serif" style="color: #191919; font-size: 18px;"><i>Obwohl er den Palästinensern ein 'vertikales', dem Boden verbundenes Heimatgefühl zuspricht, während die Juden wegen ihrer langen Tradition im Exil in 'portables' (H. Heine) hätten (S.164), und obwohl die Palästinenser seit vielen Generationen das Land bewohnten und weitgehend als Privatbesitz hatten, formuliert Schneider </i>"Den Osmanen gehörte also Palästina. Dann, 1917 , eroberten die Briten während des Ersten Weltkrieges das Gebiet. [...] Gehörte es ihnen völkerrechtlich ? Nein." ((S.166) <i>Doch arbeitet er dann die sich widersprechenden Ansprüche von Arabern und Juden (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Balfour-Deklaration">Balfour-Deklaration</a> und 'nationale Heimstätte' heraus.) Im Zusammenhang mit der Mandatspolitik spricht Schneider von einer</i> "b</span></span><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: white; color: #222222; font-size: small;">ei vielen Politikern Großbritanniens tief sitzende[n] Überzeugung von der sogenannten 'jüdischen Weltmacht', der Mär, dass Juden in einem weltweit umspannenden Netz Politik, Finanzen und Medien in ihrer Gewalt hätten, da sie vor allem – schon damals dachte man so in London – großen Einfluss in Washington hätten. <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Chaim_Weizmann">Weizmann</a> war klug. Anstatt sich über diese antisemitischen Vorurteile zu echauffieren oder gar zuzugeben, dass er Präsident eine Organisation war, die gerade mal so stabil war wie ein Kartenhaus und deren Macht sich allein darauf speiste, dass viele glaubten, sie hätte Macht, nutzte er lieber die Ehrfurcht vor dem 'Weltjudentum', um seine Forderungen und Ziele durchzusetzen. Selbst ein so hoch gebildeter Mann wie Winston Churchill glaubte bis zu einem gewissen Grad an die Macht der Juden! " (S. 71) </span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: Fort-Book, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;"><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: white; color: #222222; font-size: small;">[<i>Fontanefan: Dass britische Politiker damals an eine </i></span><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: white; color: #222222; font-size: small;">'jüdische Weltmacht' <i>geglaubt und </i></span><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: white; color: #222222; font-size: small;">Ehrfurcht vor dem 'Weltjudentum' <i>gehabt hätten, halte ich für eine Konstruktion. Doch kann man nicht ausschließen, dass man in Kreisen der US-Hochfinanz und bei US-Industriellen europäischen Juden etwas mehr Sympathien entgegenbrachte als Arabern.</i>]</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: Fort-Book, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;"><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: white; color: #222222; font-size: small;">"Anfang des 20. Jahrhunderts wurde mit Hilfe von Theodor Herzl der JNF, der Jüdische Nationalfons, der auch als KKL (J`Keren / Kayemet leYsisrael) bekannt ist, gegründet. Dessen Aufgabe war es, w</span><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: white; color: #222222;">eltweit Spenden von Juden einzusammeln, um Land in Palästina zu kaufen. Die so genannte 'Puschkebox', ein rechteckiger Metallbehälter mit der israelischen Flagge und einer Landkarte von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Eretz_Israel">Eretz Jisrael</a> vorne drauf, in den man Münzen und Geldscheine einwarf wie bei einem Sparschwein, gehörte bis in die nicht in die Sechziger und Siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts zum Hausratsinventar jeder jüdischen Familie in der Diaspora." (S.176)</span></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: Fort-Book, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; margin-bottom: 1rem; margin-top: 0px; overflow-wrap: break-word;"><span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="background-color: white; color: #222222;"><span face="Arial, Helvetica, sans-serif">Es ist ein alles oder nichts, ein Kampf auf Leben und Tod im ganz realen, aber auch im metaphorischen Sinn.. Möglicherweise wird die Frage, wem Palästina beziehungsweise Israel gehört, auf dem Schlachtfeld geklärt. Oder durch die normative Kraft des Faktischen. Oder durch ein Wunder. Der Konflikt um dieses kleine Land Ist noch lange nicht vorbei. (S.188)</span></span></p><span style="font-size: medium;"><b>Andere Perspektiven: </b></span></div><div style="box-sizing: border-box; color: #212529; padding-bottom: 34px;"><span><b><a href="SZ, 2. 1. 2023, S. 3, https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/853984/3">SZ, 2. 1. 2023, S. 3,https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/853984/3</a></b></span></div><div style="box-sizing: border-box; padding-bottom: 34px;"><span face="sans-serif" style="background-color: white; font-size: 15.75px;"><span face="FortWeb, "Lucida Grande", sans-serif" style="color: #191919; font-size: 18px;"><span style="color: #212529;">In diesen Zusammenhang gehört auch ein äußerst polemischer Artikel von</span> </span></span><a href="https://www.nachdenkseiten.de/?gastautor=john-neelsen" style="font-family: "open sans", sans-serif; line-height: 23px;"><span style="color: #191919; font-size: x-small;">John Neelsen</span></a><span style="font-size: x-small;"><span style="color: #191919;"> </span><span style="color: #212529;"> </span></span><a href="https://www.nachdenkseiten.de/?p=109118" style="background-color: white; color: #212529; font-size: 18px;">https://www.nachdenkseiten.de/?p=109118</a></div><div style="box-sizing: border-box; padding-bottom: 34px;">Interview mit <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Saul_Friedl%C3%A4nder">Saul Friedländer</a> in der ZEIT vom18.1.2024:</div><div style="box-sizing: border-box; padding-bottom: 34px;">"[...] <span style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">Ich erinnere mich lebhaft an die Feier in Paris, auf der im Mai 1948 die Staatsgründung verkündet wurde. [...] Ich war 15 Jahre alt und voller Erwartungen. Ein paar Wochen später bin ich abgereist, mit der <i>Altalena</i>, einem Schiff der zionistischen Untergrundarmee <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Irgun_Zwai_Leumi">Irgun</a>, die unter anderem Anschläge auf die arabische Bevölkerung und die britische Mandatsmacht in Palästina verübt hatte. An Bord waren hauptsächlich jüdische Displaced Persons aus Deutschland dazu ein paar französische Juden. </span></div><div style="box-sizing: border-box; padding-bottom: 34px;"><span style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">ZEIT: Sie reisten ganz allein?</span></div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">Friedländer: Ja, und deshalb habe ich in Pass mein Alter geändert, denn daran war mein erster Anlauf gescheitert. Ich wollte mit einer sozialistischen Zionistengruppe auswandern, aber da hieß es: Du bist zu jung. Ich datierte also meine Geburt im Pass von 1932 auf 1930 zurück und versuchte es bei der Irgun. Ein Freund hatte mich vorbereitet. Wenn ich gefragt würde: 'Was wollen wir?', Solle ich antworten: 'Beide Seiten des Jordans!', also ein Großisrael. Die Reise dauerte acht, neun Tage. Empfangen wollte die <i>Altalena</i> dann voll Truppen der israelischen Streitkräfte unter Staatsgründer David Ben-Gurion. Die wussten, das die Irgun Waffen schmuggelte – und wollten nicht nur den Schmuggel unterbinden, sondern die Irgun insgesamt ausschalten. Das Schiff wurde schließlich beschossen.</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">ZEIT: Waren Sie da noch an Bord?</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">Friesländer: Die meisten Holocaust-Überlebenden, so wie ich, wurden in ein nahe gelegenes Lager gebracht. Erst danach eröffnete die Armee das Feuer. Juden schossen auf Juden. Es war eine Tragödie. [...]</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">Zeit: [...] Woran sollte man sich gerade besonders erinnern?</div><div dir="auto" style="background-color: white; color: #222222; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: small;">Friedländer: An zwei Dinge vielleicht. Zum einen an das Jahr 1945 nicht nur an den 27. Januar. Dass es ein Weiterleben nach der totalen Zerstörung gab, nach Holocaust und Krieg, ist für mich bis heute ein Quell der Hoffnung. Das andere, woran ich denke, ist Charles de Gaulles Reise nach Syrien 1941. Auch dort tobte der Weltkrieg. De Gullel hatte keinen Schimmer von der Region. In seinen Memoiren schrieb er später: 'Vers l'Orent compliqué [...]' In den komplizierten Orient bin ich mit einfachen Ideen geflogen. Darin steckt eine unverändert aktuelle Mahnung: Hüte dich vor simplen Lösungen." <a href="https://www.zeit.de/2024/04/saul-friedlaender-israel-holocaust-tagebuch">ZEIT 18.1.2024</a></div><p></p>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-76008328158665695652023-12-16T21:07:00.007+01:002023-12-16T22:00:48.364+01:00Herder<p><b> <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Gottfried_Herder">Johann Gottfried Herder</a></b> (Wikipedia)</p><p><b><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Julian_Schmidt">Julian Schmidt</a></b>: <a href="https://books.google.nl/books?id=-1dNAAAAcAAJ&printsec=frontcover#v=onepage&q&f=false">Herder und seine Bedeutung für die deutsche Literatur</a> (Vorwort des Bandes <i>Der Cid</i> von Herders Werken)</p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgDes7TyBbcYYP9gq8OBWMNbHAe4mS-nmGZV3Vf_iU051x-nS3AapGKoBGpP0Irdkl9BnmH5jo3AalpmiiVL8e5V6y6WPIqHOLUjLc8R1to1GdK1I74j3dRxW4EwopTeGhwQdqmGgJh9PdQ1laWoRwTda61744wHJvkWa1fYOF9kSH0RfDJnWP8MV68qvcO/s438/Herder0.JPG" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="186" data-original-width="438" height="281" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgDes7TyBbcYYP9gq8OBWMNbHAe4mS-nmGZV3Vf_iU051x-nS3AapGKoBGpP0Irdkl9BnmH5jo3AalpmiiVL8e5V6y6WPIqHOLUjLc8R1to1GdK1I74j3dRxW4EwopTeGhwQdqmGgJh9PdQ1laWoRwTda61744wHJvkWa1fYOF9kSH0RfDJnWP8MV68qvcO/w660-h281/Herder0.JPG" width="660" /></a></div><br /><p><br /></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiIT7MTk_j0pataPKNSy5yggoseRv2Fzw7ddfx8Kswb4oqCaku_CUDxzZ_ruisYThRz4dpUKyN9KAS8LaqpbPkYKljaDNrcylhxXujSB7LP20h3lf41YRVgxF9hZym2R-8JxSuIzeWD2wJlpisjPgPpqE7_Oa16wfnyBHoVv6c5g1rY-lz582C5I5svj-p0/s429/Herder%201.JPG" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="217" data-original-width="429" height="332" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiIT7MTk_j0pataPKNSy5yggoseRv2Fzw7ddfx8Kswb4oqCaku_CUDxzZ_ruisYThRz4dpUKyN9KAS8LaqpbPkYKljaDNrcylhxXujSB7LP20h3lf41YRVgxF9hZym2R-8JxSuIzeWD2wJlpisjPgPpqE7_Oa16wfnyBHoVv6c5g1rY-lz582C5I5svj-p0/w654-h332/Herder%201.JPG" width="654" /></a></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><br /><p><br /></p><ul style="background-color: white; font-family: arial, helvetica, sans-serif; line-height: 1.5em; list-style: square; margin: 0px; padding: 0px 0px 0px 14px;"><li style="padding-left: 0px;"><br /></li><li style="padding-left: 0px;"><br /></li><li style="padding-left: 0px;"><br /></li><li style="padding-left: 0px;"><br /></li><li style="padding-left: 0px;"><br /></li><li style="padding-left: 0px;"><br /></li><li style="padding-left: 0px;"><a href="http://www.zeno.org/Literatur/M/Herder,+Johann+Gottfried/Theoretische+Schriften/Journal+meiner+Reise" style="background: none; color: #1446c6; padding-left: 0px; text-decoration-line: none;">Journal meiner Reise</a></li></ul><div><h2 class="title" style="box-sizing: border-box; font-family: arial; text-align: center;">Journal meiner Reise im Jahr 1769</h2><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;"><span style="text-indent: 14.4px;">Den 23 Mai [<i>nach gregorianischem Kalender: </i></span><i>3.6.</i>]<span style="color: #505050;"><span style="font-size: 16.2px;"> </span></span>reisete ich aus Riga ab und den 25/5. ging ich in See, um ich weiß nicht wohin? zu gehen. Ein großer Theil unsrer Lebensbegebenheiten hängt würklich vom Wurf von Zufällen ab. So kam ich nach Riga, so in mein geistliches Amt und so ward ich deßelben los; so ging ich auf Reisen. Ich gefiel mir nicht, als Gesellschafter weder, in dem Kraise, da ich war; noch in der Ausschließung, die ich mir gegeben hatte. Ich gefiel mir nicht als Schullehrer, die Sphäre war [für] mich zu enge, zu fremde, zu unpassend, und ich für meine Sphäre zu weit, zu fremde, zu beschäftigt. Ich gefiel mir nicht, als Bürger, da meine häusliche Lebensart Einschränkungen, wenig wesentliche Nutzbarkeiten, und eine faule, oft eckle Ruhe hatte. Am wenigsten endlich als Autor, wo ich ein Gerücht erregt hatte, das meinem Stande eben so nachtheilig, als meiner Person empfindlich war. Alles also war mir zuwider. Muth und Kräfte gnug hatte ich nicht, alle diese Mißsituationen zu zerstören, und mich ganz in eine andre Laufbahn hineinzuschwingen. Ich muste also reisen: und da ich an der Möglichkeit hiezu verzweifelte, so schleunig, übertäubend, und fast abentheuerlich reisen, als ich konnte. So wars. Den 4/15 Mai Examen: d. 5/16 renoncirt: d. 9/20 Erlaßung erhalten d. 10/21 die letzte Amtsverrichtung: d. 13/24 Einladung von der Krone: d. 17/28 Abschiedspredigt, d. 23/3 aus Riga d. 25/5 in See.</span></p><p style="box-sizing: border-box; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;"><span style="font-family: georgia;">Jeder Abschied ist betäubend. Man denkt und empfindet weniger, als man glaubte: die Thätigkeit in die unsre Seele sich auf ihre eigne weitere Laufbahn wirft, überwindet die Empfindbarkeit über das, was man verläßt, und wenn insonderheit der Abschied lange dauret: so wird er so ermüdend, als im Kaufmann zu London. Nur denn aber erstlich siehet man, wie man Situationen hätte nutzen können, die man nicht genutzt hat: und so hatte ich mir jetzt schön sagen: ei! wenn du die Bibliothek beßer genutzt hättest? wenn du in jedem, das dir oblag, dir zum Vergnügen, ein System entworfen hättest? in der Geschichte einzelner Reiche – – Gott! wie nutzbar, wenn es Hauptbeschäftigung gewesen wäre! in der Mathematik – – wie unendlich fruchtbar, von da aus, aus jedem Theile derselben, gründlich übersehen, und mit den reellsten Kän[n]tnißen begründet, auf die Wißenschaften hinauszusehen! – – in der Physik und Naturgeschichte – – wie, wenn das Studium mit Büchern, Kupferstichen und Beispielen, so aufgeklärt wäre, als ich sie hätte haben können – und die Französische Sprache mit alle diesem verbunden und zum Hauptzwecke gemacht! und von da aus also die Henaults, die Vellys, die Montesquieu, die Voltaire, die St. Marcs, die La Combe, die Coyers, die St. Reals, die Duclos, die Linguets und selbst die Hume's französisch studirt: von da aus, die Buffons, die D'Alemberts, die Maupertuis, die La Caille, die Eulers, <a href="https://www.projekt-gutenberg.org/herder/jour1769/jour1769.html">[...]</a></span></p></div><ul style="background-color: white; font-family: arial, helvetica, sans-serif; line-height: 1.5em; list-style: square; margin: 0px; padding: 0px 0px 0px 14px;"><li style="box-sizing: border-box;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/herder/itareise/itareise.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;">Italienische Reise</a></li></ul><div><span face="arial, helvetica, sans-serif"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/herder/itareise/chap001.html">[...]</a></span></div><div><h4 style="box-sizing: border-box; font-family: arial; text-align: center;">Johann Wolfgang von Goethe an J. G. Herder</h4><p class="date" style="box-sizing: border-box; font-family: arial; font-style: italic; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: right; text-indent: 0.8em;"><i style="box-sizing: border-box;">Konstanz, 5. 6. 1788 [?]</i></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;">Daß ich von Constanz an dich nach Rom zu schreiben habe, ist wohl eine seltsame Sache, die mir noch völlig den Kopf verwirren könnte. Gestern Abend lese ich in der Vaterlandschronik, du seiest wirklich mit Dalbergen verreist. Ich glaube es und ergebe mich drein, ob es gleich für mich ein sehr harter Fall ist. Reise glücklich und erbrich den Brief gesund, da wo ich in meinem Leben das erstemal unbedingt glücklich war. Angelika wird dir ihn geben. Vielleicht erhältst du zu gleicher Zeit noch einen; denn ich schreibe gleich, wenn ich nach Hause komme, und Ihr haltet Euch wohl auf.</p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;">Wenn Ihr einen Antiquar braucht, wie Ihr denn einen braucht, so nehmt einen Deutschen, der <i style="box-sizing: border-box;">Hirt</i> heißt. Er ist ein Pedante, weiß aber viel und wird jedem Fremden nützlich sein. Er nimmt des Tages mit einem Zechin vorlieb. Wenn Ihr ihm etwas mehr gebt, so wird er dankbar sein. Er ist übrigens ein durchaus redlicher Mensch. Alsdann suche einen jungen Maler <i style="box-sizing: border-box;">Bury</i> incontro Rondanini, den ich lieb habe, und laß dir die farbigen Zeichnungen weisen, die er jetzt nach Carrache <a id="page9" name="page9" style="box-sizing: border-box;" title="c_s/iwrobel"></a>macht. Er arbeitet sehr brav. Mache, daß sie Dalberg sieht und etwas bestellt. Dieser junge Mensch ist gar brav und gut, und wenn du etwa das Museum oder sonst eine wichtige Sammlung mit ihm, zum zweitenmal, <i style="box-sizing: border-box;">aber</i> NB. <i style="box-sizing: border-box;">allein</i> sehen willst, so wird es dir Freude machen und Nutzen schaffen. Er ist kein großer Redner, besonders vor mehreren. Meyer, der Schweizer, ist, furchte ich, schon in Neapel. Wo er auch sei, mußt du ihn kennen lernen.</p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;">Ich weiß nicht, ob ich wache oder träume, da ich dir dieses schreibe. Es ist eine starke Prüfung, die über mich ergeht. Lebe wohl, genieße, was dir beschert ist. Einer meiner angelegentlichsten Wünsche ist erfüllt.</p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;">Wenn du nach Castell-Gandolfo kommst, so frage nach einer Pinie, die nicht weit von Herrn Jenkins' Haus, nicht weit vom kleinen Theater steht. Diese hatte ich in den Augen, als ich dich so sehnlich wünschte. Lebe wohl. Ich gehe zu den Deinigen, und will ihnen die Zeit deiner Abwesenheit verleben helfen.</p><p class="signature" style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-right: 2em; margin-top: 0.4em; text-align: right; text-indent: 0.8em;">G.</p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;">Wahrscheinlich wird Euch Hofrat Reiffenstein an einige Orte führen. Ich empfehle <i style="box-sizing: border-box;">Hirten</i> also zum Supplemente.</p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;">Moritzen mußt du auch sehen. Du wirst noch andere finden: Lips etc.</p><h4 style="box-sizing: border-box; font-family: arial; text-align: center;">J. G. Herder an Herzogin Anna Amalia</h4><p class="date" style="box-sizing: border-box; font-family: arial; font-style: italic; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: right; text-indent: 0.8em;"><i style="box-sizing: border-box;">Weimar, Mitte Juni 1788</i></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;">Warum haben Sie mir nicht, gnädigste Herzogin, mit Ihrer schönen Italienischen Übersetzung der Lira zugleich etwas Italienischen Geist ins Couvert eingesiegelt, Ihnen Italienisch danken zu können; statt dessen, daß ich jetzt das liebliche, harmonische Blatt mit Bewunderung und etwas <i style="box-sizing: border-box;">Neide</i> lese, daß ich dagegen ein so barbarischer, Deutscher Ignorant bin. Indessen studiere ich seit ehegestern die Sprache, wie es sich tun läßt, und sehe den Zuruf der Lira eben auch als eine Stimme an, die mich dazu freundlich einladet. Ich will sie lesen u. wiederlesen, auch morgen die kleine Nachtigall in Manheim damit erfreuen. <a id="page10" name="page10" style="box-sizing: border-box;" title="Steineule/rudi49"></a>Haben Euer Durchl. für den süßen Enthusiasmus Dank, der darin herrschet: im schönen Lande jenseits der Alpen</p><p class="vers" style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin: 1em 2em;">– – – wo die Zitronen blühn,</p><p class="leftjust" style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify;">hoffe ich Ihnen Italienisch, und also anmutiger danken zu können, als hier hinter der Peter- u. Paulskirche. Vorher aber hoffe ich es nächstens in Tiefurt tun zu können. – Die Fr. v. Dieden u. der Prinz August müssen durch Euer Durchl. Gnade doch ja auch die Musik des kleinen Ritters Valdimonte (so haben wir ihn übersetzt) hören. Ich empfehle mich zu E. D. Gnade</p><p class="signature" style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-right: 2em; margin-top: 0.4em; text-align: right; text-indent: 0.8em;">Herder.</p><h4 style="box-sizing: border-box; font-family: arial; text-align: center;">J. G. Herder an Christian Gottlob Heyne</h4><p class="date" style="box-sizing: border-box; font-family: arial; font-style: italic; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: right; text-indent: 0.8em;"><i style="box-sizing: border-box;">Weimar, 22. 6. 1788</i></p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;">Liebster Freund,</p><p style="box-sizing: border-box; font-family: arial; margin-bottom: 0.4em; margin-top: 0.4em; text-align: justify; text-indent: 0.8em;">Die Zeitungen werden Ihnen, nicht nur sehr zu frühe, sondern auch mir sehr unlieb, gemeldet haben, daß ich nach Italien reise. Reisen mußte ich, wenn es auch auf den Walfischfang gewesen wäre, u. da diese Gelegenheit u. Anerbietung kam, sahe ich sie als einen Wink des Schicksals an, den ich nicht ausschlagen durfte. Wozu ich reise? wird die Zeit selbst negativ oder positiv zeigen: ich lasse ihr gern ihren Lauf u. will den guten Göttern nicht vorgreifen; ich hoffe aber das Letzte, oder vielmehr ich bin dessen gewiß, da doch alles Nichts ein Nichts ist. Wie angenehm, unterrichtend, ja gewissermaßen notwendig wäre es, wenn ich erst zu Ihnen nach G[öttingen] käme; ich habe im Ernst daran gedacht, den Gedanken aber sogleich verworfen. Meine Zeit ist beschränkt; ich weiß nicht, wie ich hier mit meinem Bündel zurecht kommen will; eilen müssen wir, weil wir durch die Schweiz ziehen, u. in der Provence uns zuerst erholen wollen, ehe uns, wie es die Reisende über die Alpen sonst zu genießen pflegen, das stolze Rom verschlingt; also kann ich nicht säumen, u. wie sehr haben wirs mit unsern Sitten, in unsrer Lebensweise darauf eingerichtet, daß wir uns nur immer in einem »minimum« genießen u. kosten! – Also das herzlichste Lebewohl, liebster, treuer, alter Freund, Sie am Ufer der Leine, u. ich wo ich sein möge. Haben Sie Aufträge <a id="page11" name="page11" style="box-sizing: border-box;" title="Steineule/rudi49"></a>für mich, wollen Sie mir Gesichtspunkte, Ideen, Aussichten geben, finden Sie es gut, wie ichs freilich gut fände, daß Sie mich nach Ihrer weiten Bekanntschaft in den dortigen Gegenden an einige Menschen, die mir nützlich sein können, empfehlen: so tun Sie, was Ihnen Ihr Sinn u. Herz gebietet. Alles aber ohne Zwang: denn mir ists ganz gleichgültig, wenn ich auch den u. den u. den nicht sehe; was ich sehen, u. einst gesehen haben will, sehe ich doch, u. was mir daher gewährt sein soll, ist in der Götter Händen. Mir selbst, so nahe ich dran bin, scheinet die Reise noch wie eine Fabel. So wird sie es auch sein, wenn sie vorüber ist: denn wie schnell vergehen einige Monate, in welchen wir uns wie Würmer einige Schritte weit zu Hause hingekrümmt u. am Ende doch nichts anders getan, als gemüht u. verdauet hätten – nun mögen sie auf andre Weise wie Schatten vorbeigehn. Die Augen will ich indessen auftun, u. dies schmale Interstitium mit Sorgfalt u. Muße gebrauchen. Ich weiß, Sie wünschen mir sodann eine glückliche Rückkehr, u. ich mir sodann einige Augenblicke oder Stunden, Sie sprechen zu können. Die Bücher, die ich von der Bibliothek habe, schicke ich an dem Ort, der Göttingen am nächsten ist, zu Ihnen, u. sage Ihnen sodann noch dankbar das letzte Lebewohl. [ . . . ] Leben Sie wohl, lieber Patriarch der Künste, bald schreibe ich Ihnen noch einige Zeilen. Überdenken Sie indessen etwas, ob Sie mir etwas mitzugeben haben. <a href="https://www.projekt-gutenberg.org/herder/itareise/chap001.html">[...]</a></p></div><ul style="background-color: white; font-family: arial, helvetica, sans-serif; line-height: 1.5em; list-style: square; margin: 0px; padding: 0px 0px 0px 14px;"><li style="padding-left: 0px;"><a href="http://www.zeno.org/Literatur/M/Herder,+Johann+Gottfried/Theoretische+Schriften/Ideen+zur+Philosophie+der+Geschichte+der+Menschheit" style="background: none; color: #1446c6; padding-left: 0px; text-decoration-line: none;">Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit</a></li><li style="padding-left: 0px;"><a href="http://www.zeno.org/Literatur/M/Herder,+Johann+Gottfried/Theoretische+Schriften/Auch+eine+Philosophie+der+Geschichte+zur+Bildung+der+Menschheit" style="background: none; color: #1446c6; padding-left: 0px; text-decoration-line: none;">Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit</a></li><li style="padding-left: 0px;"><a href="http://www.zeno.org/Literatur/M/Herder,+Johann+Gottfried/Theoretische+Schriften/Gotthold+Ephraim+Lessing" style="background: none; color: #1446c6; padding-left: 0px; text-decoration-line: none;">Gotthold Ephraim Lessing</a></li><li style="box-sizing: border-box;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/herder/cid/cid.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;">Der Cid</a></li></ul><div><span face="arial, helvetica, sans-serif"><a href="https://fontanefan3.blogspot.com/2010/11/herders-cid.html">Kurze Einführung </a> --> <b><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/herder/cid/chap001.html">mehr dazu</a></b></span></div><ul style="background-color: white; font-family: arial, helvetica, sans-serif; line-height: 1.5em; list-style: square; margin: 0px; padding: 0px 0px 0px 14px;"><li style="box-sizing: border-box;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/herder/volklied/volklied.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;">Stimmen der Völker in Liedern</a></li><li style="box-sizing: border-box;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/herder/fabeln/fabeln.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;">Zwei Fabeln</a></li><li style="box-sizing: border-box;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/herder/erzaehlg/erzaehlg.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;">Die ewige Bürde/Der afrikanische Rechtsspruch</a> (Zwei kurze Erzählungen)</li><li style="padding-left: 0px;"><a href="http://www.zeno.org/Literatur/M/Herder,+Johann+Gottfried/Theoretische+Schriften/Abhandlung+%C3%BCber+den+Ursprung+der+Sprache" style="background: none; color: #1446c6; padding-left: 0px; text-decoration-line: none;">Abhandlung über den Ursprung der Sprache</a></li><li style="padding-left: 0px;"><a href="http://www.zeno.org/Literatur/M/Herder,+Johann+Gottfried/Theoretische+Schriften/Von+deutscher+Art+und+Kunst" style="background: none; color: #1446c6; padding-left: 0px; text-decoration-line: none;">Von deutscher Art und Kunst</a></li><li style="box-sizing: border-box;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/herder/gedichte/gedichte.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;">Gedichte</a></li><li style="box-sizing: border-box;"><a href="https://www.projekt-gutenberg.org/herder/liedlieb/liedlieb.html" style="box-sizing: border-box; color: #003399; text-decoration-line: none;">Lieder der Liebe</a> (Über die Lieder Salomons)</li><li style="padding-left: 0px;"><a href="http://www.zeno.org/Literatur/M/Herder,+Johann+Gottfried/Theoretische+Schriften/%C3%9Cbers+Erkennen+und+Empfinden+in+der+menschlichen+Seele" style="background: none; color: #1446c6; padding-left: 0px; text-decoration-line: none;">Übers Erkennen und Empfinden in der menschlichen Seele</a></li><li style="padding-left: 0px;"><a href="http://www.zeno.org/Literatur/M/Herder,+Johann+Gottfried/Theoretische+Schriften/Von+%C3%84hnlichkeit+der+mittlern+englischen+und+deutschen+Dichtkunst+..." style="background: none; color: #1446c6; padding-left: 0px; text-decoration-line: none;">Von Ähnlichkeit der mittlern englischen und deutschen Dichtkunst </a></li><li style="padding-left: 0px;"><br /><br /></li></ul>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-38157166699124142352023-12-14T23:48:00.002+01:002023-12-14T23:48:47.804+01:00Puschkin: Eugen Onegin (8. Buch/Gesang)<p><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px;"><b>8. Buch/Gesang </b> (Übersicht)</span></p><p><span style="background-color: white; color: #202122;"><span style="font-family: georgia;">Motto</span></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"> <span class="zenoTXFontsize80">Fare thee well, and if for ever,</span></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span class="zenoTXFontsize80"><span style="font-family: georgia;">Still for ever fare thee well.</span></span></p><p class="zenoPR" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: right;"><span class="zenoTXFontsize80"><i><span style="font-family: georgia;">Byron</span></i></span></p><p><span style="background-color: white;"><span style="font-family: georgia;">1</span></span></p><p><span style="background-color: white;"><span style="font-family: georgia;">Als ich in froher Schulzeit Tagen</span></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Noch im Lyzeumsgarten saß</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und Apulejus mit Behagen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Doch Cicero nur ungern las,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Damals im Lenz – die Knospen sprangen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Die Wasser rauschten, Schwäne sangen –</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Erschien im goldnen Frühlingsstrahl</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Die Muse mir zum erstenmal.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Da füllte sich mit Himmelssonne</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Mein enges Stübchen: freudig-hell</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Erschloß sich mir der Dichtung Quell,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ich sang von meiner Kindheit Wonne,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Von Kampf und Sieg der Väterzeit</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und meines Herzens erstem Leid.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">2.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Beifall kam mir froh entgegen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Mich hob der jung erstrittne Preis:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Gawriil_Romanowitsch_Derschawin">Derschawin</a> gab mir seinen Segen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der grabesmüde Dichtergreis. [...] </span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">3.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Allein ich frönte heißbegehrend</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nur zaumlos wilder Leidenschaft</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und tollte, Geist und Herz entehrend,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Mit meiner Muse lasterhaft,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Bei Trinkgelagen, wüsten Feiern,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nächtlichen Straßenabenteuern:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und dort im Rausch verstreute sie</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Die Gaben, die einst Gott ihr lieh,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sang lüstern vor den Zechgenossen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und führte sich bacchantisch auf,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und unsre Jugend zog zuhauf</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ihr lärmend nach durch alle Gassen ...</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Wobei ich Frechling selber gar</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Noch stolz auf ihren Leichtsinn war!</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">4.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Dann trieb das Schicksal hart und feindlich</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Mich weit hinweg ... Sie blieb mir treu:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Wie oftmals hat sie sanft und freundlich</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">In meiner Irrfahrt Ödenei</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Durch Trost im Liede mich erhoben,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Mit mir im Kaukasus da droben,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Lenoren gleich, in Vollmondnacht</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Zu Roß den wilden Ritt gemacht!</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Wie oft mich, wenn des Pontus Rauschen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">An Tauris' Strande nächtlich schwoll,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Zum Meer geführt, um andachtsvoll</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Nereiden Sang zu lauschen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Wogen ew'gem Donnerton,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Dem Hymnus vor des Schöpfers Thron!</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">5.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und ferne von der Hauptstadt Freuden,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Entrückt dem Strom der großen Welt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Gewöhnte sie auf dürren Heiden</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Moldau im Zigeunerzelt</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sich an nomadisch rauhes Leben,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Vergaß, von niedrem Volk umgeben,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Göttersprache hehren Laut</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und schwärmte, fremder Art vertraut,<a class="zenoTXKonk" href="http://www.zeno.org/Literatur/L/Puschkin-Onegin" name="425" style="color: #1446c6; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; letter-spacing: 0px; text-decoration-line: none;" title="Vorlage">[425]</a></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Für feurig-wilde Steppenweisen ...</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Dann riß ein Wirbel jäh mich um –</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Worauf ich sie bedrückt und stumm</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Als Fräulein aus Landadelskreisen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">In meinem Garten auf dem Land</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Französisch lesend wiederfand.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">6.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Heut stell' ich sie zum ersten Male</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Auf einem Rout dem Adel vor</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und weide mich im vollen Saale</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">An ihrem frischen Jugendflor.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sie schlüpft behend durch Diplomaten,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Vornehme Fraun, Aristokraten</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und elegantes Militär,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nimmt sittsam Platz und schaut umher,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Entzückt vom Toilettenreigen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Dem Stimmgewirr, dem edlen Prunk,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Dem Takt, mit welchem alt und jung</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sich grüßend vor der Hausfrau neigen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und all den Schönen, Stern an Stern,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Umrahmt von schwarzbefrackten Herrn.</span></p><p><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px;">[...]</span></p><p><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px;">"Die Jahre vergehen. Onegin – inzwischen 26 Jahre alt, immer noch gelangweilt und der Gesellschaft überdrüssig, gelangweilt auch von seinem unruhigen Reiseleben, ein Müßiggänger ohne irgendein Ziel im Leben – kehrt nach St. Petersburg zurück."(<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Eugen_Onegin#Inhalt">Wikipedia</a>)</span></p>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-929408149683952702023-12-14T23:30:00.004+01:002023-12-14T23:33:05.029+01:00Puschkin: Eugen Onegin (7. Buch/Gesang)<p><span style="font-family: georgia;"><a href="http://www.zeno.org/Literatur/M/Pu%C5%A1kin,+Aleksander+Sergeevi%C4%8D/Versroman/Eugen+Onegin/Siebentes+Buch" style="font-weight: bold;">7. Buch/Gesang </a>(Überblick)</span></p><p><b>Motti</b></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span class="zenoTXFontsize80"><span style="font-family: georgia;">O Moskau, Rußlands liebste Tochter,</span></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span class="zenoTXFontsize80"><span style="font-family: georgia;">Wo gibt es eine, die dir gleicht?</span></span></p><p class="zenoPR" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: right;"><span class="zenoTXFontsize80"><i><span style="font-family: georgia;">Dmitrijew</span></i></span></p><p><span style="background-color: white; font-family: georgia;">Moskau nicht lieben, unsern Stolz?</span></p><p class="zenoPR" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: right;"><span class="zenoTXFontsize80"><i><span style="font-family: georgia;">Baratynski</span></i></span></p><p class="zenoPR" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: right;"><br /></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span class="zenoTXFontsize80"><span style="font-family: georgia;">Auf Moskau schimpfen! Ja, das macht das Reisen aus!</span></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span class="zenoTXFontsize80"><span style="font-family: georgia;">Wo ist's denn schöner? –</span></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span class="zenoTXFontsize80"><span style="font-family: georgia;">Wo wir nicht zu Haus.</span></span></p><p class="zenoPR" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: right;"><span class="zenoTXFontsize80"><i><span style="font-family: georgia;">Gribojedow</span></i></span></p><p class="zenoPR" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: left;"><span class="zenoTXFontsize80"><span style="font-family: georgia;">1</span></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Schon schmilzt auf allen Bergen droben</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Schnee im Frühlingssonnenstrahl</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und rinnt, zu trübem Naß zerstoben,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ins quellenfeuchte Wiesental.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Mit Lächeln grüßt, noch traumbefangen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Natur des Lenzes frische Wangen:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Himmel strahlt in lichtem Blau,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Wald beginnt sein kahles Grau</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Mit zartem, grünem Flaum zu füllen.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Schon schwärmt aus ihrem Winterhaus</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nach Blütenkost die Biene aus,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Es sprießt die Flur, die Herden brüllen;</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Schon singt im Buschwerk überall</span></p><p class="zenoPR" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><span class="zenoTXFontsize80"></span></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Bei Mondenschein die Nachtigall.</span></p><p style="background-color: white; font-family: arial, helvetica, sans-serif; font-size: 13.3333px; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><br /></p><p style="background-color: white; font-family: arial, helvetica, sans-serif; font-size: 13.3333px; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;">"Nach dem Duell wird Onegin von Gewissensbissen gepeinigt und verlässt sein Landgut mit unbekanntem Ziel. <b>Tatjana</b> besucht regelmäßig sein Wohnhaus, liest seine Bücher und versucht, über seine Notizen und Lesemarken Onegins Charakter und Wesen auf die Spur zu kommen." (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Eugen_Onegin#Inhalt">Wikipedia</a>)</span></p><p style="background-color: white; font-family: arial, helvetica, sans-serif; font-size: 13.3333px; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="color: #202122;"><span style="font-family: georgia;">14</span></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und im Alleinsein, im Entbehren,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Vertieft sich ihre Leidenschaft,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und wieder nach Eugen begehren</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Die Sinne mit erneuter Kraft.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Allein, sie muß ja von ihm lassen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sie muß den Brudermörder hassen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Darf nie ihn wiedersehn ... Jedoch,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Wer weiß denn heut vom Dichter noch?</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Er starb ... Schon längst gewann zur Ehe</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ein andrer seines Bräutchens Hand;</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sein flüchtig Angedenken schwand</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Gleichwie Gewölk in blauer Höhe;</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und nun bewahren, trüb und stumm,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Es wohl zwei Herzen nur ... Warum? [...]</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><i style="font-family: georgia;">Sie kommt in Onegins Schloss und darf sich dort umsehen.</i></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">21. [...]</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Dann endlich fing sie an zu lesen:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Zwar erst mißfiel ihr alles noch,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Weil fremd und seltsam; bald jedoch</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ergriff sie dieses andre Wesen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und langsam in der Stunden Lauf</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ging eine neue Welt ihr auf.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">22.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Obschon Eugen, wie wir ihn kennen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nicht viel Geschmack an Büchern fand,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">War dennoch manches Werk zu nennen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Das hoch in seiner Schätzung stand:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">So Byrons Schriften, des Titanen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nebst einer Auswahl von Romanen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Worin die nackte Wirklichkeit,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Zumal der Mensch der heut'gen Zeit,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sich scharfumrissen widerspiegelt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Wie er, moralisch ohne Halt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Voll Egoismus, nüchtern-kalt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Beständig in Phantasmen klügelt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">An bittrer Weltverachtung krankt</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und inhaltslos durchs Leben wankt.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">23</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Auf vielen Seiten waren Stellen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Vom Fingernagel angemerkt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und Tanja ward in solchen Fällen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Im Eifer nur noch mehr bestärkt.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">So wird sie voll Bewundrung inne,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">An welchem Ausdruck, welchem Sinne</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sich einst Eugen betroffen stieß,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und was er schweigend gelten ließ;</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Wird seiner scharfen Bleistiftzüge</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Mit Staunen überall gewahr:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Aus allem spricht unmittelbar</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sein Geist in Urteil, Lob und Rüge,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Bald durch ein Kreuz, ein kurzes Wort,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Bald Fragezeichen hier und dort.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">24</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und nun beginnt ihr ganz allmählich</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Schon mehr Verständnis aufzugehn</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Für ihn, der, ach, unwiderstehlich</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ihr armes Herz bezwang, durch den</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Zu leiden ihr bestimmt die Götter.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Doch dieser Sonderling und Spötter,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Den Himmel oder Hölle schuf,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Mit Engelsfittich, Teufelshuf –</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Was stellt er vor? Ein bloßes Schemen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ein Trugbild? Ist er, wie's geschieht,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ein Moskowitergeck, bemüht,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Childe Harolds Maske anzunehmen?</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ein Phrasenheld, der andern gleicht?</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nur eine Parodie vielleicht? ...</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">25</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ob wohl das rechte Wort gefunden,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Des Rätsels Sinn gedeutet ist?</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">So träumt sie oft; es fliehn die Stunden,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Längst wird sie schon daheim vermißt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Allwo Mama mit noch zwei Alten</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ernst ihretwegen Ratschlag halten.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Frau Larin seufzt: »Man sieht doch klar,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sie ist kein Kind mehr, Olga war</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Die jüngre; täglich wird es schlimmer,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Was fang' ich mit dem Mädel an?</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Die Zeit ist da, ihr fehlt ein Mann,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Kommt aber wer, dann heißt es immer:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">›Ich mag nicht!‹ Jedem kommt sie dumm</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und schmollt und streift im Wald herum.« [...]</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">50.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Dort freilich, wo im Schaugepränge</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Melpomene mit Leidenschaft</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Vor einer stumpfen Hörermenge</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Den flittergoldnen Mantel rafft,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Thaliens hehre Kunst entschwindet</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und kaum noch lauen Beifall findet,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Dieweil der jungen Lebewelt</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Bloß Terpsichorens Tanz gefällt</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">(Wie das, ihr Leser, schon zur meinen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nicht erst zu eurer Zeit so war),</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Dort wandte sich aus all der Schar</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Kein Blick nach unsrer schlichten Kleinen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Kein Opernglas und kein Lorgnon</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Aus Logen, Sperrsitz noch Balkon</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">51.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nun wird sie ausgeführt auf Bälle:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Andrang hier, der Kerzenglanz,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der schwüle Saal, die Menschenwelle,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Wirbel von Musik und Tanz,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Das reiche Bild, die stolzen Namen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Die Fülle junger schöner Damen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Zur Brautwahl rings in Galerie,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">All dies betäubt, bewältigt sie.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Hier macht in Musterexemplaren</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Geziertes Geckentum sich breit</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Mit Augenglas und Albernheit;</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Hier wird von flotten Tanzhusaren</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Im Flug der Urlaub ausgenützt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Geklirrt, scharmiert – und fortgeflitzt.</span></p><p style="background-color: white; font-family: arial, helvetica, sans-serif; font-size: 13.3333px; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><br /></p><p style="background-color: white; color: #202122; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px; margin: 0.5em 0px;">"Tatjana bleibt mit ihrer Mutter allein zurück. Sie wehrt ohne Begründung jeden Bewerber um ihre Hand ab. Bei einem Besuch ihrer Tante in Moskau schließlich wird sie der Gesellschaft vorgestellt, an einen älteren General verheiratet, und sie wandelt sich in eine perfekte Dame der Gesellschaft." (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Eugen_Onegin#Inhalt" style="background-color: transparent;">Wikipedia</a>)</p><p style="background-color: white; color: #202122; margin: 0.5em 0px;"><span style="font-family: georgia;">55</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und damit wünschen wir Tatjanen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Von Herzen zum Erfolge Glück</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und kehren auf verlaßnen Bahnen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Zum Helden unsres Lieds zurück.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Um eins zuvor noch anzubringen:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><i><span style="font-family: georgia;">»Vom jungen Freunde will ich singen,</span></i></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><i><span style="font-family: georgia;">Will seiner Launen Künder sein.</span></i></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><i><span style="font-family: georgia;">O Muse, geuß den Segen drein</span></i></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><i><span style="font-family: georgia;">Und kröne meine Dichtermühen!</span></i></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><i><span style="font-family: georgia;">Leih huldreich deinen Stab mir her,</span></i></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><i><span style="font-family: georgia;">Sonst geh' ich fehl die Kreuz und Quer'.«</span></i></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">So! Endlich ist er doch gediehen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Anruf, den ich langehin</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Dem Klassizismus schuldig bin.</span></p><p style="background-color: white; color: #202122; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px; margin: 0.5em 0px;"><br /></p>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-54242285221547521032023-12-13T17:07:00.016+01:002023-12-13T23:50:54.703+01:00Puschkin: Eugen Onegin (Fortsetzung ab dem 4. - 6. Buch/Gesang)<p><span style="font-family: times;"><span style="background-color: white;"><span style="background-color: transparent;">zum Beginn der Darstellung:</span><b style="background-color: transparent;"> </b><b><a href="https://fontanefan3.blogspot.com/2023/11/puschkin-eugen-onegin.html">Eugen Onegin Buch/Gesang 1-3</a> </b></span></span></p><p><span style="font-family: times;"><span style="background-color: white;">"</span><span style="background-color: white; color: #202122;">Als er (Eugen Onegin) auf den jungen Poeten Wladimir Lensky trifft, der gerade aus Göttingen, wo er Kant, Schiller und Goethe studiert hat, nach Russland zurückgekehrt ist, freundet er sich mit ihm an. Die beiden verbringen viel Zeit miteinander. Lensky führt ihn in das Haus seiner Verlobten Olga Larina ein, die dort zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester Tatjana lebt. Die Larins leben nach alter russischer Art, pflegen alte Bräuche, alte Lieder und alten Aberglauben. Die stille und verträumte Tatjana fühlt sich von dem weltgewandten und eloquenten Onegin angezogen. Tatjana liest viel, sie träumt sich ein in die Romanwelt eines </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Samuel_Richardson" style="background: none rgb(255, 255, 255); color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Samuel Richardson">Richardson</a><span style="background-color: white; color: #202122;">, </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Melmoth_der_Wanderer" style="background: none rgb(255, 255, 255); color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Melmoth der Wanderer">Melmoth</a><span style="background-color: white; color: #202122;"> oder </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/George_Gordon_Byron" style="background: none rgb(255, 255, 255); color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="George Gordon Byron">Lord Byron</a><span style="background-color: white; color: #202122;">, und Onegin leiht ihr Bücher aus. Onegin taxiert Tatjana mit dem geübten Blick des </span><a class="mw-redirect" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Charmeur" style="background: none rgb(255, 255, 255); color: #0645ad; overflow-wrap: break-word;" title="Charmeur">Charmeurs</a><span style="background-color: white; color: #202122;">, Tatjana aber verliebt sich in den jungen Mann. In einem leidenschaftlichen Brief gesteht sie Onegin ihre Liebe, die sie als schicksalhaft empfindet. In ihm erkennt sie ihren von Gott gesendeten Beschützer. Onegin deutet den Brief als Heiratsantrag, beantwortet ihn nicht und weist sie bei nächster Gelegenheit mit kühlen Worten zurück. Ihre Liebe tut er als mädchenhafte Schwärmerei ab, über Ehe und Familie hat er eine schlechte Meinung, die Phasen des Verliebtseins habe er hinter sich gelassen, und für die Ehe fühle er sich nicht geschaffen. Tatjana werde ihn bald vergessen und einen Würdigeren als ihn zum Ehemann nehmen. Der örtliche Klatsch jedoch sieht inzwischen in Onegin und Tatjana ein künftiges Ehepaar." (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Eugen_Onegin#Inhalt">Wikipedia</a>)</span></span></p><p><span><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: georgia;"><b>4. Buch/Gesang</b></span></span></p><p><span><span style="background-color: white; color: #202122; font-family: georgia;"><b>Motto </b></span></span><span face="arial, helvetica, sans-serif" style="background-color: white; font-size: 13.3333px;"> </span></p><p><span class="zenoTXFontsize80"><span style="font-family: georgia;">La morale est dans la nature des choses.</span></span></p><p class="zenoPR" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: right;"><span class="zenoTXFontsize80"><i><span style="font-family: georgia;">Necker</span></i></span></p><p><span style="font-family: georgia;">7.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ein Weib wird um so heißer lieben,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Je kühler man sich abseits hält,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und wird dann leicht ins Netz getrieben,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Das die Verführung ausgestellt.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der wahren Kunst zu lieben rühmte</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sich einst die schamlos unverblümte</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Genußsucht: lüstern und verwöhnt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Hat nur der Wollust sie gefrönt.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Dies ekle Spiel entsprach den Tücken</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Verlebter Affen aus der Zeit</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Großväterlicher Herrlichkeit:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Doch roter Absatz und Perücken</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sind längst verstaubt, wie auch der Ruhm</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Lovelace und ihr Kennertum.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">8.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Bekommt man doch dies Schellenläuten</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und fade Heucheln schließlich satt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Dies Wichtigtun mit Albernheiten,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Die jeder längst begriffen hat.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Wo nach maskierten Hindernissen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Bedenken erst zerstreut sein müssen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Die nicht einmal bei einem Kind</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Von dreizehn Jahren glaubhaft sind!</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Wem wird nicht schlimm bei all den Schwüren,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Dem Schmachten, Trotzen, Jammern, Drohn,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Dem Briefgeschwall, dem Klatsch und Hohn,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Tränenflut, dem Spionieren</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Von Müttern, Tanten, nebst der Qual</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Freundschaft mit dem Herrn Gemahl!</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">9.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">So dachte auch Eugen. Im Feuer</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der ersten, frischen Jugendkraft</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Verlor er sich in Abenteuer,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ein Spielball toller Leidenschaft.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Umschmeichelt von des Lebens Wogen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Hier schnell und flüchtig angezogen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Dort schnell gesättigt, abgekühlt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Von Sehnsucht nach Genuß durchwühlt,</span></p><p style="line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><span style="background-color: white;">Und im Genuß nach Sehnsucht schmachtend;</span><span style="background-color: #fcff01;">*</span></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ernüchtert zwar vom Rausch der Lust,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und doch die Warnung seiner Brust</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Durch Spott zu übertäuben trachtend –</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">So zehrte er in wildem Lauf</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"></span></p><p style="line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><span style="background-color: white;">Acht seiner besten Jahre auf.</span><span style="background-color: red;">*</span></span></p><p style="line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><span style="background-color: #fcff01;">*</span><span style="background-color: white;"> vgl. So tauml' ich von Begierde zu Genuss und im Genuss verschmacht ich nach Begierde. (Faust I </span></span><span style="background-color: white; white-space-collapse: preserve;"><span style="font-family: georgia;">Wald und Höhle</span></span><span style="background-color: white; font-family: georgia;">)</span></p><p style="line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="background-color: red; font-family: georgia;">*</span><span style="background-color: white; font-family: georgia;">Ich bin nur duch die Welt gerannt... (Faust II)</span></p><p style="line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="background-color: white; font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="background-color: white; font-family: georgia;">10</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Jetzt freilich warb er um Sirenen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nur noch zum Zweck der Tändelei:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ward ihm ein Korb – gab's andre Schönen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Laufpaß – nun, dann war er frei.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">So nüchtern, so ironisch heiter,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Wie er gekommen, ging er weiter,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Von Haß und Liebe kaum berührt.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">So etwa setzt, durch nichts geniert,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ein Abendgast zum Whist sich nieder,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Spielt ruhig seine Karten aus,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Kutschiert nach Schluß getrost nach Haus,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Erfreut durchs Bett die müden Glieder</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und ahnt noch kaum, wenn früh erwacht,</span></p><p class="zenoPR" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span class="zenoTXFontsize80"></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Wo er sein nächstes Spielchen macht. [...]</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">50</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Er war so froh: in wenig Wochen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">War ihm der Wünsche höchstes Ziel,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Brautnacht Seligkeit versprochen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Da sollte ihn der Minne Spiel,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Liebe zartes Band beglücken!</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ach, Hymens Bosheit, Hymens Tücken,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Des grauen Alltags Last und Pflicht,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sie ahnte unser Lenski nicht.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Derweil wir andern herzlos Kalten</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Die Ehe für den gröbsten Wahn,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Den abgeschmacktesten Roman</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Im Lafontaineschen Genre halten ...</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Er freilich war, so rein beseelt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Für jenen Stand wie auserwählt.</span></p><div><span style="font-family: georgia;"><br /></span></div><div><span style="font-family: georgia;">51</span></div><div><span style="font-family: georgia;"><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;">Er war geliebt (das heißt: so glaubte</p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;">Sein Schwärmerherz) und war beglückt.</p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;">Wohl dem, dem nichts die Einfalt raubte.</p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;">Der ohne Mißtraun weltentrückt</p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;">Sich näher träumt dem schönsten Ziele,</p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;">Wie ein Betrunkner auf dem Pfühle,</p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;">Gefäll'ger: wie der Schmetterling,</p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;">Der duftberauscht am Blümchen hing.</p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;">Doch wie bedauernswert dagegen,</p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;">Wer nie sich mehr am Schein erfreut,</p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;">Ernüchtert durch die Wirklichkeit</p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;">Gewohnt ist, stets Verdacht zu hegen,</p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;">Sein Herz versperrt, sich nie vergißt</p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;">Und keines Leichtsinns fähig ist!</p></span></div><p><span style="font-family: georgia;"><b><span><span style="background-color: white; color: #202122;">5. Buch</span></span><span style="background-color: white; color: #202122;">/Gesang</span></b></span></p><p><span style="font-family: georgia;"><span style="background-color: white; color: #202122;">Motto</span></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span class="zenoTXFontsize80"><span style="font-family: georgia;">Träume nie solch bösen Traum,</span></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span class="zenoTXFontsize80"><span style="font-family: georgia;">Holdes Kind, Swetlana!</span></span></p><p class="zenoPR" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: right;"><span class="zenoTXFontsize80"><i><span style="font-family: georgia;"><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Wassili_Andrejewitsch_Schukowski">Shukowski</a></span></i></span></p><p class="zenoPR" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: left;"><span class="zenoTXFontsize80">1.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Herbst hielt nach dem Fall der Blätter</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Noch lange stand in diesem Jahr;</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Es kam und kam kein Winterwetter.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Schnee fiel auch erst im Januar,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Am Dritten nachts. Als in der Frühe</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Tatjana munter wurde, siehe,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">War Hof und Garten weit und breit,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Zaun, die Dächer tief verschneit,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Am Fenster prangten Blumensterne,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Die Bäume standen silberschwer,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Es schwirrten Elstern froh umher,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und alle Höhen in der Ferne</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Bedeckte flimmernd Schnee und Eis.</span></p><p class="zenoPR" style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px; text-align: right;"><span style="font-family: georgia;"><span class="zenoTXFontsize80"></span></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ringsum ein einzig blendend Weiß. [...]</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;">"Zwei Wochen vor Lenskys Heirat mit Olga feiert Tatjana ihren </span><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Namenstag" style="background-attachment: initial; background-clip: initial; background-image: none; background-origin: initial; background-position: initial; background-repeat: initial; background-size: initial; color: #0645ad; font-family: sans-serif; font-size: 15.75px; overflow-wrap: break-word;" title="Namenstag">Namenstag</a><span face="sans-serif" style="color: #202122; font-size: 15.75px;">. Lensky lädt Onegin zu der Feier ein, die, wie er sagt, im engen Familienkreis stattfindet. Stattdessen findet er sich auf einer lauten Tanzerei wieder, die er als Parodie der Petersburger Bälle empfindet. Tatjanas Verwirrung, die bei seinem Anblick kaum die Tränen zurückhalten kann, verstimmt ihn in Erinnerung an seine vielen in Petersburg beendeten Liebesaffairen, und er ist verärgert, dass die Gäste über ihn und Tatjana klatschen. Außerdem hatte es Meinungsverschiedenheiten zwischen Lensky und Onegin gegeben. Onegin weigerte sich, Lenskys Gedichte zu lesen, und hatte seine Zweifel an dessen Muse Olga, die er für oberflächlich und kokett hält. Er beschließt, sich an Lensky zu rächen, der ihn in diese Situation gebracht hat. Er fordert Olga zum Tanz auf, flirtet mit ihr, tanzt einen Tanz nach dem andern mit Olga, die sichtlich geschmeichelt reagiert und nicht merkt, wie sie ihren Verlobten verletzt. Als Onegin an Lenskys Reaktion merkt, dass seine Rache gelungen ist, verliert er alles Interesse an Olga, verlässt das Haus, wo eine verstörte Tatjana, die sich keinen Reim auf sein Verhalten machen kann, zurückbleibt." <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Eugen_Onegin#Inhalt">(Wikipedia</a>)</span></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">40.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ich war zu Anfang dieser Dichtung</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">(Vergleicht gefälligst: Erstes Buch!)</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Im Anschluß an die Moderichtung</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Neuzeit grade beim Versuch,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Den Petersburger Ball zu schildern;</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Doch schwelgend in Erinnerungsbildern,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Betört von einem Füßchenpaar,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Erlag ich Schwärmer, der ich war,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der süßen Lockung abzuschweifen.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Jetzt freilich, seit mein Leichtsinn schwand,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Wird mit dem Alter mein Verstand,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Mit ihm auch Form und Inhalt reifen.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Drum will ich (endlich soll's geschehn)</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Im Fünften Buch auf Ordnung sehn!</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">41</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Vom Rausch der Rhythmen fortgezogen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Blind rastlos, wie der Jugend Sinn,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Umschlingen sich des Walzers Wogen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Kreist wirbelnd Paar um Paar dahin.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Jetzt soll Eugens Revanche kommen:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Rasch hat er Olgas Arm genommen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und schwingt sie stürmisch kreuz und quer</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Vor aller Welt im Saal umher,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Placiert sie lächelnd, bleibt daneben</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Galant und heiter plaudernd stehn,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Um wie ein Pfeil im Handumdrehn</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Aufs neu' mit ihr davonzuschweben.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Rings großes Staunen; Lenski glüht,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Kaum glaubt er, was sein Auge sieht.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">42</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nun folgt Masurka. Wenn vor Zeiten</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Solch Tanz begann, ja dazumal</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Durchschwoll ein Sturm von Seligkeiten,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ein Jubelbraus den weiten Saal,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Daß Fenster klirrten, Wände dröhnten!</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und heut? Heut trippeln wir Verwöhnten</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Geziert auf Glanzparkett dahin.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nur auf dem Land, bei frischem Sinn,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Da steht Masurka noch in Blüte,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sind Kraft und Schönheit noch bewahrt:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Das wogt und stampft, keck weht der Bart –</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Noch ganz wie sonst ... Und Gott verhüte,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Daß dies dem Fluch der heut'gen Welt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Dem Modezwang zum Opfer fällt!</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">43./44.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Da kommt Bujanow kühn im Bogen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Mit beiden Schwestern aus dem Schwarm</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Auf unsern Helden losgezogen:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der wählt geschmeidig Olgas Arm,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Fliegt lässig tänzelnd durch die Reihen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und drückt ihr unter Schmeicheleien</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Vielsagend warm die kleine Hand,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Erglühend strahlt sie, lustentbrannt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nichts hat das eitle Püppchen lieber.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Mein Lenski sieht's – ihm kocht das Blut,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Er schäumt vor Eifersucht und Wut,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Harrt bebend, bis die Tour vorüber,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und engagiert sie sans façon</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">In blinder Hast zum Kotillon.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">45.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sie ist versagt. Wie? Was? So plötzlich?</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Je nun, man kam ihm schon zuvor:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Onegin hat den Tanz. – Entsetzlich!</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Welch bittre Schmach vernimmt sein Ohr!</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sie konnte ...! Sie, das harmlos nette,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Halbreife Kind – und schon Kokette!</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sie treibt schon mit der Neigung Spott,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Verrät, betrügt ihn schon – o Gott!</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Er taumelt, kann sich kaum erholen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Von diesem Schlage; tief verstört</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Entfernt er sich, verlangt sein Pferd</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und rast davon ... Ein Paar Pistolen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Zwei Kugeln – sind der Weisheit Schluß,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der sein Geschick entscheiden muß.</span></p><p><span style="font-family: georgia;"><a href="http://www.zeno.org/Literatur/M/Pu%C5%A1kin,+Aleksander+Sergeevi%C4%8D/Versroman/Eugen+Onegin/Sechstes+Buch" style="font-weight: bold;">6. Buch/Gesang</a><b> </b>(Übersicht)</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">1.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Seit Lenski sich in blinder Eile</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Davongemacht, bekam Eugen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">An Olgas Seite Langeweile;</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Er schwieg, ihm war genug geschehn.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Auch Olgas Laune war im Schwinden,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sie konnte Lenski gar nicht finden</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und schien erschöpft vom Kotillon.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Da endlich Schlußtour. Im Salon</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Folgt noch ein Imbiß für den Magen.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Inzwischen wird bis unters Dach</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">In jedem Winkel von Gemach</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ein Heer von Betten aufgeschlagen.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Zufrieden streckt sich jeder aus.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Eugen als einz'ger fuhr nach Haus.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">2.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Rings wird es still: schon schnarcht im Saale</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der biedre Dickwanst Pustjakow</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nebst seinem feisten Ehgemahle;</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Gwosdin, Bujanow, Petuschkow</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und Flianow (schwer bezecht wie immer)</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Auf Stühlen im Gesellschaftszimmer.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Triquet am Boden quer davor,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Die Zipfelmütze überm Ohr;</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und alle müden jungen Damen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Gesellte man den Schwestern zu.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nur Tanja findet keine Ruh',</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sie härmt sich, lehnt am Fensterrahmen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und schaut im bleichen Mondenschein</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Mit Tränen in die Nacht hinein.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">3.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Daß er so unverhofft gekommen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Anfangs durch Rücksicht sie gerührt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Doch dann so seltsam sich benommen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und gegen Olga aufgeführt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Erschüttert sie; sie kann sein Wesen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nicht deuten, nicht das Rätsel lösen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und bebt vor eifersücht'ger Qual;</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ihr ist, als wenn ein kalter Stahl</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Das Herz durchbohrt, vor ihren Schritten</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ein grausig finstrer Abgrund droht ...</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sie flüstert: »Ach, es ist mein Tod,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Doch selig, wenn durch ihn erlitten.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">In Demut trag' ich mein Geschick –</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Bei ihm erblüht mir doch kein Glück.«</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">4..</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Auf, frisch voran, geliebte Strophe!</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Jetzt kommt ein neuer Held in Sicht:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Bei Krasnogorje, Lenskis Hofe,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Verbringt seit langem brav und schlicht</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Als Eremit von altem Schlage</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nachbar Sarezki seine Tage;</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">In jüngern Jahren zwar bekannt</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Als Raufbold, Spieler, Intrigant,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Wirtshaustribun und arger Sünder,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der aber nun, dem Leichtsinn feind,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Als biedrer Dörfler, treuer Freund</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und led'ger Vater vieler Kinder,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Kurz, als ein Mann von Ehre lebt.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Wie schnell doch heut Moral sich hebt! [...]</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">8.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Er war gescheit und welterfahren,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Drum lud Eugen, dem überdies</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sein Geist und Witz willkommen waren,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Zumal er Schwächen gelten ließ,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Den Nachbarn, dessen Ton ihm paßte,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sehr oft und gern zu sich zu Gaste,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Weshalb es ihn nicht wundernahm,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Daß er so früh schon zu ihm kam.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Doch schien, der sonst'gen Art entgegen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sarezki heut verstockt zu sein,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ging auf Gespräch nicht weiter ein</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und überreichte halb verlegen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ein Schreiben von des Freundes Hand.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Eugen erbrach es, las – und fand:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">9.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Mit dürren Worten angedeutet,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nach allen Regeln – ein <i>Kartell:</i></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Kalt-förmlich, nur von Haß geleitet,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Entbot ihn Lenski zum Duell.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sogleich und ohne Überlegung</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Beschied Eugen in erster Regung</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Den Bringer dieser Neuigkeit:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Er sei natürlich <i>stets bereit.</i></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der schien es bündig aufzufassen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Erhob sich, schützte da und dort</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Geschäfte vor und eilte fort.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Doch kaum mit sich allein gelassen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Empfand Eugen auf einmal klar,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Wie unklug sein Verhalten war. [...]</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">11.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Er durfte sich vernünftig wehren,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Jedoch nicht sinnlos borstig tun;</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Er hätte Lenskis Zorn beschwören,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Entwaffnen müssen. »Freilich nun –</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nun (denkt er) ist's zu spät, hat leider</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Doch schon der alte Ehrabschneider</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und Duellant sich eingemischt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der gar zu gern im trüben fischt.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Was käme dann wohl zur Erscheinung,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Wenn der's herumträgt, bissig-scharf,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und jeder Tölpel spotten darf ...!«</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Da seht: die öffentliche Meinung,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Den Götzen, der die Ehre zwingt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Dem alle Welt ihr Opfer bringt!</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">12.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Daheim harrt Lenski Stund um Stunde,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Von Ungeduld und Haß verzehrt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Bis triumphierend mit der Kunde</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Nachbar endlich wiederkehrt.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">O wie das wohltat seinem Drange!</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Schon war der Eifersücht'ge bange,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der freche Spötter könnte ihn,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Um vor der Waffe feig zu fliehn,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Mit einem schnöden Vorwand prellen.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Doch nun sind alle Zweifel fort:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Gleich morgen, bei der Mühle dort,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ist's abgemacht, sich einzustellen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und dann wird, wie's die Hand befiehlt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Auf Schenkel oder Stirn gezielt.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">13.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Er will fortan die Falsche hassen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Vorm Zweikampf nicht zu Olga gehn,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Kann abends aber doch nicht lassen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Verstohlen nach der Uhr zu sehn,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Um schließlich – ach, was sind Bedenken! –</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Zu seinen Larins abzuschwenken.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Er dachte: »Tret' ich so herein,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Wird Olga wie zerschmettert sein.«</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Welch Irrtum! Frank und ungezwungen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Die flücht'ge Hoffnung in Person,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">So kam sie vor der Haustür schon</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Auf unseren Dichter zugesprungen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Beglückt und harmlos, frisch und klar,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Kurz – niedlich, wie sie immer war.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">14.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ihr erstes Wort ist: »Sag, weswegen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Gingst gestern du so früh nach Haus?«</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ihn überläuft's, er steht verlegen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und weiß vor Scham nicht ein noch aus.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Vor dieser Augen heller Güte,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Anmut dieser Mädchenblüte,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Vor dieser offnen Herzlichkeit</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Flieht Groll und Argwohn, schmilzt sein Leid:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Fürwahr, er hat umsonst gelitten,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sie liebt ihn noch mit ganzer Huld!</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Schon fühlt er reuig seine Schuld,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Schon will er um Verzeihung bitten,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Bebt, ringt nach Worten, zaudert, weilt –</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und ist beseligt, fast geheilt ...</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">15.-17.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und wiederum, die Stirn in Falten,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Steht Lenski trüb und zweifelnd da</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und wagt nicht, Olga vorzuhalten,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Was gestern auf dem Ball geschah.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Er überlegt: »Ich will sie retten,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sie des Verführers Schmeichelketten</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Entreißen, der mit Trug und List</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nach ihrer Unschuld lüstern ist,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Will hindern, daß mit gift'gem Bisse</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Wurm den Liliensproß zersticht,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Auf daß die holde Blüte nicht,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Noch kaum entfaltet, welken müsse.«</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Natürlich war damit gemeint:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ich schieße mich mit meinem Freund. [...]</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">19.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Freund Lenski war den Abend heute</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sehr aufgeregt und wunderlich,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Bald trüb, bald froh – wie Dichtersleute</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nun einmal sind: erst ließ er sich</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Mit düstrer Stirn am Piano nieder,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Griff Mollakkorde, seufzte wieder,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sah dann verzückt nach Olga hin</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und hauchte: »Wie ich glücklich bin!«</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Es wurde spät, der Abschied drängte.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Da war's, als wenn mit einemmal</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ein Übermaß von Seelenqual</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sein sorgenschweres Herz zersprengte.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sie will ihn halten: »Hör, ein Wort –</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Was fehlt dir?« – »Nichts.« So stürzt er fort.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">20.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Kommt heim, sucht gleich sein Paar Pistolen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Vom Schrank hervor, prüft Hahn und Lauf,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ist rasch entkleidet, schürt die Kohlen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und schlägt im Bett den Schiller auf.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Doch kann sein Geist nicht Ruhe finden,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sein Herz die Angst nicht überwinden,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Denn unbeschreiblich süß und mild</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Umschwebt ihn Olgas Engelsbild.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Er muß das Buch vor Wehmut schließen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Greift flugs zur Feder, um sein Leid</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und seiner Liebe Seligkeit</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">In Versen schmachtend auszugießen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und deklamiert sie voller Glut</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">(Wie oft im Rausch Freund Delwig tut).</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">21.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sie wurden später aufgefunden;</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Hier folgt die Abschrift, wortgetreu:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">»Wohin, wohin bist du entschwunden,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Du meiner Jugend güldner Mai?</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Was bringt er mir, der künft'ge Morgen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Des Antlitz, tief in Nacht verborgen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Annoch unfaßbar meinem Blick?</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Gleichviel, gerecht ist das Geschick.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und fall' ich auch, ins Herz geschossen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Soll mir das Blei vorübergehn –</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Schlaf oder Wachen, mag geschehn,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Was droben über mich beschlossen.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Willkommen sei des Lebens Not,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Willkommen auch ein früher Tod!</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">22.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Wenn mit der Morgenröte Prangen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der neue Tag herniederlacht,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Bin ich vielleicht schon eingegangen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ins Schattenreich der Grabesnacht;</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Versenkt in Lethes finstren Gründen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Wird des Poeten Namen schwinden</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und bald verwehn. Nur du allein,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">O Engel, wirst mir Tränen weihn,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Zu meiner Urne seufzend wallen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und sinnen: ach, er war mir gut,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sein ganzes Herz, in junger Glut,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">In Glück und Harm war mein vor allen! ...</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">O komm, Geliebte, komm zu mir,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Dein Freund – dein Gatte ruft nach dir! ...«</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">23.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">So schrieb er schwülstig, <i>trist</i> und <i>fade</i></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">(»Romantisch« wird das heut genannt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Doch mit Romantik hat's gerade</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nicht viel zu tun; was soll der Tand?),</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Um kurz vor Tag mit matten Blicken</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Schlaftrunken langsam einzunicken,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und flüstert' schlafend noch einmal</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Das Modewörtchen <i>»Ideal«.</i></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ein Labsal, das nicht lange währte,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Weil gleich darauf der Kamerad</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Geräuschvoll in sein Stübchen trat</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und seinen kurzen Frieden störte:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">»Die Uhr ist sechs, auf, auf, mein Sohn,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Geschwind, Onegin wartet schon!« [...]</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">26.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Längst harrte Lenski bei der Schleuse</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Voll Ungeduld; sein Kamerad</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Besah derweil nach Kennerweise</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Den Mechanismus. Endlich naht</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Eugen, bedauert sein Verspäten</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und grüßt. Sarezki fragt betreten:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">»Wo aber bleibt Ihr Sekundant?«</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Denn er als alter Duellant</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">War für System in derlei Dingen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und hielt darauf, den Menschen nur</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Streng klassisch, wie die Kunst verfuhr,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nach allen Regeln umzubringen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Getreu dem Brauch, wie sich's gehört.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">(Das war unstreitig lobenswert).</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">27.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">»Mein Sekundant?« Eugen wird heiter:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">»Hier mit Verlaub: Monsieur Guillot,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Mein Freund; man fragt ja wohl nicht weiter</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nach Herkunft, noch warum, wieso;</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Er ist ein Diener von Manieren</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und darf als Ehrenmann passieren.«</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sarezki schaut verdutzt und schweigt.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Onegin drauf: »Man scheint geneigt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Kann's also losgehn?« – »Nach Belieben«,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Wirft Lenski hin. Die vier im Schritt</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ziehn querfeldein; Sarezki tritt</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nebst seinem Ehrenmann da drüben</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Im ernsten Zwiegespräch zurück.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Die Gegner senken stumm den Blick.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">28.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Die Gegner! Nach so wenig Stunden</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Durch grimmen Blutdurst schon entzweit?</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sind sie nicht jüngst noch eng verbunden,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Zwei gute Freunde, jederzeit</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Mit ganzer Seele eins gewesen?</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und wollen nun, betört vom Bösen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">In unbegreiflich wilder Wut,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Erbfeinden gleich, mit kaltem Blut</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Einander ins Verderben schicken –</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Statt aufzulachen, froh zu sein,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Daß noch die Hand von Frevel rein,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und sich versöhnt ans Herz zu drücken? ...</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">O falscher Ehrbegriff der Welt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Schamgefühl für Schwäche hält!</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">29.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Schon wird geladen, Läufe blitzen;</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der feste Pfropfen wird vom Stahl</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Gehämmert, bis die Kugeln sitzen;</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Es knackt der Hahn zum erstenmal.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Dann streut man Pulver auf die Pfannen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und eilt, das Drehschloß anzuspannen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Das mit dem scharfen Feuerstein</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Den Funken schlägt. Vor Angst und Pein</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Verkriecht Guillot sich unterdessen.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Das Paar wirft rasch die Mäntel ab,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sarezki, schweigsam wie ein Grab,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Hat zweiunddreißig Schritt vermessen,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und jeder Gegner wählt den Stand</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und harrt, die Waffe in der Hand.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">30.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">»Jetzt los!« Und bittren Ernstes schreiten</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Zwei Feinde, noch den Hahn in Ruh',</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Bedächtig, stumm, von beiden Seiten</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Vier Schritte aufeinander zu.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Vier Schritte, die zum Jenseits führen.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Nun hebt in stetem Avancieren</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Onegin, schweigend wie zuvor,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ganz langsam sein Pistol empor.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Fünf Schritt noch sind zurückzulegen.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Jetzt hat auch Lenski haltgemacht,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Legt an und zielt – da plötzlich kracht</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Onegins Schuß ... mit dumpfen Schlägen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Entschied das Los: der Dichter wankt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Sein Arm versagt, die Waffe schwankt,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">31.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Er führt die Linke still zum Herzen</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und fällt ... sein mattes Auge spricht</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Von sanftem Sterben, ohne Schmerzen.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">So von der Bergwand löst sich, bricht</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Und stürzt, zerstäubt im Sonnenstrahle,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Die Schneelawine jäh zu Tale.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Ein eis'ger Schauer packt Eugen –</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Er eilt herzu, er will ihn sehn,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Kniet nieder, ruft ihn an – vergebens:</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Es ist vorbei, der Würfel fiel,</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Jüngling fand ein frühes Ziel;</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Es hat die Blüte dieses Lebens</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Der Sturm geknickt im Morgenrot.</span></p><p style="background-color: white; line-height: 1.5em; margin-bottom: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: georgia;">Das reine Licht erlosch im Tod.[...]</span></p>Unknownnoreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2973799172783148600.post-33615705007260447782023-12-11T06:48:00.002+01:002023-12-11T07:04:26.954+01:00Frido Mann, Görnitz u.a.: Im Lichte der Quanten<p> <a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiURRsnJCKDf_A8Fo2jltU7Y4PkbN0UVqA_rd4CA5J8SpJAN4CkblrJyMNZ-4Rg9-y1qkCc9_28zXYvgGQlz8iyRcsLLtzkO0s7kQa5JNf7WeJgpVfQjo5Vrz5kazbg7EMUtG4l2-iFPUrrFwedzmZ1YfpRt0WPp4i1F0PYbD7p2KgXA8UpXx2CThGPkoFl/s3285/FF0a.jpg" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="3285" data-original-width="1821" height="1127" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiURRsnJCKDf_A8Fo2jltU7Y4PkbN0UVqA_rd4CA5J8SpJAN4CkblrJyMNZ-4Rg9-y1qkCc9_28zXYvgGQlz8iyRcsLLtzkO0s7kQa5JNf7WeJgpVfQjo5Vrz5kazbg7EMUtG4l2-iFPUrrFwedzmZ1YfpRt0WPp4i1F0PYbD7p2KgXA8UpXx2CThGPkoFl/w623-h1127/FF0a.jpg" width="623" /></a></p><br /><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhJ3NKOP7-kZqy9SOW2rLoyOfSjUGO8F34n3hI8RUuJrNEe_-9B5vTzTJRV_FyunpmClXVzBmVVrmokwI7h5mFBkyFmYfnZFZGLwZgv_yfcy-e2ygGzqzEki9q0Ny0ZPcxJktalpx9KUXEvFjU8zZSlFPrvyqAuvS-C4gjQz5-vD-behZi9ASBTqkt1aQvM/s3285/FF0b.jpg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="3285" data-original-width="2073" height="1008" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhJ3NKOP7-kZqy9SOW2rLoyOfSjUGO8F34n3hI8RUuJrNEe_-9B5vTzTJRV_FyunpmClXVzBmVVrmokwI7h5mFBkyFmYfnZFZGLwZgv_yfcy-e2ygGzqzEki9q0Ny0ZPcxJktalpx9KUXEvFjU8zZSlFPrvyqAuvS-C4gjQz5-vD-behZi9ASBTqkt1aQvM/w637-h1008/FF0b.jpg" width="637" /></a></div><br /><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgjyAlBkGikiG3AfSL837p-XHGsjSvaXAlHqAy_e-EqtxteaXhB3BaX7rNDjrwm9WE4gLIwUmXatZ2tN0I4LooK_W8rt4YbAjixyl7kBev7C8mvVahH7aoST6FVuJtOCKFmjBI4LDmZ67pJREhhTC4PyvU4zR-EwWp589qMMPpENi3ZceJIUo9Ludggz4iS/s3273/FF2_a.jpg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="3273" data-original-width="1873" height="1108" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgjyAlBkGikiG3AfSL837p-XHGsjSvaXAlHqAy_e-EqtxteaXhB3BaX7rNDjrwm9WE4gLIwUmXatZ2tN0I4LooK_W8rt4YbAjixyl7kBev7C8mvVahH7aoST6FVuJtOCKFmjBI4LDmZ67pJREhhTC4PyvU4zR-EwWp589qMMPpENi3ZceJIUo9Ludggz4iS/w634-h1108/FF2_a.jpg" width="634" /></a></div><br /><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj4hEDG75zrsuOynBsPoR2WLOICZnlLIBOAqHOieXxLgRy8u7SJ2a_5be-SWyOUpqegVKpDZUyjiVcl8YMA_1poSpuieVQ1_ZGSrLgQ8jYUCrBWAovBk_XBj6uESUN45UvZhs_5RiLwzzmo9givS-S24C1iE3fTj6nQcDEYt9EA3eAUoEpaVvZwNkNr2RWX/s3290/FF2_b.jpg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="3290" data-original-width="1960" height="1061" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj4hEDG75zrsuOynBsPoR2WLOICZnlLIBOAqHOieXxLgRy8u7SJ2a_5be-SWyOUpqegVKpDZUyjiVcl8YMA_1poSpuieVQ1_ZGSrLgQ8jYUCrBWAovBk_XBj6uESUN45UvZhs_5RiLwzzmo9givS-S24C1iE3fTj6nQcDEYt9EA3eAUoEpaVvZwNkNr2RWX/w633-h1061/FF2_b.jpg" width="633" /></a></div><br /><div class="separator" style="clear: both;">"Die Quantentheorie zeigt also auf, dass es in der Natur mehr Möglichkeiten gibt, als es eine Beschreibung mit der klassischen Physik erahnen lässt und dass sich dann solche Möglichkeiten immer wieder einmal für uns und unsere Beschreibung zu einem nicht zu ignorierenden Faktum wandeln." (S.46 o)</div><div class="separator" style="clear: both;"><br /></div><div class="separator" style="clear: both;"><div style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;"><i>Görnitz betont in diesem Zusammenhang, dass nicht nur Messung durch den Menschen aus den unendlich vielen Möglichkeiten der Quantentheorie feststellbare Fakten, schafft, die sich dann nach den Gesetzen der klassischen Physik determiniert entwickeln. Vielmehr </i></span><i style="font-family: times;">entstehen</i><i style="font-family: times;"> laut Görnitz aus den vorhandenen Möglichkeitsstrukturen immer wieder auch Fakten, die sich dann determiniert verhalten.</i></div><div style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;"><i>Ich füge hinzu: Wenn Faktenstrukturen nur zureichend kompliziert sind (wie z.B. Gedanken, entziehen sie sich der Determiniertheit der Fakten und sind in ihrer Entwicklung wieder frei ("die Gedanken sind frei") und so ist der für Gehirnforscher durch biologische Vorgänge determinierte Mensch plötzlich frei, und die Geschichte entzieht sich der Festlegung auf eindeutig festgelegte Entwicklungen (wie sie nach Marx' Vorstellungen mit naturgesetzlicher Notwendigkeit aus Klassenkämpfen entstehen). Dazu Görnitz: </i></span></div><div style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;"><div dir="auto">"Im Unterschied zur technischen Informationsverarbeitung erfolgt bei der biologischen Informationsverarbeitung mit der Bearbeitung von bedeutungsvoller Information zugleich eine damit verbundene Veränderung des materiellen Substrates, also der Entsprechung zur Hardware. Diese Veränderungen betreffen die unterschiedlichen Anteile von Molekülen und reichen bis zu anatomischen Veränderungen, zum Beispiel Aus– oder Abbau von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Scheinf%C3%BC%C3%9Fchen#Filopodien">Filopodien</a> und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Synapse">Synapsen</a>.</div><div dir="auto">Es gibt somit im Biologischen eine <i>Uniware</i>, eine untrennbare Einheit von dem, was in der Technik als <i>Hard-</i> und als <i>Software</i> bezeichnet wird. Information und ihre energetischen und materiellen Träger beeinflussen und verändern sich im Lebendigen wechselseitig.</div><div dir="auto">Das Nervensystem ist nicht nur an der Formung der Gedanken beteiligt, sondern die Gedanken beeinflussen auch das Nervensystem und seine Struktur."<span face="Arial, Helvetica, sans-serif" style="font-size: small;"> (S.82)</span></div></span></div><div style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;"><i>"</i></span><span style="font-family: times;">Freiheit bedeutet, dass man aus Gründen handeln kann und nicht durch Ursachen gezwungen ist. Dabei ist eine der Voraussetzungen für Freiheit die Möglichkeit eines Überdenkens der Gründe. Ursachen würden sich aus deterministischen Zusammenhängen von Fakten ergeben." (S.83)</span></div><div style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;"><br /></span></div><div style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;">Görnitz' Ansatz geht insofern über die allgemein anerkannten Grundlagen der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Quantenphysik">Quantenphysik</a> hinaus, als er auf der Grundlage der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Quantenfeldtheorie">Quantenfeldtheorie</a> <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Elementarteilchen">Elementarteilchen</a> (wie <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Hadron">Hadronen</a> und<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Quark_(Physik)"> Quarks</a>) als extrem kurzfristig materialisierte Strukturmerkmale (Eigenschaften) wie z.B. die Strings der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Stringtheorie">Stringtheorie</a> komplexerer Objekte (z.B. der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Atomkern">Atomkern</a>) versteht. </span></div><div style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;">Schon länger ist anerkannt, dass in der Sonne durch Umwandlung von Materie in Energie die Strahlung entsteht, die Leben auf der Erde möglich macht. Seit es gelungen ist, auf der Erde mit Hilfe extremer Energiekonzentration Materie (Elementarteilchen) zu schaffen, kann man Materie und Energie als zwei Existenzformen oder Eigenschaft der gleichen Sache verstehen. </span></div><div style="background-color: white; color: #222222;"><span style="font-family: times;">Wenn Görnitz Information als eine weitere Eigenschaft von Materie versteht, insofern diese das Speichermedium von Information ist (Gedanken in Gehirnzelle = </span><span style="font-family: times;"> "</span><span style="font-family: times;">Veränderung des materiellen Substrates" durch Information</span><span style="font-family: times;">), hat er die Möglichkeit, eine Veränderung von Materie durch reine Information anzunehmen. Insofern also eine Umwandlung von Materie durch Information statt durch extremen Energieaufwand.</span></div></div><p><a href="https://www.perlentaucher.de/buch/christine-mann-frido-mann/im-lichte-der-quanten.html">https://www.perlentaucher.de/buch/christine-mann-frido-mann/im-lichte-der-quanten.html</a></p><p><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_G%C3%B6rnitz">https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Görnitz</a></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEggfHLVVKUsJlBmir5n9OifJuSjrzQJr40xhDDad2imctjSLfiosphzUrwMlwneLhzZWes3soSjg-hYtOSe1sOimCaHpFDvSZ9A0ZSu1HLNtfNeP8oZ1cD18Ib3LgwTGdQ2YO31oOvJxh92_qcue450DjqDjhNqKkLDYujQUNNoqLnxC-3UdbMC88OlBdJX/s2165/Inhalt.JPG" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="2165" data-original-width="1425" height="807" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEggfHLVVKUsJlBmir5n9OifJuSjrzQJr40xhDDad2imctjSLfiosphzUrwMlwneLhzZWes3soSjg-hYtOSe1sOimCaHpFDvSZ9A0ZSu1HLNtfNeP8oZ1cD18Ib3LgwTGdQ2YO31oOvJxh92_qcue450DjqDjhNqKkLDYujQUNNoqLnxC-3UdbMC88OlBdJX/w532-h807/Inhalt.JPG" width="532" /></a></div><br /><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjDKp4G73K5HrinUVDygVBQ0SMG9sIrYtJLcfBTOPfJRUnAvAakbqf3Fhs4MiG6dvgkWW0Ow38gHvAKKCioIqjKx1qcsStbX70K9nnhyphenhyphentT54c5h_xzKR0CYBi17AQEKsczSFN7X6aQTCDpDhyphenhyphenC2ZCwFiBweD9aFhCX_CFZ_YtguMKXoJuedRdSxnxOk6EoS/s1828/Inhalt2.JPG" imageanchor="1" style="clear: left; display: inline !important; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em; text-align: center;"><img border="0" data-original-height="1088" data-original-width="1828" height="325" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjDKp4G73K5HrinUVDygVBQ0SMG9sIrYtJLcfBTOPfJRUnAvAakbqf3Fhs4MiG6dvgkWW0Ow38gHvAKKCioIqjKx1qcsStbX70K9nnhyphenhyphentT54c5h_xzKR0CYBi17AQEKsczSFN7X6aQTCDpDhyphenhyphenC2ZCwFiBweD9aFhCX_CFZ_YtguMKXoJuedRdSxnxOk6EoS/w546-h325/Inhalt2.JPG" width="546" /></a></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg1FP6nSrovW-3wk8PRrE4Iz38ANtbzw1bNkwM6HsAFt6ZO0qJgwBvGDmh-rBaexdACL2u4RuuEmHFiC04C0Le7TAvskooDmwT3v9Z05340bD1Kk9MPJUGxfAY_iZR0QwsYpSqfWij9i09dD1WuUAC-S1R82GdgoRiCUILVImbVhJnfEivIJgxbiPZEfAGW/s2193/Autoren1.JPG" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="2193" data-original-width="1365" height="881" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg1FP6nSrovW-3wk8PRrE4Iz38ANtbzw1bNkwM6HsAFt6ZO0qJgwBvGDmh-rBaexdACL2u4RuuEmHFiC04C0Le7TAvskooDmwT3v9Z05340bD1Kk9MPJUGxfAY_iZR0QwsYpSqfWij9i09dD1WuUAC-S1R82GdgoRiCUILVImbVhJnfEivIJgxbiPZEfAGW/w548-h881/Autoren1.JPG" width="548" /></a></div><br /><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><p><br /></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjH5ws_c4f4qBATEjX6be4eHdYx7JgSXt1MrF80N07hNOM0WECIhd9RRvEj4wXxDnbr1Ckt-dYDoGwQfJ9yHnJbHqMQJkhdY6OegiWIkK5L-O9YcfhKvM53yepTC57v5ecUwpuWmPlAnc_nH3364wGQrU4aYbv9sUx4cHHeL_MA_dsMRhpH2qslP_ZQNuSi/s1536/Autoren2.JPG" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="1258" data-original-width="1536" height="449" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjH5ws_c4f4qBATEjX6be4eHdYx7JgSXt1MrF80N07hNOM0WECIhd9RRvEj4wXxDnbr1Ckt-dYDoGwQfJ9yHnJbHqMQJkhdY6OegiWIkK5L-O9YcfhKvM53yepTC57v5ecUwpuWmPlAnc_nH3364wGQrU4aYbv9sUx4cHHeL_MA_dsMRhpH2qslP_ZQNuSi/w549-h449/Autoren2.JPG" width="549" /></a></div><br /><p><br /></p><br /><p><br /></p>Unknownnoreply@blogger.com0