Martin Geck: Matthias Claudius (Perlentaucher)
Ich danke Gott und freue mich Wie's Kind zur Weihnachtgabe, Daß ich bin, bin! Und daß ich dich, Schön Menschlich Antlitz! habe; Daß ich die Sonne, Berg und Meer, Und Laub und Gras kann sehen, Und Abends unterm Sternenheer Und lieben Monde gehen; Und daß mir denn zu Muthe ist, Als wenn wir Kinder kamen, Und sahen, was der heil'ge Christ Bescheeret hatte, Amen! Ich danke Gott mit Saitenspiel, Daß ich kein König worden; Ich wär geschmeichelt worden viel, Und wär vielleicht verdorben. Auch bet' ich ihn von Herzen an, Daß ich auf dieser Erde Nicht bin ein grosser reicher Mann, Und auch wohl keiner werde. Denn Ehr' und Reichthum treibt und bläht, Hat mancherley Gefahren, Und vielen hat's das Herz verdreht, Die weiland wacker waren. Und all das Geld und all das Gut Gewährt zwar viele Sachen; Gesundheit, Schlaf und guten Muth Kann's aber doch nicht machen. Und die sind doch, bey Ja und Nein! Ein rechter Lohn und Segen! Drum will ich mich nicht groß kastey'n Des vielen Geldes wegen. Gott gebe mir nur jeden Tag, So viel ich darf zum Leben. Er giebt's dem Sperling auf dem Dach; Wie sollt' ers mir nicht geben!
An den Tod
An meinem Geburtstage
Lass mich, Tod, lass mich noch leben! –
Sollt ich auch wenig nur nützen,
Werd ich doch weniger schaden,
Als die im Fürstenschoß sitzen
Und üble Anschläge geben,
Und Völkerfluch auf sich laden;
Als die da Rechte verdrehen,
Statt nach den Rechten zu sehen;
Als die da Buße verkünden,
Und häufen Sünden auf Sünden;
Als die da Kranken zu heilen,
Schädliche Mittel erteilen;
Als die da Kriegern befehlen,
Und grausam ihnen befehlen;
Der Helden Kriegskunst nichts nützen,
Um Länder weise zu schützen.
Tod, wenn sich diese nicht bessern,
Nimm sie aus Häusern und Schlössern!
Und wenn du sie nun genommen,
Dann Tod, dann sei mir willkommen.
Diese Gedichte sind Ausdruck von Bescheidenheit
und damit wohl auch vom Wunsch, nicht überfordert zu werden.
Kapitel 4: Das Darmstädter Intermezzo (S.129ff.)
Friedrich Carl von Moser lädt Claudius zur Mitarbeit an einer Kommission zur Landreform
ein (S.129). So siedelt Claudius von Wandsbeck nach Darmstadt um. Sein direkter Vorgesetzter findet ihn völlig unfähig. Da er außer Hochdeutsch, Lateinisch und Griechisch, Englisch und Französisch (bei der Übersetzung eines Buches aus dem Englischen ließ er sich freilich auch von Freunden helfen) nur niederdeutsches Platt, aber kein Hessisch beherrschte, hatte er wohl nicht einmal Zugang zum einfachen Volk gefunden, so sehr dem seine Liebe galt.
Am Tag nach seiner Entlassung wurde er mit 33 Jahren todkrank.Nach seiner Genesung schrieb er das folgende Gedicht.War einst ein Riese Goliath Gar ein gefährlich Mann! Er hatte Tressen auf dem Hut Mit einem Klunker dran, Und einen Rock von Drap d'argent Und alles so nach advenant. An seinen Schnurrbart sah man nur Mit Gräsen und mit Graus, Und dabei sah er von Natur Pur wie der -- [Teufel] aus. Sein Sarras war, man glaubt es kaum. So groß schier als ein Weberbaum. Er hatte Knochen wie ein Gaul, Und eine freche Stirn. Und ein entsetzlich großes Maul, Und nur ein kleines Hirn; Gab jedem einen Rippenstoß, Und flunkerte und prahlte groß. So kam er alle Tage her, Und sprach Israel Hohn. "Wer ist der Mann? Wer wagt's mit mir? Sei Vater oder Sohn, Er komme her der Lumpenhund, Ich bax 'n nieder auf den Grund." Da kam in seinem Schäferrock Ein Jüngling zart und fein; Er hatte nichts als seinen Stock, Als Schleuder und den Stein, Und sprach: "Du hast viel Stolz und Wehr, Ich komm im Namen Gottes her." Und damit schleudert' er auf ihn, Und traf die Stirne gar; Da fiel der große Esel hin So lang und dick er war. Und David haut' in guter Ruh Ihm nun den Kopf noch ab dazu. Trau nicht auf deinen Tressenhut, Noch auf den Klunker dran! Ein großes Maul es auch nicht tut: Das lern vom langen Mann; Und von dem kleinen lerne wohl: Wie man mit Ehren fechten soll.
Martin Geck meint, er habe wohl in seinem Vorgesetzten Goliath und in sich David gesehen.