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Lamon bereitet den Besuch seines Herrn vor, indem er den Lustgarten des Herrn verschönert.
Ein Mitsklave Lamons war jetzt aus Mitylene gekommen und brachte die Nachricht, der Herr werde kurz vor der Weinlese eintreffen, um sich selbst zu unterrichten, ob seine Besitzungen durch den Überfall der Methymnäer gelitten hatten. Da nun der Sommer Abschied nahm und der Herbst nahte, bereitete ihm Lamon einen Aufenthalt voll jeder Art Augenlust. Er reinigte die Bäche, damit das Wasser darin recht hell wäre, und führte den Dünger vom Hofe weg, damit sein Geruch niemanden belästige, und pflegte den Lustgarten, damit er schön in die Augen fiele. Dieser Lustgarten war eine gar schöne, den königlichen Gärten ähnliche Anlage.[...]
Man hätte ihn für eine weite Aue halten können. Alle Arten von Bäumen wuchsen darin, Äpfel, Myrten, Birnen, auch Granaten und Feigen und Olivenbäume; auf der andern Seite hohe Weinstöcke, die sich mit reifenden Trauben an die Äpfel- und Birnbäume anschmiegten, gleich als wollten sie in der Frucht mit ihnen wetteifern. Dies waren die Bäume zahmer Arten. Aber auch Zypressen waren da und Lorbeern und Platanen und Pinien. Um diese alle schlang sich statt des Weines Efeu, und seine Dolden, die groß und schwarz waren, ahmten die Trauben nach. Im innern Bezirk standen die fruchttragenden Bäume, gleichsam umschirmt: von außen standen die unfruchtbaren, wie eine Umfriedigung von Menschenhand; und um dieses lief wieder ein schmales Mauerwerk als Einfassung. Alles war durchschnitten und gesondert, und ein Stamm stand in gehöriger Entfernung von dem andern. In der Höhe aber stießen die Zweige zusammen und vermischten gegenseitig ihr Laub; aber auch ihre Natur schien Kunst. Es waren auch Beete von Blumen da, deren einige die Erde erzeugte, andere die Kunst bildete; Rosenhecken und Hyazinthen und Lilien waren durch Kunst gezogen; Veilchen, Narzissen und Anagallis trug die Erde von selbst. [...]
Als nun Eudromos schon im Begriff war, nach der Stadt zurückzukehren, gab ihm Daphnis, außer andern nicht wenigen Gaben, alles, was nur ein Ziegenhirt schenken kann, gut gepreßte Käse, ein spätgeworfenes Zicklein und ein weißes, zottiges Ziegenfell, um es im Winter beim Laufen umzunehmen. Jener freute sich und küßte den Daphnis und versprach ihm, seinem Herrn viel Gutes von ihm zu sagen, und trennte sich so von ihnen mit freundlicher Gesinnung. Daphnis aber blieb voll Bangigkeit zurück mit Chloe. Auch sie war voll Bangigkeit. Denn er, ein Knabe, bisher nur gewohnt, Ziegen zu sehn und Schafe und Landleute und Chloe, sollte jetzt zum erstenmal einem Herrn unter die Augen treten, den er bisher nur hatte nennen hören. Sie war also seinetwegen voll Sorgen, wie er sich gegen den Herrn benehmen würde; auch ihrer Heirat wegen war sie voll Unruhe, sie möchte vielleicht nur ein eitler Traum gewesen sein. Ununterbrochen waren daher ihre Küsse und ihre Umarmungen, als ob sie miteinander verwachsen wären; aber mit ihren Küssen war Furcht gemischt, und voll Besorgnis waren ihre Umarmungen, als ob sie schon das Auge des Herrn fürchteten oder ihre Liebe verbergen müßten. [...]
Es wohnte dort ein gewisser Lampis, ein frecher Rinderhirt. Dieser hatte auch bei Dryas um Chloe gefreit und ihm viele Geschenke gegeben, um ihn für seinen Wunsch zu gewinnen. Da er nun merkte, daß, wenn der Herr einwilligte, Daphnis sie heimführen würde, sann er auf eine List, den Herrn gegen beide aufzubringen; und weil er wußte, wie viele Freude er an dem Lustgarten hatte, beschloß er, diesen, so weit er könnte, zu verheeren und zu verunstalten. Wenn er nun die Bäume niederhieb, so war er in Gefahr, bei dem Geräusche darüber ertappt zu werden; er hielt sich also an die Blumen, die er leicht verwüsten konnte; erwartete die Nacht, und nachdem er über die Mauer gestiegen war, riß er einige aus, brach andere ab, noch andere zertrat er, wie ein Schwein getan hätte. Dann entfernte er sich unbemerkt; Lamon aber kam am folgenden Morgen in den Garten und wollte die Blumen aus der Quelle wässern. Wie er nun den ganzen Platz verheert und eine Verwüstung sah, wie sie nur ein Feind, aber kein Räuber anzurichten pflegt, zerriß er augenblicklich seinen Rock und rief mit lauter Stimme die Götter an, so daß Myrtale, was sie unter den Händen hatte, stehen ließ und hinaus lief, und Daphnis, der eben die Ziegen ausgetrieben hatte, zurückkehrte. Auch diese erhoben bei dem Anblick ein Jammern und vergossen beim Jammern Tränen. [...]
Lamon rief jetzt in seinem Schrecken: »Weh, weh über die Rosenhecken, wie sind sie gebrochen! Weh über das Veilchenbeet, wie ist es niedergetreten! Weh über die Hyazinthen und Narzissen, die ein böser Mensch ausgerissen hat! Der Frühling wird kommen; sie aber werden nicht sprießen: es wird Sommer werden; aber sie werden nicht blühen: Herbst; aber sie werden niemanden kränzen. Hast denn auch du dich, o Dionysos, dieser armen Blumen nicht erbarmt, bei denen du wohntest, die du unter den Augen hattest, mit denen ich dich oftmals bekränzt habe? Wie, wie soll ich nun den Garten dem Herrn zeigen? Was wird er bei diesem Anblick tun? [...]
Chloe hatte sich aus Furcht und Scheu vor dem Gewühl in den Wald geflüchtet; Daphnis aber stand da, mit einem zottigen Ziegenfell angetan und einer neugenähten Hirtentasche über den Schultern und hielt in beiden Händen – in der einen frische Käse, in der andern säugende Zicklein. Wenn jemals Apollo im Dienste Laomedons die Rinderherden weidete, so war er so gestaltet, wie damals Daphnis erschien. [...]
Ich aber liebe eine freie Schönheit, wenn schon in einem unfreien Leibe. Siehst du nicht, wie sein Haar den Hyazinthen gleicht, wie unter seinen Brauen die Augen leuchten, wie in goldener Fassung ein Edelstein? Sein Gesicht ist mit Röte bedeckt; sein Mund aber voll von Zähnen, so weiß wie Elfenbein. Wer möchte nicht wünschen, von diesen Lippen süße Küsse zu schlürfen? [...]
Lamon um die Erlaubnis bat zu sprechen und also begann: »Vernimm, o Herr, von einem bejahrten Manne ein wahrhaftes Wort; ich schwöre beim Pan und bei den Nymphen, daß ich nichts Falsches sagen werde. Ich bin nicht Daphnis' Vater, und Myrtale hat nie das Glück gehabt, Mutter zu werden. Andre Eltern haben ihn als Kind ausgesetzt, vielleicht weil sie schon genug größere Kinder hatten; ich aber habe ihn ausgesetzt und von meiner Ziege genährt gefunden, die ich denn auch nach ihrem Tode in der Umgebung des Gartens begraben habe, aus Liebe, weil sie wie eine Mutter getan hat. Ich habe auch Erkennungszeichen mit ihm niedergelegt gefunden; ich bekenne dies, Herr, und bewahre sie auf; sie verraten einen bessern Stand als der unsrige ist. Daß er nun Astylos Diener sei, der schöne Diener eines schönen und edlen Herrn, weise ich nicht zurück; das aber kann ich nicht zugeben, daß er den Lüsten eines Gnathon diene, der ihn nach Mitylene zu führen und zum Weibe zu machen bestrebt ist.« [...]
Statt indes weiter den Mutmaßungen nachzuhängen, verlangte er die Erkennungszeichen zu sehen, ob sie wirklich ein glänzenderes und ausgezeichneteres Los verrieten, und Myrtale entfernte sich, um alles zu holen, wie sie es in einer alten Hirtentasche aufbewahrte. Nachdem es gebracht worden, betrachtete es Dionysophanes zuerst, und als er eine purpurne Chlamys sah, eine goldene Schnalle und ein kleines Schwert mit elfenbeinernem Griff, schrie er laut auf: »O Zeus! o Gott!« und ruft seine Gemahlin, um es zu betrachten. Auch diese rief ebenfalls beim ersten Blicke aus: »O ihr heiligen Parzen! Haben wir das nicht unserem eigenen Sohne mitgegeben? Haben wir nicht Sophrosynen damit hier auf das Land geschickt? Nichts anderes war es, sondern ebendasselbe, lieber Mann. Es ist unser Kind; Daphnis ist dein Sohn; er weidete seines Vaters Ziegen!« Während sie noch sprach und Dionysophanes die Sachen küßte und vor übergroßer Freude weinte, warf Astylos, als er hörte, daß Daphnis sein Bruder sei, seinen Mantel von sich und lief nach dem Garten, um ihn zuerst zu küssen. Als ihn Daphnis aber nebst so vielen andern herzulaufen sah und ihn »Daphnis! Daphnis!« rufen hörte und nicht anders meinte, als er wolle ihn gefangennehmen, warf er Hirtentasche und Syrinx von sich und eilte dem Meere zu, um sich von dem hohen Felsen herabzustürzen. [...]
Jetzt nahm Daphnis all sein Hirtengerät zusammen und verteilte es unter die Götter als Weihgeschenke. Dem Dionysos weihte er die Hirtentasche und das Fell; dem Pan die Syrinx und die Querpfeife; den Hirtenstab den Nymphen und die Milchgefäße, die er selbst verfertigt hatte. Wie aber immer das Gewohnte einem erfreulicher ist als ein fremdes und ungewohntes Glück, so weinte er bei jedem Stücke, von dem er sich trennte und hing die Milchgefäße nicht eher auf, als bis er gemolken, das Fell nicht eher, als bis er es umgehängt, die Syrinx, bis er darauf geflötet hatte; ja, er küßte das alles und redete die Ziegen an und rief die Böcke mit Namen. Aus der Quelle trank er auch, weil er oft mit Chloe daraus getrunken hatte. Noch aber bekannte er seine Liebe nicht, sondern erwartete die gelegene Zeit. Während der Zeit, wo Daphnis mit den Opfern beschäftigt war, trug sich mit Chloe folgendes zu. Sie saß bei ihrer Herde und weinte und sagte, wie natürlich war: »Daphnis hat mich vergessen. Er träumt von einer reichen Heirat. Warum ließ ich ihn auch statt bei den Nymphen bei den Ziegen schwören? Er hat sie verlassen, wie Chloe. Nicht einmal jetzt, wo er dem Pan und den Nymphen opfert, hat er Chloe zu sehen gewünscht. Er hat vielleicht bei seiner Mutter Mägde gefunden, die besser sind als ich. Nun wohl ihm! Ich aber will nicht länger leben.« Indem sie so bei sich sprach und so bei sich dachte, überfiel sie Lampis, der Rinderhirt, mit einer Begleitung von Landleuten und raubte sie weg, [...]
Sie wurde also unter kläglichem Geschrei fortgerissen; aber einer, der es gesehen hatte, zeigte es der Nape an, Nape dem Dryas, Dryas dem Daphnis. Dieser geriet darüber fast von Sinnen; da er aber nicht wagte, mit seinem Vater zu sprechen und sich doch nicht fassen konnte, ging er in den Garten und jammerte: »O welch unseliges Finden!« sagte er. »Wieviel besser war' es für mich, die Herde zu weiden! Wieviel glücklicher war ich, da ich ein Knecht war! Da sah ich doch Chloe. Da küßt' ich sie. Nun hat Lampis sie geraubt, und wenn die Nacht kommt, wird er bei ihr liegen. Ich aber trinke und schwelge und habe umsonst beim Pan und den Ziegen und den Nymphen geschworen.« Diese Worte des Daphnis vernahm Gnathon, der in dem Garten versteckt war, und da er jetzt den günstigen Zeitpunkt zur Aussöhnung gefunden zu haben glaubte, nahm er einige von Astylos' Dienern mit sich und eilte dem Dryas nach. Nachdem er sich von diesem die Wohnung des Lampis hatte zeigen lassen, beschleunigte er seine Schritte und traf ihn, als er eben Chloe in sein Haus führte, nahm sie ihm ab und züchtigte die Bauern, die ihm geholfen hatten, mit Faustschlägen. Auch wollte er den Lampis binden und wie einen Kriegsgefangenen fortführen; dieser aber war vorher davongelaufen. Nach so rühmlicher Tat kehrte er bei Anbruch der Nacht zurück. Den Dionysophanes fand er schlafend; Daphnis aber wachte noch und weinte im Garten. Er führte also Chloe zu ihm, und nachdem er sie ihm übergeben hatte, erzählte er ihm den ganzen Verlauf; bat ihn hierauf, das Geschehene zu vergessen, ihn als einen treuen Diener zu behalten und nicht von seinem Tische zu verstoßen, [...]
Jetzt gingen sie miteinander zu Rate und beschlossen ihren Bund geheimzuhalten, und daß Daphnis Chloe im verborgenen behalten und nur seiner Mutter diese Liebe bekennen sollte. Dryas aber gestattete das nicht, sondern verlangte, mit dem Vater zu sprechen und versprach, ihn zu bereden. Am folgenden Morgen begab er sich mit den Erkennungszeichen in der Hirtentasche zu Dionysophanes und der Klearista, die in dem Lustgarten saßen; auch Astylos war zugegen und Daphnis; und als alle schwiegen, hub er also an: »Eine gleiche Notwendigkeit, wie dem Lamon, gebietet auch mir, das bisher bewahrte Geheimnis kundzutun. Diese Chloe hier hab' ich nicht gezeugt, ihr auch nicht die erste Nahrung gereicht; andere haben sie erzeugt, und als sie in der Grotte der Nymphen lag, hat-ein Schaf sie ernährt. Dies sah ich mit eigenen Augen und staunte, als ich es sah; dann zog ich sie auf. Für meine Worte zeugt ihre Schönheit; denn uns gleicht sie nicht; es zeugen auch die mit ihr gefundenen Merkmale, die zu kostbar für Hirten sind. Seht sie hier, und sucht die Angehörigen des Mädchens auf, ob sie sich vielleicht des Daphnis würdig zeigt.« [...]
Diese Worte warf Dryas nicht ohne Bedacht hin, und auch Dionysophanes hörte sie nicht achtlos an; sondern mit einem Blicke auf Daphnis, den er erblassen und heimlich weinen sah, erkannte er sogleich seine Liebe; und mehr aus Sorge für seinen eigenen Sohn als für ein fremdes Mädchen prüfte er die Erzählung des Dryas mit größter Genauigkeit. Als ihm aber auch die Erkennungszeichen vorgelegt wurden, die übergoldeten Schuhe, die Spangen, die Mitra, rief er Chloe zu sich und sprach ihr Mut ein; sie habe schon den Mann, bald würde sie auch Vater und Mutter finden. Jetzt nahm sich Klearista ihrer an und schmückte sie als die Gattin ihres Sohnes; den Daphnis aber nahm Dionysophanes beiseite und fragte ihn, ob sie noch Jungfrau sei; und da er mit einem Eide beteuerte, daß nichts weiter als Küsse und Schwüre unter ihnen vorgefallen, freute er sich der Versicherung und ließ sie zusammensitzen. [...]
Jetzt konnte man sehen, was die Schönheit ist, wenn sie im Schmucke erscheint; denn jetzt, da Chloe angekleidet war, ihr Haar aufgeflochten und ihr Angesicht gewaschen hatte, fanden alle ihre Schönheit um ein bedeutendes erhöht, so daß selbst Daphnis sie kaum wiedererkannte; und auch ohne die Erkennungszeichen hätte man geschworen, daß Dryas nicht der Vater eines solchen Mädchens sei. [...]
Nun hatte Dioriysophanes einst, als er nach vielem Sinnen in einen tiefen Schlaf gesunken war, folgenden Traum. Es kam ihm vor, als bäten die Nymphen den Eros, endlich doch den Liebenden die Ehe zuzugestehen; und als ob dieser den Bogen abspanne und zu dem Köcher von sich lege und dem Dionysophanes befehle, die Edelsten der Mitylenäer zu einem Mahle einzuladen, und, wenn er den letzten Mischkrug gefüllt habe, die Erkennungszeichen jedem vorzulegen und hierauf den Hochzeitsgesang anzustimmen. Wie er nun dies gesehen und gehört hatte, stand er mit Tagesanbruch auf und befahl ein glänzendes Mahl zu bereiten von den Gaben des Landes und des Meeres, und was Seen und Flüsse böten und lud hierauf alle die Vornehmsten der Mitylenäer zu Gästen ein. Als es nun schon Nacht geworden und der Mischkrug gefüllt war, aus dem sie dem Hermes spenden, brachte ein Diener auf einem silbernen Becken die Erkennungszeichen herein, trug sie rechts herum und zeigte sie allen vor. Von den andern erkannte sie keiner; ein gewisser Megakles aber, der um seines Alters willen den obersten Platz hatte, sah sie nicht so bald, als er sie erkannte und mit lauter und kräftiger Stimme ausrief: »Was seh ich hier? Was ist aus dir geworden, mein Töchterchen? Lebst du wohl auch noch? oder hat ein Hirt nur dies gefunden und aufgehoben? Ich bitte dich, Dionysophanes, sage mir, woher du die Erkennungszeichen meines Kindes hast. Gönne nach deines Daphnis Entdeckung auch mir, etwas zu finden.« Da nun Dionysophanes von ihm verlangte, daß er zuerst die Geschichte der Aussetzung erzähle, begann Megakles, ohne den Ton der Stimme zu senken: »Meine Habe war in früherer Zeit gering; denn was ich hatte, war für Choregien und Trierarchien daraufgegangen. In diesen Umständen wurde mir eine Tochter geboren. Weil ich sie nun nicht in Dürftigkeit erziehen wollte, setzte ich sie geschmückt mit diesen Merkzeichen aus, weil ich wußte, daß viele auch so Väter zu werden wünschen. Sie war nun also in einer Grotte der Nymphen ausgesetzt und den Göttinnen anvertraut; mir aber strömte täglich Reichtum zu, und ich hatte keinen Erben; denn nicht einmal eine Tochter gönnte mir das Glück; sondern als ob die Götter meiner spotteten, sandten sie mir Träume bei Nacht, daß ich durch ein Schaf Vater werden würde.« Jetzt stieß Dionysophanes noch lautere Ausrufungen aus als Megakles vorher, sprang von seinem Sitze auf und führte Chloe, köstlich geschmückt, mit diesen Worten herein: »Dieses Kind hast du ausgesetzt: diese Jungfrau hat dir ein Schaf durch der Götter Vorsehung ernährt, wie mir eine Ziege den Daphnis. Nimm diese Merkzeichen und die Tochter, nimm sie und gib sie dem Daphnis als Braut zurück. Wir haben beide ausgesetzt und beide wiedergefunden; für beide hat Pan, haben die Nymphen und Eros gesorgt.« [...]
Hier war nun alles, wie natürlich in solcher Gesellschaft, dörflich und landgemäß: einer sang, wie die Schnitter singen; ein anderer ahmte die spottende Kurzweil der Kelternden nach; Philetas spielte die Syrinx; Lampis flötete; Dryas und Lamon tanzten; Chloe und Daphnis küßten sich. Es weideten auch die Ziegen in der Nähe, als ob sie ebenfalls an dem Feste Anteil nähmen. Für die Städter hatte dies keinen großen Reiz; Daphnis aber rief einige mit Namen herbei, gab ihnen grünes Laub, faßte sie bei den Hörnern und küßte sie. Und nicht bloß damals, sondern solange sie lebten, führten sie die meiste Zeit ein Hirtenleben, verehrten die Götter, die Nymphen, den Pan, den Eros, schafften große Herden von Schafen und Ziegen an und kannten keine süßere Kost als Obst und Milch. Auch legten sie ein Knäbchen einer Ziege an, und ihr zweites Kind, ein Töchterchen, ließen sie an einem Schafe trinken; und nannten jenes Philopömen, dieses Agele. So lebten sie mit ihnen auch dort zusammen bis in ihr spätes Alter und schmückten die Grotte und stellten Bilder auf und weihten einen Altar dem hirtlichen Eros; dem Pan aber gaben sie statt der Pinie einen Tempel zum Obdach und nannten ihn Pan den Krieger. [...]
Doch dies taten sie erst in der Folge. Damals aber wurden sie, als es Nacht geworden, von allen in das Brautgemach geleitet, wobei die einen die Syrinx, andere die Flöte bliesen, noch andere große Fackeln trugen. An der Türe sangen sie mit harter und rauher Stimme, als ob sie die Erde mit Dreizacken aufrissen, nicht aber ein Brautlied sängen. Daphnis und Chloe aber lagen entkleidet zusammen, umarmten einander und küßten sich und schliefen in dieser Nacht nicht mehr als die Nachteulen tun. Daphnis übte jetzt aus, was er von Lykänion gelernt, und Chloe erfuhr nun zuerst, daß ihre Kurzweil am Walde nur Hirtenspiel gewesen war.