21 April 2024

Heliand

Heliand (Wikipedia)

"Der Heliand ist ein frühmittelalterliches altsächsisches Großepos. In fast sechstausend (5983) stabreimenden Langzeilen wird das Leben Jesu Christi in der Form einer Evangelienharmonie nacherzählt. Den Titel Heliand erhielt das Werk von Johann Andreas Schmeller, der 1830 die erste wissenschaftliche Textausgabe veröffentlichte. Das Wort Heliand kommt im Text mehrfach vor (z. B. Vers 266) und wird als altniederdeutsche Lehnübertragung von lateinisch salvator („Erlöser“, „Heiland“) gewertet.

Das Epos ist nach dem Liber evangeliorum des Otfrid von Weißenburg das umfangreichste volkssprachige literarische Werk der „deutschen“ Karolingerzeit und damit ein wichtiges Glied im Kontext der Entstehung der niederdeutschen Sprache, aber auch der deutschen Sprache und Literatur.[1]"


E-Text des altsächsischen Textes (Bibliotheca Augustana)

Text in der Übersetzung von Karl Simrock (Projekt- Gutenberg.de

Inhalt:

Eingang

Manche waren,   die ihr Gemüt dazu trieb,
Daß sie Gottes Wort   beginnen wollten,

Das Geheimnis zu enthüllen,   das der heilige Christ
Hier unter Menschen   herrlich vollendete
Mit Worten und Werken.   Uns wollten viel weiser
Leute Kinder loben   die Lehre Christs,
Des Herren heilig Wort,   und mit Händen schreiben
Offenbar in ein Buch,   wie seinen Geboten
Die Völker folgen sollten.   Doch viere nur fanden sich
Unter der Menge,   die Macht von Gott hatten,
Hilfe vom Himmel,   heiligen Geist
Und Kraft von Christ.   Sie kor er dazu
Von allen allein,   das Evangelium
In ein Buch zu bringen,   die Gebote Gottes,
Das heilige Himmelswort.   Das hatten nicht andre noch
Aus dem Volke zu fördern,   da nur diese viere
Durch die Kraft Gottes   dazu gekoren wurden.
Matthäus und Markus   hießen die Männer,
Lukas und Johannes:   sie waren Gott lieb
Und des Werkes würdig:   der waltende Gott
Hatt ihren Herzen   heiligen Geist
Fest anbefohlen   und frommen Sinn,
Weise Worte verliehen   und großes Wissen,
Daß sie erheben möchten   mit heiligen Stimmen
Die gute Gotteskunde,   die ihr Gleichnis nicht hat
In Worten dieser Welt,   die so den waltenden
Herrscher verherrlichten,   und heillose Tat,
Frevelwerk fällten   und dem tückischen Feind
Im Streit widerstünden;   denn starken Sinn hatte,
Milden und guten,   welcher der Meister war,
Der edle Urheber,   der allmächtige.
Sie viere sollten   mit Fingern schreiben,
Setzen und singen   und gründlich sagen,
Was sie von Christi   Kraft, der großen,
Gesehen und gehört,   das er selber gesprochen,
Gewirkt und gewiesen,   des Wunderbaren viel,
Vor den Menschen und mancherlei,   der mächtige Herr.
Was von Anbeginn   durch seine einige Kraft
Der Waltende sprach,   da er die Welt erschuf,
Und da alles befing   mit einem Wort,
Himmel und Erde   und alles, was darin
Gewirkt war und gewachsen:   das ward mit Gottes Wort
All fest befangen   und zuvorbestimmt,
Welcher Leute Volk   des Landes sollte
Am weitesten walten   und wie die Welt dereinst
Ihre Alter enden sollte.   Deren eins nur stand
Noch bevor den Völkern:   fünfe waren hin;
Das sechste sollte   nun seliglich kommen
Durch die Kraft Gottes   und Christi Geburt,
Des besten Heilands,   daß sein heilger Geist
In dieser Mittelwelt   den Menschen helfe
Und vielen fromme   wider der Feinde Drang,
Böser Geister Zauber.

                                        Zu der Zeit lieh Gott
Den Römerleuten   der Reiche größtes:
Er hatt ihrem Heergeleit   das Herz gestärkt,
Daß sie Zins zu zahlen   alle Völker zwangen.
Von Romburg aus hatten sie   das Reich gewonnen,
Den Helm auf dem Haupte.   Ihre Herzoge saßen
In jeglichem Lande,   der Leute gewaltend
Über alle Reiche.   Herodes war
In Jerusalem   über der Juden Volk
Zum König gekoren:   der Kaiser von Rom
Hatt ihn dahin,   der mächtige Herrscher,
Mit dem Gesinde gesetzt,   obwohl nicht gesippt
Israels Abkommen,   noch durch edle Geburt
Ihrem Geschlecht entstammt:   nur des Kaisers Bestimmung
Von Romburg hatt ihm   das Reich verliehen,
Daß ihm gehorchten   die Heldengeschlechter,
Die kraftkundigen   Nachkommen Israels,
Unwankende Freunde,   dieweil da waltete
Herodes, des Reiches   und Gerichtes pflegend
Über die Leute.

Zacharias und Elisabeth

                                     Nun war da ein alter Mann,
Ein vielerfahrener   mit frommweisem Sinn,
Der war von den Leuten   aus Levis Stamm,
Des Sohnes Jakobs,   von gutem Geschlecht.
Zacharias geheißen   war der selige Mann,
Der gerne jederzeit   diente Gott dem Herrn
Und seinen Willen wirkte.   So tat auch sein Weib,
Die alternde Frau;   kein Erbwart sollte
In ihrer Jugend   ihnen gegeben werden.
Doch lebten sie lasterlos   und lobten Gott,
Den Gehorsam haltend   dem Himmelskönig,
Dessen Ruhm sie verherrlichten,   und ruchlose Tat,
Schuld und Sünde mieden.   Sorge befing sie zwar,
Daß sie ohne Erben   altern sollten,
Der Kinder bar verblieben.

                                                Er sollte Gottes Gebot
In Jerusalem tun:   wenn die Reih ihn traf
Und die heiligen Zeiten   dazu ermahnten,
So sollt er im Weihtum   des Waltenden Opfer,
Das heilige, halten,   des Himmelskönigs,
In Gottes Jüngerschaft:   eifrig begehrt' er,
Daß er es frommen Sinns   vollbringen möchte.



In einer Ausgabe von 1916 für Studenten im Kriegsdienst findet sich ein handschriftlicher Text aus den 1930er oder 1940er Jahren, aus dem hervorgeht, dass der Heliandtext zu Christi Geburt für eine Weihnachtsfeier verwendet wurde, vermutlich für eine Kriegsweihnacht im Zweiten Weltkrieg an der Front. (Der Verfasser war in den 40er Jahren Soldat. 

Aus der uns allen vertrauten Weihnachtsgeschichte hören wir heute einen Abschnitt in der deutschen Prägung, die die Botschaft Jesu vor über 1000 Jahren in einer niedersächsischen Dichtung, dem Heliand, gefunden hat.
Dabei wollen wir einmal nicht so sehr auf die äußere Form achten, auf den germanischen Stabreim und auf altdeutsche Begriffe wie Herzog, Fronbote, Mahlhof, Hochsitz, sondern wir wollen versuchen, hinter den Worten die Sprache der deutschen Seele zu hören, wie sie zu uns spricht in der Schilderung der Mutter und ihres Kindes. Wer von uns recht zu lauschen versteht, der wird darin etwas wiederfinden von der Innigkeit und Tiefe, die uns aus dem Weihnachtsbildern der alten deutschen Meister so warm anspricht.

Da brachte man von Rom aus   des mächtigen Manns
Über all dies Erdenvolk,   Octavians,
Bann und Botschaft:   über sein breites Reich
Kam es von dem Kaiser   an die Könige all,
Die daheim saßen,   soweit seine Herzoge
Über all den Landen   der Leute gewalteten.
Die Ausheimischen hieß er   die Heimat suchen,
Ihre Mahlstatt die Männer,   daß männiglich vor dem Fronboten
Bei dem Stamme stünde,   von dem er stammte,
In der Burg seiner Geburt.   Das Gebot ward geleistet
Über die weite Welt:   die Leute wanderten
Jedes zu seiner Burg.   Die Boten fuhren hin,
Die von dem Kaiser   gekommen waren,
Schriftverständige Männer,   und schrieben in Rollen ein,
Genau nachforschend,   die Namen alle
Des Lands und der Leute,   und keinem erließen sie
Den Zins und den Zoll,   den sie zahlen sollten
Männiglich von seinem Haupt.

Zum Vergleich der altsächsische Text: 

Thô uuar{d} fon Rûmuburgrîkes mannes


o{b}ar alla thesa irminthiodOctauiânas

ban endi bodskepio{b}ar thea is brêdon giuuald

cuman fon them kêsurecuningo gihuilicun,

hêmsitteandiun,sô uuîdo sô is heritogon

o{b}ar al that landskepi[liudio] giuueldun.

[Hiet man] that [alla] thea elilendiun maniro ô{d}il sôhtin,

[heli{d}os] iro handmahalangegen iro hêrron bodon,

quâmi te them cnôsla gihue,thanan he cunneas uuas,

giboran fon them burgiun.That gibod uuar{d} gilêstid

o{b}ar thesa uuîdon uuerold.Uuerod samnoda

[te] allaro burgeo gihuuem.Fôrun thea bodon o{b}ar all,

thea fon them kêsuracumana uuârun,

bôkspâha uueros,[endi] an brêf [scri{b}un]

[suî{d}o] niudlîconamono gihuilican,

ia land ia liudi,that im ni [mahti alettian] mann

gumono sulica gambra,sô [im] scolda geldan gihue

heli{d}o fon is hô{b}da.Thô giuuêt im ôc [mid] is hîuuisca

Ioseph the gôdo,sô it god mahtig,

uualdand uuelda:sôhta im [thiu uuânamon] hêm,

                                                      Da schied mit den Hausgenossen
Auch Joseph der gute,   wie Gott der mächtige,
Der Waltende wollte,   sein wonnig Heim zu suchen,
Die Burg in Bethlehem,   wo beider war,
Des Mannes Mahlhof   und der Jungfrau zumal,
Maria der guten.   Da war des Mächtigen Stuhl
In alten Tagen,   des Edelkönigs,
Davids des hehren,   solang er die Herrschaft durfte
Unter den Ebräern   zu eigen haben
Und den Hochsitz behaupten.   Seines Hauses waren sie,
Seinem Stamm entsprossen,   aus gutem Geschlecht
Beide geboren.   Da hört ich, daß der Schickung Gebot
Marien mahnte   und die Macht Gottes,
Daß ihr ein Sohn da sollte   beschert werden,
In Bethlehem geboren,   der Geborenen stärkster,
Aller Könige kräftigster.   Da kam an der Menschen Licht
Der mächtige Held,   wie schon manchen Tag
Davon der Bilder viel   und der Zeichen geboten
Waren in dieser Welt.   Da ward das alles wahr,
Was spähende Männer   vordem gesprochen,
Wie er in Niedrigkeit   hernieder auf Erden
Durch seine einige Kraft   zu kommen gedächte,
Der Menschen Mundherr.   Da ihn die Mutter nahm,
Mit Gewand bewand ihn   der Weiber schönste,
Zierlichen Zeugen,   und mit den zweien Händen
Legte sie liebreich   den lieben kleinen Mann,
Das Kind, in eine Krippe,   das doch Gottes Kraft besaß,
Der Menschen mächtigster.   Die Mutter saß davor,
Die wachende Frau,   und wartete selber
Und hütete das heilige Kind.   In ihr Herz kam Zweifel nicht,
In der Magd Gemüt.


Buchschmuck und Einführung dieser Ausgabe von 1916:




18 April 2024

Heinrich Festing: Aldolph Kolping und sein Werk

Heinrich Festing: Aldolph Kolping und sein Werk, Herder Freiburg 1981

Aldolph Kolping            Kolpingwerk          Kolping international













Geprägt von den hohen Ansprüchen des Vaters und beeinflusst von der tiefen Gläubigkeit seiner Eltern, die wohl im Priesterdasein eine höhere Form von Christlichkeit sahen, stellt Kolping sehr hohe Ansprüche an sich und will Priester werden. 
Zeugnis seiner hohen Ansprüche ist sein Tagebucheintrag vom 4.11.1837:

  


















Vermutlich hat er auch in seinen beiden Krankheiten, von denen die erste das Ende der Arbeit als Schumacher, die zweite die Finanzierung seines Theologiestudiums brachte, eine göttliche Fügung gesehen, die ihn zu Höchstleistungen verpflichtete.

"Die Gesellenvereine haben vorgelebt und praktiziert, was später durch Volkshochschulen und andere Einrichtungen aufgegriffen wurde. Ohne Übertreibung darf man sagen, dass die Gesellenhäuser und Gesellenvereine vor dem Ersten Weltkrieg zu den ersten und bedeutendsten Einrichtungen der Erwachsenenbildung gehörten." (S. 84)

17 April 2024

Israel

 Informationen zur politischen Bildung Heft 336 (2018) mit Inhaltsverzeichnis

Eine Bewegung verschafft sich ihren Staat: der Zionismus (Michael Brenner)

1879 hatte der deutsche Journalist Wilhelm Marr den Begriff des Antisemitismus erfunden und damit dem nunmehr "rassisch" begründeten Judenhass einen pseudo-wissenschaftlichen Anstrich gegeben. [...] In Wien wurde mit Karl Lueger ein sich offen zum Antisemitismus bekennender Politiker zum Bürgermeister der Stadt gewählt. Selbst in Frankreich [...], als dem jüdischen Artilleriehauptmann Alfred Dreyfus 1894 wegen angeblichen Hochverrats der Prozess gemacht wurde.

[...]  Die neuen antisemitischen Parteien, die am Ende des 19. Jahrhunderts in den deutschen Reichstag einzogen, fanden im alten Feindbild der Juden Erklärungen für neue Missstände. Angesehene Persönlichkeiten wie der Hofprediger Adolf Stoecker und der Historiker Heinrich von Treitschke schürten derlei antijüdische Vorurteile selbst am kaiserlichen Hof und an den Universitäten.

[...] in Osteuropa [...] waren die Juden niemals vollständig emanzipiert worden und litten zudem unter großer wirtschaftlicher Not. Nach dem Attentat auf den Zaren Alexander II. 1881, an dem auch eine Frau jüdischer Herkunft beteiligt gewesen war, führte eine gezielt antijüdische Kampagne zu gewaltsamen Pogromen. Viele Juden mussten um ihr Hab und Gut und oftmals auch um ihr Leben fürchten. Zwischen 1881 und 1914 wanderten daher über zwei Millionen Juden aus dem Zarenreich nach Nordamerika aus.

Eine kleine Gruppe der Auswanderungswilligen brach im gleichen Zeitraum ins Osmanische Reich auf, um sich in dem Gebiet, das sie Eretz Israel, das Land Israel, nannten, niederzulassen. Es gab damals weder Israel noch Palästina als politische Einheit, sondern lediglich verschiedene von Istanbul, der Hauptstadt des Osmanischen Reiches, aus regierte Bezirke, den Sandschak von Jerusalem sowie den von Nablus und Akko. Inspiriert wurden die Auswanderungswilligen von einer Schrift des in Odessa lebenden Arztes Leon Pinsker (1821–1891), der 1882 unter dem Eindruck der Pogrome in einem kleinen auf Deutsch verfassten Büchlein mit dem Titel "Auto-Emanzipation" gefordert hatte, dass die Juden sich eben selbst emanzipieren müssten. Wenn dies im Zarenreich nicht möglich sei, bräuchten sie ein eigenes politisches Territorium, um sicher vor den Antisemiten zu sein. Zwar bildeten sich daraufhin einige Ortsvereine der sogenannten Zionsfreunde (Chovevei Zion), doch eine breite politische Bewegung konnte Pinsker ebenso wenig auf die Beine stellen wie vor ihm Moses Heß. [...]

Dieses Verdienst kommt unumstritten dem in Budapest aufgewachsenen und in Wien lebenden Journalisten Theodor Herzl (1860–1904) zu [...] Er wuchs in einem Elternhaus auf, das sich bewusst für einen Weg heraus aus dem traditionellen Judentum und hinein in die deutschsprachige Gesellschaft entschieden hatte. So war Herzl mit der hebräischen Sprache nicht vertraut und die jüdischen Gebete blieben ihm zeitlebens fremd. [...]

Herzl war sich wohl bewusst, dass die Juden auch in seiner Geburtsstadt Budapest und in seiner Wahlheimat Wien angefeindet wurden. Aber wenn selbst in Frankreich, wo sie seit über 100 Jahren gleichberechtigte Bürger waren, auf der Straße gegen sie gehetzt wurde, dann gab es nach seiner Ansicht keine Hoffnung mehr für die Juden, irgendwo in Europa frei von Ressentiments zu leben. [...]

Einen Schlüssel zur Lösung des Problems sah Herzl zunächst in einem Massenübertritt der Wiener Juden zum katholischen Glauben. Sehr bald erkannte er jedoch, dass sie damit zwar der traditionellen, religiös motivierten Judenfeindschaft ausweichen konnten, nicht aber dem neuen, "rassisch" begründeten Antisemitismus. Als Ausweg blieb nur die Auswanderung aus Europa. 1896 veröffentlichte Herzl eine kleine Broschüre mit dem programmatischen Titel "Der Judenstaat". Darin hielt er fest, dass sein Projekt eines Judenstaates unzweifelhaft aus der Zurückweisung durch die europäische Umgebung geboren wurde: "Wir haben überall ehrlich versucht, in der uns umgebenden Volksgemeinschaft unterzugehen und nur den Glauben unserer Väter zu bewahren. Man lässt es nicht zu. Vergebens sind wir treue und an manchen Orten sogar überschwängliche Patrioten. (…) Wenn man uns in Ruhe ließe. (…) Aber ich glaube, man wird uns nicht in Ruhe lassen." (Theodor Herzl, Der Judenstaat, Leipzig 1896, S. 11 f.)

Wo der neue Judenstaat liegen sollte, war ihm noch nicht klar: [...] 

Herzl stieß von Anfang an auf Widerstand in der jüdischen Gemeinschaft. [...] So verweigerten wohlhabende Juden, wie die Barone Rothschild und Hirsch in Paris, Herzl ebenso die Unterstützung wie die Rabbiner, um die er sich bemühte. [...] Herzl war aber auch innerhalb der jungen zionistischen Bewegung nicht unumstritten. Um den russischen Zionisten Achad Ha’am (hebr.: Einer aus dem Volk, eigentlich Ascher Ginsberg, 1856–1927) scharten sich jene Zionisten, deren Motiv zur Rückkehr nach Palästina nicht so sehr der Antisemitismus war wie die Angst um den Untergang des Judentums als Folge der zunehmenden Assimilation. Sie wollten ein geistiges und kulturelles jüdisches Zentrum schaffen, darin die hebräische Sprache als Alltagssprache wiederbeleben, und mit einer neuen, säkularen, jüdischen Kultur auch den in der Diaspora (Zerstreuung) verbleibenden Juden das Festhalten an ihrer jüdischen Identität ermöglichen. Als Herzl im Jahre 1902 seinen utopischen Roman "Altneuland" veröffentlichte, der die zukünftige jüdische Gesellschaft in Palästina wie ein idealisiertes Europa darstellte, wo man englische Internate, französische Opernhäuser und natürlich Wiener Kaffeehäuser hätte und wo europäische Sprachen gesprochen würden, reagierte Achad Ha’am mit scharfer Kritik. Was Herzl hier projiziere, sei doch nichts anderes als eine Assimilation der Juden auf kollektiver Ebene. Sie retteten zwar ihre physische Existenz in den Orient, doch sie lebten weiter, als ob sie in Europa wären. [...] In Herzls Vision hießen die einheimischen Araber die jüdischen Einwanderer willkommen, da diese die Errungenschaften der modernen Zivilisation Europas mit sich brachten und das Land aufbauten. Achad Ha’am dagegen prognostizierte den Konflikt der beiden Bevölkerungsgruppen. [...]

Vor Beginn der Einwanderungsbewegung, die Anfang der 1880er-Jahre aus Osteuropa einsetzte, lebten circa 25.000 Juden unter etwa einer halben Million zumeist muslimischer, aber zu einem kleinen Teil auch christlicher Araber in Palästina. Über Jahrhunderte war diese kleine jüdische Bevölkerung, der sogenannte Alte Jischuw, in Palästina ansässig gewesen und hatte sich auf die vier Städte Jerusalem, Hebron, Tiberias und Zefat (Safed) konzentriert. (S.6-10)

 [Der alte Jischuv war überwiegend arabisch- und ladinosprachig, die neuen Einwanderer sprachen überwiegend Jiddisch und andere europäische Sprachen (PolnischRussischDeutsch u. a.); der alte Jischuv war sephardisch, der neue hingegen aschkenasisch geprägt.[4]" (Wikipedia)

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Konflikt zwischen Fatah und Hamas

Im Jahr 2004 starb Jassir Arafat und Mahmoud Abbas wurde sein Nachfolger als PLO-Chef und PA-Präsident. Er stand dem gewaltsamen Widerstand ablehnend gegenüber und setzte weiter auf Verhandlungen. Von dieser Haltung konnte Abbas aber nur noch wenige Palästinenser überzeugen und so errang die Hamas bei den Wahlen 2006 die absolute Parlamentsmehrheit. Sie galt vielen Palästinensern als glaubwürdiger und weniger korrupt als PLO und Fatah. Außerdem war die Hamas aufgrund ihrer sozialen und karitativen Einrichtungen sehr gut vernetzt. Ihr wurde auch angerechnet, dass Israel 2005 aus dem Gazastreifen abgezogen war und dort alle jüdischen Siedlungen abgebaut hatte.

Israel und der Westen erkannten den Wahlsieg der Hamas nicht an und suchten die neue Regierung politisch zu isolieren. Da auch die Sicherheitskräfte der PA nicht bereit waren, Weisungen der Hamas zu befolgen, kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen beiden Gruppierungen, die 2007 in einem regelrechten Bürgerkrieg im Gazastreifen gipfelten. Seitdem sind der Gazastreifen und das Westjordanland nicht nur territorial, sondern auch politisch voneinander getrennt, auch wenn es Versuche zu einer Einigung gab und gibt. Während die Hamas den Gazastreifen regiert, ernannte Präsident Abbas im Westjordanland eine eigene Regierung. Für den Friedensprozess bedeutet der Wahlsieg der Hamas, dass unklar ist, wer von nun an legitimiert ist, Friedensverhandlungen aufseiten der Palästinenser zu führen.

Das von der PLO dominierte Westjordanland, das annektierte Ost-Jerusalem und der Hamas-regierte Gazastreifen gelten laut der UNO weiterhin als von Israel besetzte Gebiete. Israel kontrolliert nicht nur deren Grenzen (mit Ausnahme der zwischen Gazastreifen und Ägypten) und Luftraum, es nimmt auch einen Großteil der im Westjordanland gezahlten Steuern und alle Einfuhrzölle ein, die es jedoch im Normalfall an die PA weiterleitet. Da die PA keine eigene Währung besitzt, wird in den besetzten Gebieten mit israelischen Schekel bezahlt. Außerhalb der Ortschaften regiert immer noch das israelische Militär, das Palästinenser kontrollieren und ihnen die Durchfahrt verweigern darf. Im Westjordanland gibt es zahlreiche Umgehungsstraßen, die ausschließlich von Israelis genutzt werden dürfen, was manche Beobachter veranlasst, von einem Apartheidsregime zu sprechen. Israel verteidigt diese Maßnahmen mit seiner Pflicht, israelische Bürger vor Terrorismus zu schützen.

Trotz seiner eingeschränkten Staatlichkeit wird Palästina von mindestens 129 Ländern als Staat anerkannt. In den Vereinten Nationen ist die PA kein Vollmitglied, besitzt seit Ende 2012 jedoch Beobachterstatus. Damit hat sie in der UN-Generalversammlung Rede-, aber kein Stimmrecht. Von rein symbolischer Bedeutung ist der Beschluss der Vereinten Nationen vom September 2015, wonach die Flagge Palästinas, wie die aller anderen Mitgliedsstaaten, vor dem UN-Hauptgebäude in New York gehisst werden darf.

Allerdings scheinen die Palästinenser weiter denn je von ihrem Ziel eines unabhängigen Staates entfernt zu sein. Sogar die israelische Arbeitspartei, die einst die Osloer Verträge aushandelte, steht angesichts der anhaltenden Gewalt gegen Israelis weiteren Verhandlungen mit den Palästinensern ablehnend gegenüber. Auf der palästinensischen Seite drohte Präsident Abbas im September 2015 vor der UN-Generalversammlung mit einer Aufkündigung der Osloer Verträge, da Israel sich nicht an Vereinbarungen halte und den Siedlungsbau fortführe.

Die außerordentliche Beständigkeit des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern erklärt sich auch mit der religiösen Bedeutung, die Juden und Muslime den umstrittenen Gebieten beimessen. Extreme Gruppen beider Seiten sind der Überzeugung, dass es ihre religiöse Pflicht sei, das "Heilige Land" auch mit Gewalt zu verteidigen. Der religiöse Aspekt des israelisch-palästinensischen Konflikts hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten weiter an Bedeutung gewonnen. Besonders dramatisch wirkt sich der Konflikt auf die fast zwei Millionen Bewohner des Gazastreifens aus, die mehrheitlich Flüchtlinge von 1948 bzw. deren Nachkommen sind. Seit die Hamas dort die Regierungsmacht erlangte, wird das Gebiet von Israel und Ägypten abgeriegelt. Zeitweise konnte die Versorgung der Bewohner mit Lebensmitteln und Treibstoff nur durch ein Tunnelsystem aufrechterhalten werden. Israel versucht, diese Tunnel zu zerstören, weil über sie auch Waffen an die Hamas geliefert werden und aus den Tunneln Attacken auf israelische Dörfer erfolgten.

Gazakriege

Unterdessen intensivierte die Hamas ihre Gewaltaktionen mit regelmäßigem Raketenbeschuss und provozierte das israelische Militär zu massiven Vergeltungsschlägen. Ende 2008 führte dies zu einer militärischen Großoffensive Israels mit dem Ziel, die Hamas zu zerstören. Die intensiven Luftschläge Israels zerstörten aber nicht die Hamas, sondern die Infrastruktur Gazas und lösten im dichtbesiedelten und abgeriegelten Gazastreifen eine humanitäre Katastrophe aus. Ähnlich dramatisch war der Gazakrieg vom Sommer 2014, als Israel, nach massivem Raketenbeschuss durch die Hamas, erneut versuchte, die islamistische Bewegung militärisch zu schwächen. Wieder konnte die Hamas die Angriffe überstehen; Leidtragende war wie schon 2008 die Zivilbevölkerung.

Nach Ansicht der meisten Nahostexperten wird eine friedliche Konfliktbeilegung ohne die Einbeziehung der Hamas nicht möglich sein. Doch Israel sieht die Hamas trotz ihres Wahlerfolgs von 2006 nicht als legitime Vertreterin des palästinensischen Volkes, sondern als Terrororganisation. Bevor die Hamas Israels Existenzrecht nicht anerkennt und der Gewalt abschwört – so die israelische Sicht – seien Verhandlungen nicht möglich. Hamas-Führer argumentieren, dass eine Anerkennung Israels bestenfalls das Ergebnis, nicht aber Vorbedingung von Verhandlungen sein könne. An die Osloer Verträge, die die PLO im Namen aller Palästinenser ausgehandelt hatte, fühlt sich die Hamas, die erst 1988 gegründet wurde, nicht gebunden.

Neue Formen der Gewalt

Seit Oktober 2015 erlebt Israel eine neuartige Form von palästinensischer Gewalt, die nicht von politischen Parteien, sondern von Einzeltätern ausgeht. Wahllos wurden Menschen auf öffentlichen Plätzen mit Messern angegriffen oder Autos in Menschenmengen gefahren – immer mit der Absicht, so viele Israelis wie möglich zu verletzen oder gar zu töten. Hunderte Israelis sind bereits Opfer dieser Gewaltwelle geworden. Anlass für ein erneutes Auflodern der Gewalt war Israels Entscheidung, nach einem tödlichen Anschlag auf zwei israelische Polizisten vor einem Zugang zum Tempelberg die Zugänge mit Metalldetektoren zu kontrollieren. Dies wurde als Versuch gewertet, Palästinensern den Zutritt zur al-Aqsa-Moschee einzuschränken.

Laut Umfragen unterstützen fast zwei Drittel aller Palästinenser die Gewaltausübung. Der zum Stillstand gekommene Friedensprozess, eine chronische Wirtschaftsflaute, der Legitimationsverlust der PA wegen ausufernder Korruption und ausbleibenden Wahlen, die anhaltende politische Spaltung zwischen PLO und Hamas und die stetig anwachsenden jüdischen Siedlungen haben zur Radikalisierung vieler Palästinenser beigetragen. Israel reagiert auch auf die neuen Gewalttaten mit Härte. Häuser von Attentätern werden zerstört und Stadtviertel, aus denen Attentäter stammten, werden abgeriegelt und mit Ausgangssperren belegt. Diese Kollektivstrafen sollen der Abschreckung dienen, fördern aber aus Sicht vieler Beobachter eher die Wut auf Israel.

Am 30. März 2018 formierte sich eine Protestbewegung im Gazastreifen, um die Forderungen nach dem Rückkehrrecht der dort lebenden Flüchtlinge und ihrer Nachkommen nach Israel zu untermauern. Dieser sogenannte Marsch der Rückkehr bestand aus verschiedenen Protestveranstaltungen an der Grenze zu Israel mit zum Teil Zehntausenden Teilnehmern und sollte bis zum 15. Mai, dem Tag der Nakba, andauern. Die im Gazastreifen herrschende Hamas begrüßte die Proteste. Obwohl ursprünglich als friedlicher zivilgesellschaftlicher Protest gedacht, nutzten radikale Kräfte die Demonstrationszüge für Angriffe auf israelische Soldaten sowie die Grenzanlage. Daraufhin setzten israelische Soldaten Tränengas ein und schossen auf Randalierer und Anstifter. (S.20-23 - Hervorhebungen von Fontanefan)

sieh auch: Artikel in diesem Blog mit Bezug auf Israel

16 April 2024

Flora Thompson: Still glides the Stream

  Still glides the Stream (1948, posthum)

Aus der Sicht von Charity Finch, einer pensionierten Lehrerin wird das Leben in dem fiktiven Dorf Restharrow geschildert. Die Darstellung konzentriert sich auf zwei eng mit einander befreundete Familien, Charity und ihre Eltern und Charitys Onkel Reuben Truman mit seinen drei Töchtern Bess, Mercy und den Nachkömmling Polly. Bess, gutaussehend und energisch, hat nach dem Tod ihrer Mutter schon sehr früh die Haushaltsführung übernommen, "good, plain, sensible" Mercy, zurückhaltend, aber stets bereit auch harte Arbeiten zu übernehmen. Polly, die von Bess etwas verwöhnt wird, ist recht begabt und besonders musikalisch. Reubens Familie wohnt in einigen wenige Räumen des Gutshauses aus dem der Gutsbesitzer  ausgezogen ist, nachdem er sich einen zeitgemäßeren Wohnsitz in einem anderen Dorf geschaffen hat. In demselben Haus aber in getrenntem Haushalt wohnt die alleinerziehende Mrs. Pocock mit ihrer Tochter Stella. Charity bewundert Stella wegen ihrer Schönheit und Anmut, entfremdet sich dann aber von ihr, als sie feststellt, dass diese ziemlich egoistisch ist und vor Unwahrheiten nicht zurückschreckt, wenn sie damit die imponierende Bess herabsetzen kann.

Mrs. Pocock ist eine "bettermost person". "Der Bessergestellte, der immer eine Frau und nie ein Mann war, gehörte nicht, wie man annehmen könnte, zu den oberen Rängen der Gesellschaft. Diejenigen, die an der Spitze der sozialen Rangliste standen, wurden immer als 'gentry' (Adelige) bezeichnet, und nach ihnen folgten mehrere Stufen, die alle noch höher als die 'Bessergestellten' waren. Mit diesem Begriff wurde in dieser Gegend jeder bezeichnet, der sich auch nur geringfügig von der allgemeinen Armut abhob, vorausgesetzt, er zeigte durch seine Lebensweise, dass er sich seiner vermeintlichen Überlegenheit bewusst war. Die besser gestellte Person stand nicht auf ihrer Türschwelle, um zu tratschen; sie lud  andere ihrer Art zum Tee ein, hinter gestärkten weißen Spitzenvorhängen. Wenn sie einkaufen ging, nahm sie mit Selbstverständlichkeit den Vordersitz neben dem Fahrer des Wagens als ihr Recht ein und wandte der klatschenden Menge auf den hinteren Plätzen den Rücken zu, wenn auch nicht immer ein taubes Ohr." ["The bettermost person, who was always a woman, never a man, was not, as might be supposes, one belonging to the upper ranks of society. Thosese at the top of the social tree were allways speaken of as 'gentry' and after them, came several grades higher than the bettermost. That term in that locality, was used to describe anyone in ever so slight a degree removed from the general level of poverty, provided thst she herself showed by her manner of living that she was conscious of her own supposed superiority. The bettermost person did not stand upon her doorstep to gossip; she invited another of her own kind to tea behind starches white lace curtains. When she wnt shopping, she took as her right the front seat beside the driver in the carrier's cart and turned her back, if not always a deaf ear, on the gossiping crowd in the back seats."] (S.67/68)

Diese Passage zeigt sehr deutlich, was mir Flora Thompsons so sympathisch macht. Unter Landarbeiterskindern aufgewachsen teilt sie die Werthaltungen dieses Milieus, auch wenn sie aufgrund ihrer schriftstellerischen Begabung und ihrem hohen Interesse an genauer Beobachtung und Beschreibung nie wirklich ganz dazu gehört hat. Sie will nichts 'Besseres' sein, auch wenn sie die Beschränktheit dieser Sicht aufgrund ihres Kontaktes mit anderen Schriftstellern längst erkannt hat. - Als Stadtkind von Anfang an mit 'Bildungsgütern' aufgewachsen, habe ich früh meinen anderen Interessenhorizont von anderen Altersgenossen als schmerzliche Grenze erfahren, aber letztlich meinen nicht aufgeben wollen. Die Schriftstellerin überwindet den Abstand. Dass man ein Milieu nur angemessen schildern könne, wenn man ganz dazu gehört hat, kommt ihr nicht in den Sinn, weil zu wenige dieses Milieus darüber zu schreiben wussten. 

30 März 2024

Martin Buber


Gerhard Wehr: Martin Buber rowohlts monographien 1968
"[...] Vorerst besucht der Vierzehnjährige in Lemberg das polnische Gymnasium, und er taucht damit in den slavischen Kulturraum hinein. Er lernt die polnische Sprache und befreundet sich mit der polnischen Literatur, wohl auch mit der Geschichte der polnischen Freiheitsbewegung (S. 15/16)



Buber als dialogischer Denker
Bei seiner Zusammenstellung für seine dreibändige Werkausgabe (1960) überlegte er Folgendes: 
"Bei der Überlegung, was 'Werk' eigentlich ist, kam er zu der Einsicht, 'Werk' unterscheide sich vom Aufsatz oder vom Essay dadurch, dass es ein in sich Abgeschlossenes, nicht über sich Hinausweisen da sei.
Huber bekannte im Vorwort zum ersten Band:

















































Den ersten Zugang zu einem vertieften Verständnis des Chassidismus hat Buber über seinen Großvater erlangt, der ein sehr guter Kenner dieser religiös mystischen Strömung war. Er sammelte viele Jahre lang chassidische Erzählungen und legte seine Erkenntnisse 1918 in der Schrift Mein Weg zum Chassidismus nieder. Als einen Grundgedanken dieser Strömung formuliert er: "Gott ist in jedem Ding zu schauen und durch jede reine Tat zu erreichen." (S.65)

Die Rolle des Zadikk  innerhalb der Gemeinde der Chassiden beschreibt Wehr (orientiert an Buber) so: "Der Zadikk  ist der Gerechte, der Bewährte, der Vollkommene. An ihm orientiert sich der Fromme als einzelner wie als Gemeinde. Es sind keineswegs nur die Worte der 'Lehre', die über die Lippen des Zadikk gehen. Auch und gerade seine Taten sind Lehre. Der Zadikk selbst ist Menschengestalt gewordene Lehre. Deshalb sind zu jeder Zeit aller Blicke auf ihn und sein Tun gerichtet." (S.67)
"Ziel allen Tuns ist Jichud die Einung, die Verbindung zwischen Gott und seiner Schechina auf Erden. Der Chassid vollzieht im Umgang mit den Dingen dieser Welt diese Einung und Weihung, die in Begriff des Erlöserischen ist. Jichud knüpft nicht an an die etwaige Heilstat eines Gottmenschen. Jichud. ist nicht Nachvollzug sondern originärer Vollzug. Vom Zadikk lernt der Chassid, sein Tagwerk als Jichud. zu vollbringen: Der Mensch wirkt die Einheit Gottes, das heißt: durch ihn vollzieht sich die Einheit des Werdens, die Gotteseinheit der Schöpfung...  Buber legt Wert darauf, Jichud von dem deutlich abzuheben, was man eine magische Handlung nennt. Während der magische Akt die Einwirkung eines Subjekts auf ein Objekt bedeutet, also Machtausübung, meint Jichud die Auswirkung des Objektiven in einer Subjektivität und durch sie: Des Seienden im Werdenden und durch es … Jichud setzt keine besondere Formel, keine besondere Praktik oder Prozedur voraus. Sie ist gar nichts anderes als das gewohnte Leben des Menschen, nur gesammelt und auf die Einung als Ziel gerichtet… Nicht geheime Formelkunde, sondern Allweihe.(S.69)