29 April 2008

Preußische Reformen

Eher "bescheidene Leistungen (S.393) sieht der australische Historiker, wenn er den Ruhm der Reformer im 19. Jahrhundert mir ihren Ergebnissen vergleicht. Im Grunde sei ihnen vor allem wirtschaftliche Deregulierung (S.395/6) gelungen, während bei dem Aufbau von Verfassungsstaaten die Süddeutschen weit erfolgreicher gewesen seien. Dennoch weiß er die Überwindung von Schwierigkeiten und insbesondere auch die Reform des Bildungswesens durch W. v. Humboldt zu schätzen. Den deutschen Zollverein sieht er nicht als wichtige Stufe zu einer wirtschaftlichen Vormachtstellung Preußens, ja er schreibt ihm nicht einmal einen wichtigen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung Preußens zu. Aber die preußischen Politiker hätten bei seiner Vorbereitung gelernt, in deutschen Kategorien zu denken und hätten die "moralische Autorität" Berlins gestärkt (S.454). Preußen habe schon deshalb keine energische Großmachtpolitik betreiben können, weil es nach den Erfahrungen von 1807 und 1812/13 ängstlich bemüht gewesen sei, kein Missfallen Russlands auszulösen.
(Clark: Preußen)

28 April 2008

Preußen - Iron Kingdom

Ein australischer Historiker mit Ausbildung in Cambridge, Christopher Clark, schreibt das neuste Standardwerk über Preußen. Er berichtet über Friedrichs II. schiefe Schlachtordnungen, das Überflügeln und Aufrollen, die ungewöhnliche Disziplin der Infanterie, die Umgruppierungen weit schneller als beim Gegner erlaubte, die Fähigkeit des Feldherrn, in äußerster Gefahr Ruhe zu bewahren, und die, Fehler einzugestehen.
Er bestreitet, dass Preußen den Sonderweg Deutschlands bestimmt habe und sieht nicht Preußen als den Grund für den Untergang Deutschlands, sondern Deutschland als Grund für den Untergang Preußens.
Er teilt mit Fontane die Ambivalenz in seiner Sicht auf Preußen, und sieht die Solidarität seiner Bewohner letztlich auf ihre Heimatprovinz gerichtet wie die Fontanes in seinen "Wanderungen durch die Mark Brandenburg".
Deutlich stellt er heraus die hervorragende Rolle, die Preußen in der Goebbelsschen Propaganda spielte, die die Nationalsozialisten als die neuen Preußen feierte. Den "Tag von Potsdam" in der Garnisonkirche vor den Särgen der preußischen Könige (in der Fontanes Armgard v. Barby Woldemar v. Stechlin heiraten will) sieht er als einen gekonnt gewählten Höhepunkt dieser Propaganda. Hindenburg als einen Machtpolitiker, der "nahezu jedes seiner Versprechen" brach (S.743), von 'systematischem Ungehorsam' (S.742) gegenüber seinem Kaiser "nährte Hindenburg bewusst den im ganzen Reich betriebenen Personenkult, der das Bild des unbesiegbaren germanischen Kriegers auf ihn projizierte und die Figur des Kaisers zusehends überschattete und marginalisiert." (S.742)
In der DDR beobachtet er beim Versuch, eine eigene DDR-Nationalität zu begründen, ein Sich-Berufen auf die Reformer von 1813 und nach der Auflösung der DDR-Bezirke das intensive Bemühen der Gemeinden, nicht als Bezirk und nicht als Kreis zusammenzubleiben, sondern zum alten Land zurückzukehren. "Am Ende war nur noch Brandenburg." (S.780)

13 April 2008

Anna Seghers - keine Autorin des sozialistischen Realismus

Anna Seghers kennt man als Autorin von „Das siebte Kreuz“ und in der Tat hat sie nichts Vergleichbares besser geschrieben. Aber Thomas Mann hat sich auf dem Feld der Buddenbrooks auch nicht übertroffen. Dennoch wäre es fragwürdig, wenn er nur auf diesem Felde weitergearbeitet hätte. "Der Zauberberg" und "Joseph und seine Brüder" wären nie entstanden.

Was für neue Bereiche Anna Seghers sich erschlossen hat, zeigte eine Lesung von Monika Melchert in der alten Synagoge in Bensheim-Auerbach, in der sie ihre Blütenlese aus Seghers unter dem Titel „Mit Kafka im Café“ vorstellte. Die Erzählung "Reisebegegnung", auf die sich dieser Titel bezieht, zeigt Seghers in einem neuen Licht, das über ihren halb autobiographischen Text „Der Ausflug der toten Mädchen“, über „Das wirkliche Blau“, die Romane „Die Gefährten“ und „Transit“ hinausweist.
Es lohnt sich, mal wieder Seghers zu lesen.

Jetzt habe ich Die Hochzeit von Haiti gelesen und mich über die beiden anderen Karibischen Geschichten Wiedereinführung der Sklaverei in Guadeloupe. und Das Licht auf dem Galgen informiert. Gut erzählt, aber sie bleiben mir nicht im Gedächtnis, ich werde nicht warm mit Seghers Erzählungen. 
Die historische Figur Toussaint Louverture hat freilich meine volle Sympathie. 
Ein Schwarzer, der als erster nach der Siedlerkolonie der USA  die Unabhängigkeit seines Landes von Kolonialherrschaft in Amerika erreicht und und schon zuvor die Abschaffung der Sklaverei, der verdient eine Erzählung,  die seine Leistung zum Gegenstand hat. Der nüchterne Text der Seghers enttäuscht vielleicht meinen Wunsch auf stärkere Herausstellung seiner Leistung.
Seinen eigenen Charme hat es, dass in dieser Erzählung, in der der erste Sklavenbefreier Amerikas gewürdigt wird, ständig von Negern und auch von dem Negerstaat die Rede ist. Dadurch wird besonders fühlbar, wie unerhört damals die Leistung war, einen Staat zu gründen, der seine Unabhängigkeit ehemaligen Sklaven verdankte.

08 April 2008

Morenga

In seiner Kombination von Dokumenten und literarischer Darstellung erzielt Uwe Timm in Morenga große Wirkung.
Beängstigend aktuell die befremdeten Kommentare der Deutschen, als sie feststellen müssen, dass in der indigenen Bevölkerung nicht das Kokurrenzprinzip, sondern ein Geist gegenseitiger Hilfe und gegenseitigen füreinander Einstehens besteht.