04 August 2013

Liebe und Jean Paul (Hesperus)

[...] wenn nun in diesen ehelustigen und ehelosen Zeiten ein Jüngling, der noch auf seine Messiasin wie ein Jude passet und der noch ohne den höchsten Gegenstand des Herzens ist, von ungefähr mit einer Tanz-Hälfte, mit einer Klubistin oder Associée oder Amtschwester oder sonstigen Mitarbeiterin hundert Seiten in den Wahlverwandtschaften oder in den Hundposttagen lieset – oder mit ihr über den Kleebau oder Seidenbau oder über Kants Prolegomena drei bis vier Briefe wechselt – oder ihr fünfmal den Puder mit dem Pudermesser von der Stirne kehrt – oder neben und mit ihr betäubende Säbelbohnen anbindet – oder gar in der Geisterstunde (die ebensooft zur Schäferstunde wird) über den ersten Grundsatz in der Moral uneins wird: so ist soviel gewiß, daß der besagte Jüngling (wenn anders Feinheit, Gefühl und Besonnenheit einander die Waage in ihm halten) ein wenig toll tun und für die besagte Mitarbeiterin (wenn sie anders nicht mit Höckern des Kopfes oder Herzens an seine Fühlfäden stößet) etwas empfinden muß, das zu warm ist für die Freundschaft und zu unreif für die Liebe, das an jene grenzt, weil es mehre Gegenstände einschließt, und an diese, weil es an dieser stirbt. Und das ist ja eben nichts anders als meine Gesamt- oder Zugleichliebe, die ich sonst Simultan- und Tuttiliebe genannt. Beispiele sind verhaßt: sonst zög' ich meines an. Diese Universalliebe ist ein ungegliederter Fausthandschuh, in den, weil keine Verschläge die vier Finger trennen, jede Hand leichtlich hineinfährt – in die Partialliebe oder in den Fingerhandschuh drängt sich nur eine einzige Hand. Da ich zuerst diese Sache und Insel entdeckt habe: so kann ich ihr den Namen schenken, womit sie andre nennen und rufen müssen. Man soll sie künftighin die Samm- oder Zugleichliebe benamsen, ob ich sie gleich auch, wenn ich und Kolbe wollten, die Präludierliebe – die Maskopei-Zärtlichkeit – die General-Wärme – die Einkindschafttreue nennen lassen könnte. [...]

Gleichwohl konnt' es Jean Paul – es mochte immerhin Platz genug übrig sein – nie so weit treiben, daß er nur in die zwei Koloniekörbe, nämlich in die Herzohren hineingekommen wäre, welches doch das Allerwenigste ist. Weil sein Gesicht zu mager aussieht, die Farbe zu gelb, der Kopf viel voller als die Tasche und sein Einkommen das einer Titular-Berghauptmannschaft ist: so quartieren sie den guten Schelm bloß am kältesten Orte ganz oben unter den Kopf-Mansarden ein, nicht weit von den Haarnadeln – und da sitzt er noch jetzunder und scherzet (schreibend) sein eilftes Kapitel hinaus....

Jean Paul: Hesperus, 1. Heftlein, 11. Hundsposttag

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