Wikipedia: Margaret Mitchell: Vom Winde verweht
Gone with the Wind
Den Film habe ich irgendwann vor Jahrzehnten gesehen, den Roman allenfalls angelesen, jedenfalls nicht mehr in Erinnerung. Mich erstaunte bei Blick in den Roman die Selbstsicherheit des Sklaven Peter, die mich - man wird erstaunen - an das Selbstbewusstsein von Schwarzen bei Faulkner erinnert, die den Weißen Unmündigkeit vorspielen, um sie in ihrem Unglauben zu halten. ("Sprich kein korrektes Englisch!")
Charaktere: Scarlett O'Hara: Die Hauptprotagonistin, eine starke, willensstarke Frau. Suellen und Carreen, ihre Schwestern Rhett Butler: Ein geheimnisvoller und eigenwilliger Geschäftsmann, der eine komplexe Beziehung zu Scarlett hat. Ashley Wilkes: Scarlett's Schwarm, der jedoch Melanie heiratet. Melanie Hamilton: Scarlett's absichtslose "Rivalin" und dann Schwägerin. Mammy: Scarletts treue Sklavin und Vertraute - Onkel Peter: Der Haussklave der seiner entscheidungsschwachen Herrin alle Entscheidungen abnimmt und so auch die Erziehung der Kinder in die Hand nimmt.
Wie die Sehweise im gesamten Roman ist, kann ich noch nicht beurteilen.
Wikipedia: Kritik an der Sicht des Romans auf die Sklaverei
Die Darstellung der historischen Abläufe im Roman erfolgt aus der Perspektive der Protagonisten, also der der besiegten weißen Südstaatler. Alan T. Nolan kritisiert daher in The Myth of the Lost Cause and Civil War History, dass die Darstellung einem einseitig prosüdlichen Narrativ folge. Die Sklaverei und die Rolle des Ku Klux Klan nach dem Sezessionskrieg würden beschönigt, die Reconstruction und die nordstaatlichen Soldaten dagegen negativ dargestellt. Der Roman folge in diesem Sinne den typischen Topoi des Lost Cause und gebe nicht die historischen Tatsachen wieder.[9]
Sonja Zekri beurteilt den Roman als „modern in der Frauenfrage und archaisch im Verhältnis zwischen Schwarz und Weiß“: Mit der repressiven Idealisierung der Südstaatenfrauen habe Mitchell nichts anfangen können, das zeige schon ihre Protagonistin. Scarlett O’Hara habe sie als eine lebenshungrige, unzerstörbare, mehrfach verheiratete, erfolgreiche Geschäftsfrau gezeichnet, habe „die übliche männliche Enttäuschung darüber, dass eine Frau über ein Gehirn verfügt“ ironisiert (so Mitchell). Auf der anderen Seite sei es ein rassistisches Buch. Entgegen entschuldigender Rede sei die Sklaverei durchaus Thema gewesen. Ausgerechnet in einer Zeit, in der der Süden die Rassentrennung gesetzlich verankerte, habe Mitchell den Weißen alle Schuldgefühle genommen. In Form einer Romancing Slavery strahle Sklaverei im warmen Licht einer idealen Gemeinschaft. Mammy, Pork und die anderen Sklaven wüssten die Geborgenheit und Fürsorge der weißen Besitzer zu schätzen und fürchteten nichts so sehr wie die Yankees. „Die Besseren unter ihnen verschmähten ihre Freiheit und litten genauso wie ihre weiße Herrschaft“, so Mitchell.[10]
Die Darstellung ist spannend, und es ist klar, warum des Buch ein Weltbestseller und von Nazis hochgelobt worden ist.
Für mich liegt der Wert des Buches darin, dass es mit seiner Schilderung aus der äußerst parteiischen Sicht einer Südstaatlerin, aufzeigt, wie leicht man sich Gewissenlosigkeit als Tugend umdeuten kann. Schon 1936 wird also der Leser zur Identifikation mit der Hauptperson verführt. Insofern ist also Himmlers Rede vom Holokaust als menschliche Großtat vorbereitet.
Allerdings Rhett Butler spricht (anders als Himmler) deutlich aus, dass er keinerlei moralische Rücksichten kennt, wenn es um seinen Vorteil geht, und sagt, dass er an Scarlet schätzt, dass sie genauso denkt. Scarlett ihrerseits fühlt sich darin von Butler durchschaut.
Ob Margaret Mitchell ihrerseits sich so sehr mit der Südstaatensicht identifiziert, dass sie Scarlett benutzen will, um den Leser ganz für dies Narrativ zu gewinnen, vermag ich weiterhin noch nicht zu beurteilen.* Für mich wird aber deutlich, dass diese Sicht sich nicht mit den Menschenrechten vereinbaren lässt. Das erleichtert es, zu erkennen, wie groß die Verführbarkeit zu menschenfeindlichen Ideologien ist. Es ist nicht Dummheit, sondern menschliche Verführbarkeit, die hier vorgeführt wird.
Inzwischen bin ich freilich auf Passagen gestoßen, die dafür sprechen, dass Mitchell ihre eigene Ansicht wiedergibt:
* "Nur
für die Sklaven gab es noch Gesetz und Recht. Der Süden lag vor den
Yankees im Staub, und dabei sollte es bleiben. Es war, als habe eine
boshafte Riesenhand dieses Land niedergeworfen, und die Herren von
einst waren hilfloser, als ihre früheren Sklaven je gewesen
waren. (S.10
832)
Die Zeitungen
wurden so scharf beaufsichtigt, daß öffentlich nicht gegen die
Ungerechtigkeit und Räubereien des Militärs Verwahrung eingelegt
werden konnte, und wenn ein einzelner sich zur Wehr setzte, stand
Gefängnis darauf. In den Gefängnissen wimmelte es von angesehenen
Bürgern, und sie blieben dort ohne jede Hoffnung auf baldige
Aburteilung. (S.10 840)
Mit Hilfe der
gewissenlosen Abenteurer, die in der Freilassungsbehörde saßen, und
unterstützt durch den Haß der Nordstaaten, der in seinem Fanatismus
fast etwas Religiöses hatte, fanden sich die früheren Ackerknechte
plötzlich im Besitz der Macht. Sie benahmen sich dabei so, wie es
von Köpfen niedrigsten Verstandes zu erwarten war. Gleich Affen und
kleinen Kindern, die man auf Kostbarkeiten losläßt, von deren Wert
sie keinen Begriff hatten, kamen sie außer Rand und Band, sei es aus
viehischer Zerstörungswut, sei es einfach aus Unwissenheit. [...]
Früher hatten ihre weißen Besitzer ihnen befohlen; jetzt hatten sie
eine neue Klasse von Herren, die Behörde und die Schieber, und deren
Befehl lautete: »Ihr seid so gut wie jeder Weiße, also handelt
danach. Sobald ihr den Wahlzettel für die Republikaner abgeben
könnt, bekommt ihr das Eigentum der Weißen. Es ist so gut, als
hättet ihr es schon. Nehmt es, wenn ihr wollt.« (S.10 860)
Die Männer
wurden auf der Straße von betrunkenen Schwarzen angepöbelt, Häuser
und Scheunen nachts in Brand gesteckt, Pferde, Rinder und Hühner
wurden bei helllichtem Tage gestohlen, Verbrechen jeder Art begangen,
und nur wenige Frevler kamen vors Gericht. All diese Schandtaten und
Bedrohungen waren jedoch nichts im Vergleich zu der Gefährdung der
weißen Frauen, die, zum großen Teil durch den Krieg des männlichen
Schutzes beraubt, allein, in abgelegenen Gegenden und an einsamen
Landstraßen wohnten. Die große Anzahl der Sittlichkeitsverbrechen
an Frauen, die fortwährende Gefahr für das Leben ihrer Gattinnen
und Töchter brachte die Männer des Südens in kalte, bebende
Wut…" (S.10 885)
Zitat (engl.)
"[...] "Dis Miss Scarlett, ain' it? Dis hyah Peter, Miss Pitty's coachman. Doan step down in dat mud," he ordered severely, as Scarlett gathered up her skirts preparatory to descending. "You is as bad as Miss Pitty an' she lak a chile 'bout gittin' her feets wet. Lemme cahy you."
He picked Scarlett up with ease despite his apparent frailness and age and, observing Prissy standing on the platform of the train, the baby in her arms, he paused: "Is dat air chile yo' nuss? Miss Scarlett, she too young ter be handlin' Mist' Charles' onlies' baby! But we ten' to dat later. You gal, foller me, an' doan you go drappin' dat baby."
Scarlett submitted meekly to being carried toward the carriage and also to the peremptory manner in which Uncle Peter criticized her and Prissy. As they went through the mud with Prissy sloshing, pouting, after them, she recalled what Charles had said about Uncle Peter.
"He went through all the Mexican campaigns with Father, nursed him when he was wounded—in fact, he saved his life. Uncle Peter practically raised Melanie and me, for we were very young when Father and Mother died. Aunt Pitty had a falling out with her brother, Uncle Henry, about that time, so she came to live with us and take care of us. She is the most helpless soul—just like a sweet grown-up child, and Uncle Peter treats her that way. To save her life, she couldn't make up her mind about anything, so Peter makes it up for her. He was the one who decided I should have a larger allowance when I was fifteen, and he insisted that I should go to Harvard for my senior year, when Uncle Henry wanted me to take my degree at the University. And he decided when Melly was old enough to put up her hair and go to parties. He tells Aunt Pitty when it's too cold or too wet for her to go calling and when she should wear a shawl...He's the smartest old darky I've ever seen and about the most devoted. The only trouble with him is that he owns the three of us, body and soul, and he knows it."
Charles' words were confirmed as Peter climbed onto the box and took the whip.
"Miss Pitty in a state bekase she din' come ter meet you. She's feared you mout not unnerstan' but Ah tole her she an' Miss Melly jes' git splashed wid mud an' ruin dey new dresses an' Ah'd 'splain ter you. Miss Scarlett, you better tek dat chile. Dat lil pickaninny gwine let it drap."
Textzitate (deutsch):
"[...] »Du weißt ganz genau, daß es keinen Krieg gibt!«
Scarlett langweilte sich. »Das ist alles nur Gerede. Ashley Wilkes
und sein Vater haben Pa doch gerade vorige Woche erzählt, daß
unsere Unterhändler in Washington wegen der Konföderierten Staaten
mit Mr. Lincoln zu einem ... einem Freundschaftsvergleich kommen
würden, und überhaupt haben die Yankees viel zu große Angst, mit
uns zu kämpfen. Es gibt keinen Krieg, und ich habe es satt, davon zu
hören.« [...] (S.105)
"[...] Das wellige Land in den Vorbergen Nord-Georgias wurde
in Millionen Kurven gepflügt, damit der schwere Boden nicht in die
Sümpfe am Fluß geschwemmt werde. Das Land war von beängstigender
Röte: nach Regenfällen rot wie Blut, in der Dürre verwandelt in
ziegelfarbenen Staub - der beste Baumwollboden der Welt. Es war ein
liebliches Gelände mit weißen Häusern, friedlich gepflügten
Feldern und trägen gelben Flüssen, doch ein Land voller Gegensätze,
von blendendstem Licht und tiefstem Schatten. [...]" (S.135)
"[...] »Übrigens soll gar nicht seine Verlobung verkündet
werden«, triumphierte Stuart, »sondern Ashleys mit Charlies
Schwester, Miß Melanie!« In Scarletts Gesicht veränderte sich
nichts, nur ihre Lippen wurden weiß wie bei jemandem, der
unvorbereitet einen betäubenden Schlag empfängt und im ersten
Augenblick des Schreckens nicht faßt, was ihm geschieht. Sie sah
Stuart so groß und still an, daß er sie einfach für überrascht
und interessiert hielt und sich nichts dabei dachte. Ein Seelenkenner
war er nie gewesen. [...]" (S.268)
"[...] »Wollen denn Masters beide zu Master Wynder?« ließ
sich jetzt Jeems vernehmen. »Da gibt nicht viel Abendbrot, Köchin
ist tot und sie noch keine neue kaufen, und nun kochen eine
Pflückerin, und die Schwarzen mir erzählen, das die schlechteste
Köchin im ganzen Staat.« »Du meine Güte, warum kaufen sie sich
denn keine neue Köchin?« »Wie sollen denn weißes Bettelpack sich
Farbige kaufen? Die nie mehr als höchstens vier Stück haben.« In
Jeems' Stimme klang unverhohlene Verachtung. Seine eigene
gesellschaftliche Stellung war gesichert, denn Tarletons besaßen
hundert Farbige, und wie alle Sklaven der großen Plantagenbesitzer
sah er auf die kleinen Farmer herab, die nur wenige Sklaven hielten.
»Ich ziehe dir das Fell über die 0hren!« Stuart war wütend. »Daß
du mir Able Wynder nicht 'weißes Pack' nennst! Gewiß ist er
arm, aber durchaus kein Pack, und hol mich der Teufel, wenn ich
erlaube, daß irgend jemand, weiß oder schwarz, wegwerfend von ihm
spricht. Einen besseren Mann gibt es nicht in der Provinz. Warum
hätte die Truppe ihn sonst zum Leutnant gewählt?« [...] (S.366)
"[...] Nun erschien Mammy an der Tür der Halle, ein
riesenhaftes altes Weib, mit kleinen klugen Elefantenaugen. Sie war
eine Farbige reinsten Wassers, glänzend schwarz und den 0'Haras bis
zum letzten Blutstropfen ergeben, Stab und Stütze für Ellen, die
Verzweiflung ihrer drei Töchter, der Schrecken der anderen
Dienstboten. Mammy war eine Schwarze, aber ihr Sittenkodex und ihr
Stolz standen ebenso hoch, ja höher als der ihrer Eigentümer.
Aufgewachsen war sie im Schlafgemach. Solange Robillards, der Mutter
Ellen 0'Haras, einer unnahbar kühlen, vornehmen Französin, die
Kindern und Dienstboten keine Strafe für einen Verstoß gegen die
Schicklichkeit erließ. Mammy war Ellens Amme gewesen und, als Ellen
heiratete, mit ihr aus Savannah nach dem Norden gekommen. Wen Mammy
liebhatte, den züchtigte sie, und da ihre Liebe zu Scarlett und ihr
Stolz auf sie keine Grenzen kannte, so wurde Scarlett eigentlich ohne
Unterbrechung gezüchtigt.[...]" (S.768)
Gerald O'Hara, ein irischer Einwanderer, der wegen Totschlags Irland hatte verlassen müssen und sich mit Poker und Trinkfestigkeit hochgearbeitet hatte:
"[...] Der Diener namens Pork, tiefschwarz und in den erlesensten
Feinheiten der Schneiderkunst beschlagen, fiel ihm in einer Nacht zu,
die er mit einem Pflanzer aus St.-Simons-Island verpokerte, einem
Manne, dessen Kühnheit im Bluffen der Geralds gleichkam, dessen Kopf
aber dem New-0rleans - Rum nicht in gleichem Maße standhielt. Porks
früherer Besitzer erbot sich, ihn um das Doppelte zurückzukaufen,
aber Gerald blieb fest. Mit dem Besitz seines ersten Sklaven und nun
gar des »verdammt noch mal besten Dieners an der ganzen Küste« war
die erste Stufe zur Erfüllung seiner Herzenswünsche erklommen.
Gerald wollte Sklavenhalter und Großgrundbesitzer werden. [...]" (S.840)
"[...] Tom Slattery besaß keine Sklaven. Mit seinen beiden ältesten
Söhnen plagte er sich auf seinen paar Baumwollfeldern ab, während
die Frau und die kleineren Kinder ein Stück Land zu bearbeiten
suchten, welches so etwas wie einen Gemüsegarten vorstellen mochte.
Aus irgendwelchen Gründen mißglückte es mit der Baumwolle
fortwährend, und da Mrs. Slattery beständig ein Kind erwartete,
lieferte der Garten selten genug, um ihre Schar satt zu machen. So
hatte man sich daran gewöhnt, Tom Slattery bei seinen Nachbarn
herumlungern und um Baumwollsamen und eine Speckseite betteln zu
sehen, um sich über Wasser zu halten. Mit dem bißchen Energie, das
er besaß, haßte er seine Nachbarn, weil er aus ihrer Höflichkeit
die Verachtung herausfühlte, haßte er vor allem die hochnäsigen
Schwarzen der Reichen. Die farbigen Bediensteten der Provinz hielten
sich für etwas Besseres als das »weiße Pack«, und ihr
unverblümter Hohn kränkte ihn tief, während ihre gesicherte
Lebensstellung seinen Neid erweckte. Im Gegensatz zu seinem
kümmerlichen Dasein waren diese Schwarzen wohlgenährt und gut
gekleidet, und in Alter und Krankheit wurde für sie gesorgt. Sie
waren stolz auf den Namen ihrer Besitzer und zum größten Teil auch
darauf, Eigentum von Leuten zu sein, die der guten Gesellschaft
angehörten, während Slattery mit allgemeiner Geringschätzung
betrachtet wurde. Er hätte seinen Hof an jeden Pflanzer in der
Provinz für seinen dreifachen Wert verkaufen können; man hätte das
Geld gern daran gewendet, um ihn los zu sein. Ihm aber war es eine
Genugtuung und ein Trotz, zu bleiben und von dem Ertrag eines Ballens
Baumwolle und der Wohltätigkeit seiner Nachbarn sein Leben zu
fristen. Mit allen anderen in der Provinz stand Gerald auf
freundschaftlichem Fuß, und mit einigen war er eng vertraut. Wilkes,
Calverts, Tarletons, Fontaines, alle freuten sich, wenn die
gedrungene Gestalt auf dem schweren Schimmel ihre Auffahrt
heraufgaloppiert kam. Man lächelte und ließ die hohen Gläser
kommen, in die ein Gläschen Bourbon-Whisky über einen Teelöffel
Zucker und etwas zerquetschte Pfefferminze gegossen war. Man mußte
Gerald gern haben, und mit der Zeit entdeckten auch die Nachbarn, was
die Kinder, Farbige und Hunde auf den ersten Blick herausgehabt
hatten, daß hinter der lärmenden Stimme und der rauhen
Formlosigkeit ein gütiges Herz, ein verständnisvolles 0hr und eine
offene Brieftasche zu finden waren. Bei seiner Ankunft ging es
jedesmal wie in einem Tollhaus zu. Hunde bellten, schwarze Kinder
jauchzten, wenn sie ihm entgegenliefen, stritten sich darum, sein
Pferd halten zu dürfen, und grinsten über seine gutmütigen Flüche.
Die weißen Kinder wollten auf seinem Knie reiten, während er mit
ihren Eltern über die Niedertracht der Yankees schimpfte. Die
Töchter seiner Freunde vertrauten ihm ihre Liebesgeschichten an, die
Söhne, die Angst hatten, ihre Spielschulden im Arbeitszimmer des
Vaters zu gestehen, hatten an ihm einen Helfer in der Not. [...]" (S.870)
"[...] Tara verlangte gebieterisch nach einer Hausfrau. Die dicke Köchin,
eine Schwarze vom Feld, die nur, weil irgend jemand die Küche
versorgen mußte, zur Köchin befördert war, brachte das Essen nie
zur rechten Zeit auf den Tisch, und das Hausmädchen, eine frühere
Pflückerin, ließ den Staub sich auf den Möbeln häufen und hatte
nie reine Wäsche zur Hand, so daß jedesmal, wenn Gäste kamen,
alles drunter und drüber ging. Pork, der einzige ausgebildete
farbige Bedienstete auf Tara, hatte die allgemeine Aufsicht über die
anderen Dienstboten, aber selbst er war im Zusammenleben mit Gerald
allmählich nachlässig geworden. Er hielt Geralds Schlafzimmer in
0rdnung und servierte mit Würde bei Tisch, aber sonst ließ er so
ziemlich alles gehen, wie es wollte. Mit ihrem unfehlbaren
afrikanischen Instinkt hatten die Farbige alle längst heraus, daß
Gerald zu der Sorte von Hunden gehörte, die bellen und nicht beißen.
Das nutzten sie schamlos aus. Fortwährend wurden zwar von Gerald
schreckliche Drohungen, die Sklaven nach dem Süden zu verkaufen oder
durchzupeitschen, ausgestoßen, aber noch nie war ein Sklave aus T
ara verkauft worden, und gepeitscht wurde nur ein einziges Mal, weil
Geralds Lieblingspferd nach einem langen Jagdtag nicht gepflegt
worden war. Gerald sah mit seinen scharfen blauen Augen, wie gut bei
seinen Nachbarn der Haushalt aufgezogen war und wie die Frauen mit
dem glatten Haar und den rauschenden Seidenkleidern ihre Dienstboten
zu regieren verstanden. Er wußte nicht, wie gehetzt diese Frauen von
Sonnenaufgang bis Mitternacht waren, wie angekettet an ihre Pflicht,
Küche, Kinderzimmer, Nähstube und Waschraum unter steter Aufsicht
zu halten. Er sah nur das äußere Ergebnis, und das machte ihm
Eindruck. Wie nötig er eine Frau hatte, wurde ihm eines Morgens
klar, als er sich anzog, um zum Gerichtstag in die Stadt zu reiten.
Pork hatte das gefältelte Hemd herausgesucht, aber es war von dem
Mädchen so schlecht ausgebessert worden, das höchstens der Diener
es noch tragen konnte. »Master Gerald«, sagte Pork und rollte das
geschenkte Hemd mit Danksagungen zusammen, während Gerald vor Zorn
kochte, »was Sie brauken, sein eine Frau und eine dicke Menge
farbige Bedienstete.« [...]" (S.930)
"[...] »Sie haben ihn vertrieben. Vater, Pauline und Eulalia. Sie trieben ihn fort! Ich hasse sie alle, alle! Ich will sie nie wiedersehen! Weg will ich, weg und keinen von ihnen wiedersehen, weder die Stadt noch irgend etwas, was mich an ihn erinnert.«
Als die Nacht fast vorüber war, hatte Mammy, die sich über den Kummer ihrer Herrin selbst die Augen ausgeweint hatte, Einspruch erhoben: »Aber Liebling, das kannst du nicht.« »Das will ich aber. Mr. 0'Hara ist ein guter Mann. Ich tue es, oder ich gehe nach Charleston ins Kloster.«
Die Drohung mit dem Kloster gewann schließlich die Zustimmung des ganz verstörten, tiefgetroffenen Pierre Robillard. Er war strenger Presbyterianer, trotz seiner katholischen Familie, und der Gedanke, seine Tochter könnte Nonne werden, war ihm schrecklicher als die Heirat mit Gerald 0'Hara. Schließlich war ja gegen den Mann nichts weiter einzuwenden, als daß er nicht aus bester Familie stammte. So kam es, daß Ellen Savannah den Rücken kehrte, um es niemals wiederzusehen, und mit ihrem nicht mehr jungen Mann, mit Mammy und zwanzig bediensteten Farbigen nach Tara reiste. Im nächsten Jahr wurde das erste Kind geboren. Sie nannten es Katie Scarlett nach Geralds Mutter. Gerald war enttäuscht, weil er sich einen Sohn gewünscht hatte, aber er freute sich dann doch so sehr über die kleine schwarzhaarige Tochter, daß er jedem Sklaven auf Tara Rum ausschenken ließ und sich selbst einen tosenden, seligen Rausch antrank. (S.941)
Wenn Ellen ihren jähen Entschluß je bedauerte, so bekam es jedenfalls niemand zu wissen, am allerwenigsten Gerald, der vor Stolz schier bersten wollte, sooft er sie ansah. Ellen hatte Savannah und seine Erinnerungen hinter sich gelassen, und von dem Augenblick ihrer Ankunft auf Tara an wurde Nordgeorgia ihre Heimat. Ihr Vaterhaus, das sie auf immer verlassen hatte, war in seinen Umrissen schön und fließend wie ein Frauenleib oder wie ein Schiff mit vollen Segeln gewesen: ein blaßrosa Stuckhaus im französischen Kolonialstil, das zierlich vom Boden aufragte, mit geschwungenen Treppen und spitzenzarten Geländern; ein dämmeriges, üppiges Haus, freundlich und unnahbar. Mit ihm zugleich hatte sie die ganze Kultur zurückgelassen, die dort beheimatet war, und sie fand sich in einer so fremden Welt wieder, als hätte sie einen ganzenErdteil durchquert. Nordgeorgia war ein rauhes Land, bewohnt von einem wetterharten Volk. Auf der Hochebene, am Fuß der Blue Ridge Mountains, wogten die rötlichen Hügel, so weit das Auge reichte. Riesige Blöcke des granitenen Kerns traten überall daraus hervor, von hageren Pechkiefern überragt. [...]" (S.949)
"Für ihr Auge war das alles wild und unbändig. Es war die Küste gewohnt, die ruhige Urwaldschönheit der Inseln mit ihrer Hülle von weichem Moos und wucherndem Grün, den weißen Strand unter der tropischen Sonne, den weiten Blick über das flache, sandige Land mit seinen hohen zierlichen Palmen. Hier aber war eine Gegend, die Winterfrost und Sommerhitze kannte, und die Kraft und Tüchtigkeit der Bewohner waren ihr fremd. Freundliche Leute waren es, großherzig und von guter Laune, aber derb und aufbrausend. Die Küstenbewohner konnten sich wohl rühmen, all ihre Angelegenheiten, bis zu ihren Fehden und Duellen, mit lächelnder Anmut zu betreiben; die Leute von Nordgeorgia hatten einen Schuß Gewalttätigkeit im Blut. An der Küste schien das Leben vom Alter gereift. Hier war alles jung, lustig, frisch und rauh. Die Leute von Savannah waren alle aus gleichem Guß, gleich nach Anschauung und Herkommen, während es hier ein buntes Gemisch von Typen gab. Aus den verschiedensten Gegend en waren die Leute nach Nordgeorgia gekommen, aus anderen Teilen der Provinz, aus den beiden Carolinas und Virginia, aus Europa und vom Norden her. Einige davon waren, wie Gerald, von unverbrauchtem Blut, das hier sein Glück suchte, einige, wie Ellen, Kinder alter Geschlechter, die im Vaterhaus das Leben unerträglich gefunden und in der Ferne eine Zuflucht gesucht hatten. Viele waren ohne jeden Grund eingewandert, das rastlose Blut ihrer Väter, der Pioniere in der Wildnis, [...]" (S. 963)
"Baumwolle war das Herzblut des Landes, Baumwollaussaat und Baumwollernte der Pulsschlag der roten Erde. Aus den gekrümmten Furchen wuchsen Reichtum und Hochmut. Wenn Baumwolle schon in der ersten Generation so reich machte, wieviel reicher mußte erst die nächste werden! Die Gewißheit über den morgigen Tag gab dem Leben einen prickelnden, hohen Schwung, und die Leute genossen es so herzhaft, wie Ellen es nie begreifen konnte. Sie hatten Geld und Sklaven in Hülle und Fülle und damit Zeit genug zum Spiel, und spielen taten sie gern. Nie waren sie zu beschäftigt, [...]" (S.1,020)
"[...] »Eine kleine Dame, die die Stirn runzelt und das Kinn auf wirft und sagt 'ich will' und 'ich will nicht', kriegt keinen Mann ab«, prophezeite Mammy düster, »so eine kleine Dame soll die Augen niederschlagen und sagen 'gewiß doch' und 'Sie haben ganz recht'.« So gut sie vermochten, lehrten sie sie alles, was eine Dame wissen sollte; Scarlett aber begriff nur den äußeren Schein. Die Herzensanmut, aus der die äußere Form wachsen sollte, lernte sie nie und sah auch keinen Grund ein, sie zu lernen. Der äußere Schein genügte, die damenhaften Formen machten sie beliebt, und mehr verlangte sie nicht. Gerald prahlte damit, daß sie in fünf Provinzen die gefeiertste Schönheit sei, und nicht mit Unrecht. Fast alle jungen Männer aus der Nachbarschaft und viele von weither, aus Atlanta und Savannah, hatten ihr Heiratsanträge gemacht. Mit sechzehn Jahren sah sie, dank Mammy und Ellen, liebreizend und fügsam aus, in Wirklichkeit aber war sie eigensinnig und eitel. Sie hatte die leichterregbare Leidenschaftlichkeit ihres Vaters, aber von dem selbstlosen, duldsamen Wesen ihrer Mutter nur eine dünne Politur. Das wurde Ellen nie ganz bewußt, denn vor ihrer Mutter zeigte sie sich stets von der besten Seite, verbarg ihre Sprunghaftigkeit, unterdrückte ihren Zorn und war so sanft, wie sie nur konnte, denn ein vorwurfsvoller Blick der Mutter konnte sie bis zu Tränen beschämen." (S.1,044)
"Scarlett wollte von Herzen gern so werden wie ihre Mutter; nur gab es da eine Schwierigkeit: wer gerecht und wahrhaftig, liebevoll und selbstlos war, dem entgingen die meisten Freuden des Lebens und vor allem viele Verehrer. Das Leben aber war zu kurz, als daß man so erfreuliche Dinge versäumen durfte. Später einmal, wenn sie erst Ashleys Frau und älter war, später, wenn sie für so etwas Zeit hatte, wollte sie so sein wie Ellen. Bis dahin ... " (S.1,072)
Porks Frau Dilcey:
"Dilcey war groß und hielt sich sehr gerade. Sie hätte in jedem Alter zwischen dreißig und sechzig sein können, so glatt war ihr unbewegliches, bronzefarbenes Gesicht. Ihren Zügen sah man deutlich das Indianerblut an, das die Merkmale des Farbigen überwog. Die rote Haut, die schmale, hohe Stirn, die hervortretenden Backenknochen und die Habichtsnase, deren unteres Ende über wulstigen Lippen hing, alles verriet die Mischung der beiden Rassen. Sie trug sich mit einer selbstbeherrschten Würde, die selbst Mammys übertraf. Mammy hatte sich ihre Würde anerzogen, Dilcey lag sie im Blut. Wenn sie sprach, klang ihre Stimme nicht so verschliffen wie bei den meisten Farbigen, auch wählte sie ihre Worte sorgfältiger aus." (S.1,197)
Scarlet über Ashley:
»Woher sollte er es denn wissen? Ich habe mich ihm gegenüber immer so zimperlich und damenhaft benommen und bin in seiner Gegenwart ein solches Rührmichnichtan gewesen, daß er wahrscheinlich denkt, ich mache mir nichts aus ihm, außer höchstens als Freund. Natürlich, darum hat er nie etwas gesagt! Er hält seine Liebe für hoffnungslos, und darum ...« Geschwind eilten die Gedanken zurück in jene Zeiten, da sie ihn dabei ertappt hatte, wie er sie so seltsam ansah, da die grauen Augen, die seine Gedanken sonst so vollständig verhüllten, offen und nackt vor ihr gelegen hatten mit einem Blick voller Qual und Verzweiflung. »Er denkt, ich sei in Brent, Stuart oder Cade verliebt, daher sein enttäuschtes Herz. Und wenn er mich doch nicht haben kann, meint er sicherlich, er könne seiner Familie zu Gefallen ebensogut Melanie heiraten. Wenn er aber wüßte, daß ich ihn liebe ...« Ihr bewegliches Gemüt schnellte aus tiefster Niedergeschlagenheit empor zu seliger Erregung. Das also war die Erklärung für Ashleys Stillschweigen, für sein seltsames Verhalten. Er wußte nicht! Ihre Eitelkeit kam ihrem Wunsch zu Hilfe, Glaube wurde Sicherheit. Wenn er nur wüßte, daß sie ihn liebte, käme er eilends zu ihr. Sie brauchte nur ... »Ach!« dachte sie überglücklich und grub ihre Finger in die gesenkte Stirn. »Ich Dummkopf, warum fällt mir das jetzt erst ein! Ich muß mir etwas ausdenken, um es ihn wissen zu lassen. Er heiratet sie sicher nicht, wenn er weiß, daß ich ihn liebe! Wie könnte er denn?« [...]" (S. 1 424)
"So aufgeregt und glücklich war sie heute morgen, daß sie mit Gerald zugleich die ganze Welt liebhatte. Sie war hübsch und wußte es genau. Ehe der Tag verging, war Ashley ihr eigen." (S.2 003)
Text (engl.)
"[...] "Dis Miss Scarlett, ain' it? Dis hyah Peter, Miss Pitty's coachman. Doan step down in dat mud," he ordered severely, as Scarlett gathered up her skirts preparatory to descending. "You is as bad as Miss Pitty an' she lak a chile 'bout gittin' her feets wet. Lemme cahy you."
He picked Scarlett up with ease despite his apparent frailness and age and, observing Prissy standing on the platform of the train, the baby in her arms, he paused: "Is dat air chile yo' nuss? Miss Scarlett, she too young ter be handlin' Mist' Charles' onlies' baby! But we ten' to dat later. You gal, foller me, an' doan you go drappin' dat baby."
Scarlett submitted meekly to being carried toward the carriage and also to the peremptory manner in which Uncle Peter criticized her and Prissy. As they went through the mud with Prissy sloshing, pouting, after them, she recalled what Charles had said about Uncle Peter.
"He went through all the Mexican campaigns with Father, nursed him when he was wounded—in fact, he saved his life. Uncle Peter practically raised Melanie and me, for we were very young when Father and Mother died. Aunt Pitty had a falling out with her brother, Uncle Henry, about that time, so she came to live with us and take care of us. She is the most helpless soul—just like a sweet grown-up child, and Uncle Peter treats her that way. To save her life, she couldn't make up her mind about anything, so Peter makes it up for her. He was the one who decided I should have a larger allowance when I was fifteen, and he insisted that I should go to Harvard for my senior year, when Uncle Henry wanted me to take my degree at the University. And he decided when Melly was old enough to put up her hair and go to parties. He tells Aunt Pitty when it's too cold or too wet for her to go calling and when she should wear a shawl...He's the smartest old darky I've ever seen and about the most devoted. The only trouble with him is that he owns the three of us, body and soul, and he knows it."
Charles' words were confirmed as Peter climbed onto the box and took the whip.
"Miss Pitty in a state bekase she din' come ter meet you. She's feared you mout not unnerstan' but Ah tole her she an' Miss Melly jes' git splashed wid mud an' ruin dey new dresses an' Ah'd 'splain ter you. Miss Scarlett, you better tek dat chile. Dat lil pickaninny gwine let it drap."
Scarlett looked at Prissy and sighed. Prissy was not the most adequate of nurses. Her recent graduation from a skinny pickaninny with brief skirts and stiffly wrapped braids into the dignity of a calico dress and starched white turban was an intoxicating affair. She would never have arrived at this eminence so early in life had not the exigencies of war and the demands of the commissary department on Tara made it impossible for Ellen to spare Mammy or Dilcey or even Rosa or Teena. Prissy had never been more than a mile away from Twelve Oaks or Tara before, and the trip on the train plus her elevation to nurse was almost more than the brain in her little black skull could bear. The twenty-mile journey from Jonesboro to Atlanta had so excited her that Scarlett had been forced to hold the baby all the way. Now, the sight of so many buildings and people completed Prissy's demoralization. She twisted from side to side, pointed, bounced about and so jounced the baby that he wailed miserably.
Scarlett longed for the fat old arms of Mammy. Mammy had only to lay hands on a child and it hushed crying. But Mammy was at Tara and there was nothing Scarlett could do. It was useless for her to take little Wade from Prissy. He yelled just as loudly when she held him as when Prissy did. Besides, he would tug at the ribbons of her bonnet and, no doubt, rumple her dress. So she pretended she had not heard Uncle Peter's suggestion.
"Maybe I'll learn about babies sometime," she thought irritably, as the carriage jolted and swayed out of the morass surrounding the station, "but I'm never going to like fooling with them." And as Wade's face went purple with his squalling, she snapped crossly: "Give him that sugar-tit in your pocket, Priss. Anything to make him hush. I know he's hungry, but I can't do anything about that now."
Prissy produced the sugar-tit, given her that morning by Mammy, and the baby's wails subsided. With quiet restored and with the new sights that met her eyes, Scarlett's spirits began to rise a little. When Uncle Peter finally maneuvered the carriage out of the mudholes and onto Peachtree Street, she felt the first surge of interest she had known in months. How the town had grown! It was not much more than a year since she had last been here, and it did not seem possible that the little Atlanta she knew could have changed so much.
For the past year, she had been so engrossed in her own woes, so bored by any mention of war, she did not know that from the minute the fighting first began, Atlanta had been transformed. The same railroads which had made the town the crossroads of commerce in time of peace were now of vital strategic importance in time of war. Far from the battle lines, the town and its railroads provided the connecting link between the two armies of the Confederacy, the army in Virginia and the army in Tennessee and the West. And Atlanta likewise linked both of the armies with the deeper South from which they drew their supplies. Now, in response to the needs of war, Atlanta had become a manufacturing center, a hospital base and one of the South's chief depots for the collecting of food and supplies for the armies in the field.
Scarlett looked about her for the little town she remembered so well. It was gone. The town she was now seeing was like a baby grown overnight into a busy, sprawling giant.
Atlanta was humming like a beehive, proudly conscious of its importance to the Confederacy, and work was going forward night and day toward turning an agricultural section into an industrial one. Before the war there had been few cotton factories, woolen mills, arsenals and machine shops south of Maryland—a fact of which all Southerners were proud. The South produced statesmen and soldiers, planters and doctors, lawyers and poets, but certainly not engineers or mechanics. Let the Yankees adopt such low callings. But now the Confederate ports were stoppered with Yankee gunboats, only a trickle of blockade-run goods was slipping in from Europe, and the South was desperately trying to manufacture her own war materials. The North could call on the whole world for supplies and for soldiers, and thousands of Irish and Germans were pouring into the Union Army, lured by the bounty money offered by the North. The South could only turn in upon itself. [...]"
gutenberg.net.au/
Wikipedia: Kritik an der Sicht des Romans auf die Sklaverei
Die Darstellung der historischen Abläufe im Roman erfolgt aus der Perspektive der Protagonisten, also der der besiegten weißen Südstaatler. Alan T. Nolan kritisiert daher in The Myth of the Lost Cause and Civil War History, dass die Darstellung einem einseitig prosüdlichen Narrativ folge. Die Sklaverei und die Rolle des Ku Klux Klan nach dem Sezessionskrieg würden beschönigt, die Reconstruction und die nordstaatlichen Soldaten dagegen negativ dargestellt. Der Roman folge in diesem Sinne den typischen Topoi des Lost Cause und gebe nicht die historischen Tatsachen wieder.[9]
Sonja Zekri beurteilt den Roman als „modern in der Frauenfrage und archaisch im Verhältnis zwischen Schwarz und Weiß“: Mit der repressiven Idealisierung der Südstaatenfrauen habe Mitchell nichts anfangen können, das zeige schon ihre Protagonistin. Scarlett O’Hara habe sie als eine lebenshungrige, unzerstörbare, mehrfach verheiratete, erfolgreiche Geschäftsfrau gezeichnet, habe „die übliche männliche Enttäuschung darüber, dass eine Frau über ein Gehirn verfügt“ ironisiert (so Mitchell). Auf der anderen Seite sei es ein rassistisches Buch. Entgegen entschuldigender Rede sei die Sklaverei durchaus Thema gewesen. Ausgerechnet in einer Zeit, in der der Süden die Rassentrennung gesetzlich verankerte, habe Mitchell den Weißen alle Schuldgefühle genommen. In Form einer Romancing Slavery strahle Sklaverei im warmen Licht einer idealen Gemeinschaft. Mammy, Pork und die anderen Sklaven wüssten die Geborgenheit und Fürsorge der weißen Besitzer zu schätzen und fürchteten nichts so sehr wie die Yankees. „Die Besseren unter ihnen verschmähten ihre Freiheit und litten genauso wie ihre weiße Herrschaft“, so Mitchell.[10]
noch unkorrigiert:
»Nun, Scarlett?« Ashleys Stimme drang durch das Dröhnen in
ihren Ohren zu ihr und stürzte sie in äußerste Verwirrung. Er
stand in der Halle und schaute durch den Türspalt zu ihr herein, ein
belustigtes Lächeln auf den Lippen. »Vor wem versteckst du dich? Vor
Charles oder vor den Tarletons?« Sie schluckte. Er hatte also
bemerkt, wie die Männer sie umschwärmt hatten! Wie unaussprechlich
lieb stand er da mit seinen lächelnden Augen; wie aufgeregt sie war!
Sie konnte nicht sprechen, sie streckte nur die Hand aus und zog ihn
herein. Er trat ein, erstaunt, aber voller Neugierde. In ihrer
Erscheinung lag etwas Gespanntes, in ihren Augen eine Glut, wie er
sie nie an ihr gesehen hatte, und sogar in dem gedämpften Licht war
die Röte ihrer Wangen sichtbar. Unwillkürlich schloß er die Tür
hinter sich und faßte ihre Hand. »Was ist?« fragte er fast
flüsternd. Als seine Hand sie berührte, erbebte sie. Jetzt würde
es geschehen, genau wie sie es sich erträumt hatte. Tausend
zusammenhanglose Gedanken schossen ihr durch den Sinn, nicht einen
davon konnte sie fassen und in Worte kleiden. Sie konnte nur bebend
zu ihm aufblicken. Warum sagte er nichts? »Was ist?« wiederholte
er. »Willst du mir ein Geheimnis sagen?« Plötzlich hatte sie ihre
Sprache wiedergefunden, und ebenso plötzlich fiel Ellens jahrelange
Erziehung von ihr ab, und Geralds irisches Blut brach ohne Hemmung
aus ihr hervor. »Ja ... ein Geheimnis. Ich liebe dich.« Einen
Augenblick war es so überwältigend still zwischen ihnen, als hätten
beide aufgehört zu atmen. Dann kam ihr zitterndes Wesen zur Ruhe,
und Glück und Stolz erfüllten sie ganz. Warum hatte sie das nicht
eher getan? Wieviel einfacher war dies als all die damenhaften
Winkelzüge, die man sie gelehrt hatte. Und nun suchten ihre Augen
die seinen. Seine Augen waren bestürzt, ungläubig und ... was noch?
So hatte Gerald geblickt an dem Tage, da sein Lieblingspferd sich das
Bein gebrochen hatte und er es erschießen mußte. Warum kam ihr das
jetzt in den Sinn? Ein dummer Gedanke! Warum sah Ashley so sonderbar
aus und sagte nichts? Dann fiel etwas wie eine Maske über sein
Gesicht. Er lächelte galant. »Genügt es dir denn nicht, jedes
andern Mannes Herz heute gewonnen zu haben?« sagte er in dem alten,
zärtlichen Neckton. »Nun, mein Herz hat dir immer gehört, das
weißt du. Du hast dir die Zähne daran gewetzt.« Da ging etwas
verkehrt ... ganz verkehrt! So war es nicht geplant. Aus dem tollen
Gedankensturm in ihrem Hirn begann eine Vorstellung Gestalt zu
gewinnen. Irgendwie ... aus irgendeinem Grunde ... handelte Ashley
so, als dächte er, sie wollte nur mit ihm spielen. Dabei wußte er,
daß das nicht der Fall war. Darüber täuschte sie sich nicht.
(S.2,618)
Wenn jemand aus den Südstaaten einmal seinen Koffer packte und
zwanzig Meilen auf Besuch reiste, so dauerte ein solcher Besuch
selten kürzer als einen Monat, meist aber länger. Die Leute waren
ebenso begeistert Gast wie Gastgeber, und es war nichts
Ungewöhnliches, daß Verwandte zu den Weihnachtsferien kamen und bis
in den Juli hinein blieben. Junge Paare, die auf der Hochzeitsreise
ihre übliche Besuchsrunde machten, blieben oft, wenn es ihnen
irgendwo gefiel, bis zur Geburt des zweiten Kindes. Häufig kamen
ältere Tanten und 0nkel am Sonntag zum Mittagessen und blieben, bis
sie Jahre später begraben wurden. Ein Gast war kein Problem. Das
Haus war groß, die Dienstboten waren zahlreich, und einige Mäuler
mehr zu sättigen war in dem Lande des Überflusses eine Kleinigkeit.
(S.2,689
Ein Land, wo die Männer zufrieden waren, wo ihnen nicht
widersprochen und sie in ihr er Eitelkeit nicht verletzt wurden,
mußte ein angenehmer Aufenthaltsort für Frauen sein. Das wußten
sie und richteten sich danach. Die Männer vergalten es ihnen
reichlich mit Ritterlichkeit und Verehrung. Sie gönnten den Damen
von Herzen alles in der Welt, nur nicht ihren Verstand. Scarlett ließ
dieselben Künste wie Melanie spielen, jedoch mit vollendeter
Geschicklichkeit. Der Unterschied zwischen den beiden Mädchen
bestand darin, daß Melanie die Menschen, Scarlett aber sich selber
glücklich machen wollte.
(S.2,700)
Scarlett war erst siebzehn Jahre und von prachtvoller Gesundheit
und Lebenskraft, und Charles' Familie tat das Menschenmögliche, um
sie glücklich zu machen. Wenn es nicht ganz gelang, so war das nicht
ihre Schuld, denn niemand konnte die Wunde in ihrem Herzen heilen,
die zu schmerzen begann, sobald Ashleys Name genannt wurde. Und
Melanie nannte ihn so oft! Aber Melanie und Pitty waren unermüdlich,
immer neue Linderungsmittel für den Kummer herauszufinden, mit dem
sie sich nach ihrer Meinung herumquälte. Sie taten alles, um sie zu
zerstreuen. Sie nahmen es peinlich genau mit ihrer Ernährung, mit
ihrer Ruhe und ihren Spazierfahrten. Sie bewunderten nicht nur über
die Maßen Scarletts Temperament, ihren schlanken Wuchs, ihre
zierlichen Hände und Füße, ihre weiße Haut, sondern sagten es ihr
auch oft und streichelten und umschmeichelten und küßten sie immer
aufs neue. An Liebkosungen lag Scarlett nichts, aber sie sonnte sich
in den Schmeicheleien.
(S.2,767
Sie war siebzehn Jahre alt, und ihre Füße warteten noch auf
viele ungetanzte Tänze. Das Leben ging in grauen Uniformen, mit
Sporengeklirr, in geblümten 0rgandykleidem und mit Banjoklang an ihr
vorüber.
(S.2,903)
In dem Lärm und Durcheinander der Stimmen war fast nichts mehr zu
verstehen, und als spürte der alte Levi die freudige Erregung des
Augenblicks, brach er »Lorena« mitten im Takt ab, gab ein lautes
Klopfzeichen mit dem Bogen, und das 0rchester spielte, als ginge es
ums Leben, die »Schöne blaue Flagge«. Hunderte stimmten ein,
sangen mit, jubelten das Lied wie einen einzigen Hochruf.
(S.2,917)
Wie konnte denn der Heimat ein Unglück widerfahren, wenn diese
hochgemute graue Mauer der heldenhaftesten und ritterlichsten Männer,
die je auf der Welt gelebt hatten, sich zwischen ihr und den Yankees
erhob! Aller Herzen waren übervoll von Hingabe und Stolz, übervoll
von der gerechten Sache der Konföderierten, deren endgültiger Sieg
zum Greifen nahe war. »Stonewall« Jacksons Erfolge im Shenandoahtal
und die Niederlage der Yankees in der siebentägigen Schlacht um
Richmond ließen daran keinen Zweifel. Wie konnte das bei solchen
Heerführern wie Lee und Jackson auch anders sein? Noch ein Sieg,
dann lagen die Yankees am Boden und bettelten um Frieden.
(S.2,928
Natürlich stand auch der britische Adel auf seilen der
Konföderierten, wie eben Aristokraten gegen ein Gesindel von
Geldmachern zusammenhielten.
(S.2,930)
Scarletts Herz pochte in der stürmischen Erregung, endlich wieder
unter Menschen zu sein. Aber der Ausdruck einer schwärmerischen
Begeisterung auf allen Gesichtern, die sie nicht teilte und nur halb
verstand, dämpfte ihre Freude.
(S.2,935)
Der Krieg kam ihr durchaus nicht als etwas Heiliges, sondern als
etwas sehr Lästiges und Sinnloses vor.
(S.2,945)
Alle andern Männer und Frauen schienen ihr wie benebelt von ihrer
Vaterlandsliebe; sie allein, Scarlett 0'Hara-Hamilton, hatte den
klaren irischen Verstand, der sich nicht bestechen ließ; aber keiner
durfte je die Nüchternheit ihrer Anschauungen erfahren! Welche
Empörung würde es hervorrufen, wenn sie plötzlich aufs Podium
spränge und sagte, der Krieg möge aufhören, damit sie alle wieder
heimkehren und sich um ihre Baumwolle kümmern könnten, damit es
wieder Gesellschaften und Verehrer und blaßgrüne Kleider in Hülle
und Fülle gäbe!
(S.2,962
Sie kam sich in dem heißen schwarzen Taft, der kaum ihre
Handgelenke freiließ und bis ans Kinn zugeknöpft war, wie eine
Krähe vor und mußte geduldig zusehen, wie so viele unscheinbare
Mädchen sich gutaussehenden Männern an den Arm hängten. Und alles,
weil Charles die Masern gehabt hatte. Nicht einmal den Heldentod in
der Schlacht war er gestorben, womit sie wenigstens noch hätte
prahlen können.
(S.2,972
War es nicht ein furchtbarer Unsinn, die ganze Mädchenzeit
hindurch zu lernen, wie man Männer gewinnt, und seine Fähigkeiten
dann nur ein oder zwei Jahre gebrauchen zu dürfen?«
(S.2,979
Die Männer anderer Frauen ließ man gänzlich ungeschoren, um
nicht ins Gerede zu kommen. Aber mit den jungen unverheirateten
Männern war das eine andere Sache! Ihnen konnte man leise zulachen,
mit den Augen konnte man viel Aufregendes versprechen, bis der Mann
Himmel und Erde in Bewegung setzte, um mit einem allein zu sein. War
man aber allein, so konnte man tiefgekränkt oder sehr böse sein,
wenn er zu küssen versuchte. Man konnte ihn dann dazu bringen, sich
zu entschuldigen, daß er sich wie ein Schuft benommen habe, und ihm
so lieb verzeihen, daß es ihm den Kopf vollends verdrehte. Manchmal
ließ man sich auch küssen. Dann weinte man hernach und behauptete,
nicht zu wissen, was über einen gekommen sei, und nun könne er wohl
nie wieder Achtung vor einem haben. Dann trocknete er einem die
nassen Augen und machte meistens einen Heiratsantrag, um so seine
Achtung gleich zu beweisen. 0h, wieviel ließ sich doch mit
Junggesellen anfangen!
(S.3,167
»Ja. Bei unserem ersten, so ereignisreichen Zusammentreffen
dachte ich bei mir selbst, ich hätte endlich ein Mädchen getroffen,
das nicht nur schön, sondern auch mutig ist. Nun aber sehe ich, daß
Sie nur schön sind.« »Soll das etwa heißen, daß ich ein Feigling
bin?« »Allerdings. Sie haben nicht den Mut, zu sagen, was Sie
meinen. Als ich Ihnen zuerst begegnete, dachte ich: da ist unter
Millionen endlich ein Mädchen einmal nicht wie die andern Gänse,
die alles glauben und nachplappern, was Mama ihnen sagt, einerlei,
was sie dabei empfinden, die alle ihre Gefühle unter einem Strom von
süßer Heuchelei verbergen; ich dachte, Miß 0'Hara ist ein Mädchen
von seltenem Temperament, sie weiß, was sie will, und scheut sich
nicht, es auszusprechen - oder Vasen zu zerschmeißen. « »Dann«,
sagte sie mit aufbrechender Wut, »werde ich Ihnen auf der Stelle
sagen, was ich von Ihnen denke. Wenn Sie überhaupt eine Spur von
Kinderstube hätten, dann wären Sie nie hergekommen und hätten nie
mit mir gesprochen, dann hätten Sie gewußt, daß Sie mir aus den
Augen zu bleiben haben. Aber Sie sind kein Gentleman! Sie sind ein
unerzogener Flegel! Sie meinen, weil Ihre verdammten kleinen Boote
schneller fahren als die der Yankees, hätten Sie ein Recht, tapfere
Männer und Frauen, die alles für die heilige Sache opfern, zu
verhöhnen ...« »Halten Sie ein!« bat er lachend. »Sie fingen
ganz hübsch an und sagten, was Sie dachten, aber nun kommen Sie mir
wieder mit der heiligen Sache. Ich mag nichts mehr davon hören, und
ich wette, Sie auch nicht.
(S.3,187
»Bei mir ist das Blockadebrechen kein Heldentum, sondern
lediglich ein Geschäft. Ich mache Geld damit. Wenn das nicht mehr
geht, nehme ich meinen Abschied. Was halten Sie nun davon?« »Ich
halte Sie für einen ganz gewöhnlichen Dollarjäger, genau wie die
Yankees.« »Genauso!« grinste er. »Die Yankees helfen mir beim
Dollarjagen. Vor einem Monat bin ich mit meinem Boot schnurstracks in
den Hafen von New York gefahren und habe eine Ladung an Bord
genommen.« Wider ihren Willen horchte Scarlett auf. »Wie, und die
Yankees haben Sie nicht in Grund und Boden geschossen?« »Sie
Unschuldsengel, die Yankees dachten gar nicht daran. Es gibt eine
Menge wackerer Patrioten in der Union, die gar nicht abgeneigt sind,
den Konföderierten Waren zu verkaufen und dabei zu Geld zu kommen.
Ich laufe New York an, kaufe bei einer Firma alles Nötige zusammen
und bin wieder verschwunden. Wird mir dort der Boden zu heiß, so
fahre ich nach Nassau, wohin die gleichen Patrioten der Union mir
Pulver, Kanonenkugeln und Reifröcke bringen. Das ist bequemer, als
nach England zu fahren. Manchmal ist es nicht ganz einfach, in
Charleston oder Wilmington damit durchzukommen, aber Sie haben keine
Ahnung, was ein bißchen Gold alles ausrichtet.« »0h, ich wußte,
daß die Yankees gemein sind, ich wußte aber nicht ...« »Wozu
vertuschen, daß die Yankees ein anständiges Stück Geld damit
verdienen, daß sie die Warenbestände der Union ausverkaufen. In
hundert Jahren kräht kein Hahn mehr danach. Daß die Konföderierten
am Ende doch Prügel bekommen, steht fest, und warum sollten diese
Leute dabei nicht verdienen?« »Wir, Prügel?« »Selbstverständlich.
« »Wollen Sie bitte gehen ... oder ich lasse meinen Wagen holen und
fahre nach Hause, umSie loszuwerden.« »Sie hitzköpfige kleine
Rebellin«, sagte er und lachte über das ganze Gesicht. Dann
verbeugte er sich und machte sich gemächlich davon, und sie blieb,
bis zum Rande erfüllt von ohnmächtiger Wut und Empörung, zurück.
Eine Enttäuschung brannte in ihr, aus der sie nicht klug wurde. Es
war die Enttäuschung eines Kindes, das seine Träume in Stücke
gehen sieht. Wie durfte er sich unterstehen zu behaupten, die
Konföderierten würden Prügel bekommen!
(S.3,206
»Was hattet ihr beiden da zu flüstern?« wandte sich Melanie an
Scarlett, als ihre Kunden sich entfernt hatten. »Mrs. Merriwether
hat die ganze Zeit über ein Auge auf dich gehabt, und du, Liebes,
kennst ihre Zunge!« »Ach, dieser Mann ist unmöglich ... ein
ungezogener Flegel«, sagte Scarlett, »und die alte Merriwether laß
nur reden. Ich habe keine Lust mehr, mich ihr zuliebe wie ein Lamm
aufzuführen.« »Aber Scarlett!« rief Melanie bestürzt.
(S.3,217
»Meine Herren, wenn Sie mit der Dame Ihrer Wahl eine Polonäse
anführen möchten, müssen Sie auf Ihre Dame bieten. Ich bin der
Auktionator. Der Ertrag geht an das Lazarett. « Mitten im Wedeln
hielten die Fächer plötzlich inne, und ein erregtes Gemurmel lief
durch den Saal. Die Ecke der alten Damen geriet in Aufruhr. Mrs.
Meade, die ihrem Mann in einer Aktion, die sie mißbilligte, doch von
Herzen gern beistehen wollte, befand sich im Nachteil. Die Damen
Elsing, Merriwether und Whiting hatten rote Köpfe vor Entrüstung,
aber die gesamte Landwehr stimmte einen begeisterten Hochruf an, in
den alle andern Gäste in Uniform einfielen. Die jungen Mädchen
klatschten in die Hände und liefen vor Aufregung umher. »Findest du
nicht ... es ... es ist doch ein bißchen wie eine Sklavenauktion«,
sagte Melanie leise und sah etwas unsicher zu dem
unternehmungslustigen Doktor, der bisher in ihren Augen eine
Autorität gewesen war, hinüber.
(S.3,238
»Mrs. Charles Hamilton - hundertfünfzig Dollar in Gold!«
(S.3,244
Scarlett hörte eine Stimme, die sie zuerst gar nicht als ihre
eigene erkannte: »Ja, ich tanze!« Sie sprang auf die Füße, das
Herz hämmerte ihr so wild, daß sie glaubte umsinken zu müssen,
hämmerte in dem Triumphgefühl, daß sie nun wieder der Mittelpunkt
der allgemeinen Aufmerksamkeit, das begehrteste aller anwesenden
Mädchen war, und, und, ach, vor allem in der Erwartung, wieder
tanzen zu dürfen. »Ach, laß sie reden, was schert es mich!«
flüsterte sie toll vor Aufregung vor sich hin. Zurückgeworfenen
Hauptes kam sie aus ihrer Bude hervor, klapperte mit den Hacken wie
mit Kastagnetten und öffnete mit einem Ruck den schwarzen Fächer,
so weit es irgend ging. Einen flüchtigen Augenblick sah sie Melanies
ungläubiges Gesicht, die Mienen der Chaperons, die enttäuschten
Blicke der Mädchen, die begeisterte Zustimmung der Soldaten.
(S.3,265
»Zur Sache bitte! Haben Sie sich je daran gekehrt, was andere
Frauen sagen?« »Wenn Sie es durchaus wissen wollen - nein! Heute
abend ist es mir einerlei.« »Bravo! Endlich fangen Sie an, selber
zu denken. Das ist der Anfang aller Weisheit.« »Ach, aber ...«
»Wenn man erst soviel über Sie geredet hat wie über mich, dann
wird Ihnen auch nicht mehr daran liegen. Denken Sie doch, in
Charleston gibt es kein Haus mehr, in dem ich noch empfangen werde.
Nicht einmal, was ich für die gerechte heilige Sache tue, löst den
Bann.« »Wie schrecklich!« »Durchaus nicht. Ehe Sie nicht Ihren
guten Ruf verloren haben, merken Sie gar nicht, was für ein Laster
er ist.« »Was Sie sagen, ist unerhört!« »Unerhört und wahr.
Immer vorausgesetzt, daß Sie Mut haben - oder Geld, kommen Sie auch
ohne guten Ruf aus.« »Für Geld kann man nicht alles kaufen.« »Das
muß Ihnen jemand gesagt haben. Auf solche Plattheit wären Sie nie
von selbst verfallen. Was kann man denn nicht dafür kaufen?« »Nun,
ich weiß nicht recht ... jedenfalls kein Glück und keine Liebe.«
»Meistens doch. Mindestens kann man ansehnlichen Ersatz dafür
kaufen.« »Haben Sie denn so viel Geld, Kapitän Butler?«
(S.3,281
»Das Reich, in dem wir leben. Der Süden, die Konföderierten
Staaten, das Baumwollreich - es bricht uns jetzt unter den Füßen
zusammen. Das aber wollen die meisten Dummköpfe nicht einsehen. Sie
werden ihren Vorteil erst aus der Lage zu ziehen suchen, die nach dem
Zusammenbruch entsteht. Ich ziehe ihn aus dem Zusammenbrach selbst.«
»Dann glauben Sie also wirklich, wir werden geschlagen?« »Ja,
warumdenn Vogel Strauß spielen?« »Ach Gott, ist das alles
langweilig! Können Sie eigentlich jemals auch etwas Hübsches sagen,
Kapitän Butler?« »Macht es Ihnen Freude, wenn ich Ihnen sage, daß
Ihre Augen zwei Goldfischhäfen gleichen, die bis zum Rand mit dem
klarsten grünen Wasser gefüllt sind? Und wenn die Fische an die
0berfläche kommen, wie in diesem Augenblick, dann sind sie
verteufelt reizend.« »Ach, das mag ich gar nicht ... Ist die Musik
nicht wunderbar? Ach, ich könnte ewig so weitertanzen. Ich habe gar
nicht gewußt, wie sehr ich es vermißt habe.« »Sie sind die
schönste Tänzerin, die ich je im Arm gehalten habe.« »Kapitän
Butler, Sie dürfen mich nicht so fest anfassen. Alles schaut auf
uns.« »Wenn es niemand sähe, hätten Sie dann auch etwas dagegen?«
»Kapitän Butler, Sie vergessen sich.« »Nicht einen Augenblick.
Wie könnte ich, solange ich Sie im Arm halten ... Was ist das für
ein Walzer, ist er neu?« »Ja. Ist er nicht herrlich? Den haben wir
von den Yankees gekapert.« »Wie heißt er?« »Wenn der grausige
Krieg zu Ende ...« »Wie sind die Worte? Singen Sie sie mir vor.«
»>Liebste, weißt dunoch, das letztemal, Als wir zwei uns sahn?
Als du mir zu Füßen knietest Und von der Liebe sprachst? Ach, wie
stolz du vor mir standest Ganz in Grau, Als du schwurst, mich nie zu
lassen, Nie das Vaterland. Ach, nun wein' ich, einsam, t raurig,
Seufzer, Tränen, ach, umsonst! Wenn der grause Krieg zu Ende,
Wollenwirunswiedersehen! < Natürlich hieß es >Ganzin Blau<,
aber wir habenes in >Grau< umgeändert ... Ach, Sie tanzen so
gut Walzer, Kapitän Butler. Sie wissen doch, große Männer können
das selten. Und zu denken, daß es nun Jahre dauert, bis ich wieder
tanzet«
(S.3,419
Es machte Scarlett Freude, von ihren Heldentaten zu hören. Es war
eine Freude am Eigentum. War ein Mann einmal ihr Verehrer gewesen, so
betrachtete sie ihn immer weiter als ihr Eigentum, und alles, was er
leistete, gereichte ihr zur Ehre. »Ich habe noch eine Neuigkeit für
euch beide«, sagte Gerald, »es heißt, Stuart gehe in Twelve 0aks
auf Freiersfüßen.«
(S.3,527
Auch das Lazarett war nun nicht mehr so schlimm. Nach einer
Krankheit waren die Männer alle so lenkbar und zugänglich und
fielen einem geschickten Mädchen in die Hand, wie auf Tara die
reifen Pfirsiche, wenn man den Baum nur ganz sacht schüttelte. Sie
kehrte mit dem Labetrunk zu ihrem Vater zurück und dankte Gott, daß
der berühmte 0'Harasche Irenschädel der Schlacht von gestern abend
doch nicht gewachsen gewesen war. 0b wohl Rhett Butler da seine Hand
im Spiel hatte? An einem Nachmittag der folgenden Woche kam Scarlett
müde und gereizt aus dem Lazarett nach Hause. Müde, weil sie den
ganzen Mor gen auf den Beinen gewesen war, und gereizt, weil Mrs.
Merriwether ihr einen harten Verweis erteilt hatte, daß sie sich zu
einem Soldaten aufs Bett gesetzt hatte, um ihm den Arm zu verbinden.
Tante Pittypat und Melanie standen in ihren schönsten Hüten mit
Wade und Prissy vor der Tür und wollten gerade die übliche
Besuchsrunde machen. Scarlett bat um Entschuldigung, daß sie sie
nicht begleiten könnte, und ging in ihr Zimmer hinauf.
(S.3,563
Ich liege nächtelang wach, wenn das Lager schon längst zur Ruhe
ist, und blicke in die Sterne hinauf. Immer wieder stelle ich mir die
Frage: >Warum bist du hier, Ashley Wilkes, und wofür kämpfst
du?< Gewiß nicht für Ehre und Ruhm. Der Krieg ist ein
schmutziges Geschäft, und Schmutz ist mir zuwider. Ich bin keine
Soldatennatur und suche nicht leeren Ruhm vor den Mündungen der
Kanonen. Und doch bin ich hier im Felde, ich, der ich niemals etwas
anderes sein sollte als ein Mann der Arbeit. Die Trompeten bringen
mein Blut nicht in Wallung, die Trommeln reißen meinen Fuß nicht
mit sich fort. Ich sehe allzu deutlich, daß wir verraten sind,
verraten von unserem eigenen Hochmut, von unserem Wahn, einer von uns
werde mit einem Dutzend Yankees fertig und König Baumwolle könne
die Welt regieren. Verraten auch von Phrasen, Schlagwörtern,
Vorurteilen und Gehässigkeiten aus dem Munde derer, die wir geachtet
und verehrt haben ...
(S.3,623
Hat er sich einmal zu etwas entschlossen, so kann niemand tapferer
sein als er, aber er lebt iii seinem Innern anstatt draußen in der
Welt. Er haßt es, in die unruhige Welt hinaus zu müssen. Hätte ich
aber dieses eine an ihm schon damals verstanden, ich weiß, er hätte
mich geheiratet.« Ihre Sehnsucht nach ihm hatte sich seit dem Tage,
da sie sich zuerst in ihn verliebte, nicht geändert. Immer noch war
die mädchenhafte Schwärmerei für den Mann, den die kindliche Seele
nicht begreift, die Anbetung dessen, der alles hat, was sie nicht
hat, in Scarlett lebendig.
(S.3,641
Sie ging durch das Zimmer an den Spiegel und ordnete voller
Zufriedenheit ihr glattes Haar. Ihre Stimmung hob sich wie immer beim
Anblick ihrer schönen weißen Haut und ihrer schrägen grünen
Augen, und sie lächelte, um ihre reizenden Grübchen zu erproben.
Während sie so beglückt ihr Spiegelbild betrachtete, vergaß sie
alles andere und dachte nur noch daran, wie gern Ashley immer ihre
Grübchen gehabt hatte. Nichts trübte ihre Freude an dem eigenen
jugendlichen Zauber und der erneuten Gewißheit von Ashleys Liebe.
Sie schloß die Tür auf und ging leichten Herzens die halbdunkle
gewundene Treppe hinunter, und nach wenigen Stufen fing sie an, den
Walzer vor sich hin zu trällern: »Wenn der grause Krieg zu
Ende.«Der
(S.3,652
Das konföderierte Geld war beängstigend im Werte gesunken, und
die Preise für Nahrungsmittel und Kleidung stiegen entsprechend. Die
Requirierungen rissen solche Lücken in die Vorräte, daß man in
Atlanta bei den Mahlzeiten sich schon einschränken mußte. Weißes
Mehl war so knapp, daß man Maisbrot statt der gewohnten Semmeln,
Waffeln und Zwiebacke aß, die Schlächterläden führten fast
überhaupt kein 0chsenund Hammelfleisch mehr, und das wenige
vorhandene kostete so viel, daß nur die Reichsten es sich leisten
konnten.
(S.3,656
Die Blockade hatte die Häfen der Konföderierten immer enger
umschlossen, und Luxuswaren wie Tee, Kaffee, Seide, Parfüms,
Modezeitschriften und Bücher wurden knapp und teuer. Selbst die
billigsten Baumwollwaren stiegen schwindelnd im Preise, und die Damen
machten voller Trübsal die alten Kleider für das neue Jahr noch
einmal zurecht. Webstühle, auf denen sich der Staub vieler Jahre
gesammelt hatte, wurden vom Boden geholt und in fast jedem Salon in
Gebrauch genommen. Soldaten, Zivilisten, Frauen, Kinder und Farbigen,
alle trugen handgewebte Stoffe. Das Grau verschwand als Farbe der
Uniformen fast völlig. An seiner Stelle erschien das Nußbraun der
handgewebten Stoffe. Zuzeiten war in den Lazaretten die Knappheit an
Chinin, 0pium, Chloroform und Jod besorgniserregend.
(S.3,663
Für Scarlett aber, die nun frisch aus der Puppe ihrer
Witwenschaft geschlüpft war, bedeutete der Krieg eitel Fröhlichkeit
und Erregung. Nicht einmal die kleinen Entbehrungen an Kleidung und
Ernährung bekümmerten sie, so glücklich war sie, wieder in der
Welt zu sein. Wenn sie an die stumpfsinnigen Zeiten des vergangenen
Jahres dachte, kam ihr das neue Leben wie eine einzige Zerstreuung
vor.
(S.3,667
Sie konnte Ashley lieben und tat es, aber das hinderte sie nicht,
an anderen Männern ihre Reize zu erproben.
(S.3,675
Männer, die darauf gefaßt sein mußten, binnen einer Woche zu
sterben, konnten nicht ein Jahr lang darauf warten, ein Mädchen auch
nur mit Vornamen nennen zu dürfen. Sie hatten auch keine Lust, sich
d en umständlichen festgelegten Formen des Werbens zu unterwerfen,
die vor dem Kriege unumstößliche Geltung hatten. Sie hielten
womöglich schon nach drei bis vier Monaten um ein Mädchen an, und
die Mädchen, die doch wußten, daß eine Dame dem Herrn mindestens
die ersten drei Male einen Korb zu geben hatte, stürzten sich schon
beim ersten Antrag kopfüber in das Jawort. Durch diese Formlosigkeit
bereitete der Krieg Scarlett viel Freude.
(S.3,692
So flogen die Herbstmonate dieses Jahres 1862 dahin.
(S.3,695
Ellen war von früh bis spät auf den Beinen. Sie war mager
geworden und immer ganz mit ihren Gedanken beschäftigt. Die
Requisitionen für die konföderierten Truppen wurden von Monat zu
Monat größer, und Ellen hatte alle Hände voll zu tun, größere
Erträgnisse aus Tara herauszuwirtschaften. Sogar Gerald hatte zum
erstenmal seit langen Jahren wieder reichlich zu tun. Er hatte keinen
Ersatz für den Aufseher Jonas Wilkerson finden können und ritt nun
selbst über seine Felder und sah nach dem Rechten.
(S.3,724
Er hatte etwas Aufregendes an sich, das sie sich nicht erklären
konnte und das ihn von allen Männern unterschied, die sie bisher
kennengelernt hatte. Die Anmut seines athletischen Körpers hatte
etwas Atemberaubendes, so daß schon sein Eintreten in ein Zimmer ihr
etwas wie einen körperlichen Stoß versetzte. Seine Frechheit und
der unbeirrbare freundliche Spott in seinen dunklen Augen forderte
ihren heißen Wunsch heraus, ihn zu besiegen. »Es ist fast, als wäre
ich in ihn verliebt!« dachte sie erschrocken, »aber das bin ich
nicht, und ich begreife es einfach nicht.« Aber das aufregende
Gefühl wollte nicht weichen.
(S.3,736
Die Damen trugen handgeschnitzte Haarspangen aus Holz und
überzogen Eicheln mit Stoff, um sie als Knöpfe zu verwenden.
(S.3,749
Scarlett dagegen war insgeheim derselben Ansicht wie Tante Pitty.
Auch sie hatte das Gefühl, daß er für keine Frau Achtung empfände,
außer vielleicht für Melanie.
(S.3,755
»Ich kann nicht einsehen, warum Sie gegen Melanie soviel
höflicher sind als gegen mich«, bemerkte Scarlett eines Nachmittags
unzufrieden, als Melanie und Pitty sich zur Mittagsruhe zurückgezogen
hatten und sie mit Rhett Butler allein war. Eine Stunde lang hatte
sie zugesehen, wie Rhett geduldig das Garn hielt, das Melanie zum
Stricken aufwickelte. Sie hatte den gleichmütigen und
undurchdringlichen Ausdruck auf seinem Gesicht bemerkt, als Melanie
voller Stolz von Ashley und seiner Beförderung erzählte.
(S.3,762
»Ich bin viel hübscher als sie«, fuhr sie fort, »ich sehe
nicht ein, warum Sie gegen sie soviel höflicher sind.« »Darf ich
zu hoffen wagen, daß Sie eifersüchtig sind?« »0h, bilden Sie sich
das nur ja nicht ein!« »Wieder eine Hoffnung zertrümmert! Wenn ich
gegen Mrs. Wilkes höflicher bin, so deshalb, weil sie es verdient.
Sie ist einer der ganz wenigen gütigen, aufrichtigen und selbstlosen
Menschen, die ich je gekannt habe. Aber möglicherweise sind diese
Eigenschaften Ihrer Aufmerksamkeit entgangen. Außerdem ist sie bei
all ihrer Jugend eine der wenigen wirklich vornehmen Damen, die zu
kennen ich den Vorzug gehabt habe.«
(S.3,775
»Sie sind ganz einfach ein Schuft.« »Soll ich nun deswegen in
Wut geraten? Es tut mir leid, Sie da enttäuschen zu müssen. Sie
können mich nicht dadurch in Wut bringen, daß Sie mir die Wahrheit
sagen. Ich bin ein Schuft - warum auch nicht? Wir wohnen in einem
freien Lande, da darf man ein Schuft sein, wenn man dazu Lust hat.
Nur Heuchler wie Sie, meine liebe Dame, die Sie nicht minder schwarz
von Herzen sind als ich, aber es zu verbergen suchen, fahren aus der
Haut, wenn man sie bei ihrem rechtmäßigen Namen nennt.«
(S.3,792
Sein Ruf wurde jedesmal, wenn die Matronen von Atlanta zum Klatsch
zusammenkamen, noch ein bißchen schlechter, aber damit freilich
wurde sein Nimbus für die jungen Mädchen nur immer noch größer.
Die meisten von ihnen waren ganz unschuldige Kinder und hatten wohl
einmal gehört, er benähme sich »locker mit Frauen« ; wie aber ein
Mann das eigentlich machte, war ihnen keineswegs klar. Auch hörten
sie raunen, daß kein Mädchen vor ihm sicher sei. Bei einem solchen
Ruf war es immerhin verwunderlich, daß er seit seinem ersten
Erscheinen in Atlanta keinem Mädchen auch nur die Hand geküßt
hatte. Aber das machte ihn nur immer noch geheimnisvoller und
aufregender.
(S.3,845
Den Damen war es nie ganz geheuer, wenn sie ihn mit ihren
Modefragen bestürmten, aber sie taten es trotzdem. Sie waren von der
Modewelt abgeschnitten wie gestra ndete Seeleute, denn nur wenig
Zeitschriften schlüpften durch die Blockade. Die französischen
Damen hätten sich den Kopf rasieren und Bärenmützen tragen können,
hier hätte man nichts davon gewußt. Rhett Butlers ausgezeichnetes
Gedächtnis war daher ein guter Ersatz für »Godeys Damenalmanach«.
Er hatte ein unfehlbares Auge für all die modischen Kleinigkeiten,
die den Frauen am Herzen liegen.
(S.3,860
Er machte sich offenbar ein Vergnügen daraus, nicht nur die
Wohlgesinnten in Atlanta vor den Kopf zu stoßen, sondern auch sich
selbst im denkbar schlechtesten Licht erscheinen zu lassen. Wenn man
ihm eine Schmeichelei über seine Tapferkeit s agte, erwiderte er
sanft, er habe in der Gefahr immer Angst, genau wie die braven Jungen
an der Front.
(S.3,915
»Alle Kriege sind heilig«, sagte er, »für die, die mitkämpfen
müssen. Wenn die Leute, die den Krieg erklären, ihn nicht
heiligsprächen, wer wäre dann so dumm, zu kämpfen? Aber einerlei,
mit welchem Feldgeschrei die Narren, die kämpfen, angefeuert werden,
und einerlei, was für edle Zwecke die Redner dem Krieg
unterschieben, er hat doch immer nur eine einzige Ursache: das Geld.
Alle Kriege sind in Wirklichkeit Streitereien um Geld.
(S.3,960
»Ashley schrieb mir«, fuhr Melanie schnell fort, »wir sollten
lieber nicht gegen die Yankees kämpfen, wir seien durch Staatsmänner
und Redner mit Schlagworten und Vorurteilen dazu verleitet worden. Er
sagt, nichts auf der Welt könne das wiedergutmachen, was der Krieg
uns noch antun würde. Er sagt auch, es sei überhaupt nichts
Ruhmreiches daran, nichts als Schmutz und Elend.« »Ach, der Brief
war es«, dachte Scarlett, »das also wollte er damit sagen?« »Das
kann ich nicht glauben«, erwiderte Mrs. Merriwether mit
unerschütterlichem Ton. »Duhast ihn mißverstanden.« »Ich
mißverstehe Ashley nie«, antwortete Melanie ruhig, wenn auch mit
bebenden Lippen. »Ich verstehe ihn ganz und gar. Er meint dasselbe
wie Kapitän Butler und sagt es nur nicht in so unverschämtem Ton.«
»Du solltest dich schämen, einen anständigen Menschen wie Wilkes
mit einem Schurken wie Kapitän Butler zu vergleichen. Auch du hältst
also von unserer großen Sache nichts!« »Ich ... ich weiß nicht,
was ich denken soll«, begann Melly unsicher. Ihre feurige Aufwallung
hatte sie verlassen, und nun erschrak sie über ihren eigenen
Freimut. »Ich würde für unsere Sache sterben. Ashley auch, aber
... ich meine ... ich will lieber den Männern das Denken überlassen,
weil sie so viel gescheiter sind.«
(S.3,980
Scarlett sagte nichts. Sie drückte nicht einmal die Hand, die
Melanie trostbedürftig in die ihre geschoben hatte. Sie hatte nur zu
einem Zweck Ashleys Briefe gelesen - um Gewißheit zu bekommen, ob er
sie noch liebte. Nun hatte Melanie vielen Stellen, die Scarlett nur
mit den Augen gelesen hatte, einen neuen Sinn gegeben. Sie war
bestürzt, daß jemand, der so makellos vollkommen war wie Ashley,
mit einem so verdorbenen Menschen wie Rhett Butler einen Gedanken
gemeinsam haben konnte. Sie dachte: »Beide sehen sie die Wahrheit
über diesen Krieg, aber Ashley ist bereit, dafür zu sterben. Rhett
nicht. Und ich finde, daran erkennt man Rhetts gesunden
Menschenverstand.« Sie hielt einen Augenblick inne, erschrocken, daß
sie so etwas über Ashley hatte denken können. »Beide sehen sie die
gleiche schreckliche Wahrheit, und Rhett hat seine Freude daran, sie
zu erkennen und die Leute damit rasend zu machen - Ashley aber
erträgt diese Erkenntnis kaum.«
(S.3,993
Es wimmelte in Wilmington von Spekulanten, die Bargeld hatten und
ganze Schiffsladungen aufkauften, um sie bis zur nächsten Preissteig
erung zurückzuhalten. Diese blieb niemals aus, denn bei zunehmender
Knappheit am Notwendigsten schnellten die Preise immer weiter in die
Höhe. Die bürgerliche Bevölkerung mußte entweder sich behelfen
oder zu Spekulationspreisen kaufen. Die Armen und Minderbemittelten
aber litten immer härtere Entbehrungen. Gleichzeitig sank der Wert
des konföderierten Geldes, und mit seinem schnellen Sinken erhob
sich eine wilde Leidenschaft für jederlei Luxus. Die Blockadebrecher
hatten den Auftrag, hereinzubringen, was irgend lebensnotwendig war.
Der Handel mit Luxusartikeln war ihnen nur als Nebengeschäft
gestattet. Jetzt aber füllten sie ihre Schiffsräume mit
kostspieligem Tand und hatten keinen Platz für die Waren, die das
Land für den nackten Lebensunterhalt brauchte. Die Lage wurde
dadurch weiter verschlimmert, daß es nur eine einzige Eisenbahnlinie
von Wilmington nach Richmond gab. Während Fässer mit Mehl und
Kisten mit Schinken zu Tausenden an den Zwischenstationen verdarben,
weil sie nicht befördert werden konnten, fanden die Spekulanten, die
Wein, Kaffee und Seidenstoffe zu verkaufen hatten, immer noch Mittel
und Wege, ihre Waren zwei Tage nach der Landung in Wilmington bereits
nach Richmond gelangen zu lassen. Jetzt erhob das Gerücht offener
seine Stimme, wonach Rhett Butler nicht nur die Waren seiner vier
eigenen Schiffe, sondern auch die Ladungen anderer Schiffe aufkaufen
und für weitere Preissteigerungen zurückhalten sollte. Es hieß, er
stehe an der Spitze einer Gesellschaft, die über eine Million Dollar
Kapital verfüge und ihren Sitz in Wilmington habe und sich damit
befasse, Blockadewaren gleich am Kai aufzukaufen. Diese Gesellschaft
besitze, so ging das Gerede, Dutzende von Speichern dort und in
Richmond, die bis oben angefüllt seien mit Nahrungsmitteln und
Stoffen. Die Erbitterung gegen ihn und seine Mitspekulanten wuchs von
Tag zu Tag.
(S.4,082
Scarlett, unsere Lebensweise hier im Süden ist so veraltet wie
das Lehnssystem des Mittelalters. Ein Wunder nur, daß sie immer noch
vorhanden ist. Aber sie mußte verschwinden, und nun geschieht es.
(S.4,093
Sie hatte so lange unter Leuten gelebt, die ihre Gefühle höflich
verbargen oder beschönigten, daß es sie beunruhigte, ihre eigenen
Gedanken, in so klare Worte gefaßt, zu vernehmen.
(S.4,140
Sie hielt die Schachtel mit beiden Händen fest. Das süße Ding,
mit dem sie so jung und bezaubernd aussah, sollte ein anderes Mädchen
tragen? Nie im Leben! Einen Augenblick lang kam ihr der Gedanke an
Pittys und Melanies Entsetzen. Sie dachte daran, was alle sagen
würden, und ihr schauderte. Aber die Eitelkeit war stärker. »Ich
ändere ihn nicht, ich verspreche es Ihnen. Aber nun geben Sie ihn
mir.«
(S.4,158
»Ich verführe Sie mit schönen Geschenken so lange, bis von
Ihren Mädchenidealen nichts mehr übrig ist und Sie mir auf Gnade
und Ungnade ausgeliefert sind«, sagte er. »Nimm von Herren nichts
als Bonbons und Blumen an, Kindchen«, spottete er, und sie brach in
Kichern aus. »Sie sind ein gerissener Gauner, mit Ihrer schwarzen
Seele, Rhett Butler. Sie wissen sehr gut, daß man einen so hübschen
Hut nicht ausschla gen kann.« Seine Augen blitzten spöttisch und
waren dennoch zugleich voller Huldigung für ihre Schönheit.
(S.4,176
»Also immer lassen Sie sich bezahlen? Und was erwarten Sie nun
von mir?« »Das werden wir sehen.« »Nun, wenn Sie sich einbilden,
ich heirate Sie, um den Hut zu bezahlen, so irren Sie sich«, sagte
sie dreist und gab dem Hut einen kecken Stoß, daß die Feder wippte.
Unter seinem kleinen Schnurrbart glitzerten die weißen Zähne.
»Gnädige Frau, Sie tun sich zuviel Ehre an. Ich heirate weder Sie
noch jemand anders. Ich bin nicht zumHeiraten geschaffen.« »Nein,
wirklich!« Sie war verblüfft und beschloß, daß er sich nun
endlich eine Freiheit herauszunehmen habe. »Ich habe nicht einmal
die Absicht, Ihnen auch nur einen Kuß zu geben.« »Warumaber
spitzen Sie denn so das Mündchen?« »0h«, fuhr sie auf, als sie
sich plötzlich im Spiegel sah und bemerkte, daß ihre roten Lippen
in der Tat voller Bereitschaft geschürzt waren. »0h!« brach sie
noch einmal los, verlor die Fassung und stampfte mit dem Fuß auf.
»Sie sind der unverschämteste Mensch, den ich jemals gesehen habe.
Ich mache mir gar nichts daraus, wenn Sie mir für immer aus den
Augen gehen!« »Wenn das wirklich Ihres Herzens Meinung wäre, dann
würden Sie mit dem Fuß auf den Hut stampfen, statt auf den Boden.
Mein Gott, wie Sie sich nur aufregen! Aber wie Sie vermutlich wissen,
steht es Ihnen prachtvoll! Kommen Sie, Scarlett, stampfen Sie tüchtig
auf den Hut, damit ich sehe, was Sie von mir und meinen Geschenken
halten.«
(S.4,205
Sie machte sich nicht klar, daß es Rhett Butler war, der das
Gefängnis ihrer Witwenschaft gesprengt hatte, damit sie unter den
jungen Mädchen wieder die Königin sei, nachdem ihre Tage als junge
Schönheit schon gezählt sein sollten. Sie erkannte auch nicht, daß
sie sich unter seinem Einfluß weit von Ellens Lehren entfernt hatte.
Die Wandlung war so allmählich vor sich gegangen. Ein einmaliger
kleiner Verstoß gegen die Sitten schien immer ganz ohne alle
Beziehung zu dem nächsten, und keiner davon schien mit dem Kapitän
verknüpft zu sein. Ihr wurde nicht klar, daß sie auf seine
Anleitung hin gegen viele Gesetze des Damenanstandes, die Ellen ihr
strengstens eingeschärft, verstoßen hatte. Sie sah nur, daß sie
noch nie einen so kleidsamen Hut wie diesen getragen hatte, der sie
zudem keinen Cent kostete, und daß Rhett in sie verliebt sein mußte,
mochte er es nun zugeben oder nicht. Und zugeben sollte er es, dafür
wollte sie schon sorgen.
(S.4,249
»Sie sagte, sie hätte alle Damen beobachtet, die ins Lazarett
gingen, und gemeint, ich hätte ein ... ein freundliches Gesicht,
deshalb hat sie mich angehalten. Sie hätte etwas Geld und wollte,
ich sollte es nehmen und für das Lazarett verwenden und keiner Seele
sagen, woher es käme. Was ist das aber für Geld! Bei dem Gedanken
ist mir ganz schwarz vor den Augen geworden. Ich war außer mir und
wünschte nur schnell wegzukommen und sagte ihr hastig: >0 ja,
wirklich, wie lieb von Ihnen<, oder ähnliches dummes Zeug, und
sie lächelte und sagte: >Das ist wirklich christlich von Ihnen<,
und steckte mir dieses schmutzige Taschentuch in die Hand. Puh,
riechst du das Parfüm?« Melanie zeigte ein sehr schmutziges und
stark parfümiertes Männertaschentuch, in das einige Münzen
eingeknotet waren. »Sie sagte >danke< und noch so etwas, als
wolle sie mir nun jede Woche Geld bringen, und in diesem Augenblick
fuhr 0nkel Peter vorbei und sah mich.« Melanie sank weinend auf das
Kissen. »Und als er sah, mit wem ich zusammenstand, rief er mich an.
Im Leben hat mich niemand so einfach mit >Hallo< angerufen. Und
dann sagte er: >Auf der Stelle steigen Sie hier in den Wagen!<
Ich tat es natürlich, und den ganzen Heimweg schimpfte er mich aus,
und ich durfte ihm nichts erklären. Er sagte, er wollte es Tante
Pitty erzählen. Scarlett, bitte, geh du hinunter und sag ihm, er
möchte schweigen. Auf dich hört er vielleicht. Tantchen stirbt,
wenn sie erfährt, daß ich die Frau auch nur angesehen habe. Bitte!«
»Ja, gleich, wir wollen einmal sehen, wieviel Geld darin ist. Es
fühlt sich so schwer an.« Sie löste den Knoten, und eine Handvoll
Goldmünzen rollten auf das Bett. »Scarlett, das sind ja fünfzig
Dollar in Gold!« Melanie war entgeistert, als sie die glänzenden
Münzen zählte. »Sag, findest du es recht, Geld, das ... das ...
daher stammt, für unsere Soldaten zu gebrauchen? Meinst du nicht,
Gott versteht am Ende, daß sie doch nur helfen wollte, und sieht
nicht darauf, ob das Geld befleckt ist? Wenn ich daran denke, wieviel
das Lazarett noch braucht ...«
(S.4,282
Das Weihnachtsfest war für Atlanta und den ganzen Süden
glücklich und froh gewesen. Die konföderierten Truppen hatten einen
überwältigenden Sieg bei Fredericksburg errungen. Die Toten und
Verwundeten der Yankees zählten nach Tausenden. Es herrschte
allgemeiner Jubel, daß das Schicksal sich wendete. Die Armee bestand
jetzt aus kampfgewohnten Soldaten, ihre Heerführer hatten sich
bewährt, und alle waren überzeugt, daß die Yankees, wenn mit dem
Frühling der Kampf von neuem begann, ein für allemal vernichtet
würden. Der Frühling kam, und der Kampf begann von neuem. Im Mai
errangen die Konföderierten abermals einen großen Sieg bei
Chancellorsville. Der Süden frohlockte. Ganz nahe der Heimat war ein
feindlicher Kavallerievorstoß nach Georgia den Konföderierten zum
Sieg ausgeschlagen. Immer wieder lachten die Leute und klopften
einander auf den Rücken und sagten: »Jawohl! wenn der alte Nathan
Bedford Forrest erst hinter ihnen her ist, dann machen sie lange
Beine!«
(S.4,330
Am 3. Juli schwiegen plötzlich alle Drähte aus dem Norden. Das
dauerte bis zum Mittag des vierten, und nun begannen bruchstückhafte
und verstümmelte Berichte ins Hauptquartier nach Atlanta
durchzusickern. In Pennsylavanien war es in der Nähe einer kleinen
Stadt namens Gettysburg zu harten Kämpfen gekommen, die zu einer
großen Schlacht mit Lees gesammelter Streitmacht anwuchsen. Die
Nachrichten kamen undeutlich und langsam. Die Schlacht hatte ja auf
feindlichem Gebiet stattgefunden. Die Berichte mußten zunächst
durch Maryland, wurden nach Richmond weitergegeben und gelangten dann
erst nach Atlanta. Die
(S.4,446
»Ach, Rhett, warum müssen Kriege sein? Es wäre besser gewesen,
die Yankees hätten die Schwarzen losgekauft ... oder wir hätten sie
umsonst freigegeben ... als alles dies zu erleben.« »Es handelt
sich nicht um die Schwarzen, Scarlett. Sie sind nur der Vorwand.
Krieg wird es immer geben, denn die Männer lieben den Krieg. Die
Frauen nicht, aber die Männer. Ja, sie lieben ihn mehr als die Liebe
der Frauen.« Sein Mund verzog sich zu dem gewohnten spöttischen
Lächeln, der Ernst war wieder aus seinem Gesicht gewichen. Er grüßte
mit seinem breiten Panamahut. »Leben Sie wohl. Ich suche Dr. Meade
auf. Ich fürchte, für die Ironie, die darin liegt, daß gerade ich
ihm diese Nachricht bringen muß, hat er im Augenblick keinen Sinn.
Aber später ist es ihm wahrscheinlich ein grauenhafter Gedanke, daß
ihm ein schurkischer Spekulant einen Heldentod berichtet hat.«
(S.4,494
Ashley Wilkes in seiner verblichenen, geflickten Uniform, dem die
Sommersonne das blonde Haar fast weiß gebleicht hatte, war ein ganz
anderer als der ruhige Junge mit den versonnenen Augen, den sie vor
dem Kriege bis zur Verzweiflung geliebt hatte. Erst jetzt ging ihr
diese Liebe wirklich durchs Herz. Jetzt war gebräunt und hager, was
sonst hell und schlank gewesen war, und der lange, goldblonde
Schnurrbart, den er nach Kavalleristenart um den Mund herabhängend
trug, machte ihn zum Urbild eines Soldaten. Er hielt sich militärisch
stramm in seiner alten Uniform, die Pistole hing ihm am abgetragenen
Halfter, die verbeulte Degenscheide klappte gegen die hohen Stiefel,
und die abgenutzten Sporen hatten einen matten Glanz. Ashley Wilkes,
Major der Konföderierten Staaten von Amerika. Man sah ihm an, daß
er jetzt gewohnt war, zu befehlen und Gehorsam zu finden. Ein ruhiges
Selbstvertrauen lag in seinem Wesen, ernste Furchen begannen sich um
seinen Mund abzuzeichnen. Die eckigen Schultern und der kühle Glanz
seiner Augen waren Scarlett neu und fremd. War er einst lässig,
gleichmütig und verträumt gewesen, so war er jetzt katzenhaft wach
und angespannt gleich einem, dessen Nerven beständig wie
Geigensaiten straffgezogen sind. In seinen Augen lag etwas
Angestrengtes und Pflichtbesessenes.
(S.4,518
Wie hatte sie nur während dieser zwei Jahre andere Männer
ansehen können! Wie hatte sie deren Verliebtheit ertragen können,
wo doch Ashley auf der Welt war!
(S.4,687
»Ich denke gern daran, daß ich dich vielleicht besser kenne als
die meisten anderen und daß ich das Schöne sehe, das tief in dir
verborgen liegt ...« Er hielt inne und ließ ihr Gesicht aus seinen
Händen gleiten, aber seine Augen hingen noch an den ihren. Sie
wartete noch einen Augenblick, atemlos, ob er wohl fortfahre. Ihr
ganzes Ich stand auf den Zehenspitzen und lauschte, ob er die drei
Zauberworte ausspreche. Sie kamen nicht . Inbrünstig forschte sie in
seinem Gesicht. Ihr bebten die Lippen, als sie sah, daß er schon zu
Ende gesprochen hatte. Als da ihre Hoffnungen zum zweitenmal zerstört
waren, ertrug ihr Herz es nicht länger, und unter heißen
schmerzenden Tränen setzte sie sich nieder. Da hörte sie aus der
Einfahrt vor dem Fenster das bedrohliche Geräusch, das den
unaufschiebbaren Abschied ankündigte. 0nkel Peter holte den Wagen
heraus, der Ashley zum Bahnhof fahren sollte.
(S.4,699
Sanft legte er die Anne um sie und neigte den Kopf zu ihrem
Gesicht hinab. Kaum berührten seine Lippen die ihren, da flogen ihre
Arme um seinen Hals, als wollte sie ihn ersticken. Einen flüchtigen
unbeschreiblichen Augenblick lang drückte er ihren Körper fest an
sich, dann fühlte sie plötzlich, wie alle seine Muskeln sich
strafften. Er ließ den Hut zu Boden fallen und löste ihre Arme von
seinem Halse.
(S.4,706
Plötzlich bückte er sich, um seinen Hut aufzuheben, und sie tat
einen einzigen Blick in sein Gesicht. Es war das unseligste Antlitz,
das sie je in ihrem Leben erblicken sollte. Ein Antlitz, dem alle
Beherrschung verlorengegangen war. Seine Liebe zu ihr stand darin
geschrieben und die Freude darüber, daß sie ihn liebte, doch im
Kampf damit waren Scham und Verzweiflung. »Leb wohl«, sagte er
heiser.
(S.4,760
Atlanta lag jetzt im Mittelpunkt allen Geschehens. Die Städter
hatten an Mühsal, Entbehrungen, Krankheit und Tod ebenso
unbarmherzig zu leiden wie das übrige Gebiet der Konföderierten
Staaten, aber als Stadt hatte Atlanta im Kriege mehr gewonnen als
verloren. Sein Herz schlug noch warm und kräftig, und durch die
Eisenbahnen, seine Arterien, pulste der endlose Strom von
Mannschaften, Munition und Kriegsbedarf.
(S.4,778
Da, als an einem Märztage voll Schnee und Regen jedermann zu
Hause geblieben war, fiel der böse Schlag. Melanie teilte ihr
freudestrahlend und verschämt gesenkten Kopfes mit, daß sie ein
Kind bekommen würde. »Dr. Meade sagte, Ende August oder im
September«, berichtete sie. »0 h, Scarlett, ist es nicht wunderbar?
Ich habe dich so um Wade beneidet und mich nach einem Kinde gesehnt.
Ich hatte solche Angst, ich bekäme vielleicht nie eins. Ach, ein
Dutzend möchte ich haben!«
(S.4,807
Aber ihr kam kein Gebet. Nur die bodenlose Furcht fiel sie an,
Gott habe um ihrer Sünde willen sein Angesicht von ihr abgewandt.
Sie hatte einen verheirateten Mann geliebt und versucht, ihn seiner
Frau wegzunehmen. Zur Strafe hatte Gott ihm das Leben genommen. Sie
wollte beten, aber sie konnte ihre Augen nicht zum Himmel erheben.
Sie wollte weinen, aber ihr kam keine Träne. Ihr war, als fülle
eine Flut heißer, brennender Tränen ihre Brust, aber fließen
wollten sie nicht .
(S.4,870
Als Rhett Butler aufbrach, fragte Scarlett ihn zornig: »Wenn Sie
es gewesen wären, hätten Sie sich von den Yankees anwerben lassen,
um aus dem Lager zu kommen, und waren dann desertiert?«
»Selbstverständlich!«Rhett Butler lächelte unter seinem
Schnurrbart. »Warum hat denn Ashley es nicht getan?« »Er ist ein
Gentleman«, sagte Rhett, und Scarlett wunderte sich, daß man in
dieses eine schöne, ehrenhafte Wort so viel bittere
Menschenverachtung legen konnte. DRITTES BUCH
(S.4,874
Es kam der Mai 1864, ein heißer, trockener Mai, der die Blüte in
den Knospen verdorren ließ, und die Yankees unter General Sherman
standen wieder in Georgia.
(S.5,028
Glauben an die Unbesiegbarkeit der Truppen hatte man noch immer
nicht verloren. Aber schon geriet das Vertrauen auf die Kriegskunst
des alten Joe ins Wanken. Die »Neue-Hoffnung-Kirche« lag nur
fünfunddreißig Meilen von Atlanta entfernt! Der General hatte sich
von den Yankees in drei Wochen um fünfundsechzig Meilen
zurückdrängen lassen. Warum hielt er die Yankees nicht auf, anstatt
sich immer weiter zurückzuziehen? Ein Dummkopf war er, und Graubärte
aus der Landwehr und Leute aus dem Landsturm, die wohlgeborgen in
Atlanta saßen, versicherten ungeschminkt, sie hätten den Feldzug
geschickter zu führen verstanden. Sie zeichneten Landkarten auf die
Tische, um ihre Meinungen darzulegen. Als die grauen Reihen sich
immer mehr lichteten und der General zu neuen Rückwärtsbewegungen
gezwungen war, forderte er verzweifelt eben diese Männer beim
Gouverneur an, aber der Landsturm fühlte sich zu Hause am
sichersten.
(S.5,076
Chloroform war jetzt so knapp, daß es nur noch bei den
schlimmsten 0perationen gebraucht wurde, und 0pium war eine
Kostbarkeit, die man nur noch benutzte, um den Hoffnungslosen aus dem
Leben zu helfen, und nicht mehr, um Lebenden die Schmerzen zu
lindern; Chinin und Jod gab es überhaupt nicht mehr. Ja, Scarlett
hatte es alles satt und hätte viel darum gegeben, sich wie Melanie
mit Schwangerschaft entschuldigen zu können. Dies war in jenen Tagen
ungefähr die einzige Entschuldigung, die man gelten ließ.
(S.5,137
Da fiel ihr Blick auf einen singenden schwarzen Riesen in der
vordersten Reihe. Er war weit über sechs Fuß hoch, ein
ebenholzfarbiger Goliath, der mit der biegsamen Anmut eines kräftigen
Tieres einherschritt und der Schar Ton und Takt des Liedes »Moses,
zieh dahin« angab, während seine weißen Zähne im dunklen
Angesicht blitzten. Unmöglich konnte es auf der Welt einen zweiten
so hochgewachsenen Farbigen mit einer so kräftigen Stimme geben wie
Big Sam, den Vorarbeiter auf Tara. Was aber hatte Big Sam hier, so
weit von zu Hause, zu suchen, gerade jetzt, wo in der Plantage kein
Aufseher und er Geralds rechte Hand w ar? Als sie sich halb vom Sitz
erhob, um besser zu sehen, erblickte der Mann sie, und sein schwarzes
Gesicht zerbarst in einem Grinsen beglückten Wiedererkennens. Er
blieb stehen, ließ die Schaufel sinken und rief seinen Gefährten
zu: »Allmächtiger! Das sein Miß Scarlett. Hallo, Elias, Apostel,
Prophet! Da sein Miß Scarlett!« Verwirrung kam in die Reihen,
unentschlossen und grinsend blieb der Trupp stehen. Big Sam aber lief
quer über die Straße auf den Wagen zu, drei seiner Gefährten
hinter ihm drein, und hinter ihm her erscholl die gereizte Stimme des
kommandierenden 0ffiziers: »Wollt ihr wohl ins Glied zurück, Kerls!
Antreten, sage ich, oder ich will euch ... Ach, das ist ja Mrs.
Hamilton. Guten Morgen, gnädige Frau, guten Morgen, Herr ... Was
treiben Sie hier und wiegeln meine Leute zu Meuterei auf! Ich habe
heute schon genug Arbeit mit den Burschen gehabt.«
(S.5,155
»Herr Jesus, Miß Scarlett, haben Miß nicht hören? Wir doch
sollen für die weißen Herren die Gräben machen, wo sie sich
verstecken, wenn Yankees kommen!« Hauptmann Randall und die Insassen
des Wagens verbissen sich das Lachen, als sie diese Auffassung vom
Zweck des Schützengrabens vernahmen. »Master Gerald kriegen
natürlich beinahe einen Wutanfall, als sie mich holen. Er sagen, er
ohne mich nicht fertig werden, aber Miß Ellen sagen: >Nimm ihn,
Master Kennedy, die Konföderierten haben Big Sam noch nötiger als
wir<, und sie mir einen Dollar geben und sagen, ich soll genau
tun, was die weißen Herren mir befehlen, und nun sein wir alle
hier.«
(S.5,238
Nun, daß Sie immer noch eine romantische Backfischleidenschaft
für ihn hegen und pflegen, die er erwidert, soweit seine ehrenwerte
Natur es ihm gestattet. Auch, daß Mrs. Wilkes davon nichts ahnt und
daß ihr alle beide sie an der Nase führt. Ich verstehe also fast
alles; nur eins verstehe ich nicht, und es reizt meine Neugierde. Hat
der ehrenwerte Ashley seine unsterbliche Seele jemals durch einen Kuß
auf Ihren Mund in Gefahr gebracht?« Steinernes Schweigen und ein
abgewendetes Gesicht waren die Antwort. »Gut, er hat Sie also
geküßt, vermutlich, als er hier auf Urlaub war. Nun aber ist er
wahrscheinlich tot, und Sie hegen seinen Kuß in Ihrem Herzen. Doch
ich bin überzeugt, Sie kommen schließlich darüber hinweg, und wenn
Sie seinen Kuß vergessen haben, will ich ...« Wie eine Rasende
wandte sie sich ihm zu: »Scheren Sie sich zum Teufel!« brach es aus
ihr hervor, und in den halbgeschlossenen grünen Augen funkelte die
Wut. »Lassen Sie mich aussteigen, ehe ich über das Rad weg
hinausspringe. Ich wünsche nie wieder ein Wort mit Ihnen zu reden!«
Er hielt an, aber ehe er aussteigen und ihr heraushelfen konnte,
sprang sie mit einem Satz auf die Straße. Mit dem Reifen ihres
Rockes blieb sie dabei am Wagen hängen, und für einen Augenblick
boten sich Unterröcke und Hosen den Blicken des Publikums von Five
Points dar. Rhett Butler lehnte sich hinaus und machte sie frei. 0hne
ihn auch nur noch eines Blickes zu würdigen, rauschte sie davon; er
aber lachte in sich hinein und schnalzte seinem Pferde zu.
(S.5,279
Manche dieser Leute waren völlig unbewaffnet; man hatte ihnen
weder Gewehre noch Munition austeilen können. Sie hofften, sich
später mit den Waffen gefallener und gefangener Yankees ausrüsten
zu können. Viele trugen Buschmesser im Stiefel und dicke Stöcke mit
Eisenspitzen in der Hand, die unter dem Namen »Joe Browns Piken«
bekannt waren. Hier und da hatte ein Glücklicherer eine alte Muskete
mit Feuersteinschloß über der Schulter und ein Pulverhorn am Gürtel
hängen. Johnston hatte rund zehntausend Mann auf dem Rückzug
verloren, er brauchte zehntausend Mann ganz frischer Truppen. »Und
jetzt bekommt er dies!« dachte Scarlett erschrocken.
(S.5,686
Es war unerhört von einem Manne, zu wissen, woran die Frauen
dachten, und obendrein davon zu reden. Man kam sich wie nackend vor.
Scarlett fühlte sich so gern in den Augen der Männer als ein
geheimnisvolles Rätselwesen und wußte doch, daß Rhett sie
durchschaute wie Glas.
(S.5,691
»Welch ein Glück, Sie allein anzutreffen«, sagte er leise.
Etwas in seiner Stimme trieb ihr Herz zu angenehm rascheren Schlägen,
und sie spürte, wie sie errötete. Auf diesen Ton in Männerstimmen
verstan d sie sich, und sie wußte, er kündigte ihr eine
Liebeserklärung an. Ach, welch eine Freude! Wenn er nun von seiner
Liebe sprach, wie wollte sie ihn zur Strafe für all seine höhnischen
Bemerkungen quälen! Dann waren sie miteinander quitt. Sogar für
jene schreckliche Demütigung, da er Zeuge gewesen war, wie sie
Ashley geohrfeigt hatte, wollte sie Rache nehmen. Und dann wollte sie
ihm in sanftem Ton mitteilen, sie könne ihm nicht mehr als eine
Schwester sein, und sich mit Ehre und Würde aus der Affäre ziehen.
(S.5,696
»Lachen Sie nicht«, sagte er, ergriff ihre Hand, drehte sie um
und drückte seine Lippen in die Handfläche. Als sie die Wärme
seines Mundes spürte, sprang etwas Urlebendiges auf sie über und
rann ihr liebkosend durch Mark und Bein. Seine Lippen glitten zu
ihrem Handgelenk hinauf. Sie suchte ihre Hand wegzuziehen. Er mußte
ja an ihrem Pulsschlag fühlen, wie ihr Herz immer hurtiger schlug.
Damit hatte sie nicht gerechnet, mit diesem verräterisch
aufsteigenden Verlangen, ihm mit den Händen im Haar zu wühlen und
seine Lippen auf… Some highlights have been hidden or truncated due
to export limits.
(S.5,704
»Scarlett, du hast mich gern, nicht wahr?« Das klang schon mehr
nach dem, was sie erwartete. »Nun, manchmal«, antwortete sie
vorsichtig. »Wenn Sie sich nicht wie ein Flegel benehmen.« Er
lachte von neuem und legte ihre Handfläche an seine rauhe Wange.
»Ich glaube, du hast mich gern, weil ich ein Flegel bin. Du hast in
deinem umhüteten Leben so wenig Flegel kennengelernt, die mit allen
Wassern gewaschen sind, daß ich gerade, weil ich anders bin als alle
anderen, einen eigenen Reiz für dich habe.« Diese Wendung hatte sie
wiederum nicht erwartet. Sie versuchte vergeblich, ihm die Hand zu
entziehen. »Das ist nicht wahr. Ich habe wohlerzogene Männer gern,
bei denen man sich darauf verlassen kann, daß sie immer Gentleman
bleiben.« »Du meinst solche, die sich von dir einschüchtern
lassen. Aber es kommt nicht auf das Wort an. Es ist einerlei.«
Wieder bedeckte er die Innenfläche ihrer Hand mit Küssen, wieder
überlief es ihr prickelnd den Nacken. »Aber du hast mich gern.
Könntest du mich jemals lieben, Scarlett?« »Nun ist es soweit!«
dachte sie triumphierend, und mit wohlberechneter Kälte erwiderte
sie: »Ganz gewiß nicht. Sie müßten sich dann bedeutend bessere
Manieren angewöhnen.« »Diese Absicht habe ich keineswegs. Dann
könnten Sie mich also nicht lieben? Das eben hatte ich auch gehofft.
Ich habe Sie zwar schrecklich gern, aber… Some highlights have been
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(S.5,718
»Sie hatten es also gehofft! Ach, daß ich diese Hoffnungen
enttäuschen muß! Ich sollte Sie eigentlich lieben, denn Sie sind
reizend und für nutzlose Künste so begabt! Viele Damen aber sind
begabt und reizend und ebenso nutzlos wie Sie. Nein, ich liebe Sie
nicht. Aber ich habe Sie ganz schrecklich gern - wegen Ihres
geschmeidigen Gewissens, wegen der Selbstsucht, die Sie so selten zu
verbergen wissen, und wegen der praktischen Gescheitheit, die, wie
ich fürchte, von einem nicht allzu entfernten bäuerlichen irischen
Vorfahren stammt. Unterbrechen Sie mich nicht«, bat er und drückte
ihre Hand fester. »Ich habe Sie gern, weil ich dieselben
Eigenschaften besitze, und gleich und gleich gesellt sich gern. Ich
sehe, Sie pflegen immer noch das Andenken an den göttlichen Mr.
Wilkes mit dem holzgeschnitzten Gesicht, der jetzt wahrscheinlich
seit Monaten im Grabe… Some highlights have been hidden or
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(S.5,726
Ich begehre Sie mehr, als ich je ein Weib begehrt habe, und ich
habe länger auf Sie gewartet als je auf eine andere Frau.« Ihr
verging der Atem vor Verblüffung bei seinen letzten Worten. Trotz
all seiner Beleidigungen und Unverschämtheiten liebte er sie also
doch und war nur zu eigensinnig, es zu gestehen. Nun, sie wollte ihm…
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(S.5,730
»Du lieber Himmel, nein! Ich habe Ihnen doch gesagt, daß das
Heiraten mir nicht liegt!« »Ja ... aber ... was ...« Er stellte
sich vor sie hin, legte die Hand aufs Herz und machte ihr eine
burleske Verbeugung. »Liebste«, sagte er ruhig, »ich appelliere an
deinen Verstand. 0hne dich erst verführt zu haben, bitte ich dich
hiermit feierlich, meine Geliebte zu werden.« »Geliebte!« Ihr
Gewissen schrie dieses Wort, schrie ihr zu, sie sei auf das
niedrigste beschimpft worden. Aber in Wirklichkeit fühlte sie sich
gar nicht beschimpft. Was in ihr aufwallte, war nur wütende Empörung
darüber, daß er sie für so dumm hielt. Er mußte sie schon für
sehr dumm halten, wenn er ein solches Ansinnen an sie richtete,
anstatt ihr den Heiratsantrag, den sie erwartete, zu machen. Wut,
verletzte Eitelkeit und Enttäuschung brachten ihr Gemüt in einen
wilden Aufruhr, und ehe ihr überhaupt einfiel, von welchen Höhen
moralischer Entrüstung herab sie ihn zurückweisen sollte, platzte
sie mit dem ersten Satz heraus, der sich ihr auf die Lippen drängte:
»Geliebte! Was hätte ich weiter davon als ein halbes Dutzend
Bälge!« Schon aber blieb ihr der Mund vor… Some highlights have
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(S.5,740
die sich die praktische Seite einer Sache ansieht, ohne ein großes
Geschrei über Sünde und Moral dabei zu erheben. Jede andere Frau
wäre zuerst in 0hnmacht gefallen und hätte mir dann die Tür
gewiesen.« Scarlett sprang, dunkelrot vor Scham, auf die Füße.
(S.5,748
Ich ... sage es meinem Vater, und der erschießt Sie!« Er nahm
seinen Hut und verbeugte sich, und im Lampenlicht sah sie, wie er
unter dem Schnurrbart lächelnd die Zähne entblößte. Er schämte
sich keineswegs, sondern hatte seinen Spaß an ihrer Aufregung und
beobachtete sie mit lebhafter Neugierde. Sie drehte sich schroff auf
dem Absatz um und ging ins Haus. Sie packte die Tür fest an, um sie
krachend ins Schloß zu werfen, konnte aber den Haken, der sie
festhielt, nicht lösen. Angestrengt mühte sie sich damit ab. »Darf
ich Ihnen helfen?« fragte er.
(S.5,754
Als sie das erste Stockwerk erreicht hatte, vernahm sie, wie er
geflissentlich, wie sie es gewollt, die Tür zuschmetterte.
(S.5,754
Als die heißen Augusttage zu Ende gingen, hörte die Beschießung
plötzlich auf.
(S.5,766
Scarlett lechzte nach Briefen aus Tara und versuchte, trotz allem
ein tapferes Gesicht zu machen. Es schien ihr eine Ewigkeit vergangen
zu sein, seit die Belagerung begonnen hatte. Ihr war, als habe sie
ihr ganzes Leben mit dem Kanonendonner in den 0hren verbracht, bis
diese unheimliche Ruhe hereinbrach. Und doch hatte die Belagerung
erst vor dreißig Tagen angefangen.
(S.5,791
Schließlich kam ein Kurier mit der beruhigenden Nachricht, die
Yankees seien zurückgeschlagen worden. Aber sie waren bis nach
Jonesboro hinein vorgestoßen, hatten den Bahnhof verbrannt, die
Telegraphenverbindungen zerstört und drei Meilen Schienen
aufgerissen, ehe sie sich zurückzogen.
(S.5,801
Als der Kurier in einem Staubwirbel davonritt, öffnete Scarlett
mit bebenden Fingern Geralds Brief. Die Papierknappheit war in den
Südstaaten so groß, daß Gerald seine Mitteilungen zwischen die
Zeilen ihres letzten Briefes an ihn geschrieben hatte, und sie waren
deshalb schwer zu entziffern. »Liebe Tochter, Deine Mutter und beide
Mädchen haben den Typhus, sie sind sehr krank, aber wir wollen das
Beste hoffen. Als Deine Mutter sich zu Bett legte, trug sie mir auf,
Dir zu schreiben, Du möchtest unter keinen Umständen nach Hause
kommen und Dich und den Jungen der Ansteckung aussetzen. Sie läßt
Dich herzlich grüßen und bittet Dich, für alle zu beten.« Für
sie beten! Scarlett flog die Treppe hinauf, fiel vor dem Bett auf die
Knie und betete, wie sie nie zuvor gebetet hatte. Dies waren keine
Rosenkranzformeln, sondern immer dieselben inbrünstigen Worte:
»Mutter Gottes, laß sie nicht sterben! Ich will gut werden, wenn du
sie nicht sterben läßt! Bitte, bitte, laß sie nicht sterben!«
(S.5,815
Ellen krank - vielleicht sterbend! Ellen war nie krank gewesen.
Der Gedanke allein war unglaublich und rührte an die Grundfesten von
Scarletts Lebensgefühl. Ellen war nie krank, sondern sie pflegte
Kranke und machte sie wieder gesund. Scarlett wollte nach Hause. Sie
begehrte nach Tara wie ein verängstigtes Kind, das verzweifelt nach
der einzigen Zufluchtsstätte ruft, welche es kennt.
(S.5,837
Während sie noch hinausschaute, drang ein ferner Laut an ihr 0hr:
ganz leise und gedämpft wie das erste ferne Grollen eines
heraufziehenden Gewitters. »Regen«, dachte sie und fügte, auf dem
Lande groß geworden, in Gedanken hinzu: »Wir brauchen ihn nötig.«
Aber gleich darauf wußte sie, daß es kein Gewitter war, sondern
Kanonendonner.
(S.5,843
Vielleicht waren in dieser Minute die Yankees in Tara!
(S.5,867
»Scarlett, ich habe hier gelegen und nachgedacht und möchte dich
um etwas Großes bitten.« Sie faßte ihre Hand fester. »Wenn ich
sterbe - nimmst du dann mein Kind?«
(S.5,872
Scarlett, du sollst mein Kind haben. Versprich es mir, und wenn es
ein Junge ist, erzieh ihn wie Ashley. Ist es aber ein Mädchen ...
dann wollte ich, es gliche dir.«
(S.5,875
»Nun gut, ich versprech es«, sagte Scarlett und sah sie
verwundert an. War Melanie wirklich so dumm, daß sie nicht wußte,
was Ashley ihr bedeutete? 0der wußte sie alles und meinte, Scarlett
müsse gerade um ihrer Liebe willen für Ashleys Kind sorgen?
(S.5,889
Schon aus diesem Grunde haßte sie die Yankees, weil sie ihr den
richtigen Kaffee mit Zucker und Rahm raubten.
(S.5,931
»Einerlei, was sie sagt«, unterbrach Scarlett sie verzweifelt.
»Binde dir eine reine Schürze um und lauf hinüber ins Lazarett.
Ich gebe dir einen Brief für Dr. Meade mit. Wenn er nicht da ist,
gib ihn Dr. Jones oder einem der anderen Ärzte, und wenn du dich
dieses Mal nicht mehr beeilst, ziehe ich dir bei lebendigem Leibe das
Fell über die 0hren.« »Jawohl, Miß.« »Frage einen der Herren,
wie die Kämpfe stehen. Wenn sie es nicht wissen, geh zum Bahnhof und
frag die Lokomotivführer, die die Verwundeten hereinbrachten; frag,
ob bei Jonesboro gekämpft wird.« »Allmächtiger Gott, Miß?« In
Prissys schwarzem Gesicht malte sich die Panik. »Die Yankees sein
doch nicht in Tara?« »Ich weiß es nicht. Du sollst es ja gerade in
Erfahrung bringen.« »Allmächtiger! Miß, was tun sie nun mit
meiner Ma!« Prissy fing an laut zu heulen. »Laß das Heulen, Miß
Melanie hört es. Binde dir schnell eine andere Schürze um.«
Scarlett warf ein paar hastige Zeilen auf den Rand von Geralds let
ztem Brief, das einzige Stück Papier im Hause. Als sie es
zusammenfaltete, fiel ihr Blick auf Geralds Worte: »Deine Mutter ...
Typhus ... unter keinen Umständen nach Hause kommen ...« Sie
schluchzte beinahe. Wäre nicht Melanie, sie bräche noch in dieser
Minute auf, und wenn sie Schritt für Schritt zu Fuß nach Hause
gehen müßte.
(S.5,947
Auch Melanie schwieg, nur von Zeit zu Zeit verzerrte sich ihr
stilles Gesicht vor Schmerz. Danach sagte sie jedesmal: »Nein, es
ist nicht so schlimm«, und Scarlett wußte, daß sie log. Lautes
Schreien wäre ihr lieber gewesen als dieses stille Dulden. Es war
sonderbar, aber sie brachte keinen Funken von Mitgefühl auf. Die
eigene Not zehrte zu sehr an ihrem Gemüt.
(S.6,000
Die Yankees kamen. Die Armee zog ab. Was sollten sie tun? Wohin
sollten sie fliehen? Sie konnten nicht fliehen, denn Melanie lag im
Bett und erwartete das Kind. Ach, warum mußten Frauen Kinder
bekommen!
(S.6,019
In der erbarmungslosen Sonne lagen Hunderte von Verwund eten,
Schulter an Schulter, Sohle an Sohle, in Reih und Glied. Die Schienen
und die Seitenstraßen entlang und in den Wagenschuppen lagen sie in
endlosen Reihen. Einige steif und still, andere wanden sich stöhnend
unter der heißen Sonne. Überall schwärmten die Fliegen um sie
herum, krochen ihnen summend übers Gesicht, überall waren Blut,
Schmutz, Bandagen, Gestöhn, gellende Flüche und Schmerzensschreie,
wenn die Krankenträger die Leute anhoben. Der Geruch von Schweiß,
Staub und Kot stieg in sengend heißen Wellen empor. Scarlett wurde
bei dem Gestank übel.
(S.6,067
Der Doktor kam nicht. Sie mußte sehen, wie sie sich selbst half.
(S.6,081
Wenn doch ihr Herz aufhören wollte zu hämmern, zu trommeln und
zu jagen. Ihr war, als schnitte das Korsett ihr die Rippen
mittendurch. Könnte sie doch nur einmal bis tief in den Bauch hinein
Atem holen!
(S.6,093
»Um Gottes willen, Miß Scarlett!« Prissys Augen rollten vor
Angst im Kopf. »Um Gottes willen, wir müssen Doktor haben! Ich ...
ich ... Miß Scarlett, ich weiß nicht keine Ahnung, wie Kinder
holen. Ma mir immer verboten dabeisein, wenn Kinder kommen!« »Du
(S.6,097
»Ich gelogen, Miß Scarlett, gelogen! Ich weiß auch nicht, war
um gelogen, nur einmal bei einem Baby ich haben zugesehen, und Ma
mich deswegen schrecklich verprügeln I« Scarlett starrte sie
fassungslos an, und Prissy versuchte sich loszureißen. Einen
Augenblick lang wollte Scarlett es nicht glauben, aber als sie endli
ch begriff, übermannte sie der Zorn. Nie im Leben hatte sie einen
Sklaven geschlagen, aber jetzt versetzte sie mit der ganzen Kraft
ihres müden Armes der schwarzen Wange eine schallende 0hrfeige.
Prissy kreischte aus Leibeskräften und versuchte, sich frei zu
machen. Da hörte das Stöhnen im zweiten Stock auf, und mit
schwacher, bebender Stimme rief Melanie: »Scarlett, bist du es?
Bitte, bitte komm!«
(S.6,118
Zuerst hatte sie versucht, das Schreien zu unterdrücken, und sich
auf die Lippen gebissen, bis sie wund waren, aber Scarlett, deren
Nerven nicht minder wund waren, hatte heiser gesagt: »Melly, um
Gottes willen, laß das Unterdrücken. Schrei, wenn dir danach zumute
ist. Niemand hört dich außer uns.«
(S.6,134
»Erzähl mir was, bitte, erzähl mir was«, hauchte sie. Scarlett
schwatzte etwas vor sich hin, bis Melanie von neuem nach dem
Handtuchknoten griff und sich zu winden begann. Einmal kam Wade auf
Zehenspitzen die Treppe herauf und stand wehklagend draußen vor der
Tür: »Wade hungrig!« Scarlett erhob sich, um zu ihm hinauszugehen,
aber Melanie flüsterte: »Bitte, laß mich nicht allein, ich kann es
nur aushalten, wenn du da bist.« Scarlett
(S.6,143
Als die Dämmerung hereinbrach und Prissy die Lampe anzündete,
wurde Melanie schwächer. Immer wieder rief sie in Fieberphantasien
nach Ashley, bis Scarlett von der wilden Lust ergriffen wurde, diesen
unheimlichen, eintönigen Ruf in den Kissen zu ersticken. Vielleicht
kam der Doktor schließlich doch noch?
(S.6,155
»Sie kommen«, flüsterte Melanie und verbarg ihr Gesicht im
Kissen. Sie ließ sich nicht täuschen. Gedämpft kam es von ihrem
Bett her: »Mein armes, armes Kindchen!« und nach einer langen
Pause: »0 Scarlett, du darfst nicht hierbleiben, du mußt mit Wade
fortgehen.« Was Melanie da sagte, war nichts anderes, als was
Scarlett selber gedacht hatte. Als sie es aber mit Worten hörte,
brachte es sie in Wut und beschämte sie, als stünde ihre heimliche
Feigheit ihr deutlich auf dem Gesicht g eschrieben. »Sei keine Gans,
ich habe keine Angst. Du weißt, daß ich dich hier nicht allein
lasse.«
(S.6,164
Alles war überstanden. Melanie war nicht tot, und der kleine
Junge, wie ein Kätzchen quiekend, bekam von Prissys Händen sein
erstes Bad. Melanie schlief. Wie konnte sie nach so schauerlichen
Schmerzen und einer so unzulänglichen Geburtshilfe, die eher weh tat
als half, noch schlafen! Scarlett war überzeugt, sie selbst wäre
bei solcher Behandlung zugrunde gegangen. Aber als alles vorüber
war, hatte Melanie sogar, so leise, daß Scarlett sich über sie
beugen mußte, um es zu verstehen, das Wort: »Danke ...«
geflüstert. Dann war sie eingeschlafen. Scarlett hatte ganz
vergessen, daß auch sie damals nach Wades Geburt sogleich
eingeschlummert war.
(S.6,173
0ben hörte sie Schritte gehen, dann schlossen sich ihre Augen,
und etwas wie Schlaf überkam sie. Nach einer unbestimmten Weile
stand Prissy neben ihr und schwatzte vergnügt auf sie ein. »Das
haben wir gut machen, Miß Scarlett ... das machen Ma auch nicht
besser.« Müde starrte Scarlett sie an, zu müde, um sie noch
auszuschalten und ihr all ihre Untaten vorzuhalten; wie sie sich
einer Erfahrung gerühmt hatte, die sie nicht besaß, ihre Angst,
ihre täppische Ungeschicklichkeit, ihre völlige Unbrauchbarkeit in
der Not; wie sie die Schere verlegt, das Wasser vergossen, das
Neugeborene fallen gelassen hatte. Und nun tat sie sich mit ihrer
Leistung groß. Die Yankees wollten die Farbigen befreien! Nun, wohl
bekomm es ihnen. Sie
(S.6,189
Was sollte sie tun, wie konnten sie entfliehen, an wen sich
wenden? Alle hatten sie im Stich gelassen. Plötzlich fiel ihr Rhett
Butler ein, und jede Furcht verschwand. Warum hatte sie nicht heute
morgen an ihn gedacht, während sie kopflos umhergeirrt war. Sie
haßte ihn, aber er war stark und unerschrocken und fürchtete die
Yankees nicht. Er befand sich noch in der Stadt. Natürlich war sie
ihm sehr böse. Er hatte das letztemal Unverzeihliches gesagt. Aber
in Augenblicken höchster Not mußte man darüber hinwegsehen. Zudem
besaß er Pferd und Wagen. Ach, warum hatte sie nicht eher an ihn
gedacht! Er konnte sie alle aus dieser gottverlassenen Stadt und von
den Yankees fortfuhren, irgendwohin. Fieberhaft sprach sie auf Prissy
ein. »Du weißt, wo Kapitän Butler wohnt, im Atlanta-Hotel? Schön,
lauf dahin, so schnell du kannst, und
(S.6,203
Als Pnssy immer noch unschlüssig von einem Fuß auf den andern
trat, gab ihr Scarlett einen Stoß, der sie beinahe kopfüber die
Haustreppe hinuntergeworfen hätte. »Jetzt gehst du, oder ich
verkaufe dich als Pflückerin nach dem Süden!« Unter Heulen und
Zähneklappern hatte sich Prissy endlich auf den Weg treppabwärts
gemacht. Die Gartenpforte schlug, und Scarlett rief ihr nach: »Beeil
dich! Beeil dich, dumme Gans!«
(S.6,230
Während sie noch am Fensterbrett lehnte, ertönte eine gewaltige
Explosion, lauter als aller Geschützlärm, den sie je vernommen
hatte. Eine riesige Flamme riß den ganzen Himmel entzwei. Dann
folgten weitere Explosionen. Die Erde bebte. Die Scheiben über ihrem
Kopf klirrten und fielen mit Getöse herab. Die ganze Welt war in
eine tosende, lodernde, weithin bebende Hölle verwandelt, während
eine ohrenzerreißende Explosion der andern folgte.
(S.6,234
Ihr war, als hätte es von nebenan leise gerufen. Aber sie achtete
dessen nicht. Jetzt hatte sie keine Zeit mehr für Melanie, sondern
nur noch für die Angst, die ihr den Flammen gleich durch die Adern
züngelte. Sie glich einem zu Tode erschrockenen Kind, das den Kopf
im Schoß der Mutter bergen und nichts mehr sehen and hören will.
(S.6,237
In dem nervenerschütternden Lärm unterschied sie Schritte, die,
immer zwei Stufen überschlagend, die Treppe heraufpolterten, und
eine Stimme winselte wie ein Jagdhund, der sich verirrt hat. Prissy
stürzte ins Zimmer auf Scarlett zu und umklammerte sie so heftig,
als wollte sie sie zerreißen. »Die Yankees?«rief Scarlett. »Nein,
Miß, unsere Herren!« kreischte Prissy und drückte die Nägel noch
tiefer in Scarletts Arm. »Die haben Gießerei angezündet und
Militärlager und Speicher und haben, o Gott, siebzig Güterwagen mit
Kanon enkugeln und Pulver in Luft gesprengt, und, Herr Jesus, wir
alle zusammen brennen auf!«
(S.6,260
Wenn es irgendwo ein Pferd gab, so würde Rhett Butler es auch
bekommen, denn ein schneidiger Kerl war er doch. Wenn er ihr aus
dieser Not half, wollte sie ihm alles verzeihen. Fliehen! Unter
Rhetts Schutz hatte sie keine Angst. Dem Himmel sei Dank für Rhett
Butler. Als dieser Hoffnungsstrahl aufleuchtete, wurden ihre Gedanken
wieder nüchterner.
(S.6,265
Eigentlich hätte Scarlett zu Melanie gehen und sie beruhigen
sollen. Die Kranke mußte ja vor Angst umkommen
(S.6,266
Es war wie das Ende der Welt. Aber immer noch konnte sie sich
nicht dazu überwinden, jenes Zimmer zu betreten.
(S.6,271
Der Lärm machte sie wütend, denn Prissy benahm sich ebenso
ziellos wie sie selbst. Sie gab ihr sinnloses Packen auf und setzte
sich nieder. Es war unmöglich, etwas anderes zu tun, als mit
pochendem Herzen dazusitzen und auf Rhett zu warten.
(S.6,386
Sie zitterte vor Kälte, obwohl ihnen die Glut der Flammen schon
heiß ins Gesicht schlug. Dies war die Hölle, und sie befanden sich
mitten darin. Hätte sie nur ihre bebenden Knie in der Gewalt, sie
spränge aus dem Wagen und liefe schreiend die dunkle Straße, die
sie gekommen waren, wieder zurück, bis
(S.6,390
Von der höllischen Glut, die um sie her loderte, hob sich sein
dunkles Profil scharf ab, wie der Kopf auf einer antiken Münze,
schön, grausam und kaum noch menschlich. Als sie seinen Arm
berührte, wandte er ihr sein Gesicht zu. Seine Augen erstrahlten
nicht weniger fürchterlich als die Feuersbrunst. Es schien Scarlett,
als erfüllte all das Grauenhafte, das sie umgab, ihn mit einer
wilden, lustigen und verachtungsvollen Freude. »Hier«,
(S.6,433
Wohl eine Ewigkeit lang fuhren sie durch diese feurige Hölle, und
dann auf einmal befanden sie sich wieder im Halbdunkel. Während sie
so die Straße entlang und über die Schienen polterten, gebrauchte R
hett regelmäßig, fast automatisch, die Peitsche. Verschlossen und
geistesabwesend blickte er vor sich hin, als hätte er vergessen, wo
er sich befand.
(S.6,443
»Ach, Rhett«, flüsterte sie und faßte seinen Arm. »Was hätten
wir ohne Sie angefangen! Ich bin so froh, daß Sie nicht bei der
Armee sind.« Er wandte den Kopf und sah sie mit einem Blick an, vor
dem sie zurückschreckend seinen Arm fahren ließ. In seinen Augen
war dieses Mal kein Spott, nackt lagen sie vor ihr, Zorn und etwas
wie ratlose Verwunderung las sie darin. Doch schon verzogen sich
wieder seine Lippen, und er wandte sich ab.
(S.6,528
Der Haß verschlug ihr die Worte. Seine Füße knirschten über
den Kies der Straße. Einen Augenblick tauchten seine breiten
Schultern im Dunkel auf, dann war er verschwunden. Eine Weile hörte
sie noch seine Schritte, dann verklangen sie. Langsam kehrte sie mit
wankenden Knien zum Wagen zurück. Warum war er fortgegangen, in die
Finsternis hinein, in den Krieg, in eine verlorene Sache, in eine
toll gewordene Welt? Warum war Rhett gegangen, der die Frauen und den
Schnaps liebte, gutes Essen und we iche Betten, Vergnügen, Behagen
und die Reize der Sinne, der den Süden haßte und die Narren
verhöhnte, die für ihn kämpften?
(S.6,546
Schaudernd erinnerte sie sich, wie oft sie das bockbeinige Pferd
in Äcker und Felder getrieben hatte, sobald sie Soldaten kommen
hörte und nicht wußte, ob es Freunde oder Feinde waren. Ihre Angst,
daß ein Husten, ein Niesen oder Wades ewiger Schluckauf sie den
marschierenden Truppen verrieten.
(S.6,590
Zwischen den Sklavenhäusern und den verräucherten Fundamenten
fanden sie den Brunnen. Sein Dach war noch heil, der Eimer hing tief
unten im Wasser. Mit vereinten Kräften wanden sie das Seil in die
Höhe, und als der Eimer voll klaren, schimmernden Wassers aus der
dunklen Tiefe aufstieg, setzte Scarlett ihn an die Lippen, schlürfte
gierig und verschüttete dabei Wasser über ihren ganzen Körper. Sie
trank, bis Prissys klägliches »Ich auch Durst, Missis!« sie an die
Bedürfnisse der andern gemahnte.
(S.6,652
Warum war sie gegen jeden gesunden Menschenverstand diesen
sinnlosen Weg gegangen! Warum hatte sie Melanie und das Kind mit sich
geschleppt! Besser wäre es gewesen, sie wären in Atlanta
umgekommen, als nach der Folter dieses Sonnentages im rüttelnden
Wagen vor den stummen Ruinen von Tara zu sterben. Aber Ashley hatte
Melanie Scarletts Fürsorge anvertraut.
(S.6,683
Scarlett, ich noch nie etwas mit Kühen zu tun haben, ich bin kein
HofSklaven, ich bin ein HausSklaven.« »Ein Eselsnigger bist du, und
Pas schlimmster Einfall war es, dich zu kaufen«, sagte Scarlett
langsam, zu müde, um zu schelten. »Wenn ich je wieder meinen Arm
gebrauchen kann, bekommst du etwas mit dieser Peitsche.« »So«,
dachte sie bei sich, »nun habe ich >Nigger< gesagt, und das
hat Mutter nie haben wollen.« Prissy rollte wild mit den Augen und
warf zuerst einen Blick auf das unbewegliche Gesicht ihrer Herrin und
dann auf die kläglich brüllende Kuh. 0ffenbar hielt sie Scarlett
für die geringere Gefahr, sie klammerte sich an die Wagenbretter und
rührte sich nicht vom Fleck. Mit steifen Gliedmaßen kletterte
Scarlett vom Sitz herab. Prissy war nicht die einzige, die Angst vor
Kühen hatte. Auch Scarlett war immer vor ihnen bange gewesen, selbst
die sanftmütigste war ihr unheimlich erschienen, aber dieses Mal
konnte sie ihren kleinen Ängsten nicht nachgeben, da die großen mit
solcher Gewalt über sie herfielen. Zum Glück war die Kuh von der
sanftesten Gemütsart. In ihrem Schmerz hatte sie nach menschlicher
Hilfe gesucht und ließ es sich ruhig gefallen, daß Scarlett ihr ein
Ende des zerrissenen Unterrocks am Hörn befestigte. Das andere Ende
wurde hinten an den Wagen gebunden, so fest es die wunden Finger
vermochten. Als sie wieder auf den Bock steigen wollte, überkam sie
eine ungeheure Müdigkeit, und plötzlich wurde ihr schwarz vor den
Augen. Sie mußte sich amWagen festhalten, umnicht hinzufallen.
Melanie schlug die Augen auf, sah Scarlett neben sich und flüsterte:
»Liebes, sind wir zu Hause?«
(S.6,738
»Ich bin es - Katie Scarlett. Ich bin heimgekomm en.« Gerald kam
ihr stumm, wie ein Schlafwandler, entgegen und zog das steife Bein
nach. Er trat an sie heran und sah ihr blinzelnd in das Gesicht, als
hielte er sie für einen Spuk. Er streckte die Hand aus und legte sie
ihr auf die Schulter. Scarlett erbebte, als wäre sie aus einem
Alpdruck zu einem Vorgefühl der Wirklichkeit erwacht. »Tochter«,
sagte er mit Anstrengung. »Meine Tochter.« Dann schwieg er wieder.
(S.6,744
Er war nur noch ein kleiner, gebrochener alter Mann. Nun
(S.6,753
Pork kam die Stufen herunter. Scarlett griff ihn beim Arm. Pork,
ein Stück von Tara, vertraut wie seine Mauern und Wege! Sie fühlte
heiße Tränen über ihren Händen, als Pork sie ungeschickt
streichelte und rief: »Freu' mich aber, daß Sie wieder da sind,
Miß! Freu' mich so sehr ...«
(S.6,757
Nun nahm Scarlett alles in die Hand.
(S.6,767
»Deine Mutter ist gestern gestorben.«
(S.6,773
Seltsam, daß sie jetzt außer der furchtbaren Erschöpfung, die
ihre Glieder wie mit Eisenketten gefesselt hielt, und außer dem
Hunger, der ihre Knie erzittern ließ, nichts weiter empfand. An
Mutter wollte sie später denken. Jetzt mußte sie dies von sich
wegschieben, sonst würde sie stumpfsinnig wie Gerald dahinstolpern
oder eintönig wie Wade vor sich hin schluchzen müssen. Pork kam die
breiten dunklen Stufen auf sie zugeschritten und schien sich an
Scarlett drängen zu wollen wie ein frierendes Tier ans Feuer.
(S.6,799
»Und die Hügel mit den Bataten?« Auf seinen dicken Lippen
erglänzte es wie ein freudiges Lächeln: »Miß Scarlett, die
Bataten hab' ich ganz vergessen. Die müssen noch dasein. Die Yankees
haben nie keine mit Augen gesehen und meinen, das wären bloß
Wurzeln.« »Wenn der Mond aufgeht, lauf hinüber, grab welche aus
und röste sie. Maismehl ist nicht da? Keine getrockneten Erbsen?
Keine Hüh ner?«
(S.6,808
»Pork, was ist aus dem Kornbranntwein geworden, den Pa im
eichenen Fasse unter der Laube vergraben hatte?« Wieder erhellte
etwas wie ein Lächeln das schwarze Gesicht, ein Lächeln der Freude
und Hochachtung.
(S.6,810
»0h, Miß Scarlett, das Faß hab' ich reinweg vergessen. Aber,
Miß Scarlett, der Whisky ist noch nicht gut. Er liegt erst seit
einem Jahr, und Whisky ist überhaupt nicht gut für Damen.«
(S.6,811
Wie dumm die Farbigen waren! Nie dachten sie an etwas, bevor man
es ihnen ausdrücklich sagte. Eine solche Gesellschaft wollten die
Yankees nun befreien! »Für diese Dame hier und für Pa ist er gut
genug. Grab ihn schnell aus, Pork, bring uns zwei Gläser,
Pfefferminz und Zucker, und ich mische uns einengutenPfefferminz-
Whisky.« Er sah sie vorwurfsvoll an. »Miß Scarlett, wir haben auf
Tara schon lange keinen Zucker mehr, und die Pferde haben den ganzen
Pfefferminz gefressen, und alle Gläser haben sie uns zerschlagen.«
»Wenn er noch einmal >sie< sagt, schreie ich auf«, dachte
Scarlett und sagte laut: »Dann lauf rasch und hole den Whisky, wir
trinken ihn ungemischt.« Gleich darauf rief sie ihn noch einmal
zurück. »Warte, Pork, ich vergesse das Wichtigste! Ich habe ein
Pferd und eine Kuh mitgebracht. Die Kuh muß schleunigst gemolken
werden. Spann das Pferd aus und gib ihm Wasser. Sag Mammy, sie soll
nach der Kuh sehen und sie anbinden. Miß Melanies Kind stirbt, wenn
es nichts zu essen bekommt und ...« »Miß Melly hat... keine ...?«
Verschämt hielt Pork inne. »Miß Melanie hat keine Milch.« Du
lieber Gott, Mutter fiele in 0hnmacht, wenn sie das hörte. »Miß
Scarlett, Dilcey kann für Miß Mellys Kleines sorgen. Dilcey hat
auch gerade ein Kind gehabt und hat genug für beide.« »Ihr habt
wieder ein Kind bekommen, Pork?« Kinder, nichts als Kinder. Warum
machte Gott so viele Kinder? Aber das tat nicht Gott, das taten die
dummen Menschen. »Ja, Miß, ein großer, dicker schwarzer Junge.«
»Sag Dilcey, sie braucht nicht bei den Mädchen zu bleiben. Ich
kümmere mich um sie. Sie soll Miß Mellys Baby versorgen und für
Miß Melly tun, was sie kann. Und Mammy soll nach der Kuh sehen und
das arme Pferd in den Stall bringen.«
(S.6,845
»Ich sagte ihnen, sie sollten nur das Haus über drei sterbenden
Frauen anzünden ... wir würden es doch nicht verlassen. Der junge
0ffizier war ein Gentleman.« »Ein Yankee ein Gentleman?« »Ein
Gentleman. Er galoppierte davon und kam bald danach mit einem
Militärarzt zurück, der sich die Mädchen und Mutter ansah.« »Du
hast einen der verfluchten Yankees zu ihnen ins Zimmer gelassen?«
»Er hatte 0pium. Wir hatten keines. Er hat deine Schwestern
gerettet. Suellen hatte Blutungen. Er war so, wie ein Arzt sein muß.
Und als er bestätigte, sie seien schwer krank, haben sie das Haus
nicht angezündet. In Scharen kamen sie herein, ein General und sein
Stab. Alle Zimmer haben sie besetzt, außer demKrankenzimmer. Die
Soldaten ...« Wieder stockte er. Er war zu müde, um
weiterzusprechen. Sein stoppeliges Kinn sank schwer auf die Brust
herab. Mit Mühe begann er von neuem. »Sie schlugen überall rings
um das Haus herum ihre Lager auf, in der Baumwolle und im Korn. Die
Wiese war ganz blau von ihren Uniformen. In jener Nacht brannten
tausend Lagerfeuer. Sie rissen die Zäune nieder und verbrannten das
Holz, um darauf zu kochen; danach die Scheunen, die Ställe und das
Räucherhaus. Kühe, Schweine und Hühner haben sie geschlachtet ...
sogar meine Truthühner. Alles haben sie genommen, sogar die Bilder,
die Möbel, das Porzellan ...« »Und das Silber?« »Pork und Mammy
haben das Silber irgendwo versteckt, vielleicht im Brunnen. Ich kann
mich jetzt nicht mehr darauf besinnen. Dann haben sie von hier, von
Tara aus eine Schlacht geschlagen. Es war ein entsetzlicher Lärm,
wie immerfort welche angaloppiert kamen und durchs Haus trampelten.
Und dann die Kanonen von Jonesboro, wie Donner klang es, die Mädchen
mußten es hören und sagten immer wieder: >Pa, der Donner soll
still sein.<« »Und Mutter? Wußte sie, daß Yankees im Hause
waren ?« »Sie wußte von nichts.« »Gott sei Dank«, sagte
Scarlett. »Das also ist Mutter erspart geblieben.«
(S.6,865
»Und dann zogen sie weiter.« Er schwieg lange und suchte endlich
nach Scarletts Hand. »Nun bin ich froh, daß du wieder da bist«,
sagte er leise. Von der Hintertür war ein Scharren zu vernehmen.
Pork war seit v ierzig Jahren dazu erzogen worden, sich die Schuhe
abzutreten, ehe er ins Haus trat, und er vergaß es auch jetzt nicht.
(S.6,906
»Aber wie kann ich denn mit dem Niggerpack weglaufen. Miß
Scarlett, wo doch Ihr Pa so gut gewesen, mich und meine kleine Prissy
kaufen, und Ihre Ma immer so freundlich zu mir gewesen!« »Setz
dich, Dilcey. Das Kleine trinkt? Und wie geht es Miß Melanie?« »Dem
Kind fehlt nichts, es hat nur Hunger. Was ein hungriges Kind braucht,
hab' ich. Und Miß Melly geht es auch gut, sie stirbt nicht, Miß
Scarlett, ängstigen Sie sich nicht, ich habe zu viele Weiße und
Schwarze gesehen, denen es ging wie Miß Melly. Sie ist gewaltig müde
und hat auch Angst für das Baby, aber ich sie beruhigen und ihr
etwas aus der Flasche geben, und nun schläft sie.«
(S.6,967
Nie wieder konnte Scarlett sich wie ein Kind sicher unter des
Vaters Dach schlafen legen und sich in die schirmende Liebe ihrer
Mutter einhüllen wie in ein weiches Federbett. Jetzt gab es keine
Sicherheit mehr und keinen Hafen, in den sie steuern konnte. Niemand
war da, auf dessen Schultern sie ihre Last absetzen konnte. Der Vater
war alt und stumpf, die Schwestern waren krank, die Kinder hilflos,
Melanie zart und schwach, und die Farbigen blickten in kindlichem
Vertrauen zu ihr auf und erwarteten, bei Ellens Tochter die Zuflucht
zu finden, die Ellen ihnen stets gewesen war. Vor
(S.6,990
Sie sah alles mit anderen Augen als zuvor an, denn irgendwo auf
dem langen Weg hierher hatte sie die Kindheit endgültig abgestreift.
Heute abend war sie zum letztenmal in ihrem Leben wie ein Kind gew
artet worden. Jetzt war sie eine Frau, und die Jugend war vergangen.
Morgen, schon morgen wollte sie sich das Joch auf den Nacken legen.
Wieviel gab es zu tun! Sie wollte in Tara bleiben und es behalten,
Tara, ihren Vater und ihre Schwestern, Melanie und Ashleys Kind und
die Farbigen.
(S.7,004
Alle die Schattengestalten, deren Blut durch Scarletts Adern floß,
wogten still durch das mondhelle Zimmer. Alle hatten sie das Ärgste,
was das Schicksal über sie verhängte, auf sich genommen und das
Beste daraus geschmiedet. Und Scarlett erkannte: Tara war ihr
Schicksal, ihr Kampf , Tara mußte sie erobern. Waren all diese
Gestalten, die ihr wortlos Mut zuflüsterten, Wirklichkeit, oder
träumte sie nur? »0b ihr seid oder nicht«, murmelte sie im
Einschlummern, »gute Nacht ... und habt Dank.«
(S.7,121
Jenseits von Tara waren die Welt und der Krieg, aber auf der
Plantage waren die Welt und der Krieg nur noch als Erinnerung
vorhanden, die abgewehrt werden mußte. Alles andere trat zurück vor
den Forderungen der leeren Mägen.
(S.7,148
Sie merkte nicht, daß der kleine Junge in engster Nachbarschaft
mit einem Entsetzen lebte, das tief in seinem Herzen eingewurzelt war
und über das Verständnis eines Erwachsenen hinausging. Die Angst
war Wades Lebensgefährte, sie durchschüttelte ihm die Seele, daß
er nachts schreiend davon erwachte.
(S.7,175
Sie herrschte auf Tara jetzt unumschränkt, und wie bei manchen
Menschen, die plötzlich zur Macht gelangen, traten all ihre
herrschsüchtigen Triebe in den Vordergrund. Sie war nicht von Natur
hart, sie fühlte sich im Gegenteil selber unsicher und ängstlich,
deshalb gerade wurde sie schroff, damit die anderen ihre innere
Hilflosigkeit nicht gewahrten. Außerdem machte sie die Erfahrung,
daß es ihren überreizten Nerven wohltat, die Leute anzuschreien und
einzuschüchtern. Sie blieb sich über ihre eigene Veränderung nicht
im Unklaren. Manchmal, wenn auf ihre schroffen Befehle hin Pork die
Unterlippe vorschob oder Mammy knurrte, kam ihr wohl die Frage, wo
ihre guten Manieren geblieben seien. All die Sanftmut und
Höflichkeit, die Ellen ihr anerzogen hatte, waren von ihr abgefallen
wie die Blätter von den Bäumen beim ersten kalten Herbstwind.
Unermüdlich hatte Ellen ihr eingeprägt: »Sei entschieden, aber
milde mit Untergebenen, besonders mit Schwarzen.«
(S.7,209
Sie überlegte sich nicht, daß Ellen eine unabsehbare Reihe
ruhiger Jahre vor sich gesehen hatte, alle so ereignislos und
friedsam wie die ihres eigenen Lebens, als sie ihre Tochter gelehrt
harte, sanft und liebenswürdig, ehrenhaft und gütig, bescheiden und
wahrhaftig zu sein.
(S.7,215
Ihre Liebe zu dieser Heimat war der Teil ihres Lebens, der
unwandelbar blieb, wenn alles andere sich wandelte. Nirgends sonst in
der Welt gab es ein Land wie dieses. Wenn sie es anschaute, ging ihr
eine Ahnung darüber auf, warum Kriege geführt wurden. Rhett hatte
unrecht, wenn er sagte, es geschähe um des Geldes willen. Nein,
gekämpft wurde um das wogende Gelände, in das der Pflug weich seine
Furchen zog, um die Weiden mit dem grünen Gras, um die trägen
Flüsse und die weißen Häuser, die kühl zwischen den Magnolien
standen. Das war das einzige, was des Kampfes wert war,
(S.7,227
Sie wollte Tara halten, und müßte sie auch jeden, der dort
wohnte, zu Tode schinden. 26
(S.7,389
Kein Gespenst stand auf und suchte sie in den langen Nächten
heim, wenn sie zu müde war, um schlafen zu können. In der
Erinnerung überfiel sie kein Entsetzen und quälten sie keine
Gewissensbisse. Noch vor einem Monat hätte sie eine solche Tat nicht
vollbringen können. Die niedliche Mrs. Hamilton mit ihren Grübchen
und ihren klingenden 0hrringen in ihrer reizenden, hilflosen Art nun
hatte sie das Gesicht eines Mannes zu Brei geschossen und ihn hastig
in einem notdürftig gescharrten Loch vergraben. Scarlett lächelte
grimmig vor sich hin, wenn sie an das Entsetzen dachte, das eine
solche Vorstellung bei allen, die sie kannten, hervorrufen würde.
»Ich muß mich wohl ein wenig verändert haben, seit ich
heimgekommen bin«, dachte sie, »sonst hätte ich es nicht gekonnt.
Nun ist es abgetan und vorbei; jedenfalls habe ich mich nicht wie ein
Feigling benommen.« Diese Erinnerung blieb in den Untergründen
ihres Gemütes, und jedesmal, wenn sie künftig etwas Unangenehmes
und Schweres zu verrichten hatte, gab sie ihr Kraft. »Ich habe einen
Mord begangen«, pflegte sie sich dann zu sagen, »wie sollte ich
denn dies nicht können?« Der Panzer von Härte, der sich um ihr
Herz zu legen begonnen hatte, als sie im Gemüsegarten zu Twelve 0aks
auf der Erde lag, wuchs und wurde immer noch härter.
(S.7,441
Alle Schwarzen sind fort, wer soll sie pflücken?« sprach
Großmama ihr mit spöttischen Blicken nach. »Was fehlt denn Ihren
hübschen Pfötchen, Miß, und denen Ihrer Schwestern?« »Ich?
Baumwolle pflücken?« sagte Scarlett entgeistert, als hätte die
alte Dame ihr ein Verbrechen zugemutet. »Wie eine schwarze
Pflückerin? Wie die weißen Proleten, wie die Slatterys?« »Kommen
Sie mir mit Proleten! Was seid ihr für ein verweichlichtes
Geschlecht! Das kann ich Ihnen sagen, Miß, als ich ein Mädchen war,
verlor mein Vater sein ganzes Vermögen, und ich war nicht zu gut
dazu, mit den Händen zu arbeiten, auch auf dem Felde, bis später
Geld genug da war, Schwarze zu kaufen. Ich habe meine Reihen
durchgehackt und meine Baumwolle gepflückt und kann es wieder, wenn
Not am Mann ist, und soweit wird es wohl bald sein. Weiße Proleten,
da hört doch alles auf.«
(S.7,458
»Warum haben sie Calverts Haus nicht abgebrannt?« »Das Haus
wurde durch das vereinte Gewäsch der zweiten Mrs. Calvert und ihres
Sklavenaufsehers Hilton gerettet«, sagte die alte Miß, die die
frühere Erzieherin immer noch als »die zweite Mrs. Calvert«,
bezeichnete, obwohl die erste Mrs. Calvert schon seit zwanzig Jahren
tot war. »Wir halten getreu zu der Union«, äffte die alte Dame und
sprach die Worte verächtlich durch ihre lange magere Nase. »Cathleen
sagte, die beiden hätten hoch und heilig geschworen, alle
Familienmitglieder seien Yankees, und dabei liegt Mr. Calvert tot auf
dem Schlachtfeld am Rapidan und Raifort bei Gettysburg, und Cade
steht in Virginia bei der Armee.
(S.7,464
Aber das hat ein Mann davon, wenn er eine Yankeefrau heiratet -
keinen Stolz - keine Ehre, immer nur denken sie an die eigene Haut.
Wie kommt es, daß sie Tara nicht abgebrannt haben?« Einen
Augenblick zögerte Scarlett mit der Antwort Die nächste Frage mußte
nun sein, wie es zu Hause ging, was die liebe Mutter mache. Aber
erzählen, daß Ellen tot war, konnte sie nicht.
(S.7,523
Und dieser Mangel an Angst hat mir viel Schwierigkeiten gemacht
und mich um manches Glück betrogen. Gott hat die Frau zu einem
furchtsamen Wesen erschaffen, und eine Frau, die sich nicht fürchtet,
hat etwas Unnatürliches ... Scarlett, behalten Sie immer etwas,
wovor Sie sich fürchten - so wie Sie immer etwas behalten sollten,
was Sie liebhaben ...« Ihre Stimme verlor sich. Schweigend stand sie
da und suchte über ein halbes Jahrhundert hinweg den Tag, an dem sie
sich noch gefürchtet hatte. Über Scarlett kam die Ungeduld. Sie
hatte gedacht, Großmama würde ihr vielleicht einen Weg aus ihren
Kümmernissen zeigen. Aber wie alle alten Leute war sie auf Dinge zu
sprechen gekommen, die geschehen waren, ehe irgend jemand geboren
war, und die niemanden etwas angingen. »Nun gehen Sie nach Hause,
Kind«, sagte die alte Dame plötzlich. »Schicken Sie Pork heute
nachmittag mit dem Wagen. Und denken Sie nicht, Sie könnten je Ihre
Last abwerfen. Das können Sie nicht. Ich weiß es.«
(S.8,220
Wenn nur männliche Hilfe vorhanden wäre! Nicht der Verlust der
Schwarzen war das Schlimmste, sondern der Verlust der jungen Männer.
Ach, wenn sie alle da wären, deren Namen in den Verlustlisten
gestanden hatten! Dann könnte man es schaffen. Plötzlich kam ihr
ein Gedanke: Wenn sie nun wieder heiratete? Aber nein, daran war
nicht zu denken. Sie hatte nie einen anderen gewollt als Ashley. Aber
angenommen, sie wollte doch wieder heiraten ... war denn jemand zum
Heiraten da? Der Gedanke war erschütternd.
(S.8,274
30 In den warmen Sommertagen nach dem Friedensschluß wurde Tara
völlig aus seiner Einsamkeit herausgerissen. Monatelang schleppten
sich bärtige, zerlumpte, ewig hungrige Vogelscheuchen mit wunden
Füßen den roten Hügel nach Tara hinauf, hockten auf den schattigen
Verandastufen, baten um etwas zu essen und um ein Nachtlager. Das
waren die konföderierten Soldaten, die heimkehrten. Die Eisenbahn
hatte die Reste von Johnstons Heer aus Nordcarolina nach Atlanta
gebracht und dort abgesetzt. Von Atlanta aus begannen sie ihre
Wanderung zu Fuß. Als der Strom von Johnstons Truppen vorüber war,
kamen die erschöpften Veteranen der Virginia-Armee
(S.8,286
Heimwärts, heimwärts! Von nichts anderem mochten sie sprechen.
Nicht von Schlachten, Heldentaten, Wunden und Gefangenschaft und auch
nicht von der Zukunft. Später wollten sie alles Geschehene in ihren
Erzählungen Wiederaufleben lassen und ihren Kindern und Enkeln von
all ihren tollen Streichen, kühnen Beutezügen und wilden
Sturmangriffen, von den Märschen, Entbehrungen und Verwundungen
berichten. Aber jetzt nicht. Manchem fehlte ein Arm, ein Bein oder
ein Auge, viele trugen Narben, die ihnen bei feuchtem Wetter ihr
Leben lang weh tun sollten. Aber das waren jetzt Kleinigkeiten. Alte
und Junge, Schweigsame und Gesprächige, reiche Pflanzer und arme
Trapper ... alle hatten sie zweierlei miteinander gemeinsam: Läuse
und die Ruhr. Der Soldat hatte sich an seine Läuse so gewöhnt, daß
er sich ihrer kaum noch bewußt wurde und auch in Gegenwart von Damen
sich unbekümmert kratzte. Und die Ruhr, der Blutfluß, wie die Damen
sie beschönigend nannten, hatte wohl keinen, vom Gemeinen bis zum
General, verschont. Vier Jahre waren sie nie richtig satt geworden;
vier Jahre immer nur zähe, unreife, halbverdorbene Proviantrationen,
das war an keinem spurlos vorübergegangen. Jeder, der in Tara
haltmachte, war entweder eben erst von der Ruhr geheilt oder litt
noch immer daran. »Es ist im ganzen konföderierten Heer kein heiles
Eingeweide mehr«, bemerkte Mammy düster, als sie über dem Herde
schwitzend den bitteren Trank der Brombeerwurzeln braute, der Ellens
Heilmittel gegen solche Beschwerden gewesen war. »Ich denke immer
noch, nicht die Yankees haben unsere Gentlemen geschlagen, das haben
ihre eigenen Gedärme getan, und wenn die Eingeweide zu Wasser
werden, kann kein Gentleman mehr kämpfen.«
(S.8,464
Nach und nach fand die ganze Familie den Weg in Wills Zimmer, um
alle erdenklichen Kümmernisse auszukramen. Sogar Mammy erschien,
nachdem sie zuerst den gehörigen Abstand gewahrt hatte, weil er
nicht vom besten Stand war und nur zwei Sklaven besessen hatte. Als
er wieder durchs Haus humpeln konnte, fing er an, Spankörbe zu
verfertigen und die beschädigten Möbel auszubessern. Er verstand
sich aufs Schnitzen, und Wade war beständig in seiner Nähe, weil er
ihm Spielzeug schnitzte, das einzige, das der kleine Junge hatte.
Wenn Will im Hause war, konnte man ihm getrost Wade und auch die
beiden Kleinen überlassen, während die Erwachsenen ihren Pflichten
nachgingen. Er beaufsichtigte sie so gut wie Mammy, und einzig Melly
verstand es noch besser als er, die Babys, wenn sie schrien, zu
beruhigen.
(S.8,535
Melly faßte sich mit der abgezehrten Hand nach der Kehle, ihr
Gesicht wurde noch bleicher, die braunen Augen waren ins Riesenhafte
vergrößert. Scarlett glaubte, sie fiele in 0hnmacht, und sprang auf
die Füße. Aber im nächsten Augenblick war Melanie die Stufen
hinuntergestürzt und flog, leicht wie ein Vögelchen, den Kies
hinunter. Der verblichene Rock wehte zurück, ihre Arme streckten
sich aus. Da wußte Scarlett die Wahrheit und spürte sie wie einen
Schlag vor den Kopf. Sie taumelte gegen die nächste Säule zurück,
als der Mann sein Gesicht mit dem schmutzigen blonden Bart erhob,
stillstand und nach dem Hause starrte, als wäre er zu müde, auch
nur einen einzigen Schritt zu machen. Ihr Herz tat einen Sprung,
stockte und begann alsbald zu hämmern, während Melanie sich mit
lautem, wirrem Gestammel dem schmutzigen Ankömmling in die Arme warf
und sein Kopf sich zu ihr hinabbeugte. Beseligt lief Scarlett zwei
Schritte vorwärts, konnte aber nicht weiter, weil Will sie am Rock
festhielt. »Verderben Sie es ihnen nicht«, sagte er ruhig.
»Loslassen, Sie Esel, lassen Sie mich los, es ist Ashley!« Er ließ
ihren Rock nicht los. »Schließlich ist er doch ihr Mann, nicht
wahr?« fragte er ruhig. In dem verworrenen Gefühl des Glückes und
einer ohnmächtigen Wut blickte Scarlett ihn an und gewahrte in der
ruhigen Tiefe seiner Augen einen Ausdruck des Verständnisses und des
Mitleids. VIERTES BUCH An einem kalten
Januarnachmittag des Jahres 1866 saß Scarlett im Schreibzimmer vor
einem Brief an Tante Pitty, in dem sie ihr zum zehnten Male
auseinandersetzte, warum weder sie noch Melanie noch Ashley nach
Atlanta zurückkommen und bei ihr wohnen konnten.
(S.8,585
Will und Ashley hatten einander das Wort gegeben, mancherlei vor
Scarlett zu verheimlichen. Auf die Geißel des Krieges war die viel
schlimmere Geißel des Wiederaufbaus gefolgt, und die beiden Männer
waren übereingekommen, seine schrecklichen Einzelheiten zu
verschweigen, wenn sie zu Hause die allgemeine Lage besprachen. Und
wenn Scarlett sich überhaupt die Mühe machte, ihnen zuzuhören, so
ging das meiste bei ihr zu dem einen 0hr hinein und zum anderen
wieder hinaus. Ashley hatte gesagt, der Süden werde wie ein
erobertes Land behandelt und die Politik der Eroberer werde von
Rachsucht geleitet Aber solche Behauptungen sagten Scarlett gar
nichts. Politik war Sache der Männer. Will behauptete, nach seiner
Ansicht sei der Norden darauf aus, daß der Süden nicht wieder auf
die Beine käme. Nun, dachte Scarlett, die Männer mußten sich eben
immer über irgendwelche Torheiten aufregen. Was sie selbst betraf -
die Yankees waren damals nicht mit ihr fertig geworden und sollten es
auch jetzt nicht. Das richtigste war, wie ein Pferd zu arbeiten und
sich über die neue Regierung nicht weiter den Kopf zu zerbrechen.
Der Krieg war ja schließlich vorüber. Scarlett hatte nicht
begriffen, daß alle Spielregeln auf den Kopf gestellt waren und
ehrliche Arbeit nicht mehr ihren gerechten Lohn eintrug. Georgia
stand jetzt tatsächlich unter Kriegsrecht Die Yankees hatten ihre
Garnisonen überall, die Sklavenbefreiungsbehörde herrschte
unbeschränkt und regelte alles nach Willkür und Belieben. Diese
Behörde, die die Union zur Befreiung der früheren Sklaven
eingerichtet hatte, zog die Sklaven zu Tausenden aus den Plantagen in
die Städte und Dörfer. Von dieser Behörde aus wurden sie erhalten,
solange sie arbeitslos herumlungerten; von dort aus wurde ihr Geist
gegen ihre früheren Eigentümer vergiftet. Geralds alter
Sklavenaufseher Jonas Wilkerson hatte die Bezirksstelle Jonesboro zu
leiten, und sein Assistent war Hilton, Cathleen Calverts Mann. Beide
verbreiteten geflissentlich das Gerücht, die Südstaatler und
Demokraten warteten nur auf eine gute Gelegenheit, die Sklaven wieder
zu Sklaven zu machen, und die einzige Hoffnung der Schwarzen sei der
Schutz, den sie von der Behörde und der Republikanischen Partei
empfingen.
(S.8,608
Wilkerson und Hilton hatten die Macht, Scarlett in jedes Geschäft
dreinzureden, das sie abschloß, und für alles, was sie kaufte oder
verkaufte, die Preise festzusetzen.
(S.8,609
ihrem Glück war Scarlett bisher sehr wenig mit den beiden in
Berührung gekommen. Will hatte sie überredet, das Geschäftliche
ihm zu überlassen, während sie die Plantage leitete. In seiner
ruhigen Art hatte er mehrere Schwierigkeiten beigelegt und ihr nichts
davon gesagt. Wenn es sein mußte, konnte er mit Schiebern und
Yankees fertig werden, aber nun war ein Problem aufgetaucht, das ihm
über den Kopf wuchs. Über die Steuereinschätzung von Tara und die
Gefahr der Zwangsversteigerung mußte Scarlett sofort unterrichtet
werden.
(S.8,619
»Wieviel Zuschlag sollen wir denn bezahlen?« »Dreihundert
Dollar.« Einen Augenblick brachte sie kein Wort hervor. Ebensogut
hätten es drei Millionen Dollar sein können. »Ja ...«, stotterte
sie, »ja ... dann müssen wir wohl irgendwie dreihundert Dollar
aufbringen.« »Ja, Miß Scarlett, und dazu einen Regenbogen und ein
oder zwei Monde.« »Ja, aber Will! Sie können doch Tara nicht unter
den Hammer bringen ...« Seine gutmütigen blauen Augen enthielten
mehr Haß und Bitterkeit, als sie ihnen zugetraut hatte. »Nicht? Sie
können es, sie tun es, und sie tun es sogar gern! Miß Scarlett,
unser Land ist schnurstracks zur Hölle gefahren.
(S.8,625
In diesem Staat hat kein Demokrat das Stimmrecht, wenn er im Jahre
65 mit mehr als zweitausend Dollar zu Buch gestanden hat. Damit
fallen Leute wie Ihr Pa, Mr. Tarleton, McRaes und Fontaines einfach
aus. Niemand hat Stimmrecht, der im Krieg Oberst oder etwas Höheres
war, und ich möchte wetten, Miß Scarlett, gerade aus Georgia haben
es mehr bis zum Oberst gebracht als aus irgendeinem anderen
konföderierten Staat Und niemand hat Stimmrecht, der unter der
konföderierten Regierung Beamter war; damit fallen wieder alle vom
Notar bis zum Richter aus, und die Wälder stecken voll von solchen
Leuten.*
* Zum Stimmrecht der Südstaatler vor dem Bürgerkrieg heißt es in der Wikipedia:
"Trotz seiner geringeren Bevölkerungszahl nahm der Süden mit seiner reichen Pflanzeraristokratie bis zum Bürgerkrieg die politisch und gesellschaftlich führende Rolle innerhalb der USA ein. So kamen zum Beispiel die meisten Präsidenten aus den Sklavenstaaten. Zudem wog die Stimme eines weißen Südstaatlers bei Wahlen ungleich schwerer als die eines Nordstaatlers. Denn die Anzahl der Abgeordneten, die ein Staat ins Repräsentantenhaus entsenden durfte, hing von seiner Einwohnerstärke ab. Jedem der Südstaaten aber wurde die Zahl der dort lebenden afroamerikanischen Sklaven zu drei Fünfteln angerechnet, obwohl diesen selbst das Wahlrecht verwehrt war. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts schritten Industrialisierung und Bevölkerungswachstum im Norden zwar rasch voran, so dass sich das wirtschaftliche Gewicht immer mehr zu seinen Gunsten verschob. Gleichzeitig aber gewannen die Stimmen der Südstaatler im Kongress an Gewicht, da die Anzahl ihrer Sklaven zwischen 1780 und 1860 von 500.000 auf 4 Millionen anstieg.[18]
(S.8,629
wie die Yankees den Treueid abgefaßt haben, kann überhaupt
niemand, der vor dem Krieg etwas war, heute stimmen, die Tüchtigen
nicht, die Vornehmen nicht, die Reichen nicht. -
(S.8,633
Ich leiste den Eid nicht, und wenn ich nie wieder stimmen sollte.
Aber solche Schufte wie Jonas Wilkerson und Hilton und solch
Bettelpack wie die Slatterys und MacIntoshs, die können stimmen, die
sitzen jetzt an den leitenden Stellen. Und wenn sie jemanden ein
dutzendmal für neue Steuern belangen wollen, so können sie es. Und
ein Sklaven kann einen weißen Mann umbringen, ohne dafür gehenkt zu
werden, und er kann eine weiße Frau ...« Er hielt betroffen inne,
und beide dachten an das Schicksal einer einsamen weißen Frau auf
einer abgelegenen Farm bei Lovejoy. »Alles können die Sklaven uns
antun, und die Freilassungsbehörde und die Soldaten stehen mit ihren
Gewehren hinter ihnen, und wir können nicht einmal stimmen.«
(S.8,710
»Ich scheue mich vor der nackten Wirklichkeit. - Es ist wie ein
Fluch. Vor dem Kriege war mir das Leben nicht wirklicher als ein
Schattenspiel auf einem Vorhang, und so war es mir lieb. Ich habe
allzu scharfe Umrisse nicht gern, lieber sehe ich sie ein wenig
verwischt ...« Er hielt inne und lächelte matt. Als der kalte Wind
durch sein dünnes Hemd blies, schauderte er ein wenig zusammen. »Mit
anderen Worten, Scarlett, ich bin ein Feigling.«
(S.8,716
»Das ist nicht wahr. Wäre ein Feigling bei Gettysburg auf die
Kanone gestiegen und hätte die Truppe wieder gesammelt? Hätte der
General persönlich Melly einen Brief geschrieben, wenn du ein
Feigling wärst ...« »Das ist nicht Mut«, sagte er müde. »Der
Kampf ist wie Wein. Er steigt den Feiglingen ebenso rasch in den Kopf
wie den Helden. Auf dem Schlachtfeld kann jeder Wicht tapfer sein,
wenn es heißt, tapfer zu sein oder zu sterben.
(S.8,721
Bei jedem anderen, der solche Worte sprach, hätte Scarlett sie
verächtlich als eine Koketterie empfunden, aber Ashley meinte
wirklich, was er sagte, und in seinen Augen war etwas, was sie nicht
zu fassen vermochte. Der Winterwind fegte ihr um die feuchten Enkel,
wieder schauderte sie zusammen, aber weniger vor Kälte als vor
Grauen über seine Worte. »Ashley, wovor fürchtest du dich?«
(S.8,726
Ich nehme es schwer, daß die Schönheit des alten Lebens
verlorengegangen ist. Scarlett, vor dem Kriege war das Leben schön,
ein Ebenmaß lag darüber wie über der griechischen Kunst.
(S.8,729
Ich weiß wohl, es war ein Schattenspiel, dem ich zusah. Allem,
was nicht Schatten war, ging ich aus dem Wege, Menschen und
Verhältnissen, und ich grollte ihnen, wenn sie sich eindrängten.
Auch dich habe ich zu fliehen gesucht. Scarlett. Du warst zu sehr
voller Leben, zu wirklich, und ich war feige genug, lieber unter
Schatten und Träumen zu sein.« »Aber ... aber ... Melly?« »Melly
ist unter allen Träumen der edelste. Ihre Gestalt gehört in meine
Träume, und wäre der Krieg nicht gewesen, ich hätte mein Leben zu
Ende gelebt und wäre zufrieden in Twelve 0aks begraben worden,
zufrieden damit, daß das Leben vor meinen Augen vorbeizog, ohne mich
hineinzureißen.
(S.8,737
Das Schlimmste waren die Menschen, mit denen ich leben mußte.
Immer hatte ich mich vor den Menschen gehütet und behutsam meine
wenigen Freunde gewählt. Aber der Krieg hat mich gelehrt, daß ich
mir eine Traumwelt mit Schattenfiguren erschaffen hatte. Im Kriege
habe ich gesehen, wie die Menschen in Wirklichkeit sind. Aber gelernt
habe ich nicht, wie ich mit ihnen leben soll.
(S.8,740
Ich bin nicht wie du, Scarlett, die du das Leben bei den Hörnern
nimmst und es biegst nach deinem Willen. Mir ist angst.«
(S.8,748
»Wenn du Angst hast, wir könnten verhungern ... ach, Ashley, wir
schlagen uns schon ir gendwie durch!« Einen Augenblick lang kehrten
seine Augen zu ihr zurück, weit offen und kristallgrau und von
Bewunderung erfüllt. Dann entwichen sie wieder in unerreichbare
Ferne, und schweren Herzens begriff sie, daß es nicht der Hunger
war, woran er gedacht hatte. Ihr war, als sprächen sie in
verschiedenen Sprachen miteinander. Aber sie liebte ihn so sehr, daß
ihr jetzt, während er wieder zurückwich, zumute war, als ginge die
Sonne unter und ließe sie in der traurigen Kälte der Dämmerung
zurück. Am liebst en hätte sie ihn bei den Schultern genommen und
an sich gezogen, damit er spüre, daß sie Fleisch und Blut war und
nicht eine Gestalt aus Büchern und Träumen. Könnte sie sich doch
nur einmal eins mit ihm fühlen!
(S.8,755
»Der Hunger? Nein, der Hunger ist es nicht ...«, sagte er.
Verzweifelt dachte Scarlett, Melanie verstünde ihn sicher. Sie und
er redeten immer solch närrisches Zeug miteinander. Er fürchtete
nicht das, was sie fürchtete, nicht den nagenden leeren Magen, den
scharfen Winterwind,
(S.8,757
Ihm schauderte vor etwas anderem, wovon sie nichts wußte.
(S.8,759
»Vergib mir meine Worte, Scarlett. Ich kann mich dir nicht
verständlich machen, weil du nicht weißt, was Furcht heißt. Du
bist beherzt wie ein Löwe und hast nicht eine Spur von Phantasie. Um
beides beneide ich dich. Dir macht es nichts aus, der Wirklichkeit
dein Leben lang ins Gesicht zu sehen, und nie wirst du ihr entfliehen
wollen wie ich. « Fliehen! Das war das einzige verständliche Wort,
das er gesprochen hatte. Ashley war des Kampfes müde wie sie und
wollte fliehen. Sie atmete rasch. »Ashley, du irrst dich, ich möchte
auch fliehen! Ich bin es alles so müde!«
(S.8,778
Kannst du ehrlich sagen, daß du mich nicht liebst ?« Er holte
tief Atem und erwiderte rasch: »Nein, ich liebe dich nicht.«
»Du lügst.« »Und wenn ich löge ...« in Ashleys Stimme lag eine
tödliche Ruhe, »so ist das etwas, was wir nicht miteinander
erörtern können.« »Du meinst ...« »Glaubst du, ich könnte
fortgehen und Melanie und das Kind verlassen, selbst wenn ich sie
beide haßte! Ich könnte Melanie das Herz brechen und die beiden der
Barmherzigkeit fremder Menschen überlassen? Scarlett, bist du
wahnsinnig? Hast du denn gar kein Ehrgefühl? Du könntest doch auch
deinen Vater und die beiden Mädchen nicht verlassen. Du bist für
sie verantwortlich wie ich für Melanie und das Kind. Und ob du ihrer
müde bist oder nicht, sie sind da. Du mußt es ertragen.« »Ich
könnte sie verlassen, denn ich bin ihrer müde und über drüssig.«
(S.8,786
»Ich weiß, wie müde, wie überdrüssig du ihrer aller bist,
darum spri chst du so. Du hast die Last von drei Männern getragen.
Aber ich will dir helfen ... ich bleibe nicht immer so unbeholfen wie
jetzt.« »Nur auf eine einzige Weise kannst du mir helfen«,
erwiderte sie dumpf. »Du mußt mit mir fortgehen, wir müssen
irgendwo neu anfangen, um glücklich zu werden. Hier hält uns
nichts.« »Nichts«, sagte er ruhig, »nur die Ehre.«
(S.8,794
Sie ließ den Kopf auf die Hände sinken und weinte. Er hatte sie
nie weinen sehen. Er hatte nicht geglaubt, daß eine Frau von ihrer
Art weinen könnte. Reue und Zärtlichkeit wallten ihn ihm auf.
Sogleich war er bei ihr und hatte sie in seinen Armen, wiegte sie
tröstend, drückte den dunklen Kopf an sein Herz und flüsterte:
»Laß das, liebes Herz! ... Mein tapferes Kind, nicht weinen!« Als
er sie berührte, fühlte er, wie sie sich in seinen Armen
verwandelte. In dem schlanken Körper, den er umfing, stak
Zauberkraft. In den grünen Augen, die zu ihm aufblickten, funkelte
eine weiche, erregende Glut. Plötzlich war es nicht mehr öder
Winter. Für Ashley war es wieder Frühling, halbvergessener,
erquickender Frühling, rauschend, murmelnd und grün, voller Behagen
und Gleichmut, sorglose Tage, da die Träume der Jugend ihn noch
wärmten. Die bitteren Jahre waren verschwunden. Er sah ihre roten,
bebenden Lippen, die sich ihm zuwandten, und küßte sie.
(S.8,803
Als er sie dann jäh losließ, konnte sie nicht allein stehen und
griff nach dem Zaun, um sich zu stützen. Ihre Augen glühten vor
Liebe und Triumph, als sie zu ihm aufsah. »Du liebst mich! Du liebst
mich! Sag es, o sag es!«
(S.8,807
»Laß das!« sagte er, »nicht! Sonst vergesse ich mich.« Sie
lächelte strahlend heiß. Zeit und Raum waren vergessen. Sie spürte
nur noch seinen Mund auf dem ihren. Da begann er sie plötzlich zu
schütteln, und er schüttelte sie, bis ihr schwarzes Haar sich löste
und ihr über die Schultern herabfiel, schüttelte sie wie in wilder
Wut über sie - und über sich selbst.
(S.8,812
»Es ist alles meine Schuld, nicht deine, und es soll nie wieder
geschehen. Ich gehe fort und nehme Melanie und das Kind mit.« »Du
gehst?« rief sie in höchster Angst. »Nein, nein!« »Doch, bei
Gott! Glaubst du, ich bleibe hier, nachdem dies geschehen ist und
wieder geschehen könnte?« »Ach, Ashley, du kannst ja nicht fort,
wohin solltest du denn? Du liebst mich ja!« »Soll ich es durchaus
sagen? Gut, ich sage es. Ich liebe dich.« Er beugte sich mit einer
solchen Wildheit über sie, daß sie gegen den Zaun zurückwich. »Ich
liebe dich, deinen Mut, deinen Eigensinn, dein Feuer, deine völlige
Herzlosigkeit. Wie sehr ich dich liebe?
(S.8,820
»Wenn du ebenso fühltest ... und mich doch nicht genommen hast
... dann liebst du mich nicht.« »Du kannst mich ja doch nie
verstehen.« Sie versanken in Schweigen und starrten einander an.
Plötzlich schauerte Scarlett zusammen. Als käme sie von einer
langen Reise zurück, gewahrte sie auf einmal, daß es Winter war und
die Felder mit ihren hartgefrorenen Stoppeln vor ihr lagen. Es fror
sie sehr.
(S.8,825
»Es bleibt mir nichts«, sagte sie endlich. »Nichts zu lieben,
nichts, wofür ich kämpfen könnte. Mit dir ist es aus und mit Tara
auch bald.« Er sah sie lange an, dann bückte er sich und nahm einen
kleinen roten Lehmklumpen vomBoden auf. »Doch, eins ist dir
geblieben«, sagte er, und geisterhaft kehrte sein altes Lächeln,
das ihn selbst und sie zu verspotten schien, auf sein Gesicht zurück.
»Etwas, das du mehr liebst als mich, wenn du es vielleicht auch
nicht weißt. Du hast immer noch Tara.«
(S.8,831
Sie sah Ashley an, und es dämmerte ihr, wie reinen Herzens er war
und daß ihre leidenschaftlichen Hände, daß alle irdischen Dinge
ihm nichts anhaben konnten. Und wenn er daran zugrunde ging, Melanie
verließ er nie. Und wenn er bis an das Ende seines Lebens sich in
Liebe zu Scarlett verzehren sollte, nie würde er sich an ihr
vergreifen und immer danach ringen, sie von sich fernzuhalten.
(S.8,834
Gastfreundschaft, Treue und Ehre, diese Worte bedeuteten ihm mehr
als sie. Kalt lag der Lehm in ihrer Hand, und wieder schaute sie den
Klump en an. »Ja«, sagte sie, »dies habe ich noch.«
(S.8,842
Ashley sah ihr nach, wie sie im Gehen die schmalen, mageren
Schultern straffte, und das ging ihm tiefer zu Herzen als alle Worte,
die sie gesprochen hatte. 32
(S.8,898
Diese verdammten Sklavenfreunde wagten es, herzukommen und sie
wegen ihrer Armut zu verhöhnen!
(S.8,906
Sie schloß die Tür, lehnte sich dagegen und stand größere
Angst aus als zu der Stunde, da Shermans Soldaten kamen und
plünderten. Damals erschien ihr als das Schlimmste, das je geschehen
könnte, daß Tara ihr über dem Kopf angezündet würde. Aber dies
war schlimmer - daß diese gemeinen Menschen hier in diesem Hause
wohnen sollten und ihren gemeinen Freunden vorprahlen, sie hätten
die stolzen 0'Haras vor die Tür gesetzt. Vielleicht brachten sie gar
Sklaven zum Essen und Schlafen mit her. Und Will hatte ihr erzählt,
Jonas mache sich sehr wichtig damit, auf gleichem Fuß mit den
Sklavenn zu verkehren, er esse mit ihnen, besuche sie in ihren
Häusern, fahre mit ihnen in seinem Wagen spazieren und lege ihnen
den Armumdie Schultern.
(S.8,917
Was ihr soeben eingefallen war, lag so nahe, daß sie gar nicht
begreifen konnte, warum sie nicht eher darauf gekommen war. »Rhett
muß mir das Geld geben. Ich verkaufe ihm die Diamantohrringe, oder
ich borge das Geld von ihm und verpfände ihm die 0hrringe, bis ich
es zurückzahle.« Der Stein, der ihr vom Herzen fiel, war so schwer,
daß ihr einen Augenblick ganz schwach wurde. Sie würde die Steuern
bezahlen und Jonas Wilkerson ins Gesicht lachen! Aber dem glücklichen
Einfall folgte erbarmungslos die Ernüchterung auf dem Fuße. »Ich
brauche ja die Steuersumme nicht nur für dieses Jahr. Nach diesem
Jahre kommt das nächste und so fort mein ganzes Leben lang. Wenn ich
dieses Mal alles bezahle, treiben sie mir nächstes Mal die Steuern
noch weiter in die Höhe, bis sie mich vor die Tür setzen können.
(S.8,924
Die Yankees und die Schufte, die mit ihnen an einem Strang ziehen,
haben mich nun soweit, wie sie mich haben wollten. In ewiger Angst
werde ich leben vor dem Augenblick, da sie mir doch noch die Luft
abschnüren; an nichts anderes werde ich mehr denken können, als
Geld zusammenzukratzen, ich werde mich totarbeiten für nichts und
wieder nichts und zusehen müssen, wie man mir meine Baumwolle
stiehlt
(S.8,944
Seine Frau. Mrs. Rhett Butler. Ein kleiner Widerwille regte sich
tief unter dem kalten Denken, regte sich schwach und wurde zur Ruhe
gebracht.
(S.8,963
In der trüben Winterdämmerung langte sie am Ende des mühseligen
Weges an, den sie in der Nacht, da Atlanta fiel, angetreten hatte.
Als verwöhntes, selbstsüchtiges Kind hatte sie sich damals
aufgemacht in der Fülle der Jugend und des Gefühls, sehr ratlos
noch vor dem Leben. Jetzt am Ende des Weges war von diesem Kinde
nichts mehr übrig. Hunger und harte Arbeit, Angst und beständige
Anspannung, die Schrecken des Krieges und die Schrecken des
Wiederaufbaus hatten alle Wärme, alle Jugend, alle Weichheit von ihr
genommen. Um ihr Wesen hatte sich eine harte Schale gebildet, die in
den endlosen Monaten nach und nach, Schicht um Schicht,
immerundurchdringlicher geworden war. Aber bis heute hatte zweierlei
Hoffnung sie aufrechtgehalten. Sie hatte gehofft, daß nach dem Ende
des Krieges das Leben allmählich in seine alten Bahnen zurückgleiten
würde, und gehofft, daß Ashleys Heimkehr dem Leben wieder einen
Sinn geben könnte. Beides war nicht in Erfüllung gegangen. Der
Anblick von Jonas Wilkerson in der Einfahrt von Tara hatte ihr
klargemacht, daß für sie und den ganzen Süden der Krieg nie zu
Ende ging.
(S.8,983
Heute noch wollte sie der Familie mitteilen, daß sie nach Atlanta
ginge, um Geld aufzutreiben und wenn nötig eine Hypothek auf das Gut
zu beschaffen.
(S.9,180
Als sie, mit der watschelnden Mammy hinter sich, die
Pfirsichstraße entlangging, fand sie die Fußsteige genauso voller
Menschen wie mitten im Kriege, und in der wiederauferstandenen Stadt
herrschte das gleiche Hasten und Jagen, bei dem ihr Herz vor Freude
gepocht hatte, als sie zu ihrem ersten Besuch hergekommen war. Es
schienen ihr noch ebenso viele Fuhrwerke wie damals zu sein, die
durch die Schmutzlöcher rumpelten, nur fehlten die Krankenwagen der
Konföderierten;
(S.10,043)
Scarlett wußte, daß auch sie sich sehr verändert hatte. Sonst
hätte sie all das nicht tun können, was sie seit ihrem letzten
Aufenthalt in Atlanta getan hatte. Sonst hätte das nicht für sie in
Betracht kommen können, was sie jetzt so verzweifelt wünschte. Aber
zwischen der Härte der anderen und ihrer eigenen war ein
Unterschied, welcher, konnte sie im Augenblick nicht feststellen.
Vielleicht bestand er darin, daß es für sie nichts gab, was sie
unter keinen Umständen tun würde, und für die andern so vieles,
was sie um keinen Preis tun würden, und wenn es sie das Leben
kostete. Vielleicht auch darin, daß sie keine Hoffnung mehr hatten
und mit lächelnder Miene das Leben an sich vorüberziehen ließen.
Das aber konnte Scarlett nicht. Sie konnte nicht das Leben an sich
vorbeigehen lassen. Sie mußte es leben, und es war zu unbarmherzig,
zu feindlich, als daß sie auch nur hätte versuchen können, es mit
einem Lächeln zu beschönigen. Den liebenswürdigen Mut und den
unerschütterlichen Stolz ihrer Freunde erkannte Scarlett nicht. Sie
sah nur eine törichte Halsstarrigkeit, die wohl die Tatsachen zur
Kenntnis nahm, aber sich lächelnd weigerte, ihnen ins Gesicht zu
sehen.
(S.10,058
Sie konnte nicht wie diese Menschen sein und dem Untergang einer
Welt gleichmütig zusehen, als ginge es sie nichts an. Sie fühlte
sich gejagt wie ein Fuchs und floh mit zerspringendem Herzen, um sich
in den Bau zu retten, ehe die Hunde über sie herfielen. Plötzlich
haßte sie sie alle, weil sie anders waren als sie selbst und ihren
Verlust mit einer Haltung trugen, die sie nicht aufbringen konnte und
wollte.
(S.10,065
Sie würde sich nicht als Dame fühlen, bis ihr Tisch wieder mit
Silber und Kristall beladen war und würzige Speisen darauf dampften,
bis sie ihre eigenen Pferde im Stall und einen eigenen Wagen hatte,
bis schwarze Hände und nicht weiße die Baumwolle von Tara
pflückten. Dies war der Unterschied! Die Dummköpfe sahen nicht ein,
daß man ohne Geld keine Dame sein konnte!
(S.10,070
In diesem einen Punkt hatten die Yankees recht, auch wenn sie
sonst überall irrten; es gehörte Geld dazu, Dame zu sein. Ellen
hätte sich auch der äußersten Armut nie geschämt, aber Scarlett
schämte sich, weil sie wirkliche Not litt und Sklavenarbeit tun
sollte.
(S.10,093
Wäre er nur nicht so schüchtern! Er erinnerte sie an ein scheues
altes Feldkaninchen. Hätte er nur etwas von der glühenden
Leidenschaftlichkeit der Tarletonschen Jungens oder etwas von Rhett
Butlers grober Unverfrorenheit! Dann freilich besäße er auch den
Spürsinn, die Verzweiflung zu wittern, die unmittelbar hinter ihren
züchtig auf und nieder schlagenden Lidern lauerte. Aber er kannte
die Frauen so wenig, daß er nichts von dem ahnte, was in ihr
vorging. Das war ihr Glück, aber ihre Achtung vor ihmwuchs dabei
nicht. Vierzehn Tage darauf heiratete sie Frank Kennedy, nachdem er
ihr so stürmisch den Hof gemacht hatte, daß sie ihm errötend
gestand, es benähme ihr den Atem und sie vermöchte seiner Glut
nicht länger zu widerstehen.
(S.10,184
Wie alle Männer war er enttäuscht, als er sehen mußte, daß
eine Frau Verstand hatte.
(S.10,199
Schon früh lernte Frank in seiner Ehe, daß das Leben höchst
angenehm war, wenn er seiner Frau ihren Willen ließ.
(S.10,238
Frank ist zu gutmütig, und das nutzen die Leute aus. Hätte er
nur die Hälfte dieses Geldes eingetrieben, er hätte die Sägemühle
kaufen können und dabei noch das Geld für meine Steuern übrig
gehabt.« Weiter dachte sie: »Nun aber stelle man sich Frank vor,
wenn er eine Sägemühle betreibt! Heiliger Strohsack! Wenn er schon
den Laden wie eine wohltätige Stiftung aufzieht, wie will er dann
mit einer Sägemühle Geld verdienen? Die käme ja binnen einem Monat
zur Zwangsversteigerung. Wahrhaftig, ich könnte den Laden besser
führen als er, und die Sägemühle auch, wenn ich auch nichts
vom Holzhandel verstehe.«
(S.10,258)
Sie hörte ihn im Geist schon stöhnen, wenn sie mit solchen
Vorschlägen käme. Seinen Freunden Schmuck und Landbesitz
fortnehmen! Aber es mußte sein.
(S.10,291
Einfluß ist alles, Scarlett. Denke daran, wenn du einmal
verhaftet wirst. Einfluß ist alles. Schuld und Unschuld sind nur
Doktorfragen.« »Ich möchte einen Eid darauf schwören, daß Sie
nicht unschuldig waren.« »Nein, jetzt, da ich aus dem Netz heraus
bin, gebe ich offen zu, daß ich schuldig bin wie Kain. Ich habe den
Sklaven umgebracht. Er wurde unverschämt gegen eine Frau, und was
blieb einem Gentleman da anderes übrig? Und da ich nun einmal beim
Beichten bin, muß ich auch bekennen, daß ich einen Yankeesoldaten
nach einer kleinen Meinungsverschiedenheit in einer Kneipe erschossen
habe. Diese Lappalie ist mir aber nicht angekreidet worden, und so
hängt deswegen vielleicht längst irgendein anderer armer Teufel am
Galgen.«
(S.10,355)
0bwohl seine Fragen peinlich unverblümt waren, zeugten sie doch
von einer freundschaftlichen Anteilnahme. Er war einer, dem sie die
Wahrheit sagen konnte, und das tat ihr wohl. Es war schon lange her,
daß sie über sich selbst und ihre Beweggründe jemandem die
Wahrheit hatte sagen können. Sobald sie aussprach, was sie dachte,
tat alle Welt entrüstet. Ein Gespräch mit Rhett war nur mit der
Erleichterung und dem Behagen zu vergleichen, das ein Paar alte
Schuhe bot, nachdem man in zu engen getanzt hatte. »Du hast das Geld
für die Steuern bekommen? Sage mir nicht, daß auf Tara noch der
Wolf vor der Tür steht.« Ein neuer Ton klang in seiner Stimme. Sie
blickte auf, um seinen dunklen Augen zu begegnen, und gewahrte etwas
darin, was sie zuerst erschreckte und verwirrte, aber dann ein
Lächeln hervorzauberte, ein zutrauliches, reizendes Lächeln, das
nur noch selten auf ihrem Gesicht zu sehen war. Was für ein elender
Querkopf war er doch, aber wie nett konnte er zuweilen sein! Jetzt
begriff sie, warum er eigentlich gekommen war. Nicht, um sie zu
verhöhnen, sondern um sich zu überzeugen, ob sie das Geld, nach dem
sie so verzweifelt verlangt hatte, auch bekommen hätte. Kaum in
Freiheit, war er eilends zu ihr gegangen, ohne sich jedoch seine Eile
anmerken zu lassen, um ihr das Geld zu leihen, falls sie es noch
brauchte, und doch quälte und kränkte er sie. (S.10,619)
Scarlett hatte für die meisten ihrer Nachbarn nicht viel übrig
und war mit ihrer Mühle viel zu beschäftigt, als daß sie den
Verkehr entbehrte. Ihr war es einerlei, wenn die Besuche ausblieben.
Aber Frank empfand es bitter. Sein Leben lang hatte er sich von dem
Satz leiten lassen: »Was sagen die Leute?«, und jetzt mußte er
wehrlos die unaufhörlichen Verstöße seiner Frau gegen die
gesellschaftlichen Sitten mit ansehen. Er empfand, daß ihn alle über
die Achsel ansahen, weil er Scarlett gestattete, sich zu
»emanzipieren«. Aber wenn er ihr mit Einwendungen, Vorwürfen oder
Verboten kam, entlud sich ein Gewitter über seinem Haupte. Sie
konnte schnell in Wut geraten und länger böse bleiben, als er es je
bei einer Frau erlebt hatte. Selbst wenn alles zum besten stand, war
es oft erschreckend, wie schnell und vollständig sich die lustige,
liebevolle Gattin, die ein Liedchen vor sich hin summte, während sie
durchs Haus ging, in einen ganz anderen Menschen verwandeln konnte:
er brauchte nur zu sagen: »An deiner Stelle würde ich ...«, dann
brach der Sturm schon los.
(S.10,709)
Die armen Sklavenseelen glauben Wort für Wort, was diese Schufte
ihnen einreden und vergessen, was wir alles für sie getan haben. Nun
reden die Yankees davon, die Schwarzen sollen das Stimmrecht bekommen
und wir nicht. Es gibt ja kaum eine Handvoll von Demokraten in der
ganzen Provinz, denen nicht das Stimmrecht entzogen ist, seitdem
keiner mehr abstimmen darf, der für die Konföderierten gekämpft
hat. Wenn sie den Sklaven das Stimmrecht geben, ist es mit uns aus.
Verflucht noch mal, es ist doch unser Staat! Er gehört doch nicht
den Yankees! Bei Gott, Scarlett, es ist nicht zu ertragen, und es
wird auch nicht ertragen! Wir tun etwas dagegen, und wenn es wieder
Krieg gibt! Bald haben wir die Sklaven als Richter und als
Gesetzgeber, schwarze Affen aus den Dschungeln ...« (S.10,744)
Die Sklaven hatten die Oberhand, und hinter ihnen standen die
Bajonette der Yankees. Man konnte umgebracht und vergewaltigt werden,
und nichts wurde dagegen getan. Wenn jemand sich rächte, so wurde er
von den Yankees aufgehängt, ohne von Richtern und Geschworenen
verhört zu werden. Die Yankeeoffiziere konnten, ohne sich im
geringsten um irgendwelche Gesetze zu kümmern, ein Standgericht
inszenieren und einem Südstaatler den Strick um den Hals legen. »Was
sollen wir tun?« dachte sie und rang in hilfloser Herzensangst die
Hände. »Was sollen wir gegen solche Lumpen machen, die einen Kerl
wie Tony aufhängen wollen, nur weil er einen betrunkenen Sklaven und
einen weißen Schuft umgebracht hat, um die Frauen seiner Familie zu
beschützen. Es ist nicht zu ertragen!« Sie erbebte, zum erstenmal
in ihrem Leben sah sie Menschen und Ereignisse von ihrer eigenen
Person losgelöst und erkannte, daß es nicht allein auf die
verängstigte, hilflose Scarlett ankam.
(S.10,757)
In den Gesichtern der beiden Männer, die jetzt eben über die
Kerzenflamme hinweg einander ins Auge blickten, hatte sie etwas
gelesen, was ihr Mut und Angst zugleich machte: den Zorn, der keine
Worte fand, und die Entschlossenheit, die vor nichts zurückschreckt.
Zum ersten Male fühlte sie sich mit ihren Landsleuten verbunden,
einig in ihren Befürchtungen, ihrer Bitterkeit und ihrer
Entschlossenheit. Nein, es war nicht zu ertragen. Der Süden war zu
schön, als daß er kampflos preisgegeben werden durfte. Die Yankees
sollten ihn nicht zertrampeln. Er durfte nicht an unwissende Sklaven,
die von Whisky und Freiheit besoffen waren, ausgeliefert werden.
(S.10,773)
»Einen Wahlzettel?« Sie war verzweifelt. »Was hilft denn ein
Wahlzettel, wenn die Schwarzen verrückt werden, weil die Yankees
ihnen das Herz gegen uns vergiften!« Frank fuhr geduldig in seinen
Erklärungen fort, aber der Gedanke, daß Wahlzettel der Not abhelfen
sollten, war zu verwickelt, als daß sie ihm folgen konnte. Voller
Dankbarkeit überlegte sie sich, daß Jonas Wilkerson ihnen nun nie
wieder auf Tara das Leben zur Hölle machen konnte, und dachte an
Tony. »Die armen Fontaines! Nun ist nur noch Alex da, und auf Mimosa
gibt es so viel Arbeit. Warum hatte Tony nicht soviel Verstand, es
nachts und heimlich zu tun! Er könnte sich daheim bei der
Frühjahrsbestellung viel nützlicher machen als in Texas.«
(S.10,788)
Frank meinte, das Stimmrecht könnte ihnen dazu verhelfen. Aber
was machte ein Stimmzettel aus! Die guten Familien im Süden bekamen
ihn doch nicht wieder. Es gab nur ein einziges sicheres Bollwerk
gegen alles Ungemach, das das Schicksal bringen konnte, und das war
Geld. Fieberhaft verlangte sie nach viel Geld, das sie vor dem
Unglück beschützte. Unvermittelt
(S.10,791)
erzählte sie ihm, daß sie ein Kind erwarte. Nach Tonys Flucht
wurde Tante Pittys Haus noch wochenlang immer wieder von den Soldaten
der Yankees durchsucht. Zu jeder beliebigen Zeit drangen sie
unangemeldet ein. Sie schwärmten durch alle Zimmer, stellten Fragen,
öffneten Schränke, stöberten in Waschkörben herum und schauten
unter die Betten.
(S.10,817)
Wenn Scarlett sich in diesem kalten Frühling des Jahres 1866 in
ihrer Umgebung umsah, wurde ihr klar, was dem ganzen Süden
bevorstand. Sie mochte schwerer arbeiten, als je ihre Sklaven es
getan hatten, sie mochte durch ihre eigene Entschlossenheit
Schwierigkeiten überwinden, für die ihr vergangenes Leben ihr
keinerlei Rüstzeug mitgegeben hatte, dennoch konnte das wenige, was
sie so schwer errungen hatte, ihr jeden Augenblick wieder entrissen
werden. Es gab für sie keine gesetzliche Hilfe, keine Instanz, wo
sie ihr Recht verlangen konnte, außer den Standgerichten mit ihrer
schrankenlosen Willkür. Nur für die Sklaven gab es noch Gesetz und
Recht. Der Süden lag vor den Yankees im Staub, und dabei sollte es
bleiben. Es war, als habe eine boshafte Riesenhand dieses Land
niedergeworfen, und die Herren von einst waren hilfloser, als ihre
früheren Sklaven je gewesen waren. (S.10,832)
Die Zeitungen wurden so scharf beaufsichtigt, daß öffentlich
nicht gegen die Ungerechtigkeit und Räubereien des Militärs
Verwahrung eingelegt werden konnte, und wenn ein einzelner sich zur
Wehr setzte, stand Gefängnis darauf. In den Gefängnissen wimmelte es
von angesehenen Bürgern, und sie blieben dort ohne jede Hoffnung auf
baldige Aburteilung. (S.10,840)
Die Sklaven hatten das Stimmrecht noch nicht bekommen, aber der
Norden war gewillt, es ihnen zu gewähren. Sie sollten zugunsten des
Nordens stimmen, und daher war nichts für die Sklaven gut genug. (S.10,844)
Die Haussklaven, der höherstehende Teil der schwarzen
Bevölkerung, blieben zu Tausenden bei ihren weißen Herrschaften und
taten schwere Arbeit, die in früheren Zeiten unter ihrer Würde
gewesen war. Auch viele treue Ackerknechte weigerten sich, von dieser
Freiheit Gebrauch zu machen, doch stammten die schlimmsten
Unruhestifter in den Horden der Freigelassenen zum großen Teil aus
der Klasse der Feldsklaven. (S.10,851)
Mit Hilfe der gewissenlosen Abenteurer, die in der
Freilassungsbehörde saßen, und unterstützt durch den Haß der
Nordstaaten, der in seinem Fanatismus fast etwas Religiöses hatte,
fanden sich die früheren Ackerknechte plötzlich im Besitz der
Macht. Sie benahmen sich dabei so, wie es von Köpfen niedrigsten
Verstandes zu erwarten war. Gleich Affen und kleinen Kindern, die man
auf Kostbarkeiten losläßt, von deren Wert sie keinen Begriff
hatten, kamen sie außer Rand und Band, sei es aus viehischer
Zerstörungswut, sei es einfach aus Unwissenheit. Zur Ehre der
Sklaven, auch der einfältigsten, konnte immer wieder beobachtet
werden, daß nur wenige aus Bosheit handelten, und diese hatten schon
in den Tagen der Sklaverei zum Abschaum gehört. Als Menschenklasse
waren sie kindlichen Gemüts, leicht lenkbar und aus langer Übung
gewohnt zu gehorchen. Früher hatten ihre weißen Besitzer ihnen
befohlen; jetzt hatten sie eine neue Klasse von Herren, die Behörde
und die Schieber, und deren Befehl lautete: »Ihr seid so gut wie
jeder Weiße, also handelt danach. Sobald ihr den Wahlzettel für die
Republikaner abgeben könnt, bekommt ihr das Eigentum der Weißen. Es
ist so gut, als hättet ihr es schon. Nehmt es, wenn ihr wollt.« (S.10,860)
Vom Lande strömten sie in Scharen in die Stadt, und in den
ländlichen Bezirken lag die Feldarbeit danieder. Schon wimmelte es
in Atlanta von ihnen, und noch immer kamen sie zu Hunderten herbei,
faul und gefährlich infolge der neuen Lehre, die ihnen beigebracht
wurde. (S.10,862)
In den schmutzigen Hütten, in denen sie zusammengepfercht
hausten, brachen Blattern, Typhus und Tuberkulose aus. In früheren
Zeiten waren sie gewohnt gewesen, in Krankheitsfällen von ihrer
Herrin gepflegt zu werden; jetzt wußten sie sich nicht zu helfen.
Früher hatten sie die Fürsorge für ihre Alten und Kleinen ihren
Besitzern überlassen, jetzt fühlten sie sich für ihre
Hilfsbedürftigen nicht verantwortlich. Die Freilassungsbehörde aber
steckte viel zu tief in der Politik, um einzuspringen, wo früher die
Plantagenbesitzer für sie gesorgt hatten. Verlassene Sklavenkinder
liefen wie scheue Tiere durch die Stadt, bis gutherzige Weiße sie in
ihrer Küche aufnahmen und großzogen. Schwarze Greise saßen einsam,
ratlos und verängstigt mitten im städtischen Getriebe auf dem
Bordstein und flehten die vorübergehenden Damen an: »Missis, bitte
Missis, schreiben Sie an meinen alten Herrn, daß ich hier bin. Dann
kommt er und holt seinen alten Sklaven wieder. 0 Jesus, Jesus, ich
habe genug von der Freiheit!« Als die Freilassungsbehörde erkannte,
was sie angerichtet hatte, versuchte sie, die Schwarzen zu ihren
früheren Eigentümern zurückzuschicken. Ihnen wurde gesagt, wenn
sie zurückkehrten, so täten sie es als freie Arbeiter, für die in
einem geschriebenen Vertrag der Tagelohn festgelegt werde. Die
Älteren kehrten daraufhin… (S.10,875)
Jetzt waren es nicht nur die Agitatoren der Behörden und die
Schieber, die sie zum Saufen und Raufen ermunterten, sondern auch der
Whisky selbst, und Ausschreitungen waren unvermeidlich. Weder Leben
noch Eigentum war vor ihnen sicher, und die rechtlosen Weißen
zitterten vor ihnen. Die Männer wurden auf der Straße von
betrunkenen Schwarzen angepöbelt, Häuser und Scheunen nachts in
Brand gesteckt, Pferde, Rinder und Hühner wurden bei helllichtem
Tage gestohlen, Verbrechen jeder Art begangen, und nur wenige Frevler
kamen vors Gericht. All diese Schandtaten und Bedrohungen waren
jedoch nichts im Vergleich zu der Gefährdung der weißen Frauen,
die, zum großen Teil durch den Krieg des männlichen Schutzes
beraubt, allein, in abgelegenen Gegenden und an einsamen Landstraßen
wohnten. Die große Anzahl der Sittlichkeitsverbrechen an Frauen, die
fortwährende Gefahr für das Leben ihrer Gattinnen und Töchter
brachte die Männer des Südens in kalte, bebende Wut… (S.10,885)
Es bot sich das merkwürdige Schauspiel, daß die eine Hälfte
eines Volkes versuchte, der anderen Hälfte mit der Spitze des
Bajonetts die Herrschaft der Sklaven aufzuzwingen, von denen viele
vor kaum einem Menschenalter noch in den Urwäldern Afrikas gelebt
hatten. Sie sollten das Stimmrecht bekommen, und den meisten ihrer
früheren Eigentümer wurde es verweigert. (S.10,890)
Viele Männer urteilten sehr nüchtern über General Lees Wort und
Beispiel und waren wie er bereit, den Treueid zu leisten, Bürger zu
werden und das Vergangene zu vergessen, aber es wurde ihnen nicht
erlaubt. Andere, denen man nichts in den Weg gelegt hätte, weigerten
sich und verschmähten es, einer Regierung Treue zu schwören, die
sie absichtlich jeder Grausamkeit und Demütigung auslieferte.
Scarlett hörte immer wieder, bis sie hätte schreien mögen, das
Wort: »Ich hätte den verfluchten Eid längst geleistet, wenn sie
ehrlich und anständig…
(S.10,904
Es war, als könnte Atlanta nicht anders als in der Hast leben,
wie auch die jeweiligen Umstände sein mochten. Savannah, Charleston,
Augusta, Richmond, New 0rleans hasteten nie. Das war geschmacklos und
yankeehaft. Gerade damals aber war Atlanta geschmackloser und
yankeehafter als je zuvor und je nachher. Neue Leute strömten von
allen Seiten herein, von morgens bis abends war des Gewimmels und
Getöses in den Straßen kein Ende.
(S.10,909
Der Krieg hatte die Bedeutung Atlantas für den Süden ein für
allemal erwiesen, und der Name der bisher unbedeutenden Stadt war
weit und breit bekannt geworden. Die Eisenbahnlinien, um die Sherman
einen ganzen Sommer lang gekämpft, für die er Tausende von Männern
geopfert hatte, brachten der Stadt, die ihnen ihr Dasein verdankte,
auch jetzt wieder neues Leben.
(S.10,922
Die ehrsamen Bürger waren entsetzt, als Atlanta plötzlich ein
blühendes, verrufenes Unzuchtsviertel hatte, größer und belebter
als vor dem Kriege. Die ganze Nacht klimperten dort hinter
herabgelassenen Jalousien die Klaviere, Gelächter und wüste Lieder
schallten auf die Straße, dazwischen war hin und wieder ein Schrei
oder ein Pistolenschuß zu hören. Die Insassen dieser Häuser waren
dreister als die Dirnen der Kriegszeit. Sonntags nachmittags rollten
sogar die eleganten geschlossenen Wagen der Frauenzimmer durch die
Hauptstraße, voll von aufgeputzten Mädchen, die hinter
herabgelassenen Seidengardinen ein wenig Luft schöpfen wollten.
Unter diesen Weibern war Belle Watling die Bekannteste. Sie hatte
jetzt ein eigenes Haus eröffnet, ein großes zweistöckiges Gebäude,
neben dem sich die Nachbarhäuser wie schäbige Kaninchenställe
ausnahmen. (S.10,928)
jeden Abend spielte dort eine Sklavenkapelle. (S.10,933)
Jeder wußte, daß eine Person wie Belle Watling selbst nie so
viel Geld hatte verdienen können, um ein derartig üppiges Lokal zu
errichten. Es mußte jemand mit Vermögen hinter ihr stehen. Rhett
Butler hatte nie den Anstand gehabt, seine Beziehungen zu ihr zu
leugnen. Es lag auf der Hand, daß er und kein anderer der Geldgeber
war. Belle selbst machte einen überaus wohlhabenden Eindruck, wenn
man sie in ihrem geschlossenen Wagen mit dem unverschämten gelben
Sklaven auf dem Bock vorbeifahren sah. (S.10,952)
Scarlett sah dies alles, erlebte es Tag für Tag, kam auch des
Nachts nicht davon los und war in beständiger Angst, was als
nächstes geschehen könnte. Sie wußte, sie und Frank standen schon
auf der schwarzen Liste der Yankees, Tonys wegen, und jeden
Augenblick konnte das Unglück über sie hereinbrechen. Aber gerade
jetzt konnte sie sich unmöglich dahin zurückwerfen lassen, von wo
sie ausgegangen war, gerade jetzt, da ein Kind kommen sollte, da die
Mühle den ersten Gewinn abwarf und Tara auf ihre Zuschüsse
angewiesen war, bis im Herbst die Baumwolle hereinkam. (S.10,958)
Kapitel 38
In dem Chaos dieses Frühlings 1866 hatte sie nur den einen
Gedanken: mit der Mühle Geld zu verdienen. Geld gab es genug in
Atlanta, die Fülle der Neubauten gab ihr die gewünschte
Gelegenheit, und wenn sie nur nicht ins Gefängnis kam, konnte sie
sicher Geld verdienen. Aber dann, so sagte sie sich wieder und
wieder, müßte sie leise treten und vorsichtig sein, sich
Beleidigungen und Ungerechtigkeiten gefallen lassen (S.10,962)
Sie haßte die unverschämten freigelassenen Sklaven so gut wie
jeder andere, und sie erzitterte jedesmal vor Grimm, wenn sie ihre
frechen Bemerkungen und ihr herausforderndes Gelächter hörte,
sobald sie vorüberging. Aber nicht ein einziges Mal schaute sie sie
auch nur mit Verachtung an. Sie haßte die Schieber und die
Gesinnungslumpen, die mühelos reich wurden, während sie sich
abplagte, aber sie sagte nichts. Niemand in Atlanta konnte eine
größere Abscheu vor den Yankees haben als sie, denn der bloße
Anblick einer blauen Uniform ließ die Wut in ihr hochsteigen, aber
sogar im Familienkreis schwieg sie darüber. Mochten andere ins
Gefängnis kommen, weil sie ihre Gesinnung aussprachen, und
aufgehängt werden, weil sie dem Ku-Klux-Klan angehörten. (S.10,970)
Nur bis zum Juni! Von da ab mußte Scarlett zu Hause bleiben, bis das Kind geboren war. Schon schüttelten die Leute die Köpfe über sie, weil sie sich in ihrem Zustand überhaupt noch zeigte. Das tat eine Dame nicht. (S.10,972)
Nur bis zum Juni! Bis dahin mußte die Mühle so gut gehen, daß sie sich nicht mehr selbst darum zu kümmern brauchte, [...]" (S.10,975)
Weil sie den zaghaften Frank ständig anspornte, ging der Laden
jetzt besser, und sogar einige der ausstehenden Gelder kamen herein.
Aber all ihre Hoffnungen hatte sie auf die Sägemühle gesetzt. (S. 10,992)
"Sobald sie aber mit ihrer Fraulichkeit nichts ausrichtete, wurde
sie kalt und geschäftlich und scheute sich nicht, ihre Konkurrenten
mit eigenem Verlust zu unterbieten, falls sie damit einen neuen
Kunden erwerben konnte. Sie scheute sich auch nicht, minderwertige
Waren zu gutem Preise zu verkaufen, wenn sie glaubte, vor Entdeckung
sicher zu sein, und machte sich kein Gewissen daraus, die anderen
Holzhändler in Verruf zu bringen." (S. 10,998)
Was Ellen von einer Tochter denken würde, die log und derartige
Geschäftspraktiken anwandte, stand außer Zweifel. (S. 11,004)
"[...] die Ritterlichkeit des Südens schützte sie. Eine Dame aus dem
Süden konnte zwar über einen Herrn Unwahrheiten erzählen, aber ein
Herr aus dem Süden konnte nicht eine Dame der Lüge beschuldigen. (S. 11,066)
Damals hatte Scarlett in ihrem eigenen Herzen nur wenig Raum für
Ehrlichkeit, aber auf das, was sie bei sich selbst so gering
einschätzte, legte sie umso größeren Wert bei anderen.
(S. 11,084
Mit der Zeit wurde sie immer gereizter, denn jeder ersparte Dollar
bedeutete zugleich, einen Dollar mehr zu verlieren, wenn das Unglück
über sie kam.
(S. 11,105
Scarlett wußte wohl, wie sehr sie ins Gerede gekommen war, aber
sie kehrte sich nicht daran. Sie haßte die Yankees immer noch
genauso ingrimmig wie damals, als sie kamen, um Tara niederzubrennen,
aber sie konnte ihren Haß verbergen. Wollte sie Geld verdienen, so
mußten die Yankees herhalten, und nach ihrer bisherigen Erfahrung
waren freundliche Mienen und gute Worte immer noch das sicherste
Mittel, Geschäfte zu machen.
(S. 11,130
Bald aber stellte sich heraus, daß der Verkehr mit den Frauen der
0ffiziere Anforderungen ste llte, mit denen Scarlett nicht gerechnet
hatte. Zwar gab sie nichts darum, mit ihnen in Berührung zu kommen,
und hätte es sogar am liebsten vermieden. Aber diese Frauen waren
entschlossen, mit ihr zu verkehren. Sie empfanden eine gewaltige
Neugier in bezug auf den Süden und seine Frauen, und Scarlett gab
ihnen die erste Gelegenheit, sie zu befriedigen.
(S. 11,139
Für diese Frauen der Yankees war »0nkel Toms Hütte« eine
0ffenbarung, die nur der Bibel nachstand, und sie wollten wissen,
wieviel Bluthunde jeder Südstaatler zum Aufspüren seiner
entlaufenen Sklaven hielt. Sie wollten Scarlett nicht glauben, als
sie ihnen erzählte, daß Sie in ihrem Leben nur einen einzigen
Bluthund gesehen habe,
(S. 11,174
Hier im Süden verstehen sie nicht, mit den Sklavenn umzugehen.
Sie verwöhnen sie zu Tode.«
(S. 11,180
Wenn sie Vorteil davon gehabt hätte, so würde sie selbst
Beschimpfungen ihrer eigenen Tugend und Ehrlichkeit ruhig hingenommen
haben. Aber als sie sah, wie diese Frauen dem alten treuen Schwarzen
mit ihren dummen Bemerkungen weh taten, zündete es bei ihr wie in
einem Pulverfaß.
(S. 11,191
Diese Weiber hatten 0nkel Peter weh getan - Peter, der mit dem
alten 0berst Hamilton den mexikanischen Krieg mitgemacht hatte, der
seinen Herrn im Arm gehalten, als er starb, der Melanie und Charles
aufgezogen und die hilflose, närrische Pittypat behütet hatte,
(S. 11,194
Und diese Frauen sagten, sie könnten den Sklavenn nicht trauen!
(S. 11,196
»Sie reden von mir, als bin ich ein Maultier und verstehe sie
nicht, und als bin ich aus Afrika und weiß nicht, wovon sie
sprechen!« Peter schnaufte vernehmlich. »Und sie nennen mich
Sklaven, und mich hat noch nie ein Weißer >Sklaven< genannt,
(S. 11,206
Scarlett dachte: »Verfluchte dumme Narren sind doch die Yankees.
Diese Weiber meinen, weil 0nkel Peter schwarz ist, habe er keine
0hren, zu hören, und kein Gefühl, empfindlich wie ihr eigenes, das
schmerzt, wenn es verletzt wird. Sie wissen nicht, daß Sklaven
behutsam behandelt werden wollen wie Kinder, geleitet, gelobt,
gestreichelt, ausgescholten. Sie verstehen nichts von den Sklavenn
und von den Beziehungen zwischen ihnen und uns. Und doch haben sie
den Krieg geführt, um sie zu befreien, [...] (S. 11,211
Einem Schwarzen nicht trauen! Scarlett traute ihnen weit mehr als
den meisten Weißen, sicherlich mehr als allen Yankees. (S. 11,221
»Und doch haben sie euch befreit«, sagte sie laut.
»Nein,
Missis, mich haben sie nicht befreit, ich lasse mich von solchem Pack
nicht befreien. Ich gehöre noch immer Miß Pittypat, und wenn ich
sterbe, legt sie mich ins Hamiltonsche Familiengrab, wo ich
hingehöre. Meine Miß bekommt Zustände, wenn ich ihr erzähle, wie
Sie mich von den Yankeefrauen haben beleidigen lassen.«
»Das habe
ich doch nicht getan!« rief Scarlett erschrocken.
»Das haben Miß
doch getan!« Peter schob die Lippe womöglich noch weiter vor. »Die
Sache ist so: Sie und ich, wir haben nichts bei den Yankees zu
suchen, dann konnten sie mich auch nicht beleidigen. Wenn Sie nicht
mit ihnen sprechen, hatten sie auch keine Gelegenheit, mich wie ein
Maultier und einen aus Afrika zu behandeln. Und Sie sind nicht einmal
für mich eingetreten.«
»Aber ich habe ihnen doch gesagt, du
gehörst zur Familie!« Der Tadel traf Scarlett tief.
»Das ist nicht
eintreten für mich, da ist bloß Tatsache«, erwiderte Peter. »Miß
Scarlett, Sie brauchen ja keinen Umgang mit den Yankees zu haben, das
hat auch keine andere Dame. [...]" (S. 11,232)
"Einem Südstaatler konnte nichts Schmählicheres begegnen, als daß
seine Dienstboten schlecht von ihm dachten." (S. 11,237)
Scarlett, Sie haben gar nichts davon, daß Sie bei den Yankees und
bei weißen Schurken gut angeschrieben sind, wenn Ihre eigenen Leute
nichts von Ihnen halten.«
Damit war die Lage so treffend wie nur
möglich gekennzeichnet, und Scarlett verfiel in ein grimmiges
Schweigen. Freilich, die Eindringlinge und Eroberer waren mit ihr
zufrieden, ihre Familie dagegen und ihre Nachbarn waren es nicht. Sie
wußte alles, was in der Stadt über sie geredet wurde. (S. 11,246)
Ach, eines Tages! Wenn es wieder Ordnung auf der Welt gab, dann
wollte auch sie sich endlich zurücklehnen und die Hände in
den Schoß legen und eine vornehme Dame sein, wie Ellen, hilflos und
behütet, wie es sich für eine Dame geziemt. (S. 11,247)
Wenn sie nur erst wieder Geld hatte! Dann konnte sie sich
erlauben, gütig und sanft zu sein wie Ellen und an andere zu denken
und an das, was sich schickt. (S. 11,247)
Kapitel 39
Der Frühling ging hin. Die kühlen Regengüsse des April wurden von der balsamischen Wärme und Farbenpracht des Mai abgelöst. (S.12,352)
Die alten Freunde wurden kühler und die Angehörigen immer noch freundlicher, noch auf reizender besorgt und immer noch blinder für das, was Scarlett eigentlich wollte. In diesen Tagen der Sorge und des Kampfes gab es auf der Welt für sie nur einen einzigen verläßlichen und verständnisvollen Menschen, und das war Rhett Butler. (S.12,356)
Häufig war er von Atlanta abwesend und befand sich auf einer seiner geheimnisvollen Reisen nach New
Orleans, die er ihr nie näher erklärte, von denen sie aber in einem
Anflug von Eifersucht glaubte, daß sie einer oder gar mehreren
Frauen galten. Seitdem jedoch Onkel Peter sich geweigert hatte, sie
zu kutschieren, blieb er immer häufiger und für immer längere
Zeiträume in Atlanta. (S. 12,361)
Er machte jetzt keine Besuche mehr bei Tante Pitty, wahrscheinlich
um Frank und die alte Dame zu schonen, die über einen männlichen
Besuch, solange Scarlett in andern Umständen war, entsetzt gewesen
wären. Aber zufällig traf er Scarlett fast jeden Tag. Immer wieder
kam er an ihren Einspänner herangeritten, wenn sie einsame Strecken
über die Pfirsichstraße oder die Decaturstraße hinaus bis zu den
Mühlen fuhr. (S. 12,367
Oftmals fragte sie sich, ob er sie wirklich nur zufällig treffe.
Als die Wochen vergingen und die Erregung in der Stadt über
Schandtaten der Neger zunahm, kam es immer häufiger vor. Aber warum
suchte er sie gerade jetzt auf, da sie am unvorteilhaftesten aussah?
Absichten hatte er sicher nicht auf sie, wenn er überhaupt je solche
gehabt hatte, worüber ihr jetzt oft Zweifel aufstiegen. Seit Monaten
hatte er nicht einmal im Spaß mehr auf ihr peinliches Gespräch im
Gefängnis angespielt. Ashley hatte er nie mehr erwähnt, auch
keinerlei ungezogene Bemerkungen darüber gemacht, daß er »sie
begehre«. (S. 12,487
Sind Sie nie auf den Gedanken gekommen, daß die Damen Sie
vielleicht auch deshalb nicht mögen, weil Ihr Betragen ihre
Ehemänner und Söhne an den Galgen bringen kann? Wenn der
Ku-Klux-Klan noch mehr unter den Negern aufräumt, nehmen die Yankees
Atlanta so hoch, daß Sherman der Stadt noch wie ein Engel vorkommen
wird. Ich weiß, was ich sage. Ich bin doch mit den Yankees auf du
und du. Schmählich zu sagen, aber sie behandeln mich wie einen der
Ihren und reden offen mit mir. Sie wollen den Ku-Klux-Klan
vernichten, und wenn sie die ganze Stadt auf einmal abbrennen und
jeden zehnten Mann aufhängen müßten. Das könnte unangenehm werden
für Sie, Scarlett, dann könnten Sie Ihr Geld verlieren, und man
kann nie wissen, wo ein Präriebrand aufhört, wenn er einmal
angefangen hat. (S. 12,640)
»Ich möchte Ihre Zustimmung haben, daß ich Suellen heirate.«
Scarlett hielt sich am Sitz fest, denn sie wäre fast vor
Überraschung hintenübergefallen. Suellen heiraten! Sie hatte es
nicht für möglich gehalten, daß sich noch jemand finden würde,
der Suellen heiratete, nachdem sie ihr Frank Kennedy weggenommen
hatte. Wer trug denn wohl Verlangen nach Suellen? »Aber Will!« »Das
heißt wohl, daß Sie nichts dagegen haben?« »Dagegen? Nein, aber
... Will, ich bin ganz sprachlos. Sie wollen Suellen heiraten? Will,
ich dachte immer, Sie hätten Carreen gern.« Will wandte kein Auge
vom Pferd und trieb es mit lockeren Zügeln an. In seinem Gesicht
veränderte sich nichts. Aber ihr war, als hätte er leise geseufzt.
»Das war einmal«, sagte er. »Will sie denn nichts von Ihnen
wissen?« »Ich habe sie nie gefragt.« »Ach, Will, Sie sind zu
dumm. Fragen Sie sie doch. Sie ist doppelt soviel wert wie Suellen.«
»Scarlett, Sie wissen vieles nicht, was in Tara vorgegangen ist. Sie
haben uns die letzten Monate nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt.« (S. 12,673)
»Sie haben mir den wahren Grund nicht gesagt. Wenn ich das Haupt
der Familie bin, so kann ich beanspruchen, ihn zu erfahren.« »Sie
haben recht«, entgegnete Will, »und Sie werden mich verstehen. Ich
kann Tara nicht lassen. Es ist meine Heimat, Scarlett, die einzige
wirkliche Heimat, die ich in meinem Leben gehabt habe, und ich habe
jeden Stein dort lieb. Ich habe dort gearbeitet, als sei es mein
Eigentum und wenn man von Herzen Arbeit an etwas wendet, gewinnt man
es lieb. Verstehen Sie, was ich meine?« Sie verstand, was er meinte,
und ihr Herz kam ihm warm entgegen, weil er das, was ihr das Liebste
war, auch liebhatte. »Und ich sehe die Dinge jetzt so an: Ihr Pa ist
nicht mehr da. Carreen geht ins Kloster. Da bleiben Suellen und ich
allein übrig, und ich könnte natürlich nicht auf Tara bleiben,
wenn ich Suellen nicht heirate. Sie wissen, wie die Leute reden.«
»Aber Will, da sind doch Melanie und Ashley ... « Als Ashleys Name
fiel, wandte er sich ihr zu und sah sie mit seinen blassen
unergründlichen Augen an. Wieder hatte sie das Gefühl, daß Will
von ihr und Ashley alles wußte, alles verstand und weder ja noch
nein dazu sagte. »Sie gehen bald fort.« »Fort? Wohin? Tara ist
ihnen doch auch Heimat.« »Nein, es ist nicht ihre Heimat. Das ist
es ja, worunter Ashley leidet. Tara ist nicht sein Heim, und er hat
dort nicht das Gefühl, sein Brot zu verdienen. Er ist nur ein
kümmerlicher Landwirt, und das weiß er auch. Weiß Gott, er tut
sein Bestes, aber er ist nicht dafür geschaffen. Wenn er Holz
spaltet, so ist es der reine Zufall, wenn ihm das Beil nicht in den
Fuß geht. (S. 12,695)
Ihr Geist arbeitete fieberhaft, Ashley durfte nicht nach dem
Norden! Dann sah sie ihn womöglich niemals wieder. Obwohl sie ihn
seit Monaten nicht gesehen und seit dem verhängnisvollen Gespräch
im Obstgarten nicht allein mit ihm gesprochen hatte, war doch kein
Tag vergangen, da sie nicht an ihn gedacht und sich nicht gefreut
hatte, daß er unter ihrem Dach in guter Hut war. Sie hatte an Will
keinen Dollar geschickt ohne den frohen Gedanken, daß er Ashley das
Leben erleichtern sollte. (S. 12,709)
Sie war bereit, alles zu tun, um ihn nur in der Nähe zu haben und
sein helles Lächeln aufleuchten zu sehen, alles, um vielleicht
einmal einen unbewachten Blick aus seinen Augen zu erhaschen, aus dem
sie las, daß er noch etwas auf sie gab. Aber sie gelobte sich, ihn
niemals wieder zu Worten der Liebe zu treiben und ihn niemals seine
dumme Ehre vergessen zu lassen, die er höher hielt als die Liebe. (S. 12,746)
»Einerlei. Ich will dir aber noch etwas anderes sagen. Was
Suellen nie verwunden hat, ist, daß du Frank Kennedy geheiratet
hast, und ich kann es ihr nicht verdenken. Weißt du, gegen die
leibhaftige Schwester war das ein schlechter Streich.« Scarlett hob
den Kopf von seiner Schulter wie eine gereizte Klapperschlange, die
zubeißen will. »So, ein schlechter Streich? Halt deinen schlechten
Mund, Will Benteen! Was kann ich dafür, daß er mich lieber hatte
als sie?« »Du bist ein gerissenes Mädchen, Scarlett, und wirst
schon etwas dafür können, daß er dich lieber hatte. Mädchen
können immer etwas dafür. Du hast sicherlich das Deine getan. (S. 12,775)
>Miß Suellen<, habe ich gesagt, >warum in drei Teufels
Namen quälen Sie Ihren armen Pa und erinnern ihn an Ihre arme Ma?
Meistens ist ihm gar nicht klar, daß sie tot ist, und nun kommen Sie
und reiben es ihm unter die Nase.< Aber sie warf nur den Kopf
zurück und lachte: >Kümmern Sie sich um Ihre eigenen
Angelegenheiten. Sie werden sich eines Tages noch alle freuen.<
Miß Melanie hat mir gestern Abend erzählt, daß Suellen ihr von
ihren Plänen gesprochen hat, sie habe aber keine Ahnung gehabt, daß
es Suellen Ernst damit war. Sie sagte, sie habe nicht darüber
gesprochen, weil sie den bloßen Gedanken so unerhört fand.« (S. 12,798)
Scarlett, ich wette, dein Pa hat meistens gar nichts verstanden,
wovon sie überhaupt sprach. Damit hat sie gerechnet und gehofft, er
würde den Treueid leisten und nicht einmal wissen, daß er es tat.«
»Pa den Treueid leisten!« schrie Scarlett. »In den letzten Monaten
war er richtig schwachsinnig geworden. Darauf wird sie sich wohl
verlassen haben. Vergiß nicht, von uns ahnte ja niemand etwas. Wir
wußten, daß sie irgend etwas im Schilde führte, aber nicht, daß
sie deine tote Ma benutzte, um ihm vorzuhalten, seine Töchter gingen
in Lumpen, wo er doch von den Yankees hundertfünfzigtausend Dollar
bekommen könnte.« »Hundertfünfzigtausend Dollar«, murmelte
Scarlett vor sich hin, und ihr Grauen vor dem Treueid schwand. Was
für einen Haufen Geld! Um das zu bekommen, brauchte man nur der
neuen Regierung den Treueid zu leisten, welcher besagt, daß man
immer die Regierung unterstützt und nie ihren Feinden Beistand und
Vorschub geleistet habe. Hundertfünfzigtausend Dollar für eine so
kleine Lüge. Sie konnte Suellen nicht verurteilen. Gott im Himmel,
deswegen hatte Alex sie auspeitschen wollen, deswegen wollte die
ganze Provinz sie in Stücke reißen? Zu dumm waren sie alle. Was
konnten sie mit dem Geld nicht alles anfangen. Was machte eine so
kleine Lüge denn aus. Schließlich war alles, was man den Yankees
abnehmen konnte, ehrlich verdientes Geld, einerlei, wie man dazu kam. (S.12,905)
Suellen
hatte, ob willentlich oder nicht, den Tod ihres Vaters herbeigeführt
und sollte wenigstens den Anstand haben, sich vor der feindseligen
Nachbarschaft zusammenzunehmen.
(S.12,908
Nach
der Auffassung der Leute hatte sie etwas noch Schlimmeres getan als
ihren Vater ermordet. Sie hatte ihn zu beschwatzen versucht, dem
Süden die Treue zu brechen, und das empfand diese grimmig
festgefügte Gemeinschaft als einen Schlag gegen ihre eigene
gemeinsame Ehre. Sie hatte die feste Front gesprengt, in der die
Provinz der Welt entgegentrat. Mit ihrem Versuch, von den Yankees
Geld zu erschleichen, hatte sie sich auf eine Stufe mit den Schiebern
und Gesinnungslumpen gestellt, mit den Feinden, die sie noch
ingrimmiger haßten als alle Soldaten der Yankees. Sie, die Tochter
einer alten treuen konföderierten Pflanzerfamilie, war zum Feinde
übergelaufen und hatte damit über jede Familie der Provinz Schande
gebracht.
(S.13,497
Des
weiteren war Melanie sowohl von dem >Verein zur Verschönerung der
Soldatengräber< wie von der >Nähgemeinschaft für die Witwen
und Waisen der Konföderierten< zur Schriftführerin ernannt
worden. Diese neue Ehrung wurde ihr nach einer erregten gemeinsamen
Sitzung der beiden Vereine angetragen, die in Tätlichkeiten zu enden
und lebenslängliche Freundschaften zu zerreißen drohte. In dieser
Sitzung hatte sich die Frage erhoben, ob auf dem Grabe eines
Unionssoldaten, falls es neben dem eines konföderierten Soldaten
läge, das Unkraut auch zu beseitigen sei oder nicht. Die
verwahrlosten Yankeegräber nämlich machten alle Anstrengungen der
Damen, die Ruhestätten ihrer eigenen Toten zu verschönern,
zuschanden. Jäh loderte das Feuer des Zwistes empor, das unter engen
Taillen geschwelt hatte. Die beiden Organisationen spalteten sich und
standen einander unversöhnlich gegenüber. Die Nähgemeinschaft war
für, die Damen aus dem Verschönerungsverein waren ungestüm gegen
das Jäten. Mrs. Meade sprach diesen Damen aus der Seele, als sie
sagte: »Auf den Yankeegräbern Unkraut jäten? Für zwei Cents grübe
ich alle Yankees aus und würfe sie auf den Schindanger der Stadt.«
Nach diesen tönenden Worten sprangen die Mitglieder beider
Vereinigungen von ihren Sitzen, jede Dame sagte ihre Meinung, und
keine hörte zu. Die Sitzung wurde in Mrs. Merriwethers Salon
abgehalten, und Großpapa Merriwether, der in die Küche verbannt
worden war, berichtete später, es wäre genau solch Getöse gewesen
wie bei dem Artilleriefeuer, das die Schlacht bei Franklin eröffnete.
Und, fügte er hinzu, in der Schlacht bei Franklin sei es viel
weniger lebensgefährlich zugegangen als bei dieser Damensitzung. Wie
es geschah, wußte niemand, aber Melanie brach sich durch die
aufgeregte Menge Bahn und verschaffte sich mit ihrer sanften Stimme
im Tumult Gehör. Die Angst vor der empörten Versammlung schnürte
ihr den Hals zu, aber sie ließ nicht locker und rief immer wieder:
»Aber bitte, meine Damen«, bis der Lärm sich legte. »Ich wollte
sagen ... ich meine, ich habe schon lange nachgedacht, wir ... wir
sollten dort nicht nur das Unkraut ausjäten, sondern Blumen
pflanzen. Es ist mir einerlei, was Sie von mir denken, aber wenn ich
Blumen zum Grabe des lieben Charlie bringe, lege ich auch einige auf
das Grab des unbekannten Yankee daneben. Es ... es sieht gar so
verlassen aus.«
(S.13,518
»Meine
Damen«, flehte sie, »bitte, lassen Sie mich ausreden! Ich weiß,
ich habe nicht das Recht, etwas dazu zu sagen, denn außer Charlie
habe ich keinen meiner Lieben verloren, und ich weiß, Gott sei Dank,
wo er liegt. Aber es sind heute viele unter uns, die nicht wissen, wo
ihre Söhne, ihr Mann oder ihr Bruder begraben liegen, und ... « Sie
konnte nicht weitersprechen. Im Zimmer war es jetzt totenstill. Mrs.
Meades flammende Augen blickten düster. Sie hatte nach der Schlacht
die lange Reise nach Gettysburg gemacht, um Darcys Leiche
heimzubringen, aber das Grab war nicht zu finden gewesen. Mrs. Allan
zuckte es um den Mund. Ihr Mann und ihr Bruder waren bei dem
unseligen Streifzug Morgans nach Ohio mitgeritten, und als letztes
hatte sie von ihnen gehört, daß sie am Ufer des Ohio beim
Sturmangriff der feindlichen Kavallerie gefallen waren. Sie wußte
nicht, wo sie lagen.
(S.13,528
»Ihre
Gräber liegen irgendwo im Lande der Yankees, wie die Yankeegräber
hier, und wie schrecklich wäre es für uns, wenn eine Yankeefrau
sagte, sie wolle sie ausgraben und ... « Mrs. Meade stieß einen
kurzen Laut des Grauens hervor. »Aber wie wohl täte es uns zu
wissen, daß irgendwo Yankeefrauen auf den Gräbern unserer Männer
das Unkraut entfernten und sie mit Blumen schmückten, obwohl es
feindliche Gräber sind. Wenn Charlie tot im Norden läge, wäre es
mir ein Trost zu wissen, daß jemand ... Ach, meine Damen, es ist mir
einerlei, wie Sie denken ... « Jetzt brach ihre Stimme wieder: »Ich
trete aus beiden Vereinen aus und werde von jetzt ab jedes Unkraut,
das ich auf einem Yankeegrab finde, ausraufen und Blumen darauf
pflanzen ... und ... ich möchte einmal sehen, wer mich daran
hindert!« Bei diesem trotzigen Schluß brach Melanie in Tränen aus
und suchte sich unsicher einen Weg zur Tür. Eine Stunde später, als
Großpapa Merriwether sich glücklich in das Etablissement »Mädchen
von heute« in Sicherheit gebracht… Some highlights have been
hidden or truncated due to export limits.
(S.13,558
Jede
bedeutende Persönlichkeit, die in die Stadt kam, fand den Weg zu
Melanies Haus, und oft übernachteten sie dort.
(S.13,561
Nein,
Melanie kam niemals auf den Gedanken, daß die Leute sich um sie
scharten wie um eine geliebte Schlachtenfahne. Und sie war erstaunt
und verlegen, als Dr. Meade nach einem reizenden Abend in ihrem
Hause, wo er sich hochverdient gemacht hatte, indem er die Rolle des
Macbeth las, ihr die Hand küßte und dazu einiges in demselben Ton,
in dem er einst von >unserer glorreichen Sache< zu sprechen
pflegte, zu ihr sagte: »Meine liebe Miß Melly, es ist immer ein
Vorzug, bei Ihnen zu weilen, denn Sie und die Damen, die Ihnen
gleichen, sind unser aller Herz, das einzige, was uns übriggeblieben
ist.
(S.13,567
Sie
haben unseren Wohlstand zerstört und uns um fünfzig Jahre
zurückgeworfen, aber wir wollen wieder aufbauen, weil es Herzen gibt
wie das Ihre, auf das wir bauen können. Solange wir das haben,
gönnen wir den Yankees alles übrige.«
(S.13,791
Archie
war ein wortkarger Mann. Er sprach nur, wenn er angeredet wurde, und
antwortete meist nur mit einem Grunzen. Jeden Morgen kam er aus
Melanies Keller und setzte sich bei Tante Pitty auf die vordere
Haustreppe. Dort kaute und spuckte er, bis Scarlett herauskam und
Peter den Einspänner aus dem Stall holte. Onkel Peter hatte vor ihm
kaum weniger Angst als vor dem Teufel und vor dem Ku-Klux-Klan, und
sogar Mammy beschrieb furchtsam einen Bogen um ihn. Archie haßte die
Neger. Sie wußten es und fürchteten ihn.
(S.13,799
Die
Nigger haben den Krieg angefangen. Auch darum hasse ich sie.« »Aber
Sie waren doch auch mit im Krieg.« »Das wird wohl das Vorrecht des
Mannes sein. Die Yankees hasse ich auch - noch mehr als die Nigger,
und am meisten hasse ich schwatzhafte Weiber.« Solche unverblümten
Grobheiten brachten Scarlett in stille Wut, und sie sehnte sich, ihn
los zu sein. Aber wie sollte sie ohne ihn auskommen? Wie konnte sie
sich sonst frei bewegen? Er war grob und schmutzig, gelegentlich roch
er auch reichlich stark, aber er erfüllte seinen Zweck. Er fuhr sie
zu den Mühlen und wieder zurück und auf Kundenbesuche, und während
sie sich unterhielt und Weisungen gab, spuckte er und starrte in die
Ferne.
(S.13,810
Bald
wurde Archie in Atlanta eine unentbehrliche Einrichtung.
(S.13,810
Die
Damen bewarben sich um die Wette um seine freie Zeit.
(S.13,819
Zu
keiner anderen Zeit wäre so etwas denkbar gewesen. Vor dem Krieg
hätten die Damen ihn nicht einmal in ihrer Küche geduldet Sie
hätten ihm Essen durch die Hintertür gereicht und ihn seiner Wege
geschickt. Aber jetzt war seine beruhigende Gegenwart ihnen
willkommen. Dieser grobe, ungebildete, schmutzige Mensch stand als
Bollwerk zwischen den Damen und den Schrecknissen der Stadt.
(S.13,873
»Richtig
komisch. Sie haben mich eingesteckt, weil ich jemand umgebracht habe,
und sie ließen mich wieder heraus, mit einem Gewehr und meiner
Begnadigung, damit ich noch mehr umbrächte. Wir aus Milledgeville
haben gut gekämpft und gemordet, und viele von uns sind gefallen.
Ich habe keinen gekannt, der desertiert ist. Und bei der Kapitulation
wurden wir frei. Ich habe dies Bein hier und das eine Auge verloren.
Aber ich bereue es nicht.« »Ach«, sagte Scarlett matt. Sie suchte
sich daran zu erinnern, was sie damals, als die letzten verzweifelten
Anstrengungen gemacht wurden, Shermans Armee standzuhalten, von der
Freilassung der Sträflinge aus Milledgeville gehört hatte. Frank
hatte Weihnachten 1864 davon gesprochen. Was hatte er doch gesagt?
(S.13,893
»Nun
... es ... es freut mich, daß Sie mir das gesagt haben, Archie. Ich
sage es niemandem weiter. Für Mrs. Wilkes und die anderen Damen wäre
es furchtbar, wenn sie es erführen.« »Pah! Miß Wilkes weiß es.
Ich habe es ihr an dem Abend gesagt, als ich zuerst in ihrem Keller
schlafen durfte. Sie meinen doch nicht etwa, ich ließe mich von
einer Dame wie sie ins Haus aufnehmen, ohne es ihr zu sagen?«
Scarlett war sprachlos. Melanie wußte, daß dieser Mann ein Mörder
war, ein Frauenmörder, und hatte ihm nicht die Tür gewiesen? Sie
hatte ihm ihren Jungen, ihre Tante, ihre Schwägerin und all ihre
Freundinnen anvertraut. Und sie selbst, die furchtsamste aller
Frauen, hatte sich nicht gescheut, mit ihm allein im Hause zu
bleiben. »Miß Wilkes ist für eine Frau wirklich verständig. Sie
stimmte mir bei, daß ein Lügner immer weiter lügt und ein Dieb
immer weiter stiehlt, aber einen Mord begeht man nur einmal im Leben.
Für sie hat einer, der für die Konföderierten mitgekämpft hat,
alles Schlechte gesühnt. Das finde ich zwar nicht, aber ich habe
nichts Schlechtes getan, als ich meine Frau umbrachte ... Ja, Miß
Wilkes ist wirklich verständig für eine Frau. Und das sage ich
Ihnen, der Tag, wo Sie Sträflinge mieten, ist meine letzter Tag bei
Ihnen.«
(S.13,925
»Es
handelt sich um die Verfassungsänderung, die den Schwarzen das
Stimmrecht gibt«, erklärte er ihr. »Sie ist der Gesetzgebenden
Versammlung vorgelegt worden, und die hat sich geweigert, zu
ratifizieren.« »Zu dumm! Die Yankees werden uns ja doch zwingen,
das auszulöffeln.« »Das meinte ich eben, als ich sagte, wir würden
es ausbaden müssen«, sagte Ashley. »Ich bin stolz auf die
Gesetzgebende Versammlung und ihren Mut«, rief Onkel Henry laut.
»Sie können es uns nicht zu schlucken geben, wenn wir es nicht
schlucken wollen.« »Das können sie doch und werden es auch tun.«
Ashleys Stimme klang ruhig, aber seine Augen flackerten. »Für uns
wird dadurch alles nur noch schwerer.« »Ach, Ashley, schwerer als
jetzt kann es nicht werden!« »Doch, es kann noch schlimmer werden.
Wenn sie uns nun Schwarze ins Parlament setzen und einen schwarzen
Gouverneur geben? Auch die Militärherrschaft kann noch ärger
werden.«
(S.13,980
Schon
die erste Woche seiner Geschäftsleitung rechtfertigte alle ihre
Hoffnungen. Er leistete mit fünf Sträflingen mehr, als Hugh mit
seinen zehn freien Negern je fertiggebracht hatte. Außerdem hatte
Scarlett jetzt mehr Muße als je seit ihrer Rückkehr nach Atlanta,
weil er sie nicht gern im Betrieb sah und ihr das auch freimütig
sagte. »Sie kümmern sich um Ihren Verkauf, und ich kümmere mich um
meine Sägerei«, sagte er kurz. »Ein Sträflingslager ist kein
Aufenthalt für eine Dame, und wenn es Ihnen sonst niemand sagt, so
sagt Johnnie Gallegher es Ihnen jetzt. Ich liefere Ihnen das Holz und
damit basta. Mir paßt es nicht, daß Sie täglich hinter mir stehen
wie hinter Mr. Wilkes. Er hat es nötig, ich nicht.« Scarlett blieb
also, wenn auch ungern, Johnnies Mühle fern, aus Angst, er könnte
wieder kündigen.
(S.14,013
43 Es
war einer der seltenen Dezembertage, wo die Sonne fast so warm wie im
Spätsommer schien.
(S.14,169
Halten
Sie Ashley Wilkes für glücklich?« Sie entsann sich des Ausdrucks,
den sie in Ashleys Augen gesehen hatte, und schwieg. »Ist er
glücklich oder ist es Hugh Elsing oder Dr. Meade? Glücklicher, als
Ihr oder mein Vater es war?« »Nein, vielleicht nicht so glücklich,
wie sie sein könnten, weil sie all ihr Geld verloren haben.« Er
lachte. »Weil sie ihr Geld verloren haben? Nein, mein Kind. Ich sage
Ihnen ja, sie haben ihre Welt verloren. Sie sind wie Fische auf dem
Trocknen. Sie sind dazu erzogen worden, eine bestimmte Person zu
sein, bestimmte Dinge zu tun und eine bestimmte Stellung auszufüllen.
Aber diese Personen, Dinge und Stellungen sind ein für allemal
verschwunden, seit dem Tage, da General Lee in Appomattox eintraf.
Scarlett, mach nicht solch dummes Gesicht! Was soll den Ashley Wilkes
anfangen, seitdem sein Haus nicht mehr steht, seine Plantage für
Steuern draufgegangen ist und zwanzig Gentlemen für einen Cent zu
haben sind? Kann er mit seinem Kopf und seinen Händen arbeiten? Ich
wette, Sie haben reißend Geld verloren, seitdem er die Mühle
übernommen hat.« »Das habe ich nicht.«
(S.14,179
»Zum
Teufel können Sie gehen, und nicht erst, wenn Sie Zeit haben,
sondern meinethalben augenblicklich.« »Herzliebchen, beim Teufel
war ich schon. Das ist ein sehr stumpfsinniger Geselle. Dahin möchte
ich nicht noch einmal, nicht einmal für Sie ...
(S.14,208
Diese
Leute verdienen es nicht, am Leben zu bleiben, weil sie nicht kämpfen
wollen und überhaupt nicht wissen, wie man kämpft. Dies ist nicht
das erste Mal, daß in der Welt alles auf den Kopf gestellt wird, und
es wird auch nicht das letzte Mal sein. Es ist schon oft vorgekommen
und wird noch oft wieder vorkommen. Und jedesmal verlieren alle Leute
alles, und alle sind gleich. Und dann geht das Spiel von neuem an,
ohne jeden anderen Einsatz als den gescheiten Kopf und eine starke
Hand. Aber Leute wie Ashley haben weder den gescheiten Kopf noch die
starke Hand, oder wenn sie sie haben, tragen sie Bedenken, davon
Gebrauch zu machen. Deshalb gehen sie unter, und das geschieht ihnen
recht.
(S.14,296
44 Es
war ein kalter und windiger Märznachmittag, und Scarlett zog sich
die Wagendecke bis unter die Arme hinauf, als sie über die
Landstraße nach Decatur zu
(S.14,304
Die
vorjährigen Verfügungen der Militärbehörden, die man schon als
überaus scharf empfunden hatte, waren milde im Vergleich zu denen,
die General Pope jetzt erließ. Mit der Aussicht auf die
Negerherrschaft war die Zukunft dunkel und hoffnungslos, und der
verbitterte Staat quälte und wand sich hilflos. Den Negern stieg
ihre unerwartete Wichtigkeit zu Kopf, sie waren sich des Rückhaltes,
den sie an der Yankeearmee hatten, bewußt, und ihre Schandtaten
nahmen zu. Niemand war vor ihnen sicher. In diesen wilden Zeiten
stand Scarlett schwere Angst aus, aber sie ließ sich nicht beirren.
Immer noch fuhr sie allein auf ihre Geschäftswege,
(S.14,362
»Ist
es schön da oben im Norden, Sam?« Sam kratzte sich den wolligen
Kopf. »Ja ... nein! Der Oberst mächtig vornehmer Gentleman! Aber
seine Frau, die was anderes. Die mich das erstemal >Mister<
genannt. Ja, Missis, das sie tun, und beinahe ich lang hingeschlagen,
als sie das sagen. Der Oberst ihr sagen, sie mich Sam nennen, und
dann sie das auch tun. Aber all die Yankees mich zuerst, wenn mich
sehen, >Mister O'Hara< nennen und mich auffordern, mich zu
ihnen setzen, als sein ich gerade einer von ihnen! Aber ich mich noch
nie zu weißen Herrschaften setzen, und zu alt, um das lernen. Sie
behandeln mich, als bin ich genau einer wie sie, Miß Scarlett, aber
sie mich doch nicht leiden mögen ... keinen Nigger sie leiden mögen,
und bange vor mir, weil ich so groß. Und mich immer nach den
Bluthunden fragen, mit denen ich gehetzt, und wieviel Prügel ich
kriegen in Tara! Und als ich ihnen sagen, nie kein Mensch von uns
Prügel kriegen, und wie gut immer Miß Ellen zu Niggern, und die
ganze Woche bei mir gewacht, als ich Lungenentzündung haben, mir
keiner glauben. Und dann ich Sehnsucht nach Miß Ellen und Tara
kriegen, nicht zum Aushalten, und eines Nachts ausgekniffen und
ganzen Weg nach Atlanta auf Frachtwagen gesessen. (S.14,372)
Wenn
ich wieder Lungenentzündung kriegen ... dann Yankee-Damen mich auch
pflegen? Nein, Missis, sie mich >Mister O'Hara< nennen, aber
nicht pflegen wollen. Aber Miß Ellen mich pflegen, wenn ich krank
und ... was ist los, Miß Scarlett?« »Pa und Mutter sind beide tot,
Sam.« »Tot? Machen keinen Spaß mit mir, Miß Scarlett! So dürfen
Miß nicht mit mir Spaß machen!« »Es ist kein Spaß, Sam, es ist
wahr. Mutter starb, als Shermans Leute durch Tara kamen, und Pa ist
im vorigen Juni von uns gegangen. Ach, Sam, nicht weinen, bitte
nicht! Ich kann es einfach nicht aushalten. Laß uns jetzt nicht mehr
davon sprechen. Ich erzähle dir alles ein andermal. Miß Suellen ist
auf Tara und hat einen tüchtigen Mann geheiratet, Mr. Will Benteen.
Und Miß Carreen ist in einem ... « Sie besann sich. Was ein Kloster
war, konnte sie dem weinenden Riesen doch nicht klarmachen. »Sie
lebt jetzt in Charleston. Aber Pork und Prissy sind auf Tara ...
Komm, Sam, putz dir die Nase. Willst du wirklich nach Hause?« »Ja,
Missis. Aber ich es mir anders denken mit Miß Ellen und... « »Sam,
willst du in Atlanta bleiben und bei mir arbeiten? Was meinst du
dazu? Ich brauche einen Kutscher, sehr nötig sogar, weil so viel
gemeines Gesindel unterwegs ist.«
(S.14,386
»Das
habe ich gemerkt, und ich danke dir dafür, Sam. Also, was meinst du
dazu, mein Kutscher zu werden?« »Dank auch, Missis, aber ich gehen
doch besser nach Tara.« Big Sam blickte zu Boden und zog verlegen
mit dem nackten Zeh Striche auf der Erde. Ihm war sichtlich
unbehaglich zumute. »Aber warum denn? Ich gebe dir guten Lohn. Du
mußt bei mir bleiben.« Das große schwarze Gesicht blickte zu ihr
auf, dumm und leicht zu durchschauen wie das eines Kindes. Furcht lag
darin. Er kam dicht an sie heran und flüsterte ihr zu: »Miß
Scarlett, ich müssen aus Atlanta weg, ich müssen nach Tara, wo sie
mich nicht finden. Ich ... ich haben einen abgemurkst.« »Einen
Schwarzen?« »Nein, Missis, einen Weißen. Einen Yankeesoldaten, und
sie mich suchen, und darum stecken ich hier in Shantytown.«
(S.14,395
»Du
sagst, daß sie hinter dir her sind. Wissen sie denn, daß du es
gewesen bist?« »Ja, Missis. Ich so groß, mich jeder kennen. Ich
wohl der größte Neger in Atlanta. Sie schon gestern nach hier
draußen hinter mir her, aber ein Niggermädchen haben mich in Höhle
im Wald verstecken, bis sie wieder weg.« Einen Augenblick sah
Scarlett mit gerunzelter Stirn vor sich hin. Es war ihr durchaus
nicht schrecklich, daß Sam einen Mord begangen hatte. Sie war nur
enttäuscht, daß sie ihn nicht als Kutscher haben konnte. Ein großer
Neger, so wie Sam, wäre eine ebenso gute Leibwache wie Archie. Nun,
sie mußte ihn auf irgendeine Weise nach Tara bringen. Die Behörden
durften ihn um keinen Preis erwischen. Er war ein viel zu wertvoller
Neger, um gehängt zu werden. Daß er frei war, kam Scarlett nicht in
den Sinn. Er gehörte ihr noch, genauso wie Pork und Mammy, Peter,
Cookie und Prissy. Er gehörte noch >zur Familie<, und deshalb
mußte sie ihn schützen." (S.14,406)
[Wer im englischen Text weiterlesen will, findet ihn hier.]
Zur weiteren Handlung:
Das Bild von Rhett ändert sich für den Leser, als er die "ehrenwerten Demokraten", die dem Ku Klux Klan angehören, vor der Verfolgung durch die Yankees rettet, als sie wegen der Ermordung eines Schwarzen gesucht werden, freilich ironischerweise dadurch, dass er ihnen ein Alibi verschafft, sie seien zur fraglichen Zeit alle im Bordell gewesen.
Als Scarlett aber ein Kind von ihm bekommt, das Mädchen Bonnie, ändert sich seine Einstellung völlig. Er legt jetzt Wert darauf, dass es die Liebe erfährt, die ihm in seiner Kindheit und Jugend gefehlt haben und die Scarlett ihm nicht geben kann. Er verwöhnt das Kind und entzieht es den Auseinandersetzungen zwischen ihm und Scarlett, indem er mit Bonnie auf Reisen geht. Scarlett trickst er dazu, ihre Mühlen seinem Rivalen Ashley zu verkaufen, so dass sie nicht mehr an der Ausbeutung von Sträflingen Teil hat (Ashley stellt im Einvernehmen mit Rhett statt dessen freie Schwarze ein.) Während zuvor vom Erzähler nur die blutsaugerische Unterdrückung von Sträflingen kritisiert worden war, wird so jetzt - weit über Mitchells Erfahrungshorizont hinaus der spätere Prison-industrial complex kritisiert, während Scarlett ihn verteidigt.
Diese Entwicklung Rhetts wird aber dadurch abgebrochen, dass seine heißgeliebte Bonnie beim Springreiten mit einem Pony das Genick bricht. Jetzt verliert er seinen reformerischen Elan und beschließt (am Ende seiner Midlife-Crisis?) mit 45 Jahren in den Schoß seiner reputierlichen Südstaatenverwandtschaft, der er rebellisch den Rücken zugekehrt hatte, zurückzukehren.
Scarlett (die meiner Rechnung nach zu diesem Zeitpunkt kaum über 30 Jahre alt sein kann) vertraut darauf, dass sie - wenn sie nach Tara* zurückkehrt - die Kraft der alten Zeiten wiederfinden wird: "Tomorrow is another day."
"Der Plantagenname „Tara“ stammt von dem gleichnamigen Hügel, dem sagenumwobenen Sitz der irischen Hochkönige, und unterstreicht die Verbundenheit der O’Haras mit ihrer alten Heimat." (Wikipedia)
"I still laugh—but I've reached the end of roaming, Scarlett. I'm forty-five—the age when a man begins to value some of the things he's thrown away so lightly in youth, the clannishness of families, honor and security, roots that go deep— Oh, no! I'm not recanting, I'm not regretting anything I've ever done. I've had a hell of a good time—such a hell of a good time that it's begun to pall and now I want something different. No, I never intend to change more than my spots. But I want the outer semblance of the things I used to know, the utter boredom of respectability—other people's respectability, my pet, not my own—the calm dignity life can have when it's lived by gentle folks, the genial grace of days that are gone. When I lived those days I didn't realize the slow charm of them—"
Again Scarlett was back in the windy orchard of Tara and there was the same look in Rhett's eyes that had been in Ashley's eyes that day. Ashley's words were as clear in her ears as though he and not Rhett were speaking. Fragments of words came back to her and she quoted parrot-like: "A glamor to it—a perfection, a symmetry like Grecian art."
Rhett said sharply: "Why did you say that? That's what I meant."
"It was something that—that Ashley said once, about the old days."
He shrugged and the light went out of his eyes.
"Always Ashley," he said and was silent for a moment.
"Scarlett, when you are forty-five, perhaps you will know what I'm talking about and then perhaps you, too, will be tired of imitation gentry and shoddy manners and cheap emotions. But I doubt it. I think you'll always be more attracted by glister than by gold. Anyway, I can't wait that long to see. And I have no desire to wait. It just doesn't interest me. I'm going to hunt in old towns and old countries where some of the old times must still linger. I'm that sentimental. Atlanta's too raw for me, too new."
"Stop," she said suddenly. She had hardly heard anything he had said. Certainly her mind had not taken it in. But she knew she could no longer endure with any fortitude the sound of his voice when there was no love in it.
He paused and looked at her quizzically.
"Well, you get my meaning, don't you?" he questioned, rising to his feet.
She threw out her hands to him, palms up, in the age-old gesture of appeal and her heart, again, was in her face.
"No," she cried. "All I know is that you do not love me and you are going away! Oh, my darling, if you go, what shall I do?"
For a moment he hesitated as if debating whether a kind lie were kinder in the long run than the truth. Then he shrugged.
"Scarlett, I was never one to patiently pick up broken fragments and glue them together and tell myself that the mended whole was as good as new. What is broken is broken—and I'd rather remember it as it was at its best than mend it and see the broken places as long as I lived. Perhaps, if I were younger—" he sighed. "But I'm too old to believe in such sentimentalities as clean slates and starting all over. I'm too old to shoulder the burden of constant lies that go with living in polite disillusionment. I couldn't live with you and lie to you and I certainly couldn't lie to myself. I can't even lie to you now. I wish I could care what you do or where you go, but I can't."
He drew a short breath and said lightly but softly:
"My dear, I don't give a damn."
* * * * *
She silently watched him go up the stairs, feeling that she would strangle at the pain in her throat. With the sound of his feet dying away in the upper hall was dying the last thing in the world that mattered. She knew now that there was no appeal of emotion or reason which would turn that cool brain from its verdict. She knew now that he had meant every word he said, lightly though some of them had been spoken. She knew because she sensed in him something strong, unyielding, implacable—all the qualities she had looked for in Ashley and never found.
She had never understood either of the men she had loved and so she had lost them both. [Urteil des Erzählers] Now, she had a fumbling knowledge that, had she ever understood Ashley, she would never have loved him; had she ever understood Rhett, she would never have lost him. She wondered forlornly if she had ever really understood anyone in the world.
There was a merciful dullness in her mind now, a dullness that she knew from long experience would soon give way to sharp pain, even as severed tissues, shocked by the surgeon's knife, have a brief instant of insensibility before their agony begins.
"I won't think of it now," she thought grimly, summoning up her old charm. "I'll go crazy if I think about losing him now. I'll think of it tomorrow."
"But," cried her heart, casting aside the charm and beginning to ache, "I can't let him go! There must be some way!"
"I won't think of it now," she said again, aloud, trying to push her misery to the back of her mind, trying to find some bulwark against the rising tide of pain. "I'll—why, I'll go home to Tara tomorrow," and her spirits lifted faintly.
She had gone back to Tara once in fear and defeat and she had emerged from its sheltering walls strong and armed for victory. What she had done once, somehow—please God, she could do again! How, she did not know. She did not want to think of that now. All she wanted was a breathing space in which to hurt, a quiet place to lick her wounds, a haven in which to plan her campaign. She thought of Tara and it was as if a gentle cool hand were stealing over her heart. She could see the white house gleaming welcome to her through the reddening autumn leaves, feel the quiet hush of the country twilight coming down over her like a benediction, feel the dews falling on the acres of green bushes starred with fleecy white, see the raw color of the red earth and the dismal dark beauty of the pines on the rolling hills.
She felt vaguely comforted, strengthened by the picture, and some of her hurt and frantic regret was pushed from the top of her mind. She stood for a moment remembering small things, the avenue of dark cedars leading to Tara, the banks of cape jessamine bushes, vivid green against the white walls, the fluttering white curtains. And Mammy would be there. Suddenly she wanted Mammy desperately, as she had wanted her when she was a little girl, wanted the broad bosom on which to lay her head, the gnarled black hand on her hair. Mammy, the last link with the old days.
With the spirit of her people who would not know defeat, even when it stared them in the face, she raised her chin. She could get Rhett back. She knew she could. There had never been a man she couldn't get, once she set her mind upon him.
"I'll think of it all tomorrow, at Tara. I can stand it then. Tomorrow, I'll think of some way to get him back. After all, tomorrow is another day."
THE END