14 September 2024

Margaret Mitchell: Vom Winde verweht

Wikipedia: Margaret Mitchell: Vom Winde verweht

Gone with the Wind

Den Film habe ich irgendwann vor Jahrzehnten gesehen, den Roman allenfalls angelesen, jedenfalls nicht mehr in Erinnerung. Mich erstaunte bei Blick in den Roman die Selbstsicherheit des Sklaven Peter, die mich - man wird erstaunen - an das Selbstbewusstsein von Schwarzen bei Faulkner erinnert, die den Weißen Unmündigkeit vorspielen, um sie in ihrem Unglauben zu halten. ("Sprich kein korrektes Englisch!")

Wie die Sehweise im gesamten Roman ist, kann ich noch nicht beurteilen.

Wikipedia: Kritik an der Sicht des Romans auf die Sklaverei

Die Darstellung der historischen Abläufe im Roman erfolgt aus der Perspektive der Protagonisten, also der der besiegten weißen Südstaatler. Alan T. Nolan kritisiert daher in The Myth of the Lost Cause and Civil War History, dass die Darstellung einem einseitig prosüdlichen Narrativ folge. Die Sklaverei und die Rolle des Ku Klux Klan nach dem Sezessionskrieg würden beschönigt, die Reconstruction und die nordstaatlichen Soldaten dagegen negativ dargestellt. Der Roman folge in diesem Sinne den typischen Topoi des Lost Cause und gebe nicht die historischen Tatsachen wieder.[9]

Sonja Zekri beurteilt den Roman als „modern in der Frauenfrage und archaisch im Verhältnis zwischen Schwarz und Weiß“: Mit der repressiven Idealisierung der Südstaatenfrauen habe Mitchell nichts anfangen können, das zeige schon ihre Protagonistin. Scarlett O’Hara habe sie als eine lebenshungrige, unzerstörbare, mehrfach verheiratete, erfolgreiche Geschäftsfrau gezeichnet, habe „die übliche männliche Enttäuschung darüber, dass eine Frau über ein Gehirn verfügt“ ironisiert (so Mitchell). Auf der anderen Seite sei es ein rassistisches Buch. Entgegen entschuldigender Rede sei die Sklaverei durchaus Thema gewesen. Ausgerechnet in einer Zeit, in der der Süden die Rassentrennung gesetzlich verankerte, habe Mitchell den Weißen alle Schuldgefühle genommen. In Form einer Romancing Slavery strahle Sklaverei im warmen Licht einer idealen Gemeinschaft. Mammy, Pork und die anderen Sklaven wüssten die Geborgenheit und Fürsorge der weißen Besitzer zu schätzen und fürchteten nichts so sehr wie die Yankees. „Die Besseren unter ihnen verschmähten ihre Freiheit und litten genauso wie ihre weiße Herrschaft“, so Mitchell.[10]

Zitat (engl.)

"[...] "Dis Miss Scarlett, ain' it? Dis hyah Peter, Miss Pitty's coachman. Doan step down in dat mud," he ordered severely, as Scarlett gathered up her skirts preparatory to descending. "You is as bad as Miss Pitty an' she lak a chile 'bout gittin' her feets wet. Lemme cahy you."

He picked Scarlett up with ease despite his apparent frailness and age and, observing Prissy standing on the platform of the train, the baby in her arms, he paused: "Is dat air chile yo' nuss? Miss Scarlett, she too young ter be handlin' Mist' Charles' onlies' baby! But we ten' to dat later. You gal, foller me, an' doan you go drappin' dat baby."

Scarlett submitted meekly to being carried toward the carriage and also to the peremptory manner in which Uncle Peter criticized her and Prissy. As they went through the mud with Prissy sloshing, pouting, after them, she recalled what Charles had said about Uncle Peter.

"He went through all the Mexican campaigns with Father, nursed him when he was wounded—in fact, he saved his life. Uncle Peter practically raised Melanie and me, for we were very young when Father and Mother died. Aunt Pitty had a falling out with her brother, Uncle Henry, about that time, so she came to live with us and take care of us. She is the most helpless soul—just like a sweet grown-up child, and Uncle Peter treats her that way. To save her life, she couldn't make up her mind about anything, so Peter makes it up for her. He was the one who decided I should have a larger allowance when I was fifteen, and he insisted that I should go to Harvard for my senior year, when Uncle Henry wanted me to take my degree at the University. And he decided when Melly was old enough to put up her hair and go to parties. He tells Aunt Pitty when it's too cold or too wet for her to go calling and when she should wear a shawl...He's the smartest old darky I've ever seen and about the most devoted. The only trouble with him is that he owns the three of us, body and soul, and he knows it."

Charles' words were confirmed as Peter climbed onto the box and took the whip.

"Miss Pitty in a state bekase she din' come ter meet you. She's feared you mout not unnerstan' but Ah tole her she an' Miss Melly jes' git splashed wid mud an' ruin dey new dresses an' Ah'd 'splain ter you. Miss Scarlett, you better tek dat chile. Dat lil pickaninny gwine let it drap."

Textzitate (deutsch):

"[...] »Du weißt ganz genau, daß es keinen Krieg gibt!« Scarlett langweilte sich. »Das ist alles nur Gerede. Ashley Wilkes und sein Vater haben Pa doch gerade vorige Woche erzählt, daß unsere Unterhändler in Washington wegen der Konföderierten Staaten mit Mr. Lincoln zu einem ... einem Freundschaftsvergleich kommen würden, und überhaupt haben die Yankees viel zu große Angst, mit uns zu kämpfen. Es gibt keinen Krieg, und ich habe es satt, davon zu hören.« [...] (S.105)

"[...] Das wellige Land in den Vorbergen Nord-Georgias wurde in Millionen Kurven gepflügt, damit der schwere Boden nicht in die Sümpfe am Fluß geschwemmt werde. Das Land war von beängstigender Röte: nach Regenfällen rot wie Blut, in der Dürre verwandelt in ziegelfarbenen Staub - der beste Baumwollboden der Welt. Es war ein liebliches Gelände mit weißen Häusern, friedlich gepflügten Feldern und trägen gelben Flüssen, doch ein Land voller Gegensätze, von blendendstem Licht und tiefstem Schatten. [...]" (S.135)

"[...] »Übrigens soll gar nicht seine Verlobung verkündet werden«, triumphierte Stuart, »sondern Ashleys mit Charlies Schwester, Miß Melanie!« In Scarletts Gesicht veränderte sich nichts, nur ihre Lippen wurden weiß wie bei jemandem, der unvorbereitet einen betäubenden Schlag empfängt und im ersten Augenblick des Schreckens nicht faßt, was ihm geschieht. Sie sah Stuart so groß und still an, daß er sie einfach für überrascht und interessiert hielt und sich nichts dabei dachte. Ein Seelenkenner war er nie gewesen. [...]" (S.268)

"[...] »Wollen denn Masters beide zu Master Wynder?« ließ sich jetzt Jeems vernehmen. »Da gibt nicht viel Abendbrot, Köchin ist tot und sie noch keine neue kaufen, und nun kochen eine Pflückerin, und die Schwarzen mir erzählen, das die schlechteste Köchin im ganzen Staat.« »Du meine Güte, warum kaufen sie sich denn keine neue Köchin?« »Wie sollen denn weißes Bettelpack sich Farbige kaufen? Die nie mehr als höchstens vier Stück haben.« In Jeems' Stimme klang unverhohlene Verachtung. Seine eigene gesellschaftliche Stellung war gesichert, denn Tarletons besaßen hundert Farbige, und wie alle Sklaven der großen Plantagenbesitzer sah er auf die kleinen Farmer herab, die nur wenige Sklaven hielten. »Ich ziehe dir das Fell über die 0hren!« Stuart war wütend. »Daß du mir Able Wynder nicht 'weißes Pack' nennst! Gewiß ist er arm, aber durchaus kein Pack, und hol mich der Teufel, wenn ich erlaube, daß irgend jemand, weiß oder schwarz, wegwerfend von ihm spricht. Einen besseren Mann gibt es nicht in der Provinz. Warum hätte die Truppe ihn sonst zum Leutnant gewählt?« [...] (S.366)

"[...] Nun erschien Mammy an der Tür der Halle, ein riesenhaftes altes Weib, mit kleinen klugen Elefantenaugen. Sie war eine Farbige reinsten Wassers, glänzend schwarz und den 0'Haras bis zum letzten Blutstropfen ergeben, Stab und Stütze für Ellen, die Verzweiflung ihrer drei Töchter, der Schrecken der anderen Dienstboten. Mammy war eine Schwarze, aber ihr Sittenkodex und ihr Stolz standen ebenso hoch, ja höher als der ihrer Eigentümer. Aufgewachsen war sie im Schlafgemach. Solange Robillards, der Mutter Ellen 0'Haras, einer unnahbar kühlen, vornehmen Französin, die Kindern und Dienstboten keine Strafe für einen Verstoß gegen die Schicklichkeit erließ. Mammy war Ellens Amme gewesen und, als Ellen heiratete, mit ihr aus Savannah nach dem Norden gekommen. Wen Mammy liebhatte, den züchtigte sie, und da ihre Liebe zu Scarlett und ihr Stolz auf sie keine Grenzen kannte, so wurde Scarlett eigentlich ohne Unterbrechung gezüchtigt.[...]" (S.768)

Gerald O'Hara, ein irischer Einwanderer, der wegen Totschlags Irland hatte verlassen müssen und sich mit Poker und Trinkfestigkeit hochgearbeitet hatte:

"[...] Der Diener namens Pork, tiefschwarz und in den erlesensten Feinheiten der Schneiderkunst beschlagen, fiel ihm in einer Nacht zu, die er mit einem Pflanzer aus St.-Simons-Island verpokerte, einem Manne, dessen Kühnheit im Bluffen der Geralds gleichkam, dessen Kopf aber dem New-0rleans - Rum nicht in gleichem Maße standhielt. Porks früherer Besitzer erbot sich, ihn um das Doppelte zurückzukaufen, aber Gerald blieb fest. Mit dem Besitz seines ersten Sklaven und nun gar des »verdammt noch mal besten Dieners an der ganzen Küste« war die erste Stufe zur Erfüllung seiner Herzenswünsche erklommen. Gerald wollte Sklavenhalter und Großgrundbesitzer werden. [...]" (S.840)

"[...] Tom Slattery besaß keine Sklaven. Mit seinen beiden ältesten Söhnen plagte er sich auf seinen paar Baumwollfeldern ab, während die Frau und die kleineren Kinder ein Stück Land zu bearbeiten suchten, welches so etwas wie einen Gemüsegarten vorstellen mochte. Aus irgendwelchen Gründen mißglückte es mit der Baumwolle fortwährend, und da Mrs. Slattery beständig ein Kind erwartete, lieferte der Garten selten genug, um ihre Schar satt zu machen. So hatte man sich daran gewöhnt, Tom Slattery bei seinen Nachbarn herumlungern und um Baumwollsamen und eine Speckseite betteln zu sehen, um sich über Wasser zu halten. Mit dem bißchen Energie, das er besaß, haßte er seine Nachbarn, weil er aus ihrer Höflichkeit die Verachtung herausfühlte, haßte er vor allem die hochnäsigen Schwarzen der Reichen. Die farbigen Bediensteten der Provinz hielten sich für etwas Besseres als das »weiße Pack«, und ihr unverblümter Hohn kränkte ihn tief, während ihre gesicherte Lebensstellung seinen Neid erweckte. Im Gegensatz zu seinem kümmerlichen Dasein waren diese Schwarzen wohlgenährt und gut gekleidet, und in Alter und Krankheit wurde für sie gesorgt. Sie waren stolz auf den Namen ihrer Besitzer und zum größten Teil auch darauf, Eigentum von Leuten zu sein, die der guten Gesellschaft angehörten, während Slattery mit allgemeiner Geringschätzung betrachtet wurde. Er hätte seinen Hof an jeden Pflanzer in der Provinz für seinen dreifachen Wert verkaufen können; man hätte das Geld gern daran gewendet, um ihn los zu sein. Ihm aber war es eine Genugtuung und ein Trotz, zu bleiben und von dem Ertrag eines Ballens Baumwolle und der Wohltätigkeit seiner Nachbarn sein Leben zu fristen. Mit allen anderen in der Provinz stand Gerald auf freundschaftlichem Fuß, und mit einigen war er eng vertraut. Wilkes, Calverts, Tarletons, Fontaines, alle freuten sich, wenn die gedrungene Gestalt auf dem schweren Schimmel ihre Auffahrt heraufgaloppiert kam. Man lächelte und ließ die hohen Gläser kommen, in die ein Gläschen Bourbon-Whisky über einen Teelöffel Zucker und etwas zerquetschte Pfefferminze gegossen war. Man mußte Gerald gern haben, und mit der Zeit entdeckten auch die Nachbarn, was die Kinder, Farbige und Hunde auf den ersten Blick herausgehabt hatten, daß hinter der lärmenden Stimme und der rauhen Formlosigkeit ein gütiges Herz, ein verständnisvolles 0hr und eine offene Brieftasche zu finden waren. Bei seiner Ankunft ging es jedesmal wie in einem Tollhaus zu. Hunde bellten, schwarze Kinder jauchzten, wenn sie ihm entgegenliefen, stritten sich darum, sein Pferd halten zu dürfen, und grinsten über seine gutmütigen Flüche. Die weißen Kinder wollten auf seinem Knie reiten, während er mit ihren Eltern über die Niedertracht der Yankees schimpfte. Die Töchter seiner Freunde vertrauten ihm ihre Liebesgeschichten an, die Söhne, die Angst hatten, ihre Spielschulden im Arbeitszimmer des Vaters zu gestehen, hatten an ihm einen Helfer in der Not. [...]" (S.870)

"[...] Tara verlangte gebieterisch nach einer Hausfrau. Die dicke Köchin, eine Schwarze vom Feld, die nur, weil irgend jemand die Küche versorgen mußte, zur Köchin befördert war, brachte das Essen nie zur rechten Zeit auf den Tisch, und das Hausmädchen, eine frühere Pflückerin, ließ den Staub sich auf den Möbeln häufen und hatte nie reine Wäsche zur Hand, so daß jedesmal, wenn Gäste kamen, alles drunter und drüber ging. Pork, der einzige ausgebildete farbige Bedienstete auf Tara, hatte die allgemeine Aufsicht über die anderen Dienstboten, aber selbst er war im Zusammenleben mit Gerald allmählich nachlässig geworden. Er hielt Geralds Schlafzimmer in 0rdnung und servierte mit Würde bei Tisch, aber sonst ließ er so ziemlich alles gehen, wie es wollte. Mit ihrem unfehlbaren afrikanischen Instinkt hatten die Farbige alle längst heraus, daß Gerald zu der Sorte von Hunden gehörte, die bellen und nicht beißen. Das nutzten sie schamlos aus. Fortwährend wurden zwar von Gerald schreckliche Drohungen, die Sklaven nach dem Süden zu verkaufen oder durchzupeitschen, ausgestoßen, aber noch nie war ein Sklave aus T ara verkauft worden, und gepeitscht wurde nur ein einziges Mal, weil Geralds Lieblingspferd nach einem langen Jagdtag nicht gepflegt worden war. Gerald sah mit seinen scharfen blauen Augen, wie gut bei seinen Nachbarn der Haushalt aufgezogen war und wie die Frauen mit dem glatten Haar und den rauschenden Seidenkleidern ihre Dienstboten zu regieren verstanden. Er wußte nicht, wie gehetzt diese Frauen von Sonnenaufgang bis Mitternacht waren, wie angekettet an ihre Pflicht, Küche, Kinderzimmer, Nähstube und Waschraum unter steter Aufsicht zu halten. Er sah nur das äußere Ergebnis, und das machte ihm Eindruck. Wie nötig er eine Frau hatte, wurde ihm eines Morgens klar, als er sich anzog, um zum Gerichtstag in die Stadt zu reiten. Pork hatte das gefältelte Hemd herausgesucht, aber es war von dem Mädchen so schlecht ausgebessert worden, das höchstens der Diener es noch tragen konnte. »Master Gerald«, sagte Pork und rollte das geschenkte Hemd mit Danksagungen zusammen, während Gerald vor Zorn kochte, »was Sie brauken, sein eine Frau und eine dicke Menge farbige Bedienstete.« [...]" (S.930)

"[...] »Sie haben ihn vertrieben. Vater, Pauline und Eulalia. Sie trieben ihn fort! Ich hasse sie alle, alle! Ich will sie nie wiedersehen! Weg will ich, weg und keinen von ihnen wiedersehen, weder die Stadt noch irgend etwas, was mich an ihn erinnert.« 

Als die Nacht fast vorüber war, hatte Mammy, die sich über den Kummer ihrer Herrin selbst die Augen ausgeweint hatte, Einspruch erhoben: »Aber Liebling, das kannst du nicht.« »Das will ich aber. Mr. 0'Hara ist ein guter Mann. Ich tue es, oder ich gehe nach Charleston ins Kloster.« 

Die Drohung mit dem Kloster gewann schließlich die Zustimmung des ganz verstörten, tiefgetroffenen Pierre Robillard. Er war strenger Presbyterianer, trotz seiner katholischen Familie, und der Gedanke, seine Tochter könnte Nonne werden, war ihm schrecklicher als die Heirat mit Gerald 0'Hara. Schließlich war ja gegen den Mann nichts weiter einzuwenden, als daß er nicht aus bester Familie stammte. So kam es, daß Ellen Savannah den Rücken kehrte, um es niemals wiederzusehen, und mit ihrem nicht mehr jungen Mann, mit Mammy und zwanzig bediensteten Farbigen nach Tara reiste. Im nächsten Jahr wurde das erste Kind geboren. Sie nannten es Katie Scarlett nach Geralds Mutter. Gerald war enttäuscht, weil er sich einen Sohn gewünscht hatte, aber er freute sich dann doch so sehr über die kleine schwarzhaarige Tochter, daß er jedem Sklaven auf Tara Rum ausschenken ließ und sich selbst einen tosenden, seligen Rausch antrank. (S.941)

Wenn Ellen ihren jähen Entschluß je bedauerte, so bekam es jedenfalls niemand zu wissen, am allerwenigsten Gerald, der vor Stolz schier bersten wollte, sooft er sie ansah. Ellen hatte Savannah und seine Erinnerungen hinter sich gelassen, und von dem Augenblick ihrer Ankunft auf Tara an wurde Nordgeorgia ihre Heimat. Ihr Vaterhaus, das sie auf immer verlassen hatte, war in seinen Umrissen schön und fließend wie ein Frauenleib oder wie ein Schiff mit vollen Segeln gewesen: ein blaßrosa Stuckhaus im französischen Kolonialstil, das zierlich vom Boden aufragte, mit geschwungenen Treppen und spitzenzarten Geländern; ein dämmeriges, üppiges Haus, freundlich und unnahbar. Mit ihm zugleich hatte sie die ganze Kultur zurückgelassen, die dort beheimatet war, und sie fand sich in einer so fremden Welt wieder, als hätte sie einen ganzenErdteil durchquert. Nordgeorgia war ein rauhes Land, bewohnt von einem wetterharten Volk. Auf der Hochebene, am Fuß der Blue Ridge Mountains, wogten die rötlichen Hügel, so weit das Auge reichte. Riesige Blöcke des granitenen Kerns traten überall daraus hervor, von hageren Pechkiefern überragt. [...]" (S.949)

"Für ihr Auge war das alles wild und unbändig. Es war die Küste gewohnt, die ruhige Urwaldschönheit der Inseln mit ihrer Hülle von weichem Moos und wucherndem Grün, den weißen Strand unter der tropischen Sonne, den weiten Blick über das flache, sandige Land mit seinen hohen zierlichen Palmen. Hier aber war eine Gegend, die Winterfrost und Sommerhitze kannte, und die Kraft und Tüchtigkeit der Bewohner waren ihr fremd. Freundliche Leute waren es, großherzig und von guter Laune, aber derb und aufbrausend. Die Küstenbewohner konnten sich wohl rühmen, all ihre Angelegenheiten, bis zu ihren Fehden und Duellen, mit lächelnder Anmut zu betreiben; die Leute von Nordgeorgia hatten einen Schuß Gewalttätigkeit im Blut. An der Küste schien das Leben vom Alter gereift. Hier war alles jung, lustig, frisch und rauh. Die Leute von Savannah waren alle aus gleichem Guß, gleich nach Anschauung und Herkommen, während es hier ein buntes Gemisch von Typen gab. Aus den verschiedensten Gegend en waren die Leute nach Nordgeorgia gekommen, aus anderen Teilen der Provinz, aus den beiden Carolinas und Virginia, aus Europa und vom Norden her. Einige davon waren, wie Gerald, von unverbrauchtem Blut, das hier sein Glück suchte, einige, wie Ellen, Kinder alter Geschlechter, die im Vaterhaus das Leben unerträglich gefunden und in der Ferne eine Zuflucht gesucht hatten. Viele waren ohne jeden Grund eingewandert, das rastlose Blut ihrer Väter, der Pioniere in der Wildnis, [...]" (S. 963)

"Baumwolle war das Herzblut des Landes, Baumwollaussaat und Baumwollernte der Pulsschlag der roten Erde. Aus den gekrümmten Furchen wuchsen Reichtum und Hochmut. Wenn Baumwolle schon in der ersten Generation so reich machte, wieviel reicher mußte erst die nächste werden! Die Gewißheit über den morgigen Tag gab dem Leben einen prickelnden, hohen Schwung, und die Leute genossen es so herzhaft, wie Ellen es nie begreifen konnte. Sie hatten Geld und Sklaven in Hülle und Fülle und damit Zeit genug zum Spiel, und spielen taten sie gern. Nie waren sie zu beschäftigt, [...]" (S.1,020)

"[...] »Eine kleine Dame, die die Stirn runzelt und das Kinn auf wirft und sagt 'ich will' und 'ich will nicht', kriegt keinen Mann ab«, prophezeite Mammy düster, »so eine kleine Dame soll die Augen niederschlagen und sagen 'gewiß doch' und 'Sie haben ganz recht'.« So gut sie vermochten, lehrten sie sie alles, was eine Dame wissen sollte; Scarlett aber begriff nur den äußeren Schein. Die Herzensanmut, aus der die äußere Form wachsen sollte, lernte sie nie und sah auch keinen Grund ein, sie zu lernen. Der äußere Schein genügte, die damenhaften Formen machten sie beliebt, und mehr verlangte sie nicht. Gerald prahlte damit, daß sie in fünf Provinzen die gefeiertste Schönheit sei, und nicht mit Unrecht. Fast alle jungen Männer aus der Nachbarschaft und viele von weither, aus Atlanta und Savannah, hatten ihr Heiratsanträge gemacht. Mit sechzehn Jahren sah sie, dank Mammy und Ellen, liebreizend und fügsam aus, in Wirklichkeit aber war sie eigensinnig und eitel. Sie hatte die leichterregbare Leidenschaftlichkeit ihres Vaters, aber von dem selbstlosen, duldsamen Wesen ihrer Mutter nur eine dünne Politur. Das wurde Ellen nie ganz bewußt, denn vor ihrer Mutter zeigte sie sich stets von der besten Seite, verbarg ihre Sprunghaftigkeit, unterdrückte ihren Zorn und war so sanft, wie sie nur konnte, denn ein vorwurfsvoller Blick der Mutter konnte sie bis zu Tränen beschämen." (S.1,044)

"Scarlett wollte von Herzen gern so werden wie ihre Mutter; nur gab es da eine Schwierigkeit: wer gerecht und wahrhaftig, liebevoll und selbstlos war, dem entgingen die meisten Freuden des Lebens und vor allem viele Verehrer. Das Leben aber war zu kurz, als daß man so erfreuliche Dinge versäumen durfte. Später einmal, wenn sie erst Ashleys Frau und älter war, später, wenn sie für so etwas Zeit hatte, wollte sie so sein wie Ellen. Bis dahin ... " (S.1,072)

Porks Frau Dilcey:

"Dilcey war groß und hielt sich sehr gerade. Sie hätte in jedem Alter zwischen dreißig und sechzig sein können, so glatt war ihr unbewegliches, bronzefarbenes Gesicht. Ihren Zügen sah man deutlich das Indianerblut an, das die Merkmale des Farbigen überwog. Die rote Haut, die schmale, hohe Stirn, die hervortretenden Backenknochen und die Habichtsnase, deren unteres Ende über wulstigen Lippen hing, alles verriet die Mischung der beiden Rassen. Sie trug sich mit einer selbstbeherrschten Würde, die selbst Mammys übertraf. Mammy hatte sich ihre Würde anerzogen, Dilcey lag sie im Blut. Wenn sie sprach, klang ihre Stimme nicht so verschliffen wie bei den meisten Farbigen, auch wählte sie ihre Worte sorgfältiger aus." (S.1,197)

Scarlet über Ashley:

»Woher sollte er es denn wissen? Ich habe mich ihm gegenüber immer so zimperlich und damenhaft benommen und bin in seiner Gegenwart ein solches Rührmichnichtan gewesen, daß er wahrscheinlich denkt, ich mache mir nichts aus ihm, außer höchstens als Freund. Natürlich, darum hat er nie etwas gesagt! Er hält seine Liebe für hoffnungslos, und darum ...« Geschwind eilten die Gedanken zurück in jene Zeiten, da sie ihn dabei ertappt hatte, wie er sie so seltsam ansah, da die grauen Augen, die seine Gedanken sonst so vollständig verhüllten, offen und nackt vor ihr gelegen hatten mit einem Blick voller Qual und Verzweiflung. »Er denkt, ich sei in Brent, Stuart oder Cade verliebt, daher sein enttäuschtes Herz. Und wenn er mich doch nicht haben kann, meint er sicherlich, er könne seiner Familie zu Gefallen ebensogut Melanie heiraten. Wenn er aber wüßte, daß ich ihn liebe ...« Ihr bewegliches Gemüt schnellte aus tiefster Niedergeschlagenheit empor zu seliger Erregung. Das also war die Erklärung für Ashleys Stillschweigen, für sein seltsames Verhalten. Er wußte nicht! Ihre Eitelkeit kam ihrem Wunsch zu Hilfe, Glaube wurde Sicherheit. Wenn er nur wüßte, daß sie ihn liebte, käme er eilends zu ihr. Sie brauchte nur ... »Ach!« dachte sie überglücklich und grub ihre Finger in die gesenkte Stirn. »Ich Dummkopf, warum fällt mir das jetzt erst ein! Ich muß mir etwas ausdenken, um es ihn wissen zu lassen. Er heiratet sie sicher nicht, wenn er weiß, daß ich ihn liebe! Wie könnte er denn?«  [...]" (noch ohne Seitenangabe)


Text (engl.)

"[...] "Dis Miss Scarlett, ain' it? Dis hyah Peter, Miss Pitty's coachman. Doan step down in dat mud," he ordered severely, as Scarlett gathered up her skirts preparatory to descending. "You is as bad as Miss Pitty an' she lak a chile 'bout gittin' her feets wet. Lemme cahy you."

He picked Scarlett up with ease despite his apparent frailness and age and, observing Prissy standing on the platform of the train, the baby in her arms, he paused: "Is dat air chile yo' nuss? Miss Scarlett, she too young ter be handlin' Mist' Charles' onlies' baby! But we ten' to dat later. You gal, foller me, an' doan you go drappin' dat baby."

Scarlett submitted meekly to being carried toward the carriage and also to the peremptory manner in which Uncle Peter criticized her and Prissy. As they went through the mud with Prissy sloshing, pouting, after them, she recalled what Charles had said about Uncle Peter.

"He went through all the Mexican campaigns with Father, nursed him when he was wounded—in fact, he saved his life. Uncle Peter practically raised Melanie and me, for we were very young when Father and Mother died. Aunt Pitty had a falling out with her brother, Uncle Henry, about that time, so she came to live with us and take care of us. She is the most helpless soul—just like a sweet grown-up child, and Uncle Peter treats her that way. To save her life, she couldn't make up her mind about anything, so Peter makes it up for her. He was the one who decided I should have a larger allowance when I was fifteen, and he insisted that I should go to Harvard for my senior year, when Uncle Henry wanted me to take my degree at the University. And he decided when Melly was old enough to put up her hair and go to parties. He tells Aunt Pitty when it's too cold or too wet for her to go calling and when she should wear a shawl...He's the smartest old darky I've ever seen and about the most devoted. The only trouble with him is that he owns the three of us, body and soul, and he knows it."

Charles' words were confirmed as Peter climbed onto the box and took the whip.

"Miss Pitty in a state bekase she din' come ter meet you. She's feared you mout not unnerstan' but Ah tole her she an' Miss Melly jes' git splashed wid mud an' ruin dey new dresses an' Ah'd 'splain ter you. Miss Scarlett, you better tek dat chile. Dat lil pickaninny gwine let it drap."

Scarlett looked at Prissy and sighed. Prissy was not the most adequate of nurses. Her recent graduation from a skinny pickaninny with brief skirts and stiffly wrapped braids into the dignity of a calico dress and starched white turban was an intoxicating affair. She would never have arrived at this eminence so early in life had not the exigencies of war and the demands of the commissary department on Tara made it impossible for Ellen to spare Mammy or Dilcey or even Rosa or Teena. Prissy had never been more than a mile away from Twelve Oaks or Tara before, and the trip on the train plus her elevation to nurse was almost more than the brain in her little black skull could bear. The twenty-mile journey from Jonesboro to Atlanta had so excited her that Scarlett had been forced to hold the baby all the way. Now, the sight of so many buildings and people completed Prissy's demoralization. She twisted from side to side, pointed, bounced about and so jounced the baby that he wailed miserably.

Scarlett longed for the fat old arms of Mammy. Mammy had only to lay hands on a child and it hushed crying. But Mammy was at Tara and there was nothing Scarlett could do. It was useless for her to take little Wade from Prissy. He yelled just as loudly when she held him as when Prissy did. Besides, he would tug at the ribbons of her bonnet and, no doubt, rumple her dress. So she pretended she had not heard Uncle Peter's suggestion.

"Maybe I'll learn about babies sometime," she thought irritably, as the carriage jolted and swayed out of the morass surrounding the station, "but I'm never going to like fooling with them." And as Wade's face went purple with his squalling, she snapped crossly: "Give him that sugar-tit in your pocket, Priss. Anything to make him hush. I know he's hungry, but I can't do anything about that now."

Prissy produced the sugar-tit, given her that morning by Mammy, and the baby's wails subsided. With quiet restored and with the new sights that met her eyes, Scarlett's spirits began to rise a little. When Uncle Peter finally maneuvered the carriage out of the mudholes and onto Peachtree Street, she felt the first surge of interest she had known in months. How the town had grown! It was not much more than a year since she had last been here, and it did not seem possible that the little Atlanta she knew could have changed so much.

For the past year, she had been so engrossed in her own woes, so bored by any mention of war, she did not know that from the minute the fighting first began, Atlanta had been transformed. The same railroads which had made the town the crossroads of commerce in time of peace were now of vital strategic importance in time of war. Far from the battle lines, the town and its railroads provided the connecting link between the two armies of the Confederacy, the army in Virginia and the army in Tennessee and the West. And Atlanta likewise linked both of the armies with the deeper South from which they drew their supplies. Now, in response to the needs of war, Atlanta had become a manufacturing center, a hospital base and one of the South's chief depots for the collecting of food and supplies for the armies in the field.

Scarlett looked about her for the little town she remembered so well. It was gone. The town she was now seeing was like a baby grown overnight into a busy, sprawling giant.

Atlanta was humming like a beehive, proudly conscious of its importance to the Confederacy, and work was going forward night and day toward turning an agricultural section into an industrial one. Before the war there had been few cotton factories, woolen mills, arsenals and machine shops south of Maryland—a fact of which all Southerners were proud. The South produced statesmen and soldiers, planters and doctors, lawyers and poets, but certainly not engineers or mechanics. Let the Yankees adopt such low callings. But now the Confederate ports were stoppered with Yankee gunboats, only a trickle of blockade-run goods was slipping in from Europe, and the South was desperately trying to manufacture her own war materials. The North could call on the whole world for supplies and for soldiers, and thousands of Irish and Germans were pouring into the Union Army, lured by the bounty money offered by the North. The South could only turn in upon itself. [...]"

gutenberg.net.au/ 

Wikipedia: Kritik an der Sicht des Romans auf die Sklaverei

Die Darstellung der historischen Abläufe im Roman erfolgt aus der Perspektive der Protagonisten, also der der besiegten weißen Südstaatler. Alan T. Nolan kritisiert daher in The Myth of the Lost Cause and Civil War History, dass die Darstellung einem einseitig prosüdlichen Narrativ folge. Die Sklaverei und die Rolle des Ku Klux Klan nach dem Sezessionskrieg würden beschönigt, die Reconstruction und die nordstaatlichen Soldaten dagegen negativ dargestellt. Der Roman folge in diesem Sinne den typischen Topoi des Lost Cause und gebe nicht die historischen Tatsachen wieder.[9]

Sonja Zekri beurteilt den Roman als „modern in der Frauenfrage und archaisch im Verhältnis zwischen Schwarz und Weiß“: Mit der repressiven Idealisierung der Südstaatenfrauen habe Mitchell nichts anfangen können, das zeige schon ihre Protagonistin. Scarlett O’Hara habe sie als eine lebenshungrige, unzerstörbare, mehrfach verheiratete, erfolgreiche Geschäftsfrau gezeichnet, habe „die übliche männliche Enttäuschung darüber, dass eine Frau über ein Gehirn verfügt“ ironisiert (so Mitchell). Auf der anderen Seite sei es ein rassistisches Buch. Entgegen entschuldigender Rede sei die Sklaverei durchaus Thema gewesen. Ausgerechnet in einer Zeit, in der der Süden die Rassentrennung gesetzlich verankerte, habe Mitchell den Weißen alle Schuldgefühle genommen. In Form einer Romancing Slavery strahle Sklaverei im warmen Licht einer idealen Gemeinschaft. Mammy, Pork und die anderen Sklaven wüssten die Geborgenheit und Fürsorge der weißen Besitzer zu schätzen und fürchteten nichts so sehr wie die Yankees. „Die Besseren unter ihnen verschmähten ihre Freiheit und litten genauso wie ihre weiße Herrschaft“, so Mitchell.[10]

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