02 August 2025

Kampf gegen kindliche Neugier

 "Heute gleich nach 9 kommt eine aus der II. in die Mathematikstunde und sagt: ,,Die Frau Direktorin läßt bitten, die Lainer, die Bruckner und die Franke sollen sofort in die Kanzlei kommen. Alle Mädchen schauen uns an, aber wir wissen nicht, warum. Wie wir in die Kanzlei kommen, ist die Tür von der Frau Dir. zu und das Fräulein N. sagt, wir sollen warten. Dann kommt die Frau Dir. hinaus und ruft mich hinein. Drin sitzt eine Dame, die schaut mich mit dem Lorgnon an. ,,Gehst du öfters mit der Zerkwitz?" fragt die Frau Direktorin. Ja, sag ich, und es ahnt mir gleich nichts Gutes. ,,Diese Dame ist die Mama der Zerkwitz, sie beschwert sich darüber, daß du mit ihrer Tochter sehr unpassende Sachen redest; ist dies so?" ,,Wir, die Hella und ich, haben ihr nie etwas sagen wollen; aber sie hat uns sehr gebeten und dann glaubten wir auch, sie wisse es ohnehin schon und stellt sich nur so." ,,Was soll sie wissen und was habt ihr gesprochen?" fährt die Mama von der Anneliese los. ,,Bitte", sagt die Direktorin, ,,ich werde die Mädchen verhören; also die Bruckner war auch dabei?" ,,Nur ganz selten", sage ich. ,,Ja, die Haupbschuldige ist die Lainer, deren Mama erst vor kurzem gestorben ist." Da habe ich die Tränen verbissen und gesagt: ,,Wenn die Anneliese nicht immer wieder angefangen hätte, hätten wir kein Wort von diesen Sachen geredet." Und dann habe ich überhaupt keine Antwort mehr gegeben. Jetzt mußte die Hella hereinkommen. Sie hat mir dann gesagt, wie sie mich angeschaut hat, hat sie gleich gewußt, wieviel es geschlagen hat. ,,Was habt ihr mit der Zerkwitz geredet?" Zuerst wollte die Hella nichts sagen, aber dann sagte sie ganz kurz: ,,Vom Kinderkriegen und von dem Verheiratetseinl" ,,Gott im Himmel, solche Küken und sprechen von solchen Dingen", sagte die Mama von der Anneliese. ,,Solche verdorbene Geschöpfe." ,,Wir haben nicht geglaubt, daß die Anneliese wirklich nichts weiß, sonst hätten wir nichts mit ihr geredet", sagte auch Hella; sie war großartig. ,,Was den Alfred betrifft, so sind wir ganz unbeteiligt und wir haben ihr oft abgeraten, sich von der Schule abholen zu lassen; aber sie hörte nicht auf unsern guten Rat." ,,Ich spreche jetzt von euren Gesprächen, durch die ihr das arme unschuldige Kind verdorben habt", sagte die Frau v. Zerkwitz. ,,Sie muß unbedingt schon etwas gewußt haben, sonst wäre sie nicht mit dem Alfred gegangen und auch nicht mit uns", sagte die Hella. ,,Ach, du himmlischer Vater, das ist ja die weit Ärgere; eine solche Verdorbenheit!" Dann mußten wir hinausgehen. Draußen hat die Hella furchtbar geweint und ich auch, weil wir uns fürchten wegen zuhause. Wir konnten gar nicht in die Mathematikstunde gehen, weil wir ganz verweint waren. [...]

Knapp vor 12 wurde ich nochmals mit der Hella zur Frau Direktorin gerufen. ,,Mädchen", sagte sie, ,, was habt ihr für abscheuliche Sachen? Was müßt ihr denn das, was eure Phantasie vorzeitig vergiftet, andern auch noch sagen? Und du Lainer, schämst du dich nicht, vor wenigen Wochen wurde deine Mama begraben, und jetzt hört man solche Dinge von dir?" ,,Bitte", sagt die Hella; ,,dies war alles schon im Frühling und noch im Winter; denn da sind wir noch aufs Eis gegangen. Da war die Mama der Rita noch ziemlich gesund. Und die Zerkwitz hat uns schrecklich sekkiert, ihr alles zu sagen. Ich habe die Rita oft gewarnt und gesagt: ,,Trau ihr nicht", aber sie war ganz vernarrt in die Zerkwitz. Bitte Frau Direktorin, sagen Sie nichts davon dem Papa der Rita; denn er würde sich sehr kränken." Die Hella war einfach großartig, ich werde ihr das nie vergessen. Sie will mich das nicht schreiben lassen; wir schreiben nämlich zusammen. Die Hella meint, wir müssen alles wörtlich niederschreiben, man kann nie wissen, wozu man es braucht. Die Hella ist eine Freundin, wie es keine zweite gibt, und dabei so mutig und gescheit. ,,Du bist geradeso gescheit", sagt sie zu mir, ,,aber nur bist du gleich so eingeschüchtert und dann bist noch von deiner Mama ihrem Tod sehr nervös. Wenn nur dein Papa nichts erfährt." Die dumme Gans hat auch die alte Sauce von den zwei Studenten am Eis aufgewärmt, die längst vorüber ist. ,,Nur niemanden sich anvertrauen", sagt die Hella und da hat sie / wirklich recht. Ich hätte das der Anneliese niemals zugetraut. Was mit der Franke war, wissen wir noch nicht. Wie sie heraufkam, legte sie die Finger an die Lippen, das sollte natürlich heißen: ,,Nichts verraten!'' (144/145pdf 161-63st 132-34 Orig.)  

Dieser Text ist ein Abschnitt aus einem Tagebuch, das 1919 von Dr. Hermine Hug-Hellmuth, einer Frau, die mit dem Psychoanalytiker Sigmund Freud zusammenarbeitete, herausgegeben wurde.

Der vollständige Text des "Tagebuch(s) eines halbwüchsigen Mädchens"  ist hier nachzulesen. Dort ist er allerdings etwas unbequem zu lesen. 1987 kam er allerdings als suhrkamp taschenbuch 1463 heraus. Eine eingehende Besprechung des Buches findet sich hier. Mädchen führen weit häufiger als Jungen Tagebücher, aber ungekürzt bekommt man sie fast nie zu lesen, weil sie über die Privatsphäre von Kindern berichten, die aus guten Gründen geschützt ist, damit sich Kinder da völlig offen über ihr Erleben äußern und als Erwachsene darüber Rechenschaft geben können. Elke Heidenreich hat kürzlich berichtet, dass sie ihr Tagebuch bewusst verbrannt hat. Thomas Mann hat verfügt, dass sein sehr ausführliches Tagebuch (Teile davon hat auch er verbrannt) erst Jahrzehnte nach seinem Tod veröffentlicht werden durften, um seine Privatsphäre zu schützen. 

Dies Tagebuch ist aber zur Veröffentlichung freigegeben worden. Allerdings wurden alle Namen der betroffenen Personen geändert und die präzisen Datumsangaben nur ohne Jahreszahlen freigegeben. 

Acht Jahre nach der Veröffentlichung wurde das Buch wieder vom Markt genommen (auf Wunsch von Sigmund Freud, der es vor seinem Erscheinen als Juwel bezeichnet hatte und hinzufügte: "Sie sind verpflichtet, es der Öffentlichkeit zu übergeben." 

Warum kam es erst 68 Jahre nach seinem Erscheinen wieder heraus?

Es handelt von der Privatsphäre eines Mädchens, dem man - wie über viele Jahrzehnte üblich - alle Informationen über die sexuelle Entwicklung der Frau vorenthalten hatte. Viele unverheiratete Frauen starben, ohne je Genaueres darüber zu erfahren. Auch darüber berichtet Stefan Zweig, von dem die Besprechung des Tagebuchs stammt, und zwar in seinem Bericht über die Erziehung im Viktorianischen Zeitalter.

01 August 2025

Louisa May Alcott: Little Women - Erwachsenwerden

Louisa May Alcott:  Little Women

"I want to tell you something, Mother." "About Meg?" "How quickly you guessed! Yes, it's about her, and though it's a little thing, it fidgets me." "Beth is asleep. Speak low, and tell me all about it. That Moffat hasn't been here, I hope?" asked Mrs. March rather sharply. "No. I should have shut the door in his face if he had," said Jo, settling herself on the floor at her mother's feet. "Last summer Meg left a pair of gloves over at the Laurences' and only one was returned. We forgot about it, till Teddy told me that Mr. Brooke owned that he liked Meg but didn't dare say so, she was so young and he so poor. Now, isn't it a dreadful state of things?" "Do you think Meg cares for him?" asked Mrs. March, with an anxious look. "Mercy me! I don't know anything about love and such nonsense!" cried Jo, with a funny mixture of interest and contempt. "In novels, the girls show it by starting and blushing, fainting away, growing thin, and acting like fools. Now Meg does not do anything of the sort. She eats and drinks and sleeps like a sensible creature, she looks straight in my face when I talk about that man, and only blushes a little bit when Teddy jokes about lovers. I forbid him to do it, but he doesn't mind me as he ought." "Then you fancy that Meg is not interested in John?" "Who?" cried Jo, staring. "Mr. Brooke. I call him 'John' now. We fell into the way of doing so at the hospital, and he likes it." "Oh, dear! I know you'll take his part. He's been good to Father, and you won't send him away, but let Meg marry him, if she wants to. Mean thing! To go petting Papa and helping you, just to wheedle you into liking him." And Jo pulled her hair again with a wrathful tweak. "My dear, don't get angry about it, and I will tell you how it happened. John went with me at Mr. Laurence's request, and was so devoted to poor Father that we couldn't help getting fond of him. He was perfectly open and honorable about Meg, for he told us he loved her, but would earn a comfortable home before he asked her to marry him. He only wanted our leave to love her and work for her, and the right to make her love him if he could. He is a truly excellent young man, and we could not refuse to listen to him, but I will not consent to Meg's engaging herself so young. [...]

Brooke will scratch up a fortune somehow, carry her off, and make a hole in the family, and I shall break my heart, and everything will be abominably uncomfortable. Oh, dear me! Why weren't we all boys, then there wouldn't be any bother." Jo leaned her chin on her knees in a disconsolate attitude and shook her fist at the reprehensible John. Mrs. March sighed, and Jo looked up with an air of relief. "You don't like it, Mother? I'm glad of it. Let's send him about his business, and not tell Meg a word of it, but all be happy together as we always have been." "I did wrong to sigh, Jo. It is natural and right you should all go to homes of your own in time, but I do want to keep my girls as long as I can, and I am sorry that this happened so soon, for Meg is only seventeen and it will be some years before John can make a home for her. Your father and I have agreed that she shall not bind herself in any way, nor be married, before twenty. [...]

After a minute's silence, he looked down at Amy, who sat on the cricket at his feet, and said, with a caress of the shining hair . . . "I observed that Amy took drumsticks at dinner, ran errands for her mother all the afternoon, gave Meg her place tonight, and has waited on every one with patience and good humor. I also observe that she does not fret much nor look in the glass, and has not even mentioned a very pretty ring which she wears, so I conclude that she has learned to think of other people more and of herself less, and has decided to try and mold her character as carefully as she molds her little clay figures. I am glad of this, for though I should be very proud of a graceful statue made by her, I shall be infinitely prouder of a lovable daughter with a talent for making life beautiful to herself and others. [...]" Location: 3,028

"I read in Pilgrim's Progress today how, after many troubles, Christian and Hopeful came to a pleasant green meadow where lilies bloomed all year round, and there they rested happily, as we do now, before they went on to their journey's end," answered Beth, adding, as she slipped out of her father's arms and went to the instrument, "It's singing time now, and I want to be in my old place. I'll try to sing the song of the shepherd boy which the Pilgrims heard. I made the music for Father, because he likes the verses." So, sitting at the dear little piano, Beth softly touched the keys, and in the sweet voice they had never thought to hear again, sang to her own accompaniment the quaint hymn, which was a singularly fitting song for her. He that is down need fear no fall, He that is low no pride. He that is humble ever shall Have God to be his guide. I am content with what I have, Little be it, or much. And, Lord! Contentment still I crave, Because Thou savest such. Fulness to them a burden is, That go on pilgrimage. Here little, and hereafter bliss, Is best from age to age! [...]

CHAPTER TWENTY-THREE

AUNT MARCH SETTLES THE QUESTION

[...] bees swarming after their queen, mother and daughters hovered about Mr. March the next day, neglecting everything to look at, wait upon, and listen to the new invalid, who was in a fair way to be killed by kindness. As he sat propped up in a big chair by Beth's sofa, with the other three close by, and Hannah popping in her head now and then 'to peek at the dear man', nothing seemed needed to complete their happiness. But something was needed, and the elder ones felt it, though none confessed the fact. Mr. and Mrs. March looked at one another with an anxious expression, as their eyes followed Meg. Jo had sudden fits of sobriety, and was seen to shake her fist at Mr. [...]" Location: 3,043

"Laurie went by in the afternoon, and seeing Meg at the window, seemed suddenly possessed with a melodramatic fit, for he fell down on one knee in the snow, beat his breast, tore his hair, and clasped his hands imploringly, as if begging some boon. And when Meg told him to behave himself and go away, he wrung imaginary tears out of his handkerchief, and staggered round the corner as… " Location: 3,047

"Don't say my John, it isn't proper or true," but Meg's voice lingered over the words as if they sounded pleasant to her. "Please don't plague me, Jo, I've told you I don't care much about him, and there isn't to be anything said, but we are all to be friendly, and go on as before." "We can't, for something has been said, and Laurie's mischief has spoiled you for me. I see it, and so does Mother. You are not like your old self a bit, and seem ever so far away from me. I don't mean to plague you and will bear it like a man, but I do wish it was all settled. I hate to wait, so if you mean ever to do it, make haste and have it over quickly," said Jo pettishly. "I can't say anything till he speaks, and he won't, because Father said I was too young," began Meg, bending over her work with a queer little smile, which…"| Location: 3,056

"Would you mind telling me what you'd say?" asked Jo more respectfully. "Not at all. You are sixteen now, quite old enough to be my confident, and my experience will be useful to you by-and-by, perhaps, in your own affairs of this sort." "Don't mean to have any. It's fun to watch other people philander, but I should feel like a fool doing it myself," said Jo, looking alarmed at the thought. "I think not, if you liked anyone very much, and he liked you." Meg spoke as if to herself, and glanced out at the lane where she had often seen lovers walking together in the summer twilight. "I thought you were going to tell your speech to that man," said Jo, rudely shortening her sister's little reverie. "Oh, I should merely say, quite calmly and decidedly, 'Thank you, Mr. Brooke, you are very kind, but I agree with Father that I am too young to enter into any engagement at present, so please say no more, but let us be friends as we were.'" "Hum, that's stiff and cool enough! I don't believe you'll ever say it, and I know he won't be satisfied if you do. If he goes on like the rejected lovers in books, you'll give in, rather than hurt his feelings." "No, I won't. I shall tell him I've made up my mind, and shall walk out of the room with dignity." Meg rose as she spoke, and was just going to rehearse the dignified exit, when a step in the hall made her fly into her seat and begin to sew as fast as if her life depended on finishing that particular…" Location: 3,070

"Jo slipped out of the room to give Meg a chance to make her speech and air her dignity. But the instant she vanished, Meg began to sidle toward the door, murmuring . . . "Mother will like to see you. Pray sit down, I'll call her." "Don't go. Are you afraid of me, Margaret?" and Mr. Brooke looked so hurt that Meg thought she must have done something very rude. She blushed up to the little curls on her forehead, for he had never called her Margaret before, and she was surprised to find how natural and sweet it seemed to hear him say it. Anxious to appear friendly and at her ease, she put out her hand with a confiding gesture, and said gratefully . . . "How can I be afraid when you have been so kind to Father? I only wish I could thank you [...]she both longed to run away and to stop and listen. "Oh no, please don't, I'd rather not," she said, trying to withdraw her hand, and looking frightened in spite of her denial. "I won't trouble you. I only want to know if you care for me a little, Meg. I love you so much, dear," added Mr. Brooke tenderly. This was the moment for the calm, proper speech, but Meg didn't make it. She forgot every word of it, hung her head, and answered, "I don't know," so softly that John had to stoop down to catch the foolish little reply. He seemed to think it was worth the trouble, for he smiled to himself as if quite satisfied, pressed the plump hand gratefully, and said in his most persuasive tone, "Will you try and find out? I want to know so much, for I can't go to work with any heart until I learn whether I am to have my reward in the… " Location: 3,083

"Please choose to learn, Meg. I love to teach, and this is easier than German," broke in John, getting possession of the other hand, so that she had no way of hiding her face as he bent to look into it. His tone was properly beseeching, but stealing a shy look at him, Meg saw that his eyes were merry as well as tender, and that he wore the satisfied smile of one who had no doubt of his success. This nettled her. Annie Moffat's foolish lessons in coquetry came into her mind" Location: 3,088

"[...] not knowing what else to do, followed a capricious impulse, and, withdrawing her hands, said petulantly, "I don't choose. Please go away and let me be!" Poor Mr. Brooke looked as if his lovely castle in the air was tumbling about his ears, for he had never seen Meg in such a mood before, and it rather bewildered him.… Location: 3,202

To outsiders the five energetic women seemed to rule the house, and so they did in many things, but the quiet scholar, sitting among his books, was still the head of the family, the household conscience, anchor, and comforter, for to him the busy, anxious women always turned in troublous times, finding him, in the truest sense of those sacred words, husband and father. The girls gave their hearts into their mother's keeping, their souls into their father's, and to both parents, who lived and labored so faithfully for them, they gave a love that grew with their growth and bound them tenderly together by the sweetest tie which blesses life and outlives death. Mrs. March is as brisk and cheery, though rather grayer, than when we saw her last, and just now so absorbed in Meg's affairs that the hospitals Location: 3,213

Meg had spent the time in working as well as waiting, growing womanly in character, wise in housewifely arts, and prettier than ever, for love is a great beautifier. She had her girlish ambitions and hopes, and felt some disappointment at the humble way in which the new life must begin. Ned Moffat had just married Sallie Gardiner, and Meg couldn't help contrasting their fine house and carriage, many gifts, and splendid outfit with her own, and secretly wishing she could have the same. But somehow envy and discontent soon vanished when she thought of all the patient love and labor John had put into the little home awaiting her, and when they sat together in the twilight, talking over their small plans, the future always grew so beautiful and bright that she forgot Sallie's splendor and felt herself the richest, happiest girl in Christendom. Location: 3,221

Beth, who remained delicate long after the fever was a thing of the past. Not an invalid exactly, but never again the rosy, healthy creature she had been, yet always hopeful, happy, and serene, and busy with the quiet duties she loved, everyone's friend, and an angel in the house, long before those who loved her most had learned to know it. Location: 3,226

Laurie, having dutifully gone to college to please his grandfather, was now getting through it in the easiest possible manner to please himself. A universal favorite, thanks to money, manners, much talent, and the kindest heart that ever got its owner into scrapes by trying to get other people out of them, he stood in great danger of being spoiled, and probably would have been, like many another promising boy, if he had not possessed a talisman against evil in the memory of the kind old man who was bound up in his success, the motherly friend who watched over him as if he were her son, and last, but not least by any means, the knowledge that four innocent girls loved, admired, and believed in him with all their hearts. Being only 'a glorious human boy', of course he frolicked and flirted, grew dandified, aquatic, sentimental, or gymnastic, as college fashions ordained, hazed and was hazed, talked slang, and more than once came perilously near suspension and expulsion. But as high spirits and the love of fun were the causes of these pranks, he always managed to save himself by frank confession, honorable atonement, or the irresistible power of persuasion which he possessed in perfection. Location: 3,354

CHAPTER TWENTY-FIVE

THE FIRST WEDDING The June roses over the porch were awake bright and early on that morning, rejoicing with all their hearts in the cloudless sunshine, like friendly little neighbors, as they were. Quite flushed with excitement were their ruddy faces, as they swung in the wind, whispering to one another what they had seen, for some peeped in at the dining room windows where the feast was spread, some climbed up to nod and smile at the sisters as they dressed the bride, others waved a welcome to those who came and went on various errands in garden, porch, and hall, and all, from the rosiest full-blown flower to the palest baby bud, offered their tribute of beauty and fragrance to the gentle mistress who had loved and tended them so long. Location: 3,359

Meg looked very like a rose herself, for all that was best and sweetest in heart and soul seemed to bloom into her face that day, making it fair and tender, with a charm more beautiful than beauty. Location: 3,361

"I don't want a fashionable wedding, but only those about me whom I love, and to them I wish to look and be my familiar self." So she made her wedding gown herself, sewing into it the tender hopes and innocent romances of a girlish heart. Her sisters braided up her pretty hair, and the only ornaments she wore were the lilies of the valley, which 'her John' liked best of all the flowers that grew. Location: 3,474

If 'genius is eternal patience', as Michelangelo affirms, Amy had some claim to the divine attribute, for she persevered in spite of all obstacles, failures, and discouragements, firmly believing that in time she should do something worthy to be called 'high art'. She was learning, doing, and enjoying other things, meanwhile, for she had resolved to be an attractive and accomplished woman, even if she never became a great artist. Here she succeeded better, for she was one of those happily created beings who please without effort, make friends everywhere, and take life so gracefully and easily that less fortunate souls are tempted to believe that such are born under a lucky star. Everybody liked her, for among her good gifts was tact. She had an instinctive sense of what was pleasing and proper, always said the right thing to the right person, did just what suited the time and place, and was so self-possessed that her sisters used to say, "If Amy went to court without any rehearsal beforehand, she'd know exactly what to do." One of her weaknesses was a desire to move in 'our best society', without being quite sure what the best really was. Money, position, fashionable accomplishments, and elegant manners were most desirable things in her eyes, and she liked to associate with those who possessed them, often mistaking the false for the true, and admiring what was not admirable. Location: 3,484

"My lady," as her friends called her, sincerely desired to be a genuine lady, and was so at heart, but had yet to learn that money cannot buy refinement of nature, that rank does not always confer nobility, and that true breeding makes itself felt in spite of external drawbacks. "I want to ask a favor of you, Mamma," Amy said, coming in with an important air one day. "Well, little girl, what is it?" replied her mother, in whose eyes the stately young lady still remained 'the baby'. "Our drawing class breaks up next week, and before the girls separate for the summer, I want to ask them out here for a day. They are wild to see the river, sketch the broken bridge, and copy some of the things they admire in my book. They have been very kind to me in many ways, and I am grateful, for they are all rich and I know I am poor, yet they never made any difference." "Why should they?" and Mrs. March put the question with what the girls called her 'Maria Theresa air'. Location: 4,331

That is so Frenchy.

Yellow highlight | Location: 4,362

I hate poverty, and don't mean to bear it a minute longer than I can help. One of us must marry well. Meg didn't, Jo won't, Beth can't yet, so I shall, and make everything okay all round. I wouldn't marry a man I hated or despised. You may be sure of that, and though Fred is not my model hero, he does very well, and in time I should get fond enough of him if he was very fond of me, and let me do just as I liked. So I've been turning the matter over in my mind the last week, for it was impossible to help seeing that Fred liked me. He said nothing, but little things showed it. He never goes with Flo, always gets on my side of the carriage, table, or promenade, looks sentimental when we are alone, and frowns at anyone else who ventures to speak to me. Yesterday at dinner, when an Austrian officer stared at us and then said something to his friend, a rakish-looking baron, about 'ein wonderschones Blondchen', Fred looked as fierce as a lion, and cut his meat so savagely it nearly flew off his plate. He isn't one of the cool, stiff Englishmen, but is rather peppery, for he has Scotch blood in him, as one might guess from his bonnie blue eyes. Location: 5,134

I only mean to say that I have a feeling that it never was intended I should live long. I'm not like the rest of you. I never made any plans about what I'd do when I grew up. I never thought of being married, as you all did. I couldn't seem to imagine myself anything but stupid little Beth, trotting about at home, of no use anywhere but there. I never wanted to go away, and the hard part now is the leaving you all. I'm not afraid, but it seems as if I should be homesick for you even in heaven." Jo could not speak, and for several minutes there was no sound but the sigh of the wind and the lapping of the tide. Location: 5,155

CHAPTER THIRTY-SEVEN NEW IMPRESSIONS

At three o'clock in the afternoon, all the fashionable world at Nice may be seen on the Promenade des Anglais--a charming place, for the wide walk, bordered with palms, flowers, and tropical shrubs, is bounded on one side by the sea, on the other by the grand drive, lined with hotels and villas, while beyond lie orange orchards and the hills. Location: 5,158

Many nations are represented, many languages spoken, many costumes worn, and on a sunny day the spectacle is as gay and brilliant as a carnival. Haughty English, lively French, sober Germans, handsome Spaniards, ugly Russians, meek Jews, free-and-easy Americans, all drive, sit, or saunter here, chatting over the news, and criticizing the latest celebrity who has arrived--Ristori or Dickens, Victor Emmanuel or the Queen of the Sandwich Islands. Location: 5,173

"How is your grandfather? When did you come? Where are you staying?" "Very well--last night--at the Chauvain. I called at your hotel, but you were out." "I have so much to say, I don't know where to begin! Get in and we can talk at our ease. I was going for a drive and longing for company. Flo's saving up for tonight." "What happens then, a ball?" "A Christmas party at our hotel. There are many Americans there, and they give it in honor of the day. You'll go with us, of course? Aunt will be charmed." "Thank you. Where now?" asked Laurie, leaning back and folding his arms, a proceeding which suited Amy, who preferred to drive, for her parasol whip and blue reins over the white ponies backs afforded her infinite satisfaction. Location: 5,372

When you and Jo were little, I went on just as you are, feeling as if I didn't do my duty unless I devoted myself wholly to you. Poor Father took to his books, after I had refused all offers of help, and left me to try my experiment alone. I struggled along as well as I could, but Jo was too much for me. I nearly spoiled her by indulgence. You were poorly, and I worried about you till I fell sick myself. Then Father came to the rescue, quietly managed everything, and made himself so helpful that I saw my mistake, and never have been able to got on without him since. That is the secret of our home happiness. He does not let business wean him from the little cares and duties that affect us all, and I try not to let domestic worries destroy my interest in his pursuits. Each do our part alone in many things, but at home we work together, always." Location: 5,921

Amy had been dabbling her hand in the water during the little pause that fell between them, and when she looked up, Laurie was leaning on his oars with an expression in his eyes that made her say hastily, merely for the sake of saying something . . . "You must be tired. Rest a little, and let me row. It will do me good, for since you came I have been altogether lazy and luxurious." "I'm not tired, but you may take an oar, if you like. There's room enough, though I have to sit nearly in the middle, else the boat won't trim," returned Laurie, as if he rather liked the arrangement. Feeling that she had not mended matters much, Amy took the offered third of a seat, shook her hair over her face, and accepted an oar. She rowed as well as she did many other things, and though she used both hands, and Laurie but one, the oars kept time, and the boat went smoothly through the water. "How well we pull together, don't we?" said Amy, who objected to silence just then. "So well that I wish we might always pull in the same boat. Will you, Amy?" very tenderly. "Yes, Laurie," very low. Then they both stopped rowing, and unconsciously added a pretty little tableau of human love and happiness to the dissolving views reflected in the lake.

CHAPTER FORTY-TWO

ALL ALONE

It was easy to promise self-abnegation when self was wrapped up in another, and heart and soul were purified by a sweet example. But when the helpful voice was silent, the daily lesson over, the beloved presence gone, and nothing remained but loneliness and grief, then Jo found her promise very hard to keep. How could she 'comfort Father and Mother' when her own heart ached with a ceaseless longing for her sister, how could she 'make the house cheerful' when all its light and warmth and beauty seemed to have deserted it when Beth left the old home for the new, and where in all the world could she 'find some useful, happy work to do', that would take the place of the loving service which had been its own reward? She tried in a blind, hopeless way to do her duty, secretly rebelling against it all the while, for it seemed unjust that her few joys should be lessened, her burdens made heavier, and life get harder and harder as she toiled along. Some people seemed to get all sunshine, and some all shadow. It was not fair, for she tried more than Amy to be good, but never got any reward, only disappointment, trouble and hard work. [...]"


29 Juli 2025

Marie Bashkirtseff, Tagebuchschreiberin und Malerin

 Marie Bashkirtseff  S.833 ff.

(Wikipedia): Ihr Tagebuch, das sie bis wenige Tage vor ihrem frühen Tod geführt hatte, wurde in einer von der Mutter gekürzten und zensierten Fassung 1887 auf Französisch publiziert. Bis 1891 waren 8000[2] Exemplare verkauft. 1889 lag die englische und 1897 die deutsche Übersetzung vor. Laura Marholm bezeichnete das Tagebuch in ihrem Buch der Frauen (1894) als „Geheimbibel“ der jungen Frauen ihrer Zeit.[4] Fanny Reventlow schrieb 1901 in ihr Tagebuch: „Ich lese Marie Bashkirtseff, das möchte die einzige Frau gewesen sein, mit der ich mich ganz verstanden hätte, vor allem auch in der Angst, etwas vom Leben zu verlieren und vor dem unerhörten Prügelbekommen vom Schicksal.“[5] Theodor Adorno erklärte sie zur „Schutzheiligen des Fin de siècle“.[2]
"Paris, 1. Mai 1884 [...]
Meine freundlichen Leser, ihr könnt also sicher sein, dass ich mich auf diesen Seiten vollständig zur Schau stelle. Mein Ich hat für euch vielleicht nur ein winziges Interesse, aber denkt nicht, dass ich es bin, sondern ein menschliches Wesen, das euch alle seine Eindrücke von der Kindheit erzählt. Als menschliches Zeugnis ist das sehr interessant. Fragt Herrn Zola und sogar Herrn de Goncourt und sogar Maupassant! Mein Tagebuch beginnt mit zwölf Jahren und bedeutet etwas erst von fünfzehn oder sechzehn Jahren an. Es gilt also eine Lücke auszufüllen, und ich will eine Art von Vorrede schreiben, die es erlauben wird, dies literarische und menschliche Denkmal zu verstehen.
Also nehmt an, ich sei berühmt. Wir fangen an:
Ich bin geboren am 11. November 1860. Das ist erschreckend wenig, wenn ich es schreibe. Aber ich tröste mich bei dem Gedanken, dass ich sicherlich älter sein werde, wenn ihr mich lest. S.833/34 
Mein Vater war der Sohn des Generals [...] Ich war immer bei Großmama, die mich abgöttisch liebte. Um mich anzubeten, war bei Großmama auch meine Tante, wenn Mama sie nicht mit sich nahm. Meine Tante war jünger als Mama, aber nicht hübsch, sie wurde ausgenutzt und ließ sich von allen ausnutzen.
1870 im Mai sind wir ins Ausland gereist. Der von Mama lange gehegte Traum wurde wahr. In Wien blieb man einen Monat und berauscht es sich an. Neuigkeiten zwischen Raum in Baden-Baden haben wir im Juni an.[...] In Baden habe ich die große Welt und die Eleganz begriffen und wurde von Eitelkeit gequält. S.834/835 Aber ich habe nicht genug von Russland und von mir gesprochen, was doch die Hauptsache ist. [...] ich war übrigens ziemlich schmächtig, dünn und nicht hübsch. Was nicht hinderte, dass alle mich als ein Wesen ansahen, das schicksalhaft unweigerlich einen eines Tages, die Schönste, die Glänzendste, die Großartigste werden würde. Mama ging zu einem Juden, der die Zukunft voraus sagte: Du hast zwei Kinder, sagte er, der Sohn wird sein wie alle Leute, aber die Tochter wird ein Stern werden!… [...] 
Das machte mich ganz stolz. Seit ich denke, seit dem Alter von drei Jahren (ich wurde bis dreieinhalb gestillt) habe ich immer nach irgendetwas Großartigem gestrebt. Meine Puppen waren stets Königinnen und Könige; alles, was ich dachte und alles, was um Mama herum gesprochen wurde, schien sich immer S.834/35 auf diese großartigen Dinge zu beziehen, die ganz sicher kommen würden. [...] S.838 Wenn ich nicht lang genug lebe, um berühmt zu werden, wird dies Tagebuch die Naturforscher interessieren: das Leben einer Frau, Tag für Tag, ohne Pose, so, als ob niemand es jemals lesen sollte und gleichzeitig mit der Absicht, dass es gelesen wird, das ist immer etwas Merkwürdiges; denn ich bin sicher, dass man mich sympathisch finden wird… Und ich sage alles, alles, alles. Wenn nicht, wozu? Übrigens, das wird man bald merken, dass ich alles sage... [...] S.840  Ich weiß nicht… Aber es scheint mir, als könne ich nur im Rom meinen universalen Träumereien nachhängen…
Dort ist man wie auf dem Gipfel der Welt.
Ich habe das Tagebuch eines Diplomaten in Italien zum Teufel geworfen; diese französische Eleganz, diese Höflichkeit, diese banale Bewunderung beleidigen mich für Rom. [...] 
Rom muss als Stadt das sein, wofür ich mich als Frau hielt. Jedes vorher und auf andere gebrauchte Wort, dass auf… uns angewendet wird, ist eine Profanation. (S. 833-840) 

27 Juli 2025

Johann Gottfried Herder

 Johann Gottfried Herder (Wikipedia)

Herder: So ward ich Philosoph auf dem Schiffe"[...] so besteigt der 25jährige Johann Gottfried Herder (1744-1803), Lehrer an der Domschule und Pastor in Riga, nach bewilligtem Entlassungsgesuch in jenem Juni 1769 gemeinsam mit seinem Freund Gustav Berens ein niederländisches Segelschiff mit Kurs Loire-Mündung, um sich seiner gelehrten bürgerlichen Existenz zu entledigen und in dem Verlangen, nunmehr und versuchsweise zunächst in Nantes, das ‚wahre Leben‘ zu finden.

Er findet es jedoch schneller als gedacht. Denn schon an Bord des Schiffes hat er, wie er es im ‚Journal meiner Reise im Jahr 1769‘ niederschreibt, sein ‚Erweckungserlebnis‘: „Was gibt ein Schiff, daß zwischen Himmel und Meer schwebt, nicht für weite Sphäre zu denken! Alles gibt hier den Gedanken Flügel und Bewegung und weiten Luftkreis!“

Ein derartiges Bild des Meeres hingegen war rundweg neu. Schon seit der Antike stand dies geheimnisvolle Element, das die Grenze des von Menschen bewohnbaren Raumes bildet, doch in denkbar schlechtem Ruf – als Reich des Bösen, der Willkür der Gewalten, von Schiffbruch, Untergang und Tod, das „schreckliche Meer“ des Kirchenvaters Augustinus, ein Hort grässlicher, schiffs- und menschenverschlingender Ungeheuer, ja des Teufels selbst.

Herder hingegen wird „das flatternde Segel, das immer wankende Schiff, der rauschende Wellenstrom, die fliegende Wolke“ zu jenem Elementarerlebnis, das er zuvor, ein auf dem „Studierstul in einer dumpfen Kammer“ brütendes „Tintenfaß von gelehrter Schriftstellerei“, vergeblich in den Büchern gesucht hatte – das Meer nicht mehr ein bloßer und gefahrvoller Transportweg, sondern Medium der Erkenntnis, des Gedankenflugs, ein Reich der Ideen mit einer Körper wie Seele gleichermaßen befreienden Kraft: „Welch neue Denkart!“ – wenn auch „das Gouvernement“ des „kleinen Staates“ an Bord aufgrund der ständigen Gefährdung des des Schiffes, so beobachtet Herder, durchaus „dem Despotismus nahe“ komme, weil sonst „das ganze Schiff verloren gehe“.Dies Schiff aber sei nicht nur der Sitz eines „Monarchen“, des Kapitäns, sondern auch der des „Wunderbaren“ und der empfindungs- und seelenvollen „Dichtkunst“, in den von den „Schiffsleuten“ erzählten „abentheuerlichen Geschichten“ von „grossen Seehelden und Seeräubern“: „Mit welcher Andacht lassen sich auf dem Schiff Geschichten hören und erzälen?“- inmitten einer sinnenbefreienden, gewaltigen Natur.

„So ward ich Philosoph auf dem Schiffe“, notiert Herder euphorisch in sein ‚Reisejournal‘, im wahrsten Wortsinne ein Aufbruch zu neuen Ufern. Vom Meer „erweckt“ und „beflügelt“ sprudeln die Ideen, Pläne und Projekte, ekstatisch und unfertig niedergeschrieben, gleichwohl das Fundament all seines ferneren Leben und Wirkens und seines Hauptwerkes, den vierbändigen ‚Ideen zu einer Philosophie der Geschichte der Menschheit‘ – vom Länder und Völker verbindenden Meer zum universalen Zusammenhang und der Gleichwertigkeit aller Kulturen der Welt, der Entwicklung des Menschengeschlechtes hinauf zum höchsten Ziel allgemeiner Vernunft und Humanität, befördert durch eine neue, an den Realien orientierte schulische Bildung und einer Theologie, die mehr im Buche der Natur denn in den heiligen Schriften zu lesen habe.

Gleichsam befreit durch diese „andre Aussicht“, die ihm binnen sechs Wochen seiner Fahrt Meer, Schiff, Wind und Wolken gewähren, erwachsen dem Reisenden schließlich „politische Seeträume“, Verfassungskonzepte für den „Weg zur allmählichen Freiheit“ der europäischen Staaten und namentlich in seinem „Liefland“ nun „die Barbarei zu zerstören, die Unwißenheit auszurotten, die Cultur und Freiheit auszubreiten“ – und dies immerhin zwanzig Jahre vor der Französischen Revolution. Teil eines meergeborenen Ideenstroms, der Herder an Bord davonreißt („Die Cultur der Erde! Aller Räume! Zeiten! Völker! Kräfte!“), ihn schließlich zu nicht weniger als einem der bedeutendsten Anreger der deutschen und europäischen Geistesgeschichte macht. Sein ‚Reisejournal‘ aber, so der Schriftsteller Arno Schmidt, zur „Magna Charta des ‚Sturm & Drang‘, jener literarischen Bewegung, die sich, gleichsam in Herders Kielwasser, auf die Fahnen geschrieben hatte, die pure Bücher- und Kathederweisheit mit der sinnlichen Wahrnehmung zu vertauschen und sich der Natur und dem ‚Leben‘, dem „Erweitern der Seelenkräfte“, den „lebendigen Kenntnissen“ und dem „Erhabenen“, wie es Herder nennt und auf dem Meere selbst erfahren hatte, hinzugeben – und das auch die frühen Gedichte und Dramen Johann Wolfgang Goethes nachhaltig inspirierte. Und dies ganz unabhängig davon, ob Goethe das ‚Reisejournal‘, das erst sieben Jahre nach Herders Tod, 1810, erstmals in Teilen veröffentlicht wird, zugänglich geworden war. Kannte er doch seinen Weimarer Nachbarn just so, wie dieser sich im ‚Reisejournal‘ selbst beschrieben hatte. [...]" 

Zum vollständigen Text des Reisetagebuchs
Schlussabsatz dieses Reisetagebuchs:
"Wie ist ihm zu helfen? Wenig eßen, viel Bewegung und Arbeit: d. i. ohne Allegorie wenig Lesen, viel Ueberdenken mit einer gewißen Stärke und Bündigkeit, und denn Ueben, Anwenden. Wie wenn dazu meine Reisen dienten! Da komme ich in die Nothwendigkeit, nicht immer lesen oder vielmehr lesend schlendern zu können: da muß ich Tagelang ohne Buch bleiben. Da will ichs mir also zum Gesetz machen, nie zu lesen, wenn ich nicht mit ganzer Seele, mit vollem Eifer, mit unzertheilter Aufmerksamkeit lesen kann. Hingegen will ich alsdenn an das, was vor mir liegt, denken, mich von der greulichen Unordnung meiner Natur heilen, entweder zu sehr voraus, oder zu spät zu denken; sondern immer die Gegenwart zu gemessen. Alsdenn wenn ich das Buch ergreife – nicht anders, als mit voller Lust und Begierde, und so daß ich endlich so weit komme, ein Buch auf einmal so lesen zu können, daß ichs ganz und auf ewig weiß; für mich und wo ich gefragt werde, wo ichs anwenden soll, und auf welche Art auch die Anwendung seyn möge. Ein solches Lesen muß Gespräch, halbe Begeisterung werden, oder es wird nichts!" (projekt-gutenbergerst 1846 veröffentlicht)

Zur Einordnung des Tagebucheintrags von 1769 in Nantes: 
"Mit Hilfe einiger Freunde, namentlich seines Rigaer Verlegers Johann Friedrich Hartknoch, der ein Freimaurer und Vertrauter Hamanns, Kants und Kanters war, trat er 1769 eine Reise an, die ihn zunächst mit seinem Freund Gustav Berens (ca. 1725–ca. 1780) nach Nantes führte. Unterwegs entstand das Journal meiner Reise im Jahr 1769 (erst 1846 veröffentlicht). Von Nantes brach er nach Paris auf. Hier pflegte er mit den Enzyklopädisten einen regen Gedankenaustausch und wurde mit Denis Diderot[7][8] und d’Alembert bekannt.

Da er keine mehrjährigen Reisen auf Kosten der Freunde machen wollte, kam ihm der Antrag des fürstbischöflich lübischen Hofs zu Eutin, den Erbprinzen von Holstein-Gottorp Peter Friedrich Wilhelm (1754–1823) als Reiseprediger zu begleiten, sehr gelegen. Im Dezember 1769 reiste er über Brüssel, Antwerpen, Amsterdam und Hamburg nach Eutin, wo er Anfang 1770 eintraf. In Hamburg hatte er Gotthold Ephraim LessingJohann Joachim Christoph BodeJohann Bernhard BasedowHauptpastor Johann Melchior Goeze und Matthias Claudius kennengelernt. Im Juli verließ er Eutin im Gefolge des Prinzen. Erste Stationen der Reise waren Hannover und Kassel; in Göttingen schloss er Bekanntschaft mit Heinrich Christian Boie.

Noch vor der Abreise hatte ihn ein Ruf von Wilhelm Graf zu Schaumburg-Lippe aus Bückeburg erreicht. Bei einem kurzen Aufenthalt in Darmstadt lernte er den Kriegsrat Johann Heinrich Merck kennen und über ihn Maria Karoline Flachsland, in die er sich verliebte. Sie heirateten schließlich im Jahr 1773. Diese gegenseitige Zuneigung weckte in Herder den Wunsch nach festen Lebensverhältnissen. Er folgte dem Prinzen über Mannheim bis Straßburg, wo es zum ersten Treffen mit dem jungen Johann Wolfgang Goethe kam. Herder erbat vom Eutinischen Hof seine (im Oktober gewährte) Entlassung, nahm die vom Grafen zu Schaumburg-Lippe angebotene Stellung als Hauptprediger der kleinen Residenz Bückeburg und als Konsistorialrat an, blieb aber zunächst wegen seines Augenleidens in Straßburg, wo er sich – erfolglos – von Johann Friedrich Lobstein operieren ließ.

Hier machte er den fünf Jahre jüngeren Goethe auf HomerPindarOssianShakespeare, Hamann, die Volksdichtung und auf das hochgotische Münster aufmerksam. Gemeinsam beschäftigten sie sich mit Laurence SterneOliver GoldsmithJohann Joachim WinckelmannFriedrich Gottlieb KlopstockAnthony Ashley Cooper, Earl of Shaftesbury, Rousseau, Voltaire und Paul Henri Thiry d’Holbach. Im Darmstädter Kreis bemängelte Herder an der Urfassung von Goethes Götz von Berlichingen mit dem Titel Gottfried von Berlichingen mit der Eisernen Hand, sie beruhe auf einem Missverstehen Shakespeares."

Nantes, 1769: Plan eines Universaltagebuchs

"Welch ein Werk über das menschliche Geschlecht! den menschlichen Geist! die Kultur der Erde! aller Räume! Zeiten! Völker! Kräfte! Mischungen! Gestalten! Asiatische Religion! und Chronologie und Polizei und Philosophie! Ägyptische Kunst und Luxus, Philosophie und Polizei! Phönizische Arithmetik und Sprache und Luxus! Griechisches Alles! Römisches Alles! Nordische Religion, Recht, Sitten, Krieg, Ehre! Papistische Zeit, Mönche, Gelehrsamkeit! Nordisch-asiatische Kreuzzieher, Wallfahrer, Ritter! Christliche heidnische Aufweckung der Gelehrsamkeit! / [Frankreich, England, Holland, Deutschland] Chinesische, japanische Politik! Naturlehre einer neuen Welt! Amerikanische Sitten usw. - -  Großes Thema: das Menschengeschlecht wird nicht vergehen, bis dass es alles geschehe! Bis der Genius der Erleuchtung die Erde durchzogen! Universalgeschichte der Bildung der Welt!

Wie viel liegt aber vor mir, diesen Schein des Ansehens zu erreichen und der erste Menschenkenner nach meinem Stande, in meiner Provinz zu werden!
Bin ichs geworden, so will ich diesen Pfad nicht verlassen und mir selbst gleichsam ein Journal halten der Menschenkenntnisse, die ich täglich aus meinem Leben, und derer, die ich aus Schriften sammle. Ein solcher Plan wird mich beständig auf einer Art von Reise unter Menschen erhalten Und der Falte zuvorkommen, in die ich mich meine einförmige Lage in einem abgelegenen skytischen Winkel der Erde schlagen könnte! Dazu will ich eine beständige Lektüre der Menschheitschriften, in denen Deutschland jetzt seine Periode anfängt und Frankreich, das ganz Konvention und Blendwerk ist, die seinige verlebt hat, unterhalten. [...]" (S. 645/46)
"Mein Leben ist ein Gang durch gotische Wölbungen oder wenigstens durch eine Allee voll grüner Schatten; die Aussicht ist immer ehrwürdig und erhaben: der Eintritt war eine Art Schauder; so, aber eine andere Verwirrung wirds sein, wenn plötzlich die Allee sich öffnet und ich mich auf dem Freien fühle. Jetzt ists Pflicht, diese Eindrücke so gut zu brauchen, als man kann, Gedanken voll zu wandeln, aber auch die Sonne zu betrachten, die sich durch die Blätter bricht und desto lieblichere Schatten malet, die Wiesen zu betrachten, mit dem Getümmel darauf, aber doch immer im Gange zu bleiben." (S.648) 

25 Juli 2025

Gustav René Hocke: Europäische Tagebücher aus vier Jahrhunderten

Gustav René HockeEuropäische Tagebücher aus vier Jahrhunderten

Kierkegaard hat einmal geäußert: Alle Einzeltagebücher zusammen könnten das Tagebuch Europas genannt werden. Unabhängig von einander geschrieben, aber gemeinsam Ausdruck der Entwicklung des kulturellen Europa.

Etwas Ähnliches versucht Hocke mit seiner Sammlung:

Grundmotive europäischer Tagebücher

1. Strukturen und Antriebe 15
2. Selbst – und Weltbeobachtung 37
John Dee: "Es war am achten Tag, einem Mittwoch Zwischenraum, als ich in meinem Zimmer ein eigenartiges, Klopfgeräusch hörte; ein laut wiederholte sich zehnmal, wie der Schrei einer Eule klang er; doch länger gezogen, sanfter, als wenn es im Zimmer selbst gewesen wäre. Die ganze Nacht hindurch klopft und polterte es in meinem Zimmer. - Traum, nackt zu sein; meine Haut war mit Stoff mit Wolf franzen bedeckt, in einer Mischfarbe von blau und rot; und auf meinem linken Arm las ich in Transform. Die Worte sine me nihil potestis facere. Samstagnacht träumte mir, ich sei tot und meine Eingeweide würden ausgenommen. Doch ging ich und sprach mit verschiedenen Leuten, unter anderem auch mit dem Schatzkanzler, der zu mir ins Haus gekommen war, um nach meinem Tode meine Bücher zu verbrennen; mir war es, als sehe er mich erbittert an." (S. 55)
"[...] Vorstufen der subjektiven deutschen Tagebuchliteratur, die in ihrer typischen Prägung erst Mitte des 18. Jahrhunderts mit dem Pietismus / einsetzt. Damals schon wurde Deutschland ein tagebuch-führendes Land par excellence. Ursache sind unter anderem die vielen Kriege, sozialen Revolutionen und Glaubenskämpfe, die den einzelnen Menschen auf sich selbst verwiesen und seine Neigung verstärkten, als Zeuge über die erschütternden Erlebnisse der Reformationszeit und des alles in Frage stellenden 30-jährigen Krieges zu berichten, zunächst einmal für sich selbst, dann auch für die eigenen Nachkommen wie für die Nachwelt, überhaupt. [...] Deutsche Tagebücher dieser Zeit künden also eher von verstärktem Beobachtungssinn als vom Einsetzen der Reflexion, mehr von wachsendem Gefühl für das Private als von Selbstanalyse." (Seite 57/58). 
"Die Tagebücher von Casaubonus gehören zu den persönlichsten ihrer Zeit und leiten, mit den tagebuchartigen Lebenserinnerungen des Baseler Medizinstudenten, Felix Platter (1536-1614), die so reiche und vielfältige Schweizer Diaristik ein, die von Haller und Lavater über Amiel und Keller weiterführt bis zu Ramuz und Frisch. Das Tagebuch von Casaubonus hat auch einen eminent kulturhistorischen Wert, ähnlich wie das "Bordbuch" von Christoph Kolumbus (1451-1506), wie das Visions-Diario von Ignatius von Loyola und die Aufzeichnungen des Florentinischen Malers Jacopo da Pontormo. Der Genfer Altphilologe und Philosoph begann ein Tagebuch am 18. Februar 1597 im Alter von 38 Jahren; er / führte es 17 Jahre lang, bis kurz vor seinem Tode. Durch seine vielseitigen Lektüreberichte wird dieses Tagebuch, ähnlich wie das von Martinus Crusius zu einem wichtigen Spiegel der Bildungsgeschichte seiner Zeit. (S.61/62)




3. Steigerung und Auflösung der Person 76
4. Liebe, Erotik, Sexualität, 109
Das fiktive "Tagebuch des Verführers" von Kierkegaard könnte man geradezu als eine Abhandlung über die Stadien des "Mittelbar-Erotischen oder des Dichterisch-Erotischen" ansehen. Große, "erotische Gestalten", wie Faust und Don Juan, tauchen auch in seinen echten Tagebüchern immer wieder auf. Sie erscheinen ihm als Repräsentanten des Lebens außerhalb der Religion. Sie sind "negative Heilige". Insofern sind Kierkegaards Tagebücher bis heute die reichste Quelle geblieben für die Grundprobleme der "Liebe" in all ihren Schattierungen, Verkleidungen und Verfälschungen im Vorhof des Religiösen. Sein "Tagebuch des Verführers" steht als eine "ästhetisch-moralische Teufelei" sublimster Art, zwischen den Liaisons dangereuses, dem Lovell, den Elixieren des Teufels, den Fleurs du Mal dem Dorian Gray. Hier bilden Romantik und Satanismus in den Hintergründen, der intimsten Seelen- und  Lebensregungen eine Einheit. Bei Kierkegaard jedoch wird dieses satanische "Stadium" in einer "Religion der Tat" überwunden, die dann das Zentralthema seiner anderen Werke und vor allem seines "echten" Tagebuch ist. "Das verborgene Leben der Liebe ist im Innersten unergründlich und in einem unergründlichen Zusammenhang mit dem ganzen Dasein. Wie der stille See tief in den verborgenen Quellen seinen Grund hat, die kein Auge sah, so hat die Liebe des Menschen ihren noch tieferen Grund in Gottes Liebe. [...] (Religion der Tat, S.160)"  (Hocke, S.109) 
5. Angst vor dem Nächsten und Kritik an der Umwelt 162
6.Zeugenberichte und Zeitkritik, 194
7.Diaristische Menschenkunde 268
8. Schöpferische Probleme
9. Philosophie und Selbsterfahrung, 369
10. Chronik des Absoluten 404
    Befreiung von Ich und Welt 404
    Durchbruch der "geschlossenen" Person 410
    Der mystische Dialog 430
    Die Hinwendung zum Nächsten 452

Auswertungen: Mythik des Tagebuchs 483
    Europa – suchendes Erschaffen 483
    Mythen als Existenzsymbole 487
    Dass Ich und die Genesis der Zeit 509
    Ökumene der Liebe 519

Anthologie europäischer Tagebücher S.537ff.

19.2.1544
"Als ich zur Messe ging, vorher nicht ohne Tränen, während der Messe viele und mit großer Gelassenheit; sehr viele Einsichten über die heiligste Dreifaltigkeit. Mein Verstand wurde von ihnen so sehr erleuchtet, dass mir schien, selbst durch ein tüchtiges Studium würde ich nicht so viel Wissen erlangen können. [...] selbst wenn ich mein ganzes Leben lang studieren wollte." (S 566)
6. März  1544
Obwohl ich darauf achtete, konnte ich nichts schauen, was der Aussöhnung noch entgegensteht. Ich hatte eine große Sicherheit und konnte nicht mehr ungewiss sein über das, was mir vor Augen gestanden und was ich geschaut hatte. (S.568)

27.3.1544 
Vor der Messe Tränen, viele während der Messe, ganz auf Ehrerbietung gerichtet. Schau des göttlichen Seins in Kugelgestalt, wie die anderen Male bisher. (S.569)

Montpellier, 6.1.1554
Der Märtyrer saß geduldig, mit gen Himmel aufgehobenen Augen. Sobald das Feuer die Bücher erreicht, zog der Richter der Seil und würgt' ihn also, bis er das Haupt sinken ließ, da er sich nicht weiter rührte, und also zu Asche verbrannt ward, da die Beiden dabei stehen und zusehen mussten und ihnen ziemlich warm ward. (S.571)

Montpellier, 11.12.1554
Da er sich für Medizin interessiert, versucht Platter Gelegenheit zum Sezieren von menschlichen Leichnamen.
"[...] tote Körper, so erst an dem Tag begraben, heimlich mit bewehrter Hand vor der Stadt auf den Kirchhöfen bei den Klöstern auszugraben und dann in die Stadt in sein Haus zu tragen und daselbst zu anatomieren. hatten bestellt etliche, so aufpastsen, wo und wann etliche begraben wurden, um dann in der Nacht uns dahin zu verfügen.
Ward ich so zum ersten Mal aufgefordert, den 11. Decembris. Da führt uns Gallotus schon bei voller Nacht vor die Stadt in das Augustiner-Kloster. Da war ein verwegener Mönch, Bernhard, der sich verkleidet', und half uns dazu. Wir thaten heimlich im Kloster einen Schlaftrunk, der währte bis Mitternacht; darnach zogen wir in aller Stille mit den Waffen vor das Kloster St. Denys auf dem Kirchhof, da scharrten wir ein Corpus heraus, nur mit den Händen; denn der Grund noch locker war, weil es erst am Tag begraben. Als wir auf das Corpus kamen, legten wir ein Seil daran und rissen es gewaltsam heraus, schlugen unsere Flassadenröcke darum und trugen's auf zwei Bengelein bis an das Stadtthor; war um drei Uhr in der Nacht. Da taten wir die Corpora an einen Ort und klopfen an ein kleines Thürlein, dadurch man etwa ein- und auslässt. Es kam ein alter Pförtner hervor im Hemd, tat uns das Thürlein auf; wir baten ihn, er wolle uns einen Trunk geben, wir stürben vor Durst. Während er den Wein holte, zogen ihrer / drei, die Corpora hinein und trugen's hinauf in des Galoti Haus, das nicht fern vom Thor, dass also der Thorwächter nichts gewahr wurde. Wir zogen nach, und als wir die Linnen, darein sie vernäht war, öffneten, war es ein Weib; hatte krumme Füße von Natur, so einwärts gegeneinander sahen. Die anatomierten wir und fanden unter anderem auch etliche Adern als vasorum. spermaticorum, die nicht abwärts geradeaus, sondern auch krumm und seitwärts gingen. Sie hatte einen bleiern Ring an, der mir, weil ich sie hasse von Natur, sehr widerwärtig.
Weil uns die Sache geraten, ließen wir nicht nach. Und als wir fünf Tage hernach inne wurden, dass ein Student und ein Kind abermals auf St.-Denis-Kirchhof begraben war, zogen wir abermals zum Thor hinaus, den 16. Dec. in das Augustiner Kloster."

Samuel Jonson, S.625f.
3.April 1735:
"O Gott, der du mir bisher geholfen hast, gib mir die Kraft in dieser Arbeit und in der gesamten Aufgabe meines gegenwärtigen Zustandes fortzufahren, damit ich, wenn ich am letzten Tage über das mir verliehene Talent Rechenschaft ablegen muss, um Jesu Christi willen Vergebung erlangen möge. Amen." (S.625)
James Boswell, S.627ff
Aufgrund seiner Biografie seines Freundes Samuel Jonson, gilt er manchen so unzweifelhaft als der beste Biograf wie Shakespeare als der beste Dramatiker. Seine Einstellung zum Leben unterscheidet sich freilich ausweislich seiner Tagebücher deutlich von der seines Freundes. 
Am 12.1.1763 notiert er stolz, dass er ein "göttergleiches Vermögen" gehabt habe. "Fünfmal verlor ich mich an die höchste Verzückung." "Ich habe dies Nacht geschildert, so gut ich konnte. Die Beschreibung ist etwas blass geraten, aber ich darf mich wohl füglich als Mann von Geschmack bezeichnen." Als er darauf feststellen muss, dass er eine Geschlechtskrankheit bekommen hat, fordert er von ihr (wie er im Tagebuch notiert) ein Darlehen zurück und setzt ihr eine Frist. Aus seinem Brief zitiert er u.a. "[...] ich verzichte darauf, Ihnen Vorwürfe zu machen [...] "das Bewusstsein Ihrer Tücke und Niedertracht wie auch ihre körperliche und seelische Verkommenheit [dürften] eine ausreichende Strafe darstellen. Nennen Sie nicht Missgeschick, was die Folge ihrer eigenen Nichtswürdigkeit ist." (S.633)

16.7.1763: "Johnson empfahl mir, ein Tagebuch zu führen, ehrlich und ungeschminkt; es sei eine gute Übung und werde mir später unendlich lieb sein, wenn einmal die näheren Umstände aus dem Gedächtnis verschwunden seien. Ich teilte ihm mit, dass ich schon seit meiner Abreise aus Edinburg, ein solches Tagebuch führe, was er ausdrücklich billigte. Und nun, mein Tagebuch, bist du nicht zu hoher Würde gelangt? Wirst du dich nun nicht doppelt und dreifach entfalten? Nie haben Ermahnung und Missbilligung mich dazu bringen können, dich beiseite zu / legen, und nun lässt sich irgendetwas dagegen geltend machen, das schwerer wiegen würde als Johnsons ausdrückliche Billigung? Er empfahl mir allerdings, es geheim zu halten, und meinte, ich hätte gewiss einen Freund, der es bei meinem Tode verbrennen würde. Ich für meinen Teil hänge gegenwärtig so sehr an diesem meinem Tagebuch, dass der Gedanke es je zu verbrennen, mir einen Stich gibt. Ich wäre eher dafür, es im Archiv von Auchinleck sorgfältig aufzubewahren. Immerhin, ich kann das jetzt nicht sachlich beurteilen, in ein paar Jahren denke ich vielleicht anders. Ich gestand Johnson, ich schriebe auch allerhand Kleinkram. "Es gibt nichts", meinte er, "was zu gering wäre für ein so geringes Wesen wie den Menschen. Durch eine Beobachtung von Kleinigkeiten bringen wir es am Ende zu der hohen Kunst, unser Leben so schmerzlos als möglich zu gestalten." (S.635/36)

Zur Einordnung des Tagebucheintrags über den Plan eines Universaltagebuchs

Nantes, 1769: Plan eines Universaltagebuchs

"Welch ein Werk über das menschliche Geschlecht! den menschlichen Geist! die Kultur der Erde! aller Räume! Zeiten! Völker! Kräfte! Mischungen! Gestalten! Asiatische Religion! und Chronologie und Polizei und Philosophie! Ägyptische Kunst und Luxus, Philosophie und Polizei! Phönizische Arithmetik und Sprache und Luxus! Griechisches Alles! Römisches Alles! Nordische Religion, Recht, Sitten, Krieg, Ehre! Papistische Zeit, Mönche, Gelehrsamkeit! Nordisch-asiatische Kreuzzieher, Wallfahrer, Ritter! Christliche heidnische Aufweckung der Gelehrsamkeit! / [Frankreich, England, Holland, Deutschland] Chinesische, japanische Politik! Naturlehre einer neuen Welt! Amerikanische Sitten usw. - -  Großes Thema: das Menschengeschlecht wird nicht vergehen, bis dass es alles geschehe! Bis der Genius der Erleuchtung die Erde durchzogen! Universalgeschichte der Bildung der Welt!

Wie viel liegt aber vor mir, diesen Schein des Ansehens zu erreichen und der erste Menschenkenner nach meinem Stande, in meiner Provinz zu werden!
 Bin icsh geworden, so will ich diesen Pfad nicht verlassen und mir selbst gleichsam ein Journal halten der Menschenkenntnisse, die ich täglich aus meinem Leben, und derer, die ich aus Schriften sammle. Ein solcher Plan wird mich beständig auf einer Art von Reise unter Menschen erhalten Und der Falte zuvorkommen, in die ich mich meine einförmige Lage in einem abgelegenen skytischen Winkel der Erde schlagen könnte! Dazu will ich eine beständige Lektüre der Menschheitschriften, in denen Deutschland jetzt seine Periode anfängt und Frankreich, das ganz Konvention und Blendwerk ist, die seinige verlebt hat, unterhalten. [...]" (S. 645/46)
"Mein Leben ist ein Gang durch gotische Wölbungen oder wenigstens durch eine Allee voll grüner Schatten; die Aussicht ist immer ehrwürdig und erhaben: der Eintritt war eine Art Schauder; so, aber eine andere Verwirrung wirds sein, wenn plötzlich die Allee sich öffnet und ich mich auf dem Freien fühle. Jetzt ists Pflicht, diese Eindrücke so gut zu brauchen, als man kann, Gedanken voll zu wandeln, aber auch die Sonne zu betrachten, die sich durch die Blätter bricht und desto lieblichere Schatten malet, die Wiesen zu betrachten, mit dem Getümmel darauf, aber doch immer im Gange zu bleiben." (S.648) 

Da dieser Text bei Hocke in alter Rechtschreibung wiedergegeben wird, übernehme ich ganz die neue, um nicht allzu viel von meinem Diktat in die alte Rechtschreibung verändern zu müssen.
1770
Einmal muss ich es doch wissen, wie mein Herz beschaffen ist, einmal muss ich es doch bei mir selbst ausmachen, wie ich mit Gott, meinem Schöpfer, stehe;… Sagen, ausdrücken heraus sagen will ich mir selber, wie ich mich finde; ich will mich selbst vor dem Richter Stuhl der Wahrheit und des Gewissens fordern und mein Herz in dem Namen meines Gottes und Highlands Jesu Christi, des wahrhaften, gerechten und heiligen Weltrichters zur rechten Ziehen;… Wenn Gottes Wort wahr ist, so ist das wahr, was ich bis dahin gesagt habe, war, dass ich kein Christ, kein Kind Gottes und der Seligkeit bin, dass ich… Noch ein Sklave, der Sünde und des Satans bin; zwischen Traum
1. Januar 1773
Ein vollständiges Tagebuch zu machen, dazu habe ich keine Zeit mehr; ich will also nur, so viel, meine übrigen Augenblicke, die ich nicht besser anwenden kann, zulassen, meine merkwürdigsten Stunden, Beschäftigungen, Situationen, Vorfällen halten, Empfindungen, schwach halten, über Eylungen, Fehler, so kurz und für mich so lehrreich, als es mir möglich sein wird, aufzeichnen; desto umständlicher, je mehr ich Zeit habe; desto kürzer, je weniger. Es soll mich nicht unruhig machen, wenn ich daran gehindert werde; ich will mich auch in diesem Stücke ohne all Ängstlichkeit nach der Schickung der Vorsehung der Führung, kindlich und einfältig, bequemen.
Sei es Schwachheit oder Kinderschrei oder Unkle Barez melancholisches/zittern über den Verlust eines Jahres, über den scheinbaren Anfang eines neuen Lebensabschnitts, sei es, was es wolle, ich konnte die erste mütterlich nächtliche Stunde dieses neuen Jahres nicht verschlafen. Bis 11 Uhr konnte ich nicht zu Bette, und von 11 bis 12 Uhr hatte ich, sanft erweckt vom fernen zusammentreffenden Geläute dörflicher Glocken, genug nachzudenken. Ich wollte danken, und konnte nicht; wollte beten, und betete mehr mit Tränen und zitternden, süßen Beklemmungen, dürste nach Licht und Weisheit zu allem, Großem und Kleinem. Meine Mutter und meine Frau und Kinder und einige meiner Freunde, hatten den meisten Anteil an meinen Wünschen, und dann noch einige besondere drückende Angelegenheiten, ich entschlief.
Erst ein wenig vor sieben Uhr erwarte ich wieder und legte mich der väterlichen Güte Gottes mit Verlangen nach Weisheit dar. Ich hörte die Stimme meiner lieben Frau, ging zu ihr hin, und mit der süßesten, sanftesten, unschuldigsten Zärtlichkeit segneten wir einander und sprachen, von den uns in diesem Jahre so viel als gewiss bevorstehenden Schicksalen. Ich las das Neujahrslied, vorzüglich erwärmt,
"Kein Jahr seit diesem Jahre gleich!
So herrlich mehre sich dein Reich!"
Etwas hatte ich mich zu lange bei ihr verweilt und war nahe daran, allzu stürmisch mich anzukleiden und das zu fordern, was man vergessen hatte, in Bereitschaft zu legen.
"Ich will doch das Jahr nicht unruhig anfangen", dieser Gedanke zog mich zurück und besänftigte mich.
Jedem aufstoßenden Glückwunsche bereit zu sein, kostete mich einige Überwindung.
Unaussprechlich beschämte, demütigte mich der Segenswunsch meines Amtsbruders! O Gott, wie wirst du anders urteilen als die Menschen? "Sie sehen, was vor Augen ist, du aber siehst das Herz an."
Da ich auf der Kanzel stund, wurde mir beinahe übel; Kopfweh und Erhitzung droht mir stark. Die Predigt aber ging mir ziemlich gut von statten. Bei den Wünschen war ich etwas zerstreut. Bei dem Gebete um Weisheit für mich war ich am aufrichtigen und wärmsten.
Mit Ruhe schrieb ich bis 7 Uhr dies Tagebuch." (S.650/651). 

Amalie von Gallitzin, S.657 (auch hier modernisierte Rechtschreibung)
24. Mai 1786.
Ich las um 10 Uhr Lavaters Predigt über die Vortrefflichkeit der Liebe, mit warmen Gefühl; das hob mich, und es schien mir, dass sie auch einigen der Zuhörer wohl getan hatte. Die Kinder gingen auf die Jagd; ich blieb mit D. und hatte mit ihm einige gute Stunden. Ich erklärte ihm auf sein Andringen die Quelle meiner Leiden, in der Ebbe und Flut, die mich zwischen zwei Seen von Gefahren, zwischen Stolz und Missmut, unaufhörlich gegen den Rand des einen oder des anderen wälzet [...]

Einschub: Wikipedia: "Die Beschäftigung mit der Religion, insbesondere der Einfluss des Leiters der Normalschule in MünsterBernhard Heinrich Overberg, bewirkte, dass die Fürstin am 28. August 1786 in die katholische Kirche zurückkehrte. Ihr Haus wurde Mittelpunkt des Münsterschen Kreises, von den Zeitgenossen liebevoll-ironisch „familia sacra“ genannt. Zu diesem Kreis gehörten neben Franz von Fürstenberg (Politiker) u. a. Anton Matthias Sprickmann, die Brüder Kaspar Max und Clemens August Droste zu Vischering, die Eltern der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff, nach 1800 auch der unter ihrem Einfluss konvertierte, ebenfalls nach Münster umgezogene Friedrich Leopold Graf von Stolberg."

1. Februar 1787. 
Eine  lange Unterbrechung, die mir im dunklen Felder der Seele oftmalige Unruhe verursachte und das drückende meines Zustandes / vermehrte. Wenigstens will ich den heutigen Tag dazu anwenden, mein Gewissen, so viel mein Gedächtnis und die p.m. der Kinder dazu behilflich sein können, zu durchforschen, und was mir bei dieser durch Forschung etwa beifallen möchte, aufzuschreiben. Den Vorsatz, mich künftig einer solchen Nachlässigkeit nicht mehr schuldig zu machen, hingegen fest erneuern und in diesem Monate aufrecht zu halten, suchen, durch Betrachtung der Ursachen und großen Nachteile meiner Nachlässigkeit. [...] (S.657/58)
Donnerstag konnte ich meinem Vorsatz gemäß mein Tagebuch nicht zu Stande bringen, weil ich einem höheren Vorsatz der Liebe gemäß H., der mir Veranlassung, Nützliches zu sprechen, gab, den ganzen Nachmittag aufopfern musste; doch war die Unterhaltung so nützlich eben nicht; sie lief mehr nach dem Gesetzen einer sehr gewöhnlichen Assoziation, als nach irgendeinem vernünftigen Zweck und bestand beinahe ganz aus Erzählungen von meinen Brüdern und der Prinzessin Ferd.. Dieses beunruhigte mich nachher über die Aufopferung meines nachgesetzten, für mich doch so nötigen Zweck, und ich reflektierte, dass ich das oben erwähnte Hauptgesetz der Liebe nicht blindlings befolgen, sondern dann, sobald ich bemerkte, dass es zwecklos wirkte, nicht aus bloß fortgesetzten / Reize oder aus falscher Timidität, die sich scheut abzubrechen, oder endlich gar aus Inertie fortfahren müsse.

A. H. Hat in diesem Monat angefangen, ohne Unterbrechung ein Tagebuch über sich selbst zu halten.
B. hat er in eben diesen Monate angefangen mit mehrerer wahren Lust zu arbeiten und mit seiner Zeit ökonomischer umzugehen.
C. habe ich einen merklichen Wachstum an deutlichen Begriffen und Beobachtungen über sich selbst gespürt. 
D. Haben unter den vielen Unterhaltungen mit ihm  drei ganz bestimmt nützliche Folgen für ihn gehabt und sehr selige Eindrücke zum Wachstum meiner Liebe zu ihm hinterlassen. 
(S.658/659). 

12. Februar 1787 
[...]. aber ich erinnere mich an die Worte des Trostes: was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich, und ferner: wer im kleinen treu ist, den will ich über größer setzen; und mit diesen Worten wie mit einem Schilder bedeckt, will ich, mit dir vereinigt, meine Bahn wieder neugeboren antreten. Oh, weiche nicht von mir. – Amen. (S.660)
Sonntag, 29. April 1787
Als die Kinder weg waren, erinnerte ich mich, H. habe mir aufgetragen, sein vergessenes Tagebuch ihm aufzubewahren. Ich dachte, nun will ich’s herausnehmen und in Sicherheit bringen. Als ich die Spinde öffnete, fiel mir ein, ich wäre doch neugierig zu wissen, Wie er meinen donnerstägigen Ausfall, die Peinschke und Heinrich betreffend aufgenommen – und ob er von meinem nachherigen Kampf, ihn betreffend, der bis Sonntag dauerte, etwas gemerkt hat, da er mir doch davon nichts geäußert hat. Als ich diese Neugier merkte, hatte ich noch die Spindentüre in der Hand und dachte bei mir selbst: Nein, da du diese Neugierde hast, so will ich so willst du lieber die Spinde wieder zumachen. [...]" (S.661)

Friedrich von Hardenberg (Novalis) S.664ff.
Sophie von Kühn "(*17. März 1782; † 19. März 1797 in Grüningen) war die Verlobte Friedrich von Hardenbergs (Novalis), die im Alter von 15 Jahren starb. Ihr Andenken bewahrte er in vielen seiner Werke, insbesondere in den Hymnen an die Nacht (1800). [...] Auf dem Schloss Grüningen begegneten sich am 17. November 1794 die zwölfjährige Sophie und der 22-jährige Novalis zum ersten Mal. Novalis teilte seinem Bruder Erasmus von Hardenberg in einem Brief darüber mit, dass eine „Viertelstunde“ über sein Leben entschieden habe. Am 15. März 1795,[1] kurz vor ihrem dreizehnten Geburtstag, gab es schon ein inoffizielles Verlöbnis mit Friedrich von Hardenberg. Im November 1795 erkrankte Sophie an Leberentzündung und Lungentuberkulose,[2] erholte sich aber scheinbar wieder. Nach drei schweren Operationen (damals noch ohne Narkose) zwischen Mai und Juli 1796 in Jena bei Dr. Johann Stark[3] verstarb sie jedoch am 19. März 1797 auf dem Schloss Grüningen."


Tennstedt, 18. April 1797
Früh sinnliche Regungen. Mancherlei Gedanken über sie und über mich. Phil(osophie). Ziemlich heiter und leicht. Der Zielgedanke stand ziemlich fest. Gefühl von Schwäche – aber Extension und Progression. Moritz. Bei Tisch und nachher heiter und gesprächig. Just spielte das Lied: "Sing, o. Lied! und Zitterspiel." Im Wilhelm Meister fiel mir eine passende Stelle aus dem vierten Buche – ein Selbstgespräch Meisters – auf. [...] 
4. Mai 1797 
[...] - dann ging ich nach Gr(üningen). Unterwegs war ich heiter und gedankenvoll. Ich traf bloß die Danscour. Sie kamen aber bald von Klingen. Die Nacht schlief ich unruhig. Den folgenden Tag regnete es beständig. Früh weint ich sehr. Nach Tisch wieder. Den ganzen Tag war ich ganz ihrem Andenken heilig. [...]  dann ging ich zu ihrem Grabe und steckte die Blumen darauf [...] Heute früh lebhaft an S(ophie) gedacht. - Der Entschluss ward etwas düster angesehen. Dann Meister. Dann den Brief an Slevoigt auf die Post getragen. [...] 
Die Gesellschaft will mir noch gar nicht bekommen. Strebe nur nach der höheren permanenten Reflexion und ihrer Stimmung. Oh, dass ich so wenig in der Höhe bleiben kann.

19. Mai 1797. 
[...] Auf dem Spaziergange fasste ich einige deutliche Ideen. Am Grabe war ich nachdenkend – aber meistens unberührt. Seit einigen Tagen ängstigen mich diese Erinnerungen wieder – ich fühle mich unaussprechlich einsam in gewissen Momenten – so entsetzlichen Jammer in dem, was mir begegnet ist. Beim Grabe fiel mir ein, dass ich durch meinen Tod der Menschheit eine solche Treue bis in den Tod vorführe. Ich mache ihr gleichsam eine solche Liebe möglich.
Spät fühlt ich mich S(ophiens) wegen unruhig. Doch schlief ich bald ein. Je mehr der sinnliche Schmerz nachlässt, desto mehr wächst die geistige Trauer, desto höher steigt eine Art von ruhiger Verzweiflung. Die Welt wird immer fremder. Die Dinge um mich her immer gleichgültiger. Desto heller wird es jetzt um mich und in mir. [...] (S.664/65).

16. bis 29. Juni 1797 
Es muss aber immer besser werden. Besonnenheit und Ruhe ist die Hauptsache. Lass vorzüglich, auch die Aufmerksamkeit auf gefälliges und vorsichtiges Betragen gegen den Vater nicht aus der Acht – hüte dich im Umgang mit Schlegeln, übe dich unaufhörlich in besonnener Wirksamkeit, habe Söfchen stets vor Augen – vergiss nicht die Kürze von drei Monaten – übernimm dich nicht – Sei mäßig – und überlass dich nicht zu sehr deinem Hange zu vexieren und zu belustigen. Jetzt schickt es sich doch nicht mehr recht für dich, – wenigstens sehr mit Maß. Christus und Sophie.

15. April 1800
Süße Wehmut ist der eigentliche Charakter einer echten Liebe – das Element der Sehnsucht und Vereinigung.
Es gibt so manche Blumen auf dieser Welt, die überirdischen Ursprungs sind, die in diesem Klima nicht gedeihen und eigentlich Herolde, rufende Boden eines besseren Daseins sind. Unter diese Blume gehört vorzüglich Religion und Liebe.
Das höchste Glück ist seine Geliebten gut und tugendhaft zu wissen. Die höchste Sorge ist die Sorge für ihren Edelsinn.
Aufmerksamkeit auf Gott und Achtsamkeit auf jene Momente, wo der Strahl einer himmlischen Überzeugung und Beruhigung in unsere Seelen einbricht, ist das Wohltätigste, was man für sich und seine Lieben haben kann. (S. 667)
9. Oktober 1800.
Wähl ich nicht alle meine Schicksale seit Ewigkeiten selbst? Jeder trübe Gedanke ist ein irdischer, vorübergehender Gedanke der Angst.
Jede trübe Stimmung ist Illusion. [..]. (S.668)

Am besten ist es, wenn man den Sinn hat, alles Geschehende mit freudigem Herzen wie eine Wohltat Gottes hinzunehmen. Durch Gebet erlangt man alles. Gebet ist eine universale Arznei.  (S. 669) 

Benjamin Robert Haydon, S.691ff Historienmaler
"London, 2. Juni 1816
Die drei Gipfelpunkte menschlichen Glücks sind erstens das Bewusstsein, seine Pflicht getan zu haben und die fromme Reinheit, welche die Seele erfüllt. Der nächste: Erfolg bei großen Plänen und der dritte ein hübsches Mädchen, das dich liebt, nach dem Essen auf deinen Knien sitzt, ihren himmlischen Busen gegen deinen atmend, ihr Arm um deinen Nacken mit deinem Haar spielend [...] während du genug erhitzt bist, um dich leidenschaftlich, bis zur Ekstase leben zu fühlen, ohne doch deine Sinne durch Übermaß verloren zu haben [weitere 7 Zeilen
Die erlesenste Süßigkeit des Paradieses
In des Lebens sonst bitterem Kelch destilliert." (S. 699)

"Paris, 22. bis 31. Oktober 1814
Sie hat mich abermals einen schlechten Tag verbringen lassen. Aber nun geht es wohl um andere Dinge. [...] Ich muss mich entscheiden. Ich habe mich entschieden. Ich nehme an. Unabhängig von meiner unheilvollen und lächerlichen Liebe, die nicht abklingt, liegen gute Gründe vor, anzunehmen. Meine Stellung in Frankreich ist schlecht. Wenig Vermögen, meine Frau, der Hass der aristokratische Klasse, der Widerstand, der sich der vorgefasste Meinung über den Ausländer verbindet, all das macht einen anderen Weg notwendig. Er bietet sich an. Das Schicksal treibt mich, ich gehorche. Schlimmstenfalls ist es die Schweiz oder Deutschland oder Amerika. Gleichviel. (S.701) [...] Ich habe mich so sehr danach gesehnt, allein zu leben, und heute schaudert mir davor. [...] Ich werde niemals wieder zu ihr gehen. (S.703)
18.1.1815: Recht zärtliches Zusammensein mit Juliette. (S.704) Paris, 14.2.1815: Diese Leidenschaft zehrt mich stumpfsinnig auf. 6.-13.3.1815: Sollte es wahr sein, dass Bonaparte in Frankreich wäre? [...] Juliette gesehen. Sie hat sich geweigert, mich zu empfangen. [...] aber ich habe ganz andere Dinge zu tun. Paris, 14.-30.4.1815: Mit dem Kaiser zusammengekommen. Lange Unterredung. [...] Brief an den Kaiser. Vielleicht eine Dummheit.
[...] Bei Juliette gespeist. Ich bin dumm genug, mir etwas aus ihrer Gleichgültigkeit zu machen, wenn ich an ganz andere Dinge zu denken habe. (S.704-711)

9. Juni 1847.
Hier steckt doch in gewissen Sinn mein ganzes Unglück: hätte ich kein Vermögen gehabt, wäre es mir niemals möglich gewesen, das entsetzliche Geheimnis meiner Schwermut zu retten. (Barmherziger Gott, wie doch auch mein Vater in seiner Schwermut, entsetzliches Unrecht an mir getan hat – ein Kreis, der seine ganze Schwermut auf ein armes Kind ladet, um nicht von dem noch Furchtbareren zu reden, und doch bei alledem, der beste Vater.) Aber so wäre ich auch nicht der geworden, der ich geworden bin. Ich wäre gezwungen gewesen, entweder verrückt zu werden oder durchzudringen. Nun glückte es mir, einen Salto mortale in die reine Geistesexistenz hinauf zu machen. Aber so werde ich wieder völlig heterogen mit Menschen im allgemeinen. Was mir eigentlich mangelt, ist Leib und leibliche Voraussetzungen.
Was mein Leben so ungeheuer angestrengt gemacht hat, aber auch so voller Entdeckungen, ist, dass ich niemals im Endlichen zu etwas gezwungen worden bin, sondern unendlich die Entscheidung wählen musste. Aber daraus ist auch eine Schwierigkeit entstanden. Denn in den Entscheidungen des Geistes kann man sich frei entschließen, aber im Verhältnis zur Endlichkeit (z. B. leibliches Empfinden) soll man eigentlich gezwungen werden. Die endlichen Entscheidungen sind in gewissen Sinn zu wenig, um von der Unendlichkeit her zu Ihnen zu kommen –darum muss man gezwungen werden./ "Gezwungen werden" ist die einzige Hilfe in der Endlichkeit – die Wahl der Freiheit das einzig Rettende in der Unendlichkeit." (S.743/744)

Richard Wagner, S.778ff.
Tagebuch-Austausch, 31. Oktober 1858.
Weißt du denn nicht, mein Kind, dass ich nur von dir – nur von dir abhänge? Dass die ernste Heiterkeit, mit der das dir gesamte Tagebuch abschloss, nur das Spiegelbild deiner, mir mitgeteilten, schönen Stimmung war? O, halte mich nicht für so groß, dass ich ganz für mich und aus mir sein könnte, was ich bin, und wie ich bin. Wie tief fühle ich dies jetzt. Von unsäglichen Weh und Jammer bin ich bis in das Innerste zerspalten; – ich habe deine Sendung erhalten, dein Tagebuch, deine Antwort gelesen! – Weißt du es denn wirklich noch nicht, wie ich nur von dir lebe? Glaubtest du es nicht, als ich noch kürzlich es dir sagen ließ? Dir gleich, deiner würdig zu sein, – das ist der Haft meines Lebens! Schelte mich nun nicht, wenn ich dir nun sage, dass ich eben ganz wie du bin, wie du empfinde, ganz deine Stimmung, dein feinstes Weh teile, nicht nur, weil es das deine ist, sondern weil es mir so klar und gewiss auch das meine ist! – Weißt du denn noch, wie wir uns schrieben, da ich in Paris war, und vereint gleichzeitig aus uns der Jammer hervor brach, nachdem wir, wie begeistert uns unsere Vorsätze mitgeteilt? So ist es noch! So wird es bleiben, immer und immer! – Alles ist Wahn! Alles Selbsttäuschung! Wir sind nicht gemacht, uns die Welt einzurichten. O du lieber, lauterer Engel der Wahrheit! Sei gesegnet für deine himmlische Liebe! [...] (S.780/81)

Einmal wurde in meiner Gegenwart die Frage gestellt, worin der höchste Genuss der Liebe bestände.
Jemand antwortete natürlich: im Empfangen – und ein anderer: in der Hingabe. – Jener sagte: Lust des Stolzes – und dieser: Wollust der Erniedrigung! All diese Schmutzfinken sprachen wie die Nachfolge Christi.– Schließlich fand sich ein schamloser Utopist, der behauptete, die größte Lust der Liebe sei: dem Vaterlande Bürger zu schenken / Ich aber sage: die einzige und höchste Wollust der Liebe liegt in der Gewissheit, das Böse zu tun. Und Mann und Weib wissen von der Geburt an, dass das Böse alle Wollust enthält. (S.782/83). 

"Durch sein akademisches und literarisches Wirken sowie durch seine Konversion beeinflusste Newman das geistige Leben Englands und Europas im 19. und 20. Jahrhundert tief. Er gehört zu den Wegbereitern eines vor dem Wissenshorizont der Moderne verantworteten Katholizismus. Am 19. September 2010 wurde John Henry Newman selig- und am 13. Oktober 2019 heiliggesprochen." (Wikipedia)
8. Januar 1860
[...] Was ich als Protestant schrieb, hatte viel größere Kraft, Gewalt, Bedeutung und Erfolg als meine katholischen Werke, und das beunruhigt mich sehr…" (S.792)

Die Italiener gleichen einem Gärtner, der einen Baum in der Hand hält, und das Loch nicht hat, worin er ihn pflanzen soll. Das unermessliche Ereignis: Rom, zur Hauptstadt eines italienischen Reiches heruntergesetzt, Rom, die kosmopolitische Stadt seit 1500 Jahren, das moralische Zentrum der Welt, zum Sitz eines Königshofs geworden, wie alle anderen Hauptstädte, will mir gar nicht recht begreiflich sein. Ich ging mit diesen Gedanken durch Rom, und fand, dass man hier auf jedem Schritt nur Erinnerungen und Monumente der Päpste sieht, Kirchen, Klöster, Museen, Fontänen, Paläste, Obelisken mit dem Kreuz, die Kaisersäulen mit S. Peter und Paul auf ihren Gipfeln, tausend Bildsäulen von Päpsten und Heiligen [...], kurz ganz Rom, ein Monument der Kirche in allen ihren Epochen, von Nero und Constantin in bis zu Pius IX. Alles Zivile, Politische, Weltliche verschwindet darin, oder taucht nur auf als die graue Ruine einer Vorzeit, wo Italien nichts war, als eine Provinz von Rom, und die Welt nichts als eine Provinz von Rom. Die Luft Roms taugt nicht für ein frisch auflebendes Königtum, welches an seiner Residenz eines leicht zu behandelnden Stoffes bedarf, dem es sich schnell eindrücken kann, wie Berlin und Paris oder Petersburg. Der König von Italien wird hier nur die Figur machen, wie einer der Dacischen Kriegsgefangenen vom Triumphbogen des Trajan; größer wird er hier nicht aussehen.
Alles wird Rom verlieren, seine republikanische Luft, seine kosmopolitische Weite, seine tragische Ruhe." (S.793)
Über das Unfehlbarkeitsdogma: "Acron sagte mir, dass Hefele, der jetzige Bischof von Rottenburg, zu ihm geäußert habe: Deutschland werde in zwei Jahren protestantisch sein, wenn das Dogma durchgehen sollte. Die Jesuiten haben übrigens die Rechnung der Stimmen gemacht und gefunden, dass sie auf die große Mehrheit zählen können." (S.796)

Streit um Titel: Versailles, 17. Januar 1871
Ferner sagte er [Wilhem I.]  in äußerste Aufregung, er könnte uns gar nicht schildern, in welcher verzweifelter Stimmung er sich befände, da er morgen von dem alten Preußen, an welchem er allein festhielte und fernerhin auch festhalten wolle, Abschied nehmen müsste. Hier unterbrachen Schluchzen und Weinen seine Worte. Nun redete ich ihm allen Ernstes gut zu, indem ich auf unserer Hausgeschichte hinwies, und kurz schilderte, wie aus dem Burggrafentum, die Kurwürde und aus dieser die Krone entstanden sei, wobei die Fürsten doch auch jedes Mal genötigt gewesen wären, zu der bis dahin liebgewordenen Stellung eine neue hinzuzufügen, ohne dadurch Land oder Haus zu schädigen. Wenn König Friedrich I seinerzeit auch nur ein Scheinkönigtum "in" Preußen geschaffen habe, so weise, doch die preußische Geschichte deutlich genug nach, was aus diesem ursprünglichen Scheinkönigtum geworden sei: so mächtig sei / es geworden, dass gegenwärtig die alte deutsche Kaiserwürde auf uns übergehe. Der König ließ diese doch unschlagbaren historischen Tatsachen förmlich zurück und rief in der Aufregung aus: "Mein Sohn ist mit ganzer Seele bei dem neuen Stand der Dinge, während ich mir nicht ein Haar breit daraus mache und nur zu Preußen halte." (S.823)
  
 Marie Bashkirtseff  S.833 ff.

"Sonntag nacht, 1. Juni 1907
[...]Sie ist müde. Vorige Nacht lag ich in ihren Armen – und heute Nacht hasse ich sie – was bei Licht besehen, so viel heißt, dass ich sie anbete: dass ich nicht in meinem Bett liegen kann, ohne den Zauber ihres Körpers zu fühlen, was bedeutet, dass das Geschlecht mir wie nichts erscheint. All diese so genannten sexuellen Triebe, fühl ich viel stärker bei ihr als bei irgendeinem Mann. Sie bezaubert und versklavt mich – Und ihr persönliches Selbst – ihren Körper vergötterte ich unbedingt. Ich fühle, wenn ich meinen Kopf auf ihre Brust lege, dass ich fühle, was das Leben geben kann. All meine Unruhe, meine elenden Ängste sind weggefegt. Weg sind alle Erinnerungen an Caesar und Adonis, weg ist die schreckliche Banalität des Lebens. Nichts bleibt als die Zuflucht ihrer Arme.
Und vor einer Woche hätte ich natürlich alles ertragen können, weil ich nie erfahren hatte, was leben und geliebt zu werden – leidenschaftlich anzubeten, wirklich bedeutet. Aber jetzt fühle ich, wenn sie mir versagt ist, muss ich – meine Seele geht auf die Straße, und erfleht Liebe von dem zufälligen Fremden, bittet und bettelt um ein bisschen von dem kostbaren Gift. Ich bin halb verrückt vor Liebe. Sie ist im Augenblick wirklich alles für mich – mehr sogar als meine Musik – und jetzt entschwindet sie. Vorgefühl ist zu Wirklichkeit geworden. Die Seifenblase hat ihren Ursprung aus dem Feenreich erwiesen – das ist wirklich meine letzte derartige Erfahrung – meine allerletzte. Ich kann es nicht länger ertragen; es tötet meine Seele; jedes Mal empfinde ich es tiefer, weil jedes Mal der Dolch frisch in die Wunde dringt und das Messer neues Fleisch verletzt und die Qualen in dem alten wieder aufstört.
Neben mir brennt, golden und blütenhaft, die stille Flamme / der Kerze;  aber wenn ich hier lange genug sitze, wird sie flackern und vergehen. Und so ist das Leben und so – vor allem ist die Liebe – ein unfassbares, vorüber gleitendes fließendes Ding. Und ein dürrer und schrecklicher Pessimismus starrt mir ins Gesicht und ich klammere mich an alte Illusionen. Ich liebe Regenbogen und Kristallgläser. Der Regenbogen verblasst, und das Glas ist in tausend Diamantsplitter zersprungen. Wo sind sie verstreut, in der Unendlichkeit des Himmels, nach allen vier Windrichtungen – wohin?
In meinem Leben – so viele Liebe in der Fantasie, in Wirklichkeit 18 sterile Jahre – niemals ein reiner, unmittelbarer, zärtlicher Aufschwung. Adonis war – wenn ich tief in mein Herz hinein zu horchen, wage – nichts als eine Pose und nun kommt sie – und an sie geschminkt, ihre Hände umklammernd ihr Gesicht an den meinen bin ich ein Kind, eine Frau und mehr als ein halber Mann.
1. Juni
Und dann krochen Geräusche so nah heran, dass ich zurück ins Schlafzimmer ging und in der Dunkelheit mich aus dem Fenster beugte. Sie schlief friedlich. Ich konnte sie nicht wecken, ich versuchte sogar, aber vergeblich; und in jedem Augenblick schien mein Entsetzen zu wachsen. Sogar der Zaun im Hof war schreckerregend. Als ich auf die Pfähle starrte, wurden sie zu scheußlichen Chinesen – ganz lebendig und fürchterlich. Sie lehnten träge gegen nichts mit gekreuzten Beinen und wackelnden Köpfen. Es war schrecklich kalt. Ich lehnte mich weiter hinaus und beobachtete eine Gestalt. Er krümmte sich und schnitt Fratzen und schwankte hin und her – dann rollte sein Kopf unter das Haus – er rollte rundherum: ein schwarzer Ball – vielleicht eine Katze – und sprang in den Raum. Ich sah wieder auf die Gestalt– sie war gekreuzigt, hing leblos, aber grinsend vor mir. Tiefe Stille. Das war zu grässlich. Ich streifte mein Hauskleid und die Pantoffel ab und saß auf dem Bettrand, zitternd, halbweinend, hysterisch vor Kummer. Irgendwie wachte sie schweigend auf und rückte zu mir herüber – nahm mich wieder in den Schutz ihrer Arme auf. Wir legten uns, immer noch schweigend, zusammen hin, sie presste mich manchmal an sich, mich küssend, mein Kopf an ihrer Brust, ihre Hände um meinen Leib, mich liebevoll streichelnd /– mich wärmend, um mir wieder Leben zu schenken. Dann ihre Stimme, flüsternd, "Ist's jetzt besser, Liebling? Mit Worten konnte ich nicht antworten. Und wieder: "Du konntest es mir wohl nicht sagen." Ich schmiegte mich eng an ihren süßen, warmen Leib, glücklicher, als ich je gewesen bin, als ich mir je vorstellte, dass man es sein könnte – die Vergangenheit wieder begrabend, an ihr hängend, in dem Wunsch, die Dunkelheit möge ewig wären.
Niemals war das Besitzgefühl so stark, dachte ich. Hier kann nur ein einziger Mensch mit ihr sein. Hier kann ich durch tausend zarte Andeutungen ganz in ihr aufgehen – eine Zeitlang. Was für eine Erfahrung." (S.902-904)

Sieh auch:

René Hocke: Im Schatten des Leviathan