01 November 2025

Roger Willemsen. Enden der Welt

 Gibraltar

»Aber damit ist die Grenze des Nonplusultra doch schon überwunden«, widersprach Christa. »Genau, und deshalb lautete die Devise von KarlV auch Plus ultra! Und das, seit klar war, dass das Nonplusultra eben nicht das Ende der geographischen Welt bedeutete. Also: Plus ultra!«, rief ich noch und schnalzte mit der Zunge. »Dann ist dies jetzt der richtige Augenblick, dir zu sagen, dass ich hier umkehren werde«, antwortete sie und betrachtete mein verblüfftes Gesicht wie ein Exponat. »Hat sich deine Neugier erschöpft?« »Du hast sie erschöpft. Aber nimm's nicht persönlich.« Stunden später nahm sie den Zug nach Madrid, wo sie bei Freunden übernachten konnte. Ich brachte sie zum Gleis, wo wir uns zum Abschied tapfer auf den Mund küssten, um nicht zu gutmütig zu enden. Am nächsten Tag ließ ich die Säulen des Herkules hinter mir, erreichte Tanger und betrat ganz allein die jenseitige Welt.

Patagonien 

"Der verbotene Ort 

Ich reise aus einer Jahreszeit, die kommt, in eine Jahreszeit, die geht. Der Herbst Patagoniens aber hat mehr Mai in sich als unser März. Ich breche auf und denke an die allgemeine Erschöpfung, in die ich hineinreise, an die Gesten des Scheidens, Ablassens, Ermüdens und Kapitulierens in der Natur. Eine Reise führt fast immer irgendwo an die Abbruchränder zum Unvertrauten, dessen Vergangenheit und dessen Fortleben man nicht kennt. Zu Hause tritt man in die Erzählung wieder ein, aber auch sie ruckt und stockt zunächst, war man nur für eine Weile nicht ihr Zeitzeuge. Es gibt auf allen Reisen diese Stimmung, in der der Ausstieg dominiert. Noch ist man nirgends angekommen, noch möchte man nirgends ankommen. Fort will man sein, entkernt, gern heimatlos. Der Abschied vom Gewohnten korrespondiert mit den Durchgangs- und Warteräumen, in denen die Fremden schon präsent sind, ihre Erdteile einfließen lassen, sich zu einer Gesellschaft der internationalen Gesichter zusammenschließen und dahinter einfach das sind: müde, ungeschminkte, ambitionslos wirkende Gesichter. [...]"

Zum Anfang des Buches: Aufbruch