Und wirklich, er war es entschlossen, und sich rasch von seinem Schreibtisch erhebend, schob er einen Kaminschirm beiseit und trat an den kleinen Herd, um die Briefe darauf zu verbrennen. Und siehe da, langsam, als ob er sich das Gefühl eines süßen Schmerzes verlängern wolle, ließ er jetzt Blatt auf Blatt auf die Herdstelle fallen und in Feuer aufgehen. Das letzte, was er in Händen hielt, war das Sträußchen, und während er sann und grübelte, kam ihm eine Anwandlung, als ob er jede Blume noch einmal einzeln betrachten und zu diesem Zwecke das Haarfädchen lösen müsse. Plötzlich aber, wie von abergläubischer Furcht erfaßt, warf er die Blumen den Briefen nach.
Ein Aufflackern noch, und nun war alles vorbei, verglommen.
»Ob ich nun frei bin?... Will ich's denn? Ich will es nicht. Alles Asche. Und doch gebunden.« [...]
»Käthe, Puppe, liebe Puppe.«
»Puppe, liebe Puppe, das sollt' ich eigentlich übelnehmen, Botho. Denn mit Puppen spielt man. Aber ich nehm' es nicht übel, im Gegenteil. Puppen werden am meisten geliebt und am besten behandelt. Und darauf kommt es mir an.« [...]
»Hab' ich auch... Es ist doch zu komisch, was es für Namen gibt! Und immer gerade bei Heirats- und Verlobungsanzeigen. Höre doch nur«
»Ich bin ganz Ohr.«
»›Ihre heute vollzogene eheliche Verbindung zeigen ergebenst an: Gideon Franke, Fabrikmeister, Magdalene Franke, geb. Nimptsch‹... Nimptsch. Kannst du dir was Komischeres denken? Und dann Gideon!«
Botho nahm das Blatt, aber freilich nur, weil er seine Verlegenheit dahinter verbergen wollte. Dann gab er es ihr zurück und sagte mit so viel Leichtigkeit im Ton, als er aufbringen konnte: »Was hast du nur gegen Gideon, Käthe? Gideon ist besser als Botho.«
Für die, die den Roman nicht kennen, ist vielleicht nicht ohne weiteres zu erschließen:
Botho meint nicht allein die Namen Botho und Gideon, sondern auch die Personen. Vor allem aber vergleicht er Botho und Lene, und dabei ist für ihn noch viel klarer, wer besser ist.
Da aus der Sicht der Zeit Lene günstigstenfalls ein "gefallenes Mädchen" war, der Roman aber auch als "Hurengeschichte" bezeichnet wurde, will das etwas heißen.
Der Erzähler hat schon vorher klar gemacht, wem seine besondere Sympathie gilt. Jetzt lässt er spüren, dass Botho sich diesem Urteil anschließt. Aber er sagt es nicht ausdrücklich.
Für mich hat "Gideon ist besser als Botho" die Gewalt Schillerscher Dramenschlüsse ("Dem Manne kann geholfen werden", "Dem Fürsten Piccolomini", "Der Lord lässt sich entschuldigen, er ist zu Schiff nach Frankreich"). Aber es fehlt ihm das Pathos, und er bezieht sich nicht nur auf die Schlusssituation, sondern auf den gesamten Text.
Deshalb hat es mir Grass sympathisch gemacht, dass er diese Worte an hervorgehobener Stelle in seinem Fontaneroman "Ein weites Feld" zitiert.
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Ein Sohn seiner Zeit
vor 19 Stunden
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