05 Juli 2008

Der Engel eines großen Glücks

„Durch die kleine weiße Stube ging auf leisen Sohlen der Engel eines großen Glückes.“

So schließt das Buch. Man kann es dem Enkel Ludwig Ganghofers nicht ganz verdenken, dass er die Ausgabe von 2003 unter seinem Schriftstellernamen Stefan Murr so bearbeitet hat, dass die folgende etwa eine Seite davor stehende Passage jetzt fehlt:
Und trotz der geschlossenen Fenster klangen aus der Stube des Pointnerhofes zeternde Schmerzensschreie so laut in den Hofraum und auf die Straße, daß die Dienstboten zusammenliefen und die Nachbarsleute aus den Häusern sprangen. Nach einer Weile wurde es in der Stube des Pointners still, ganz still. Mit rotem Gesicht trat der Bauer aus der Haustür. Er schien die Dienstboten nicht zu sehen, die sich in Stall und Scheune verzogen. Schmunzelnd hob er die Faust, betrachtete den Riemen und atmete erleichtert auf: »Mein lieber Herrgott, ich dank dir, daß ich bloß den Riem in der Hand ghabt hab! Und net die Brechstang! Jetzt hätte ich nimmer gfragt, mit was ich zuschlag.« Er blies die Backen auf und ging zur Straße.
Vor dem Zaun des Försterhofes stand die Horneggerin, mit dem Netterl auf den Armen. »Aber Andres! Andres!« rief sie den Bauer an. »Du wirst doch um Gottes willen dein Weib net prügelt haben?«
»Und ghörig auch noch!« lautete die ruhige Antwort. »Sie hat's verdient. Und gsunde Schläg, dös is noch 's einzige, was ihr Mores beibringt. Ihr Vater hat's versäumt. Jetzt hab ich's wieder eingholt. Heut hat s' Respekt vor mir! Heut hat s' betteln können: Verzeih mir's, Andres, verzeih mir, lieber Andres! Jaaa, ›lieber‹ hat s' gsagt! Paß auf, Nachbarin, aus der mach ich noch die Brävste. Jetzt weiß ich, was hilft bei ihr. Paß auf, die kriegt mich noch gern!«

Schließlich ging es ihm laut Klappentext darum „die Stärken der Klassiker [gemeint sind Ganghofers bekannteste Romane] zeitgemäß und unverfälscht ins Bewusstsein des heutigen Lesers zu rücken“. Und da sich beides nicht gut vereinen ließ, hat er sich eben entschieden.

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