25 Oktober 2019

Nobelpreis für Literatur

Die ersten deutschen Nobelpreisträger für Literatur waren der Historiker Theodor Mommsen (1901) und Paul Heyse (1910).
Als Nobel den Preis einsetzte, lebte Fontane noch, bei der ersten Preisvergabe 1900 nicht mehr. Aber dafür hatten schon mindesten zwei andere Autoren die Werke geschrieben, die heute weit höher geschätzt werden, als alles, was Paul Heyse je verfasst hat.
"Die Weber" und die "Buddenbrooks". Ich brauche die Autoren nicht zu nennen. Ganz eindeutig ist, dass diese Werke den Rang dieser Autoren unabhängig von dem, was sie sonst geschrieben haben oder geschrieben haben könnten, weit über den eines Paul Heyse erhoben hatten.
Ob man Peter Handke wegen politischer Äußerungen, die er getan hat, den Preis vorenthalten hätte, ändert nichts an seinem Rang und damit an der Rechtfertigung der Vergabe aufgrund seiner literarischen Qualität.
In hundert Jahren wird man nicht mehr nach seinen politischen Äußerungen fragen, sondern danach, ob sein Werk Bestand gehabt hat.
Einigermaßen grotesk ist die Vorstellung, Franz Kafka oder Bertolt Brecht hätten den Literaturnobelpreis erhalten haben können. Bei Brecht mag man zweifeln, bei Kafka dürfte jetzt schon sicher sein, dass sein Beitrag zur deutschen und zur Weltliteratur höher eingeschätzt werden wird als der aller anderen deutschen Literaturnobelpreisträger.

Die Diskussion über Peter Handkes politische Äußerungen hat also wenig mit der Berechtigung oder Nichtberechtigung der Preisverleihung an Handke zu tun.
Was den literarischen Rang betrifft, verdient er ihn sicher mehr als Paul Heyse, und insofern scheint es mir begrüßenswert, wie viel stärker sich das Nobelpreiskomitee 2019 am literarischen Rang orientiert hat als 1910 oder zu Kafkas und Brechts Zeiten.

Über seine Epik:

"[...]
Der Epiker 
Peter Handkes schönster Roman ist gar keiner, jedenfalls wenn es nach der Gattungsbezeichnung geht, die diesem Buch fehlt: „Die Wiederholung“, erschienen 1986, beschreibt die Reise eines jungen Mannes aus Kärnten durch Jugoslawien auf den Spuren seines verschollenen Bruders und ist zugleich ein aus dem Abstand von fünfundzwanzig Jahren verfasster Kommentar zu dieser Reise, eine doppelte, vertiefende Wiederholung also samt einer Fülle von weiteren Doppelgängern des Erzählers. Geschrieben ist dieses Buch in einer Prosa, die sinnlich und reflexiv zugleich ist, ohne dass das eine das andere überlagerte und ohne dass die enthaltene Geschichte einer beglückenden Heilung allzu aufgesetzt daherkäme – Qualitäten also, die man in späteren Werken des Autors vermissen kann. Tatsächlich füllen die Prosa-Arbeiten Handkes, die gerade im Rahmen einer schmucken Werkausgabe erschienen sind, sechs schwere Bände von zusammen gut 5200 Seiten (nicht gerechnet die Gedichte und Theaterstücke*, die noch einmal drei Bücher einnehmen).
Als „Roman“ werden darin nur vier Texte bezeichnet, und während über den sperrigen Gestus der „Hornissen“, 1966 Handkes Debüt bei Suhrkamp, und des „Hausierers“ (1967) die Zeit hinweggegangen ist, gehen die späten Romane „In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus“ (1997) und „Der Bildverlust“ (2002) den Weg weiter, den Handke in den späten Siebzigern eingeschlagen hatte.
Hier tritt nun zu der bereits frühen selbstreflexiven Grundierung und Binnenspiegelung der erzählenden Texte – als Romancier kann man Handke daher durchaus in der Nähe der Romantiker ansiedeln – ein religiös überhöhter Ton. Bisweilen wi
rd dabei sogar die Grenze zum bedeutungsheischenden Sprachkitsch überschritten."
FAZ 6.12.19


* z.B. Publikumsbeschimpfung

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