03 August 2020

Deutsche Freunde - Zwölf Doppelporträts

Deutsche Freunde - Zwölf Doppelporträts herausgegeben von Thomas Karlauf stellt 12 durchaus bemerkenswerte Freundschaften vor. Was aber gewiss nicht stimmt, ist, dass es, wie die Verlagsreklame es darstellt, die "schönsten Beispiele" für Freundschaft unter Männern wären. Zumindest die Beiträge über Metternich und Friedrich von Gentz sowie über die Fußballweltmeisterschaftsmannschaft von 1954 arbeiten deutlich heraus, dass es sich nicht um wirkliche Freundschaften handelte. 

"In zwölf Essays beschäftigt sich dieser Band mit dem facettenreichen Begriff Freundschaft. Inwieweit sind Freundschaften aus der Schul- oder Studienzeit prägend für die Entwicklung eines Menschen (Hegel, Schelling, Hölderlin)?; Warum suchen sich Politiker ihre Freunde unter Industriellen oder Bankiers (Adenauer, Heinemann)?; Die Altersfreundschaft zwischen Goethe und Zelter; Das Zweckbündnis von Metternich und Gentz; Die Bedeutung von Freundschaften unter Philosophen (Heidegger und Jaspers) und Naturwissenschaftlern (Einstein und Haber)"
(https://www.goodreads.com/book/show/5111471-deutsche-freunde-zw-lf-doppelportr-ts)

Am bemerkenswertesten erscheinen mir die Freundschaft Adenauers mit Dannie Heinemann, die eben nicht - wie bei goodreads angegeben - eine typische Freundschaft zwischen Politiker und Bankier mit gemeinsamen Interessen (wie etwa bei Adenauer und Robert Pferdmenges, dem Mitbegründer der CDU im Rheinland) war, sondern eine persönliche Freundschaft, die auch lange Perioden äußerer Entfernung und unterschiedlicher Interessen überstand. Und andererseits die zwischen Einstein und Fritz Haber dem "Vater des Gaskriegs" im Ersten Weltkrieg.
Über die beiden schreibt Fritz Stern unter dem Titel "Freunde im Widerspruch" (S.222ff.) Als Gemeinsamkeit der beiden sieht er ihre große Hingabe an die Wissenschaft an, die Einstein einmal folgendermaßen erklärte: "Der Gefühlszustand, der zu solchen Leistungen befähigt, ist dem des Religiösen oder Verliebten ähnlich; das tägliche Streben entspringt keinen Vorsatz oder Programm, sondern einen unmittelbaren Bedürfnis." 
Beide Männer besaßen diese Sendungsbewusstsein, diese Auffassung von Wissenschaft als Berufung zu einem besonderen Priestertum für einen Glauben, der gerade erst entstanden war. Haber und Einstein gehörten einer Generation an, die an den Grenzen des Wissens stand. [...] Noch gab es wenig Riesen, und diese verfügten souverän über ein breites Wissen." (S.228)
Haber und Einstein wählten in Übereinstimmung mit ihrer jeweiligen Herkunft, ihrem Charakter und ihrem Streben entgegengesetzte Wege. [...] Einsteins Entscheidungen waren ungewöhnlich und bestätigten seiner Außenseiterposition" (S.230/31)
"Einstein verließ Deutschland als freiwilliger Flüchtling und verzichtete gleichfalls auf seine Staatsbürgerschaft. Er verhielt sich so, um nicht in der deutschen Armee dienen zu müssen und aus Abneigung gegen das deutsche Leben. (S. 233)
Haber glaubte, die Wissenschaft habe in Kriegszeiten vielerlei Aufgaben, unter anderem auch, die Kampfkraft der Armee zu verbessern. [...] Haber erwies sich als glänzender Organisator, ja als Erbauer eines kriegswirtschaftlichen Imperiums, und er trieb rastlos seine Untergebenen ebenso an wie sich selber." ( S. 238) 

Der Krieg trennte Haber und Einstein zeitweilig; sie hatten an entgegengesetzten extremen Polen gestanden. Beide Männer waren – wie die Nation überhaupt durch den Krieg von Grund auf politisiert worden. [...] für Einstein bedeutete die Niederlage Befreiung, für Haber bedeutete sie Zerstörung [...] Haber und Einstein – wie auch ihre nächsten Freunde, darunter Plank, Laue und Nernst – akzeptierten, freilich oft mit tiefen Zweifeln, die neue Lage und versuchten, mit der neuen Regierung zu arbeiten, um das zu retten, was sie retten konnten. [...] zwischen den beiden Gruppen, zwischen der kleinen Gruppe vernünftiger Männer und der großen Masse vorurteilsgeladener Unzufriedener, gab es wiederholte Konflikte, die schließlich Haber, Einstein und ihren Freundeskreis wieder enger zusammen brachten." (S.240/41)
Über Einstein: "Nach dem Krieg und gewissermaßen durch den Krieg gerechtfertigt verschrieb er sich mehreren Idealen: dem Pazifismus, dem Internationalismus, dem Zionismus und einem gemäßigten Sozialismus, Ideale, die ihn der deutsche Imperialismus gelehrt hatte." (S.243)
"Rechtsstehende Kollegen und verschreckte Bürger verabscheuten Einstein. Dieser ließ sich nicht abschrecken. Er hielt Reden, schrieb Artikel und verwandte dabei einen eigenartigen, philosophisch-polemischen Stil, durchzogen von ironischen Bedauern über die Wahnvorstellungen und Schwäche der Menschen im allgemeinen und der Deutschen im besonderen. Er wusste, wie die deutsche Seele zu verletzen sei, und wurde oft genug provoziert, um sich dieser Fähigkeit zu bedienen. [...] Die gegen ihn gerichteten Angriffe bestätigten Einstein nur in seinem Misstrauen gegen die Deutschen und ihren – wie er es auch jetzt noch nannte – 'angeborenen Untertanengeist'. Haber teilte solche Verdächtigungen nicht. Auch er traf jedoch auf den dunklen Untergrund des deutschen Lebens durch die Verleumdungen, denen seine Freunde und zeitweilig ebenso er selbst ausgesetzt waren.
Die ersten Monate, nachdem Einstein zu Weltruhm aufgestiegen war, ließen die Zwiespältigkeit seiner öffentlichen Existenz in Deutschland hervortreten. Im Februar 1920 wurde seine Universitätsvorlesung unterbrochen. Der äußere Anlass war, dass Studenten gegen die Anwesenheit von Nicht-Studenten protestierten, die Presse hob jedoch antisemitische Untertöne hervor. (Seite 243/44)
"Haber und Einstein trafen einander in den Versammlungen der preußischen Akademie, welche Einstein mit erstaunlicher Regelmäßigkeit besuchte, und bei anderen beruflichen Anlässen. Des weiteren trafen sie sich bei halb-amtlichen oder geselligen Veranstaltungen und verbrachten manchmal ihre Ferien zusammen. [...] In den Jahren 1919/20 wurde Haber erneut der väterliche, praktische Freund, den Einstein brauchte und suchte. Einstein brauchte Haber als Vermittler in den Beziehungen zu seiner früheren Frau. Haber sagte Einstein, welche Beträge er an Mileva zu senden habe und wie er dies bewerkstelligen solle." (S. 245)
Einstein: "Keiner könne ihn beschuldigen, gegenüber seinen deutschen Freunden untreu zu sein, nachdem er Angebote aus aller Welt abgelehnt habe. 'Dies tat ich übrigens nicht aus Anhänglichkeit an Deutschland, sondern an meine lieben deutschen Freunde, von denen sie einer der ausgezeichnetsten und wohlwollensten sind.' " (S. 247)
"In den zwanziger Jahren war Einsteins pure Existenz ein Aktivposten für Deutschland, so zumindest sah es das Auswärtige Amt des Reiches. Seine Reisen nach Nord- und Südamerika, Asien und in Europa kamen einem Siegeszug gleich, der unvermeidlich auch den Deutschen zugute kam. (S. 247/48)
"Für Fritz Haber bedeutete der Aufstieg der Nazis das Ende seines aktiven Lebens." (S. 250) 

"Haber litt Seelenqualen, wie seine Briefe aus dieser Zeit erkennen lassen. Er fühlte sich zerrissen: Sorgen über die eigene materielle Existenz und seine Verpflichtung anderen gegenüber standen im Widerstreit mit seinem Gefühl, dass es für ihn unvereinbar war, jüdische Kollegen zu entlassen und gleichwohl in seinem Amt auszuharren. [...]
Habers Amtsniederlegung haftet etwas Ergreifendes und Beispielhaftes an. Es mag falsch sein, das Unglück eines Mannes in einer Zeit des Unheils hervorzuheben. Aber Habers Schicksal lässt exemplarisch die psychische (und insofern in einem gewissen Ausmaß auch die physische) Zerstörung dessen erkennen, was das Leben der deutschen Juden bestimmt hatte." (S. 251)


Eine besondere Rolle spielt auch Nietzsche Beziehung zu Erwin Rohde, der ohne Nietzsche wohl nur noch in Fachkreisen bekannt wäre, aber den Vorzug hatte, der erste wichtige Freund zu sein, auch wenn im späteren Leben auch Frauen wie Lou Andreas-Salomé, Malvidia von Meysenbug und nicht zuletzt auch der zeitweise mit  Lou Andreas-Salomé liierte Paul Rée für Nietzsche eine wichtige Rolle spielten.

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