Gustav René Hocke: Europäische Tagebücher aus vier Jahrhunderten
Kierkegaard hat einmal geäußert: Alle Einzeltagebücher zusammen könnten das Tagebuch Europas genannt werden. Unabhängig von einander geschrieben, aber gemeinsam Ausdruck der Entwicklung des kulturellen Europa.
Etwas Ähnliches versucht Hocke mit seiner Sammlung:
1. Strukturen und Antriebe 15
2. Selbst – und Weltbeobachtung 37
John Dee: "Es war am achten Tag, einem Mittwoch Zwischenraum, als ich in meinem Zimmer ein eigenartiges, Klopfgeräusch hörte; ein laut wiederholte sich zehnmal, wie der Schrei einer Eule klang er; doch länger gezogen, sanfter, als wenn es im Zimmer selbst gewesen wäre. Die ganze Nacht hindurch klopft und polterte es in meinem Zimmer. - Traum, nackt zu sein; meine Haut war mit Stoff mit Wolf franzen bedeckt, in einer Mischfarbe von blau und rot; und auf meinem linken Arm las ich in Transform. Die Worte sine me nihil potestis facere. Samstagnacht träumte mir, ich sei tot und meine Eingeweide würden ausgenommen. Doch ging ich und sprach mit verschiedenen Leuten, unter anderem auch mit dem Schatzkanzler, der zu mir ins Haus gekommen war, um nach meinem Tode meine Bücher zu verbrennen; mir war es, als sehe er mich erbittert an." (S. 55)
"[...] Vorstufen der subjektiven deutschen Tagebuchliteratur, die in ihrer typischen Prägung erst Mitte des 18. Jahrhunderts mit dem Pietismus / einsetzt. Damals schon wurde Deutschland ein tagebuch-führendes Land par excellence. Ursache sind unter anderem die vielen Kriege, sozialen Revolutionen und Glaubenskämpfe, die den einzelnen Menschen auf sich selbst verwiesen und seine Neigung verstärkten, als Zeuge über die erschütternden Erlebnisse der Reformationszeit und des alles in Frage stellenden 30-jährigen Krieges zu berichten, zunächst einmal für sich selbst, dann auch für die eigenen Nachkommen wie für die Nachwelt, überhaupt. [...] Deutsche Tagebücher dieser Zeit künden also eher von verstärktem Beobachtungssinn als vom Einsetzen der Reflexion, mehr von wachsendem Gefühl für das Private als von Selbstanalyse." (Seite 57/58).
"Die Tagebücher von Casaubonus gehören zu den persönlichsten ihrer Zeit und leiten, mit den tagebuchartigen Lebenserinnerungen des Baseler Medizinstudenten, Felix Platter (1536-1614), die so reiche und vielfältige Schweizer Diaristik ein, die von Haller und Lavater über Amiel und Keller weiterführt bis zu Ramuz und Frisch. Das Tagebuch von Casaubonus hat auch einen eminent kulturhistorischen Wert, ähnlich wie das "Bordbuch" von Christoph Kolumbus (1451-1506), wie das Visions-Diario von Ignatius von Loyola und die Aufzeichnungen des Florentinischen Malers Jacopo da Pontormo. Der Genfer Altphilologe und Philosoph begann ein Tagebuch am 18. Februar 1597 im Alter von 38 Jahren; er / führte es 17 Jahre lang, bis kurz vor seinem Tode. Durch seine vielseitigen Lektüreberichte wird dieses Tagebuch, ähnlich wie das von Martinus Crusius zu einem wichtigen Spiegel der Bildungsgeschichte seiner Zeit. (S.61/62)
3. Steigerung und Auflösung der Person 76
4. Liebe, Erotik, Sexualität, 100
5. Angst vor dem Nächsten und Kritik an der Umwelt 162
6.Zeugenberichte und Zeitkritik, 194
7.Diaristische Menschenkunde 268
8. Schöpferische Probleme
9. Philosophie und Selbsterfahrung, 369
10. Chronik des Absoluten 404
Befreiung von Ich und Welt 404
Durchbruch der "geschlossenen" Person 410
Der mystische Dialog 430
Die Hinwendung zum Nächsten 452
Auswertungen: Mythik des Tagebuchs 483
Europa – suchendes Erschaffen 483
Mythen als Existenzsymbole 487
Dass Ich und die Genesis der Zeit 509
Ökumene der Liebe 519
Sieh auch:
René Hocke: Im Schatten des Leviathan
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