12 Oktober 2012

Mo Yan und die chinesische Literatur

Hat er sich mehr mit den Mächtigen arrangiert als Goethe? Ist er preiswüdiger als der sympathische, aber relativ bedeutungslose Paul Heyse (der freilich erst mit 80 Jahren und lange nach dem Ende seines Ruhms den Preis erhielt)? Ich weiß nicht wirklich genug über Mo Yan, der "mit halluzinatorischem Realismus Märchen, Geschichte und Gegenwart vereint”, um es nur im Ansatz beurteilen zu können. Es wird wohl auch nie anders werden. Trotzdem sammle ich hier ein bisschen.

Interview von 2009

Wolfgang Kubin, ein Kritiker der "Leisetreterei" in der modernen chinesischen Literatur:

"Das China von Heute ist ein China, das weh tut - in vielfacher Hinsicht. Bis 1992 war Geld verdienen in China verpönt. Der Konfuzianismus und auch der Maoismus betonen andere Werte, nämlich die Werte der Selbsterziehung. Man verdiente und arbeitete nur so viel, dass man leben, überleben konnte, man arbeitete nicht, um in Saus und Braus leben zu können. Das ist auch ein wesentlicher Grund, warum die Händler, die Kaufleute sowohl im traditionellen China als auch unter Mao Zedong verachtet waren, denn Händler und Kaufleute, die bringen Unruhe, die ziehen herum und wollen das Geld mehren. Die haben andere Werte und diese Werte stellen die Selbsterziehung, die Selbstbildung des Menschen in Frage. In meinen Augen waren die 80er Jahre - als Geld verdienen unwichtig und Diskutieren das Wichtigste war - politisch, intellektuell, kulturpolitisch, literarisch die fruchtbarsten Jahre überhaupt. [...]
Seit dem chinesischen Altertum weiß man, man wird auf drei Art und Weisen unsterblich: durch hohe Moral, durch Tugend bzw. Verdienst und durch das hinterlassene Wort. Dahinter steckt die magische Vorstellung, dass das geschriebene Wort den Kontakt mit dem Jenseits aufrecht erhält, mit den Ahnen. Die vergotteten Ahnen, die Götter, die Geister sie nehmen das Wort wahr. Für sie schreiben die Dichter. Der große Dichter Du Fu (712-770), schrieb, dass, nachdem er seinen Vers vollendet hatte, die Götter zu weinen begannen."
Interview in FR vom 16.3.2009

Kubin, Mo Yan und Du Fu scheinen mir einander näher, als es Kubins kritische Aussage über die chinesische Gegenwartsliteratur in China nahe legt.

Mo Yan sagt: "Die Zeitungen übertreiben Chinas Schönheit und wir Schriftsteller vergrößern seinen Schmerz." Kubin sagt: "Das China von Heute ist ein China, das weh tut" und Du Fus Götter weinen über chinesische Literatur.

Kritik am Nobelpreis für Mo Yan:
Man sollte mal bedenken, dass in China bis heute Schrifsteller in Haft sitzen, weil sie regierungskritische Schriften verfasst haben.In diesem Land herrscht eine allgemeine Zensur, viele mutige Schriftsteller werden für ihr Gewissen bestraft. Es gibt genug Vertreter der chinesischen Literatur, die noch weitaus repräsentativer für die chinesische Literatur sind als Mo Yan. Bei Dao zum Beispiel.
Diese Verleihung setzt ein fatales Zeichen und führt den Chinesen in aller Klarheit noch mal vor Augen, wie ignorant die westliche Gellschaften gegenüber den Menschenrechten in China sind.
Professor Cui Weiping aus China kommentiert zu der Verleihung:
"Dies ist eine Welt, die Tyrannen bei ihrer Tyrannei unterstützt. Dies ist ein schwerer Schlag gegen alle Schriftsteller in Haft und alle Menschen, die unter der Verfolgung der Zensur leiden müssen."

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