14 Juni 2016

Sancho Pansa erhofft weiterhin Wundertaten von Don Quijote

Da Don Quijote nicht weiter durch die angebliche Prinzessin getäuscht werden kann, beschließen Pfarrer und Barbier, ihn als Gefangenen nach Hause zurück zu schaffen. Sie fesseln ihn und stecken ihn in einen Käfig, den sie auf einem Ochsenwagen nach La Mancha fahren.  Don Quijote glaubt sich verzaubert, Sancho Pansa glaubt nicht daran, aber weiterhin an Wundertaten von Don Quijote.

Sancho Pansa, der herbeigekommen war, um das Gespräch mit anzuhören, krönte nun noch das Werk, indem er sagte: »Ihr mögt nun, mein Herr, das, was ich sprechen will, gut oder übel nehmen, so ist es doch wahr, mein Herr Don Quixote ist sowenig verzaubert wie meine Mutter; er hat seinen vollkommenen Verstand, er ißt und trinkt und verrichtet seine Notdurft wie die übrigen Menschen, und wie er es gestern tat, ehe er in dem Vogelbauer saß. Wenn das nun ist, wie wollt Ihr mir denn weismachen, er wäre verzaubert? denn ich habe mir von allen Leuten sagen lassen, daß die Verzauberten weder essen noch schlafen, noch sprechen, und mein Herr, wenn es ihm gerät, wird gleich mehr als dreißig Sachwalter reden.« Er wandte sich hierauf um, sah den Pfarrer an und fuhr so fort: »Ei, Herr Pfarrer, Herr Pfarrer! Denkt Ihr denn, daß ich Euch nicht kenne? Denkt Ihr denn, daß ich das nicht einsehe und begreife, wohinaus Ihr mit diesen Euren Verzauberungen wollt? Ja, ja, ich kenne Euch, wenn Ihr das Gesicht auch noch so sehr verdeckt, denn ich weiß, was Ihr wollt, wenn Ihr das Ding auch noch so fein anfangt. Denn mit einem Worte, wo der Neid herrscht, da kann die Tugend nicht leben, und wo ein Geizhals Herr ist, da ist keine Freigebigkeit zu finden. Der Teufel hat sich dazwischengegeben,[409] denn wenn Euer Ehrwürden nicht gewesen wären, so wäre schon in dieser Stunde mein Herr mit der Mikomikonischen Infantin verheiratet, und ich wäre zum wenigsten Graf, denn was Geringeres konnte ich nicht von meinem gütigen Herrn Traurige Gestalt und von der Größe meiner geleisteten Dienste erwarten; aber jetzt sehe ich, daß das wahr ist, was man wohl zu sagen pflegt, daß das Glücksrad schneller läuft als ein Mühlenrad und daß das, was gestern oben in den Lüften war, heute unten auf der Erde ist. Es ärgert mich nur wegen meiner Kinder und meiner Frau, denn wenn sie nun mit vollem Rechte erwarten können, daß ihr Vater durch die Tür als Statthalter hereintritt oder als Vizekönig von einer Insel oder einem Reiche, so kömmt er dafür als Pferdeknecht wieder. Was ich gesagt habe, Herr Pfarrer, soll nur dazu dienen, Euer Ehrwürden das Gewissen ein bißchen zu schärfen, weil Ihr meinem Herrn so schlecht begegnet und Euch Gott auch einmal in jenem Leben wegen der Gefangennehmung meines Herrn zur Rechenschaft ziehen kann, da Ihr jetzt alle edle Taten und Hülfeleistungen vereitelt, die mein Herr Don Quixote in der Zeit seiner Gefangenschaft vollbringen könnte.«
»Hier gäb es noch eine Nase zu putzen«, sagte hierauf der Barbier, »so seid Ihr denn auch, Sancho, von der Brüderschaft Eures Herrn? Beim Himmel, es täte not, daß Ihr ihm im Käfige Gesellschaft leistetet und bezaubert würdet wie er, weil Euch seine Ritterschaft ebenfalls angesteckt hat. Ihr geht zu Eurem Unglück mit seinen Versprechungen schwanger, und zu Eurem Unglück ist Euch die Insel in den Kopf gestiegen, nach der Ihr so gierig seid.«
»Ich bin von niemandem schwanger«, antwortete Sancho, »und ich bin nicht der Mann darnach, daß ich mich schwängern ließe, und wenn es der König wäre; und wenn ich auch arm bin, so bin ich doch ein alter Christ und keinem was schuldig, und wenn ich Inseln haben will, so wollen andere Leute wohl noch was Schlimmeres haben; jeder hat seine Taten zu verantworten, und wenn ich nur ein Mensch bin, so kann ich wohl Papst werden, wieviel mehr Statthalter einer Insel, vollends wenn mein Herr so viele gewinnt, daß er nicht weiß, wo er damit hin soll. Überlegt Eure Reden ins künftige, Herr Barbier, denn das ist noch nicht alle Kunst in der Welt, den Bart zu putzen, Ihr habt noch manches zu lernen, denn es ist noch nicht aller Tage Abend. Ich sage das nur, weil wir uns alle kennen, und daß ich mich auf kein falsches Spiel einlasse, in Ansehung der Verzauberung meines Herrn, so weiß Gott die Wahrheit, und dabei wollen wir's bewenden lassen, denn es stinkt noch mehr, wenn wir's umrühren.«
(Cervantes: Don Quijote, 1. Teil 5. Buch 6. Kapitel)

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