29 September 2021

Boris Pasternak: Doktor Schiwago

 Doktor Schiwago (Wikipedia)

Zitate:

"Das Bewusstsein ist Gift, ein Mittel der Selbstvergiftung für das Subjekt, das es an sich selber zur Anwendung bringt. Das Bewusstsein ist es, das nach außen dringt, es leuchtet uns voran auf unserem Weg, damit wir nicht stolpern. [...] Sowie sich dieses Licht nach innen wendet, wird eine Katastrophe die unweigerliche Folge sein. [...] Der Mensch in den anderen Menschen, das ist die eigentliche Seele des Menschen. Das ist es, was sie sind. Das ist es, was ihr Bewusstsein geatmet hat, wovon er sich ernährt, was das ganze Leben erfüllte." (1. Buch: Weihnachten bei Swentizkijs Abschnitt III, Seite 83)

Das sagt Juri Schiwago, um Anna Iwanowna Gromeko nach einem Selbstmordversuch zu trösten.

"Für einen Augenblick erschloss sich ihr aufs Neue des Lebens Sinn. Sie erkannte, dass sie hier war, um sich in der fast unfassbaren Schönheit und Herrlichkeit der Erde zurechtzufinden und um allen Dingen einen Namen zu geben." (1. Buch: Weihnachten bei Swentizkijs Abschnitt III,  Seite 91)

Das sind Gedanken Larissa („Lara“) Fjodorowna Guishards, als sie sich im Haus Kologriwvo "überflüssig" (S.92) fühlt. 

In beiden Fällen macht der Erzähler deutlich, dass diese Überlegungen nicht zum Selbstverständnis dieser beiden Hauptpersonen des Romans passen.

20 September 2021

Felicitas Hoppe: Die Nibelungen. Ein deutscher Stummfilm

Verlagsankündigung

Rezension vom Südwestdeutschen Rundfunk SWR2 7.9.21

Rezension in der Süddeutschen Zeitung 13.9.

"Das konnte Felicitas Hoppe nicht ahnen, als sie ihren langjährigen Vorsatz verwirklichte, das Nibelungenlied neu zu erzählen - dass das "dreifache G", ihre griffige Abkürzung für Kriemhilds Brüdertrio Gunther, Gernot und Giselher, bei Erscheinen des Buchs als Formel für Seuchenbekämpfung kursieren würde. Sollen wir uns nun, angesteckt von Hoppes unbändiger Fabulierlust, unter "Geimpft, Genesen, Getestet" drei Recken vorstellen, die ausziehen, das Virus zu besiegen? Lieber nicht, denn es nimmt mit den dreien ja ein schreckliches Ende [...] 

Dass die Inszenierungsgeschichte der Spiele wiederum auch eine "G-Trilogie" verzeichnet, ist kaum zu glauben, aber wahr: Es verbergen sich dahinter die Stücke "Gemetzel", "Gold" und "Glut" (Nibelungenfestspiele Worms von 2015-2017) von Albert Ostermaier, der damit Kernthemen des Nibelungenmythos stabreimend auf den Punkt brachte. Das 2016 uraufgeführte "Gold" trägt den Untertitel "Der Film der Nibelungen" und schildert schrill das "Making-of" einer neuen Kinovariante des blutgetränkten Stoffs. Wenn Felicitas Hoppe nun ihrerseits die Perspektive der Verfilmung einnimmt und die Wormser Freilichtbühne zum Ausgangspunkt ihrer ausschweifenden Nibelungenfantasie macht, mag das epigonal anmuten. Doch selbstverständlich verfolgt sie, die literarische Forschungsreisende aus Leidenschaft, zu Wasser wie zu Lande ihre eigene Spur. [...]"

Felicitas Hoppe im Gespräch über ihr Buch (mit kurzer Lesung einer Textstelle über Hagen)

zur Rezension in der Welt (11.9.21) : Perlentaucher

Rezensent Richard Kämmerlings hat keine Sorge um den Mythos, der überlebt alles, glaubt er. Felicitas Hoppes Adaption des Nibelungen-Stoffes sowieso, denn Hoppe schafft "subtile Meta-Narration", die allenfalls augenzwinkernd nach "der" Wahrheit hinter dem Mythos sucht, wie der Rezensent erleichtert feststellt. Die Idee, eine Nibelungen-Theaterinszenierung nachzuerzählen und Darsteller sowie die Regisseurin zu Wort kommen zu lassen, scheint für Kämmerlings aufzugehen, auch wenn von Stummfilm eigentlich keine Rede sein kann, wie er findet.

 Rezension in der FAZ 17.9.21

mehr zum Nibelungenlied in diesem Blog


15 September 2021

Wissenschaftsleugnung?

 In der Coronakrise werden politische Entscheidungen oft mit wissenschaftlichen Studien begründet. Angesichts der explosionsartig angestiegenen Forschung zu epidemologischen Fragen im Zusammenhang mit Corona und Coronamaßnahmen repräsentieren Einzelstudien freilich nur im Ausnahmefall einen etablierten Wissenschaftsstand. 

Mehr dazu in einer Stellungnahme des sächsischen Ärzteblatts (pdf).

Der dort verwendete Ausdruck "evidenzbasiert", der seit 2000 im deutschen Sprachraum gebräuchlich geworden ist, ist freilich missverständelich. Korrekter wäre die Formulierung "nachweisorientiert". Dazu die Wikipedia unter Evidenzbasierte Medizin:

"Während evidence im Englischen je nach Kontext die Bedeutungen ‚Beweis‘, ‚Beleg‘, ‚Hinweis‘ oder ‚Zeugenaussage‘ hat, ist die Bedeutung von Evidenz im Deutschen Offensichtlichkeit (die keines Beweises bedarf) (englisch: obviousness). Deshalb wurde vorgeschlagen, im Deutschen die Bezeichnung nachweisorientierte Medizin zu verwenden, was sich jedoch nicht durchgesetzt hat.[4] Im Jahre 2000 wurden „evidenzbasierte Leitlinien“ in das deutsche Sozialgesetzbuch (§§ 137e, 137f, 137g, 266 SGB V, Strukturierte Behandlungsprogramme bei chronischen Krankheiten) eingeführt.[5][6]"

14 September 2021

Ilse Gräfin von Bredow

 Ilse Gräfin von Bredow

Kartoffeln mit Stippe. Eine Kindheit in der Märkischen Heide (Roman)

Kein Kunstwerk, aber sehr schwungvoll erzählt. Ausgesprochen leichte Lektüre. 1979 40 Wochen lang an der Spitze der Bestsellerlisten. Durchweg flache Charaktere, aber nirgendwo gekünstelt. 

Über die Fernsehserie: „Kartoffeln mit Stippe“ ist die Verfilmung des Bestsellerromans von Ilse Gräfin von Bredow. Der dreiteilige Film erzählt von dem Leben einer alten Adelsfamilie in den 20er Jahren, die in einem einfachen Forsthaus in der Mark Brandenburg lebt. Im Mittelpunkt steht die Familie von Retzlow und die Ereignisse im Dorf in der schönen, aber rauen brandenburgischen Landschaft. 

Josepha von Zedlitz, geb. von Bredow