26 August 2025

Thomas Mann: Königliche Hoheit

 Wenn man die Namenswahl, Titel und Berufsbezeichnungen der handelnden Personen in diesem Großherzogtum von 8000 km² und 1 Mill. Einwohnern betrachtet: Hauptmann Lichterloh,  Graf Schmettern, Doktorin Gnadebusch, die Hebamme, den Hofprediger Oberkirchenratspräsident D.W. so fühlt man sogleich die ironische Distanz des Erzählers. Man könnte an eine Satire denken. 

Das ist es nicht. Doch die "unrentable" Eisenbahn, die Zerstörung der Finanzkraft des Landes durch Umweltzerstörung, die Kritik an der Torheit von falschen Schulzuweisungen, all das ist ernst gemeint. Dennoch dieser ironische Abstand von der  Wilheminischen Ära, mit dem diesem an zweiter Stelle Thronberechtigten, der äußerlich sehr deutlich Wilhelm II.  nachgebildet ist, aber in seiner seelischen Situation ein wenig verfremdetes Bild des damaligen Verfassers Thomas Mann ist (zweiter Sohn und zunächst weit hinter seinem Bruder Heinrich zurückstehend). 

Die märchenhafte Begegnung dieses Erben, der unter Verpflichtungen der Tradition leidet wie Hanno Buddenbrook (und Thomas Mann), mit der Erbin eines Superreichtums entfernt sich dann vom satirischen Einschlag und ähnelt sehr dem, was Thomas Mann sehr bewusst angesteuert hat, um ganz seiner Bestimmung als Schriftsteller zu leben, ohne wie Oscar Wilde die Ächtung durch die Gesellschaft fürchten zu müssen (dennoch hat er nie ein Outing für möglich gehalten, wie sein ältester Sohn es ihm vorlebte).

Er wählte ein "strenges Glück" (die letzten Worte des Buches). 

Schon vor seiner Hochzeit (Königliche Hoheit erschien erst 1907, nach der Geburt seines 3. Kindes) wählt er in einem Brief an seinen Bruder Heinrich diese Verknüpfung, wenn auch nicht in dieser einem Oxymoron ähnlichen Verkürzung:

"Es geht ihm einmal darum, den Bruder zu versichern, dass er 'das nicht ganz simple Problem unseres Verhältnisses' nicht vergessen habe und dass er nicht nur an das eigene Glück denke; in der Hauptsache, aber wolle er erklären, dass das neue Leben nicht so ganz dem Schlaraffenland, das Heinrich so geschmäht hatte, entspreche. Was war schließlich Glück? 'Nie habe ich das Glück für etwas Leichtes und Heiteres gehalten, sondern stets für etwas so Ernstes, Schweres und Strenges wie das Leben selbst… Ich habe es mir nicht 'gewonnen', es ist mir nicht 'zugefallen'.Ich habe mich ihm unterzogen: aus einer Art Pflichtgefühl, einer Art von Moral, einem mir eingeborenen Imperativ… Das 'Glück' ist ein Dienst…  ich betone das nicht, weil ich irgendwas wie Neid bei dir voraussetze, sondern weil ich argwöhne, dass du im Gegenteil sogar mit Geringschätzung auf mein Neues Sein und Wesen blickst. Tu das nicht. Ich habe es mir nicht leichter gemacht. Das Glück, mein Glück ist zu in zu hohen Maße ist in zu hohem Grade Erlebnis, Bewegung, Erkenntnis, Qual, es ist zu wenig dem Frieden und zu nahe dem Leiden verwandt, als dass es meinem Künstlertum dauernd gefährlich werden könnte… Das Leben, das Leben! Es bleibt eine Drangsal, und so wird es mich denn wohl auch mit der Zeit zu ein paar guten Büchern veranlassen." (zitiert nach: Donald Prater: Thomas Mann, 1995, S.95)

Die Strenge des Hofzeremoniells, die Klaus Heinrich erlebt, erfährt Thomas erst, als er in die Sphäre der finanziellen und gesellschaftlichen Elite eintritt und sich dort behaupten muss, um zu rechtfertigen, dass er die hochbegabte Mathematikerin von einer Promotion fernhalten will, um sie zu seiner Gattin und folglich zur Hausfrau (später "selbsternannte" "Frau Thomas Mann") zu machen. Aus Pflichtgefühl seiner Begabung und seiner seelischen Empfindsamkeit, die ihm ein Künstlerleben und Werk zur moralischen Pflicht macht.

Wer schon vor dem 1. Weltkrieg an der Wilhelminischen Gesellschaft das kritisierte, was seit der Coronazeit Kritiker dem vereinigten Deutschland nachsagten, hat trotzdem während des Weltkriegs die Abfassung der Betrachtungen eines Unpolitischen für seine moralische Pflicht gehalten, die ihn für geraume Zeit von seinem Bruder, dem von ihm so bezeichneten "Zivilisationsliteraten", entfremden sollte. 

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