01 Juli 2011

Schubert: Die schöne Müllerin

Von allen Schuber-Liederzyklen konnte ich mit der „Schönen Müllerin “ am wenigsten anfangen. Die Texte von Wilhelm Müller transportierten mir nur „Wandern, Bächlein, Liebe“, dem einzelnen Gedicht vermöchte ich keine mich ansprechende Aussage abzugewinnen. Das ging so weit, dass ich mich nicht einmal für die Geschichte interessierte. Die vom Bach, der den wandernden Müllerbuschen zur schönen Müllerstochter führt, ihn zu Liebesfreuden und Liebesleid führt. Der Jäger als Rivale, Eifersucht, die Blumen als Liebeszeichen, die mit der schwindenden Liebe der Müllerin wertlos zu werden drohen. Schließlich das Ende der Liebe und der Bach, der den Müller in seinem Schlummer beschützt vor allem, was ihm Unruhe gemacht hat. Alles fügte sich für mich nicht zusammen. Ganz im Gegensatz zur Winterreise, wo jedes Gedicht eine eigene Aussage für sich hat, die zum Ganzen stimmt.
Nur zwei Gedichte stachen aus dem Zyklus heraus: „Trockne Blumen“ und „Des Baches Wiegenlied“. Hier hat der Text genügend Aussagekraft, dass die geniale musikalische Gestaltung auch ohne tieferes Einhören fühlbar wird: Die Melancholie beim Anblick der vertrockneten Liebeszeichen verlorenen Glücks und dann der Aufruf zum frischen Erblühen im neuen Lebensfrühling. Und andererseits der einwiegende Gesang des Baches, der zum Todesschlaf - befreit vom Liebesleid – einlädt und ihn (ab der 3. Strophe) begleitet.
Die Interpretation des jungen Fischer-Dieskau (hier die ersten vier Lieder vom reifen Sänger interpretiert) hat mich auch die anderen Lieder neu sehen lassen.

Die Texte:

1. Das Wandern
Das Wandern ist des Müllers Lust,
Das Wandern!
Das muß ein schlechter Müller sein,
Dem niemals fiel das Wandern ein,
Das Wandern.

Vom Wasser haben wir's gelernt,
Vom Wasser!
Das hat nicht Rast bei Tag und Nacht,
Ist stets auf Wanderschaft bedacht,
Das Wasser.

Das sehn wir auch den Rädern ab,
Den Rädern!
Die gar nicht gerne stille stehn,
Die sich mein Tag nicht müde drehn,
Die Räder.

Als Kind habe ich das Lied ungezählte Male auf die volkstümliche Melodie gesungen. Durch die ständigen Wiederholungen - wo nur die Beispiele für die begleitende Bewegung wechseln, scheint es besonders geeignet, als Wanderbegleitung gesungen zu werden.

Die Steine selbst, so schwer sie sind,
Die Steine!
Sie tanzen mit den muntern Reihn
Und wollen gar noch schneller sein,
Die Steine.

Hier habe ich schon in der Kinderzeit den Gegensatz zwischen Trägheit der Masse und dem Bedürfnis nach Beschleunigung gespürt. Doch erst in Schuberts Melodieführung findet er seinen angemessenen Ausdruck.

O Wandern, Wandern, meine Lust,
O Wandern!
Herr Meister und Frau Meisterin,
Laßt mich in Frieden weiterziehn
Und wandern.

Noch treibt es den Wanderburschen weiter. Nichts hält ihn zurück.

2. Wohin?

Ich hört ein Bächlein rauschen
Wohl aus dem Felsenquell,
Hinab zum Tale rauschen
So frisch und wunderhell.

Ich weiß nicht, wie mir wurde,
Nicht, wer den Rat mir gab,
Ich mußte auch hinunter
Mit meinem Wanderstab.

Hinunter und immer weiter
Und immer dem Bache nach,
Und immer frischer rauschte
Und immer heller der Bach.

Ist das denn meine Straße?
O Bächlein, sprich, wohin?
Du hast mit deinem Rauschen
Mir ganz berauscht den Sinn.

Was sag ich denn vom Rauschen?
Das kann kein Rauschen sein:
Es singen wohl die Nixen
Tief unten ihren Reihn.

Laß singen, Gesell, laß rauschen
Und wandre fröhlich nach!
Es gehn ja Mühlenräder
In jedem klaren Bach.

3. Halt!

Eine Mühle seh ich blinken
Aus den Erlen heraus,
Durch Rauschen und Singen
Bricht Rädergebraus.

Ei willkommen, ei willkommen,
Süßer Mühlengesang!
Und das Haus, wie so traulich!
Und die Fenster, wie blank!

Und die Sonne, wie helle
Vom Himmel sie scheint!
Ei, Bächlein, liebes Bächlein,
War es also gemeint?

4. Danksagung an den Bach

War es also gemeint,
Mein rauschender Freund?
Dein Singen, dein Klingen,
War es also gemeint?

Zur Müllerin hin!
So lautet der Sinn.
Gelt, hab ich's verstanden?
Zur Müllerin hin!

Hat sie dich geschickt?
Oder hast mich berückt?
Das möcht ich noch wissen,
Ob sie dich geschickt.

Nun wie's auch mag sein,
Ich gebe mich drein:
Was ich such, hab ich funden,
Wie's immer mag sein.

Nach Arbeit ich frug,
Nun hab ich genug
Für die Hände, fürs Herze
Vollauf genug!
Textnachweis

Interpretationen von Fritz Wunderlich:
Ich hört ein Bächlein rauschen
Der Müller und der Bach
Des Baches Wiegenlied 

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