16 Mai 2012

Albano über Liebe, Krieg und Freiheit

Albano an Linda
Und so ist mir jetzt wie der und noch stärker; ich möchte zu dir hinüberfliegen und sagen: du bist mein Ruhm, mein Lorbeerkranz, meine Ewigkeit, aber ich muß dich verdienen; ich kann nichts für dich tun, außer für mich. – In der alten Zeit waren geliebte Jünglinge groß, Taten waren ihre Grazien und der Panzer ihr Feierkleid. Heute, als ich auf den Golf von Baja und auf die Ruinen hinübersah, wo die Gärten und Paläste der großen Römer noch mit Trümmern oder Namen liegen; und als ich die alten trotzigen Riesen stehen sah mitten in Blumen und Orangen und in lauen Duftlüften, davon erquickt, aber nicht erweicht, mit der Hand den schweren Dreizack hebend, der drei Weltteile bewegte, und mit der markigen Brust entgegentretend dem Winter im Norden, der Glut in Afrika und jeder Wunde: da fragte mein ganzes Herz: bist du so? O Linda, kann der Mann anders sein? Der Löwe geht über die Erde, der Adler geht durch den Himmel, und der König dieser Könige habe seine Bahn auf der Erde und in dem Himmel zugleich. Noch war und tat ich nichts; aber wenn noch das Leben ein leerer Nebel ist, kannst du ihn übersteigen, oder festgreifen und zerschlagen? Willst du einmal, du Uranide, einen Mann lieben, so tret' ich vor keinem zurück. Aber Worte sind an Taten nur Sägespäne von der Herkuleskeule, wie Schoppe [643] sagt. Sobald der Krieg und die Freiheit aufeinanderstoßen, so will ich dich im Sturm der Zeit verdienen und dir Taten mitbringen und die unsterbliche Liebe. (113. Zykel)

Albano im Gespräch mit Julienne
»Zwar doch!« (holte Julienne plötzlich unter dem Schleier der Lustigkeit zu einer ernsten Rede aus) »Dein Emigrier-Projekt nach Frankreich ist ein Faux-brillant. Kannst du denn glauben, daß man es dir zulässet? daß eine Prinzessin-Schwester von Hohenfließ dem Bruder Pässe zu einem demokratischen Feldzuge unterschreibt? Nimmermehr! Und gar kein Mensch, der dich liebt!« Albano lächelte, wurde aber am Ende ernst. Linda war still und senkte das Auge. »Zeige mir« (sagte er sanft wie nur mit halbem Ernst und Scherz) »auf der Landkarte eine bessere [654] Laufbahn!« – »Einen bösern Laufgraben?« (sagte sie spielend) »Wohl kaum!« Nun schattete sie mit aristokratischen, weiblichen und fürstlichen Farben zugleich, mit dreifarbigen Farbenerden alle Flammen, Rauchwolken und Wellen ab, womit der Monte nuovo der Revolution aus dem Grunde aufgestiegen war. Und setzte dazu »Lieber ein müßiger Graf als das!« – Er wurde rot. Von jeher war ihm das weibliche Binden der männlichen Kraft, das liebende Krummschließen zu Blumen herab, das ungerechte Umschmieden des Liebes-Rings zum Galeeren-Ring so aufschreckend und verhasset; – »in einer Welt, die nur eine Meßwoche und ein Maskenball ist, nicht einmal Meß- und Maskenfreiheit zu behalten, ist stark«, hatte einmal Schoppe gesagt und er nie vergessen, weil es aus seiner Seele in sie kam. »Schwester, du bist entweder nicht mein Bruder, oder ich deine Schwester nicht,« (sagt' er) »sonst verständen wir uns leichter.« Lindas Hand zuckte in seiner, und ihr Auge ging langsam zu ihm auf und schnell nieder. – Julienne schien vom Vorwurfe des Geschlechts betroffen zu sein. (115. Zykel)
(Hervorhebungen von Fontanefan)

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