25 April 2015

Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch

Erste Fahrt 
 Luftschiffs-Werft – die Seligkeit eines Gespenstes – Leipzig 
 [927] Trefft ihr einen Schwarzkopf in grünem Mantel einmal auf der Erde, und zwar so, daß er den Hals gebrochen: so tragt ihn in eure Kirchenbücher unter dem Namen Giannozzo ein; und gebt dieses Luft-Schiffs-Journal von ihm unter dem Titel »Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten« heraus. Wahrlich, wär' ich ein säkularischer Mensch wie Shakespeare: ich riebe mich vor Ärger auf, daß die Wochenmenschen, die Allermannsseelen mich nur angreifen dürften mit ihren schmutzigen Augen; die ersten Christen, die Griechen, die Ägypter hatten mit größerem Rechte Verbote der heiligen Bücher, als wir letzten Christen Verbote der unheiligen. Ich aber als ein schlechter Monatsheiliger mag mich allenfalls mit den Monatsrettichen, die unter mir grünen und feststecken, und mit den Mai-, Junius- und Juliuskäfern, über die ich hinfliege, und mit den Unterhaus-Gemeinen gemein machen und verunreinigen und kann ohne Schaden allgemein gelesen werden. Nähr' ich doch dabei die Hoffnung, daß ich die Allermannsseelen recht damit in Ärger setze. Euch, ihr Brüder meines Herzens, aber lass' ich den Matrosen-Almanach als einen Ordensbecher nach, woraus ihr den Labe- und Leichentrunk nehmen sollt, wenn ihr lange Flöre aufsetzt und umbindet, bloß weil euer Giannozzo den Hals gebrochen.
Könntest du doch jetzt unter meinem Luftschiff mithängen, Bruder Graul- dieser Name ist viel besser als dein letzter, Leibgeber –: du machtest gewiß die Sänftentüren meiner Luft-Hütte weit auf und hieltest die Arme ins kalte Ätherbad hinaus und das Auge ins düstere Blau – Himmel! du müßtest jetzt aufstampfen vor Lust darüber, wie das Luftschiff dahinsauset und zehn Winde hinterdrein und wie die Wolken an beiden Seiten als Marsch-Säulen und Nebel-Türme langsam wandeln und wie drunten hundert Berge, in eine Riesenschlange zusammengewachsen, mit dem Gifte [927] ihrer Lavaströme und Lauwinen zornig zwischen den Ameisen-Kongressen der Menschen liegen – und wie man oben in der stillen heiligen Region nichts merkt, was drunten quäkt und schwillt.
–  Bruder Graul, hiemit sei dir mein Luft-Schiffs-Journal mit einiger Achtung zugeeignet! Mein Etat hier oben ist dieser:
Du entsinnst dich unserer chemischen Nächte in Paris; aus diesen hat sich für mich ein chemischer Tag abgeschieden; ich hab' ein Doppel-Azot (verzeih den Namen) ausgefunden, wodurch die Luft-Schifferei so allgemein werden kann, daß man die andere zu sehr verachten wird. Ausführlich und deutlich für jedes Kind will ich in zwei Minuten das ganze chemische Rezept samt der mechanischen Verrichtung – da ich bei leichtem Winde sogar steuern kann – hieher schreiben bloß in der Absicht, daß mein Schiff wie ein Wassertropfe in die Gießgrube der schweren, für einen Ton und Bug ineinander schmelzenden Glockenspeise der Menschheit springe – Wetter! wie wird die weiche Masse in tausend Zacken und Knällen zerschießen und alles hoch hinauswollen. Nehmet also, ihr Leute, ein halbes Pfund.....
Des Herausgebers Hand am Rand: Aber in unserer alles entmastenden Zeit halt' ich gewiß mit Recht dieses Revolutions-Rezept zurück, bis wenigstens allgemeiner Friede wird. Dem Chemiker geb' ich etwas, wenn ich sage: Giannozzo ist im Besitz einer ganz neuen, noch einmal so leichten azotischen Luft – er extrahiert sie sogar oben, wenn der Eudiometer mehr phlogistische Luft ansagt – er lässet immer ein Naphtha-Flämmchen brennen, wie unter dem Teekessel flackert – er treibt droben oft die Kugel höher, ohne das Abzugsgeld von Ballast auszuwerfen – er hat einen Flaschenkeller von Luft bei sich – die Kugel hat nur den Halbmesser anderer Kugeln, die nicht mehr tragen, zum Diameter – sie besteht (wie mir Leibgeber schreibt, der sie gesehen) aus einem feinen, aber unbekannten Leder mit Seide überzogen (vermutlich gegen den Blitz) – Aber nun ists genug. Soweit der Herausgeber. 


 Was sagst du zu diesem Rezept? – Dabei hält mich mein Leder-Würfel, der auf allen 6 Seiten Fenster hat, auch auf dem Fußboden, [928] hier im obern Dezember (der Juni drunten liegt über 3000 Fuß tief) ganz warm, wie eine zerbrochene Bouteille einen Gurkenstengel. Ich warte sogar wie ein Paradiesvogel meinen Schlaf über den Wolken ab und ankere vorher in der Luft. Der gleichzeitige Marsch und Kontremarsch der Wolken hat es dir längst gesagt, daß fast immer entgegengesetzte Winde in verschiedenen Höhen streichen. Zwischen zwei feindseligen Strömen hält nun nach den hydrostatischen Gesetzen durchaus eine neutrale ruhige Luftschicht still. Und in dieser schlaf' ich gemeiniglich.
Auf den ersten Gedanken der Auffahrt brachte mich das Wort: révenant. Einer sprach es zufällig vor mir aus; ich dachte an das Himmelsglück, ein Gespenst zu sein – da tat sich eine Pandorabüchse, ein Äolsschlauch von Phantasien auf. Ihr Geister! wie gern wollt' ich Grenzensteine verrücken und unrechtes Gut einsammlen, wenn ich dadurch die Geister-Masken freiheit überkäme, daß ich in schrecklicher Gestalt umgehen und jedem Schelm, der mir gefiele, das Gesicht zu einem physiognomischen Anagramm umzeichnen könnte. Bald würd' ich vor dem Oberkriegskommissar als ein sanfter Haifisch gähnen – bald einen welken roué mitten in seinen impedimentis canonicis als eine Riesenschlange umhalsen wie den Laokoon – bald vor einem Sortiment von Bratenröcken, das die Käferfreßspitzen schon in die braune Pastete setzt, aus dieser belebt und naß aussteigen als greuliche Harpye – und fast täglich würd' ich fait davon machen, daß ich diese statistischen, kleinstädtischen Achtzehnjahrhunderter ohne Geister und Religion mitten in der Kammerjägerei ihrer Brotstudien, Brotschreibereien und ihres Brotlebens mit etwas Überirdischem (ich fahre z.B. als ein Engel durch den Saal) aus der Trödelbude ihres abgeschabten Treibens und Glaubens hinaussprengte, so daß sie sich lieber für toll hielten und für krank und sogleich nach dem Kreisphysikus schickten Ach, das sind sanfte Idyllen-Träume!
Aber es geschah doch etwas, wenn ich füllte und in die Luft flog; es wurden mir doch, wenn ich so luftseefahrend weniger wie Howard durch die Kerker als um den großen Kerker aller [929] kleinen reiste, Mittel und Wege gezeigt, besser auf die Menschen zu wirken, es sei nun, daß ich einige Steine meines Ballastes auf sie werfe, oder daß ich als herabkommender révenant wie ein Falke auf ihre Sünden stoße, oder daß ich mich ihnen unsichtbar mache und fest in solcher Lufthöhe und Barometertiefe.
Vorgestern am ersten Pfingsttag, wo der heilige Geist aus dem Himmel niederkam, verfügt' ich mich aus Leipzig in denselben und stieg. Vor dem Peterstore neben der Kirche spannt' ich meine azotischen Flügel aus – zum Glück in einer Viertelstunde. Denn der Portier des Tores und der der Kirche (der Küster) schlossen einen Verein und suchten die Polizei aufzuwecken, um es mir verstärkt zu wehren, damit ich nicht unmittelbar vor den langen Kirchenfenstern in die Höhe segelte und sie drinnen turbierte. Ich war aber bald über das zugesperrte Stadttor weggeflogen. Die Wache hatte vielleicht erwartet, daß ich mir es aufschließen ließe. Denn es ist da die gute Einrichtung, daß man die Tore, wie Janus seine, zur Zeit des Gottesfriedens in den Kirchen völlig sperrt – damit die Zuhörer und noch mehr die Armenkatecheten darin nicht gestöret werden durchs Gehör – und solche nur dann aufmacht, wenn Wagen kommen, damit die Passagiere ebensowenig dabei leiden; – und so läuft Einfuhr der Ermahnungen und der Menschen gut nebeneinander fort.
Aber, o ihr Genien, warum schenk' ich hier diesem etwas antigenialischen Pleiß-Hanse-Athen – leider wollt' es sich auf dem Getäfel seiner Ebene mir gar nicht aus dem Gesicht verlieren – nur drei Worte über seine lackierte und getriebene Arbeit von Umgang, über seinen Mangel an Eisenfressern und Überfluß an Eisensäufern und über den Handelsgeist, der nie sagt: ich und du, sondern: ich et du? Warum lass' ich mich herab zu dieser Ebene? Erstlich weil mich ihre galanten Gelehrten ergötzen, die stets einen schönen Mittelweg zu halten wissen, es sei von der scientia media der Philosophie die Rede oder von den Mittelstimmen der Poesie; und zweitens, weil sich die Stadt doch täglich [930] einen frohen Tag macht und aufs Land geht. Sonst wächset an Handelszweigen mehr Holz als Blüte.

»Aber ich strecke meine Arme (an meinem innern Menschen und neuen Adam hängen beide) Dank-betend gegen dich aus, göttliche Sonne, und danke dir, daß ich dir näher bin und ferner von den Menschen, sowohl von den Sachsen als von allen andern! – Ich will sterben, schlaf' ich diese Nacht drunten. – Und doch möcht' ich an dem Steine liegen, wo du einschliefst, heiliger Gustav, und heute zu diesem Jakobs-Kopfkissen niederfahren!« – –
Das schrieb ich, da ich auf dem Schlachtfelde bei Lützen den Gedächtnisstein sah, den ausgeworfenen Ballast, als Gustav blutig höher fuhr; – – aber die Winde wurden meine Sänftenträger, und ich schlief über euerem Gewölke.
Mein Schiff hab' ich – da doch jedes so gut wie eine Glocke oder seine Mannschaft unter der Linie eine Taufe haben will – den Siechkobel getauft. (Jean Paul: Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch, 1. Fahrt, S.927-930)

23 April 2015

Ertrinken

Warum werde ich auf dies Buch im Regal aufmerksam?

Ein Kapitel heißt "Auswanderung", eines "Der Ertrinkende", eines "Wir haben nichts gewußt".

Es ist 1987, (deutsch 1993) herausgekommen und handelt von einer Kindheit im Dritten Reich.

Gerhard L. DurlacherErtrinken. Eine Kindheit im Dritten Reich

Ein Zitat aus dem letzten Kapitel "Wir haben nichts gewußt":

"Unzählige Deutsche, gleichgültig oder von Angst gelähmt, sahen uns direkt vor ihren Augen ertrinken.
Nur einzelne Mutige, wie der Kellner Fritz in Riva am Gardasee, retteten den Ertrinkenden aus den Fluten."


Grenzen auf, Grenzen dicht so hat man sich damals in der Schweiz, Schweden, Großbritannien und vielen Ländern gefragt.
Auch "Türen auf?" in Deutschland. Die Antworten waren unterschiedlich. Was ist unsere?
 "[...]  jetzt gäbe es Schwierigkeiten, [...]
"Sie verstehen . . . " (Ertrinken)
In Dänemark stellte sich die Frage, ob Schweden die Grenze  offen ließe, in einer Nacht ganz konkret: "Die Nacht am Öresund" (Rettung von 7000 deutscher Juden von Dänemark nach Schweden in einer Nacht 1943)




"Die UNHCR-Sprecherin Carlotta Sami erklärte, sollten die Zahlen sich bestätigen, so wäre dies 'das schlimmste Massensterben, das jemals im Mittelmeer beobachtet wurde.' Sie verlangte nach der Katastrophe eine Wiederauflage des Seenotrettungsprogramms Mare NostrumW-Logo.gif in gesamteuropäischer Verantwortung."
"Warum also, fragt Feldt, rettet die EU die Flüchtlinge nicht mit den Methoden, mit denen sie auch die Schlepper bekämpft?
Ein Einsatz im Mittelmeer wäre sogar leichter zu organisieren als die Anti-Piraten-Mission, sagt Feldt. Die Wege im Mittelmeer sind kurz, die Entfernungen zu Versorgungshäfen gering. Mit Spanien, Frankreich, Italien, Malta, Griechenland und Zypern gibt es sechs Anrainerstaaten, die Logistik stellen könnten. Die EU könnte auf Kommandostrukturen der Nato zurückgreifen. Das Militärbündnis überwacht den Mittelmeerraum ohnehin seit 2001 im Rahmen der Anti-Terror-Operation Active Endeavour."

Hesperus: Der vierte Pfingsttag: Der Brief des "Engels Giulia"

»Klotilde!
 Ich hülle meine errötenden Wangen in den Leichenschleier. Mein Geheimnis ruht in meinem Herzen verborgen und wird mit ihm unter den Leichenstein gelegt. Aber nach einem Jahre wird es aus dem zerfallenen Herzen dringen – o dann bleib' es ewig in deinem, Klotilde! – und ewig in deinem, Julius! – Julius, war nicht oft eine schweigende Gestalt um dich, die sich deinen Engel nannte? Legte sie nicht einmal, als die Totenglocke ein blühendes Mädchen einläutete, eine weiße Hyazinthe in deine Hand und sagte: ›Engel pflücken solche weiße Blumen‹? Nahm nicht einmal eine stumme Gestalt deine Hand und trocknete sich damit ihre Tränen ab und konnt' es nicht sagen, warum sie weine? Sagte nicht einmal eine leise Stimme: ›Lebe wohl, ich werde dir nicht mehr erscheinen, ich gehe in den Himmel zurück‹? Diese Gestalt war ich, o Julius; denn ich habe dich geliebt und bis in den Tod. Siehe! hier steh' ich am Ufer der zweiten Welt, aber ich schaue nicht hinüber[1080] in ihre unendlichen Gefilde, sondern ich kehre mein Angesicht noch sinkend nach dir zurück, nach dir, und mein Auge bricht an deinem Bilde. – Jetzo hab' ich dir alles gesagt. – Nun komm, stillender Tod, drücke langsam die weiße Hyazinthe nieder und teile bald das Herz auseinander, damit Julius darin die verschlossene Liebe sehe. – Ach wirst denn du eine Tote in deine Seele nehmen? Wirst du weinen, wenn du dieses lesen hörest? Ach wenn mein zugedeckter, eingesunkner Staub dich nicht mehr berühren kann, wird mein entfernter Geist von deinem geliebt werden? – Aber ich beschwöre dich, o Unvergeßlicher, geh an dem Tage, wo dir dieses Tränenblatt vorgelesen wird, da gehe, wenn die Sonne untergeht, hinauf zu meinem Grabe und bringe dem bleichen Angesicht darunter, das der alte Hügel schon entzweidrückt, und dem zerronnenen Herzen, das für nichts mehr schlagen kann, da bringe der Armen, die dich so sehr geliebt und die deinetwegen sich unter die Erde gehüllet, dein Totenopfer – bring ihr auf deiner Flöte die Töne meines geliebten Liedes: ›Das Grab ist tief und stille.‹ – Sing es leise nach, Klotilde, und besuch mich auch. – Ach arme Giulia, richte deine Seele auf und erliege jetzt nicht, da du deinen Julius dir an deinem Grabe denkest! – Wenn du da das Totenopfer bringst, so wird zwar mein Geist schon höher stehen; ich werde ein Jahr jenseits der Erde gelebet haben, ich werde die Erde schon vergessen haben – aber doch, aber o Gott, wenn du die Töne über meinem Grabe ins Elysium dringen ließest, dann würd' ich niedersinken und heiße Tränen vergießen und die Arme ausbreiten und rufen: ja! hier in der Ewigkeit lieb' ich ihn noch – es geh' ihm wohl auf der Erde, sein weiches Herz ruhe weich und lange auf dem Leben drunten. – Nein, nicht lange! Komm herauf, Sterblicher, zu den Unsterblichen, damit dein Auge genese und die Freundin erblicke, die für dich gestorben ist!
Giulia.«

15 April 2015

Danziger Trilogie

Anhand von Heinrich Vormwegs rororo Bildmonographie zu Grass aus dem Jahr 1986 habe ich meine Leseerlebnisse aus den 60er Jahren rekapituliert.
Dem Urteil der Kritik folgend habe ich Grass immer für einen sehr fähigen Autor gehalten. In seiner Trilogie lenkten mich freilich als Jugendlichen die sexuell aufregenden Stellen von anderem ab.

Heute wird mir klar, dass die Aufarbeitung nationalsozialistischer Erfahrungen mich nicht interessieren konnten gegenüber Dokumenten wie SS-Staat und Anne Franks Tagebuch. Darin bin ich offenkundig zu sehr Fontanefan.
Dass man nach dieser Aufarbeitung Grass seinen jugendlichen Dienst in der Waffen-SS vorwerfen und dass man ihm Antisemitismus nachzusagen versuchen konnte, habe ich mir nur damit erklären können, dass er eben immer manchen unbequem war.
Meinem literarischen Bedürfnis nach hätten aus der Blechtrommel - sagen wir - 10 Erzählungen gemacht werden sollen und die Hundejahre mit ihrer mich verwirrenden Konstruktion hätte ich mir wie "Davor" und "Örtlich betäubt" ganz sparen können.
Danach konnte ich als Erwachsener die Meisterschaft des Sprachkönners und Erzählers Grass besser schätzen.
Dennoch kein Wunder, dass mir "Das Treffen in Telgte" und "Weites Feld" die liebsten Werke von Grass geblieben sind. - Seine Einmischung in Politik fand ich freilich fast immer vorbildlich.
Auch wenn ich Habermas' Kritik an der Studentenbewegung besser nachvollziehen konnte und die Kritik des Marxisten Werner Hofmann an den Störern seiner Vorlesung (zu denen ich gehörte) noch immer in den Ohren klingt: "Ihr seid kleinbürgerliche Anarchisten".

Günter Grass: Die Blechtrommel 1. Folge (Hörbuch) (2h 14min)
Günter Grass: Katz und Maus (Hörbuch) 4 Folgen

14 April 2015

Grass ist tot

Sein Werk aber nicht.

Interview mit Grass 2014

Interview zur Frage: Was bleibt?, veröffentlicht am 13.11.14

Über Phantasie - Günter Grass und Siegfried Lenz im Gespräch, veröffentlicht am 9.10.14

Interview von Ulrich Wickert mit Grass zu "Die Box", hochgeladen am 9.9.08

Günter Grass - Der Unbequeme (Portrait) (1h 27m), veröffentlicht 13.4.15


Günter Grass - ZeitZeugen vom 05.05.2013 (1h 21 sec)veröffentlicht am 05.05.2013

Günter Grass zum 85. doku deutsch - Dichter und Provokateur - Reportage (57 min 16 sec),
Veröffentlicht am 11.04.2013
Grass: Seit den 80er Jahren habe sich ein "angewärmter Zynismus" breitgemacht, etwa, wenn Heinrich Böll "Gutmensch" genannt werde.


Günter Grass im Gespräch mit Pierre Bourdieu (59 min), veröffentlicht 17.4.15


Pierre BourdieuDas Elend der Welt. Zeugnisse und Diagnosen alltäglichen Leidens an der Gesellschaft. UVK, Konstanz 1997 (2. Aufl 2008) ISBN 978-3-89669-867-4 (franz. 1993)


Hier ein paar meiner Reaktionen auf sein Werk und nicht zuletzt die seiner Kritiker: http://fontanefan3.blogspot.de/search/label/Grass

Nachruf von U. Rüdenauer: Ein Beschwörer und Mahner ZEIT online 13.4.15

Stephan Lohr: Besser erzählen und glaubhafter lügen Spiegel online 13.4.15

Der große GrassFAZ

Der stolze Bürger , Welt

Die Stimme der Nachkriegszeit, tagesschau.de

Interview mit Paul Nolte zu Günter Grass als Chronist u.a.

Faktencheck Hellas Grass als Mahner in Sachen Griechenland

Klotilde und Viktor (Hesperus)

O, zum Mitleiden gehört nur ein Mensch, aber zur Mitfreude ein Engel; [...]
Um zwei Uhr zog der Morgenwind lauter und kühler durch Viktors offnes Zimmer und rüttelte schon Tautropfen von geglättetem Laub, das nahe Blätter-Geflüster wirbelte sich durch seine Ohren in seine Träume. Die Lerche fuhr als Ouvertüre des Tages hoch ins Himmelgrau hinauf und läutete das Trommetenfest des Morgens ein. Dieser Wecker wurde durch sein Träumen zum umherfliegenden Nachhall, das sich mit dem Morgen vermischte; unter dem sanften Einfallen des nachbarlichen Getönes schloß er langsam die Augen auf und träumte weiter und tat sie wieder zu und erwachte mehr, und der Schlaf fuhr nicht wie ein dickes Leichentuch aus Nacht hinweg, sondern wallete wie ein Schleier aus Morgenduft empor, und seine Seele schloß sich, ohne eine einzige Bewegung mit dem Körper zu machen, mit dem stillen Erwachen eines Blumenkelchs vor dem Morgen auseinander.... – Jetzt bin ich schon wieder im Sieden und Flammen – und doch nehm' ich mir, sooft ich eintunke, vor, die Kunstrichter zu gewinnen und mit meiner Feder zu schreiben wie mit einem Eiszapfen. Aber es ist mir unmöglich – erstlich weil ich in die Jahre komme. Bei den meisten Menschen hört zwar wie bei den Vögeln das Singen mit der Liebe auf; aber bei denen, die ihren Kopf zu einem Treibhaus ihrer Ideen machen, geben die Jahre, d. h. die Exerziertage darin, der Phantasie wie den Leidenschaften einen höhern Wuchs. [...]
Nur die Kokette wird durch die Liebe befehlhaberischer (ein kieselsteinernes Juristenwort!); aber die Stolze wird dadurch bescheiden und sanft. [...]
Obgleich nach meinen Tabellen die Liebe gerade am Tage nach dem ersten Kusse am höchsten, nämlich auf 112° Fahrenheit oder 10° de l'Isle steht: so war doch mit Viktors Liebe zugleich seine Ehrfurcht gestiegen – o die Liebe erhebt, worin die Gunstbezeugungen nicht kühner, sondern blöder machen! – [...]
Und was anders als versteinerte Blüten eines Klima, das auf dieser Erde nicht ist, graben wir aus unserer Phantasie aus, so wie man in unserm Norden versteinerte Palmbäume aus der Erde holt..... [...]
Und Klotilde und Viktor standen unschuldig vor Gott, und Gott sagte: weint und liebt wie in der zweiten Welt bei mir! – Und sie schaueten sich sprachlos an in der Verklärung der Nacht, in der Verklärung der Liebe, in der Verklärung der Rührung, und Wonnezähren deckten die Augen zu und hinter den erleuchteten Tränen stiegen um sie verklärte Welten aus der dunkeln Erde auf und der Abendspringbrunnen legte sich glimmend wie eine Milchstraße über sie herüber und der Sternenhimmel schlug funkelnd über sie zusammen und das entweichende Vertönen spülte die aufgehobnen Seelen vom Erdenufer los....
Jean Paul: Hesperus