28 November 2011

Münchhausen wird von einem Geier zum Musenquell entführt

Gesperret lange Zeit in eine Tasche,
Selbständigwerdenwollend ausgekrochen,
Nahm in die Krallen dich der Gei'r, der rasche,
Dem Albions Großmut drauf den Hals gebrochen,
Und als dir nun gesunken die Courage,
Fühlst du in Grimmen, Glühen, Wallen, Pochen
Dein Herz gelöset fluten gleich der Träne
Des Stocks im Lenz, am Born der Hippokrene!

Ja, ich hatte unversehens aus der Hippokrene getrunken und war sonach am Helikon! Meine Lippen öffneten sich abermals und skandierten unwillkürlich:

Sauerbereiteter Wurm des gütigsten Vaters,
Für die Kadettenanstalt des größesten Sultans
Mit dem Säbel aus Blech bewaffneter Knabe,
Streife das rote Collet und die weißen batistnen
Höschen vom Leibe dir ab und glänze in reiner
Klassischer Nacktheit!

Wirklich warf ich Säbel, Collet, Turban, Pumphöschen, kurz alles und jedes ab, wälzte und kugelte mich wie toll umher, unwillkürlich, von dem Musenwasser getrieben. Schon hatten sich wieder neue Bilder in meine Seele und Weisen auf meine Lippen gedrängt; ich sang:

Feinsliebchen, wenn du suchest mich,
Trala!
Du findest mich ganz sicherlich
Sasa!
[305] Wie bei der Lamp' ich sitz' und mach'
Ein Liedchen für den Almanach!

Feinsliebchen, weißt du, was das ist?
Trala!
Ein Büchlein voll von Jesu Christ
Sasa!
Und Blümelein und O! und Ach!
Das ist der Musenalmanach!

Ich hatte rasch den Entschluß gefaßt, einen Musenalmanach zu schreiben, ganz allein ich selbst; um mir mein Brot zu verdienen, ...
(Immermann: Münchhausen, 3. Buch 9. Kapitel, S.304-305)

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