Nun,
an jedem Privilegium hängt ein alter Fluch, der die meisten trifft,
welche daran teilhaben. Das mag auch von den Vorrechten des Hofes
gelten. Das Leben unserer Fürsten ist in den Bann bestimmter Kreise
eingeschlossen, Anschauung und Vorurteil einer Umgebung, die sie sich
nicht frei wählen dürfen, umgibt sie vom ersten Tage ihres Lebens
bis zum letzten. Daß sie nicht stärker und freier sind, rührt zum
großen Teil von der engen Atmosphäre, in welche sie durch die
Etikette gebannt sind. Das ist ein Unglück nicht nur für sie
selbst, ist für uns alle ein Leiden, daß unsere Fürsten so häufig
die bürgerliche Gesellschaft mit den Augen eines Kammerjunkers
betrachten. Diesen Übelstand mag man als Mitlebender schmerzlich
fühlen. Und ich meine allerdings, der Kampf, welcher in unserm
Vaterlande auf verschiedenen Gebieten entbrannt ist, wird nicht eher
mit einem guten Frieden enden, als bis die Gefahren beseitigt sind,
welche die alte Hofordnung der Erziehung unserer Fürsten
bereitet. [...]
Ich
begreife, daß die Arbeit der Gelehrten für jeden, der zu ihrer
stillen Gemeinde gehört, einen unwiderstehlichen Reiz ausüben
muß. [...]
die
Menschen, von denen ich umgeben bin, auch die guten, sie alle denken
und sorgen behaglich um sich selbst und schließen bequeme Verträge
zwischen ihrem Pflichtgefühl und ihrem Egoismus. Hier aber erkenne
ich eine Selbstlosigkeit und eine unablässige Hingabe des eigenen
Daseins an die höchste Arbeit des Menschen.
Gustav Freytag: Die verlorene Handschrift
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