14 August 2015

Georg Forster: James Cook, der unerschrockene Entdecker

Die Seite gegen das stille Meer oder gegen Morgen hin, hatte noch kein Seefahrer berührt, als Cook sie auf einer Strecke von sechshundert Seemeilen befuhr. Sie ist höher als die andere, aber eben so von Untiefen und Klippen, dem bewundernswürdigen Bau gewisser polypenartigen Thierchen, umringt. Ihre kalkigten Wurmgehäuse wachsen am unergründlichen Boden des Meeres fest, und werden, so wie das Thier in den untersten Stämmen abstirbt, zu wahren Felsenmauren von Korall, welche oberwärts immer neue Äste treiben, und sich zuletzt, je näher sie der Oberfläche des Meeres kommen, nach allen Richtungen ausbreiten. Solche Korallenmauern sind es, an denen die hohe Woge des vom beständigen Ost-Passatwind erregten Meeres sich schäumend brandet, und die der Seemann Riefe nennt. Oft erstrecken sie sich rund um Inseln her; oft ziehen sie sich mehrere hundert Meilen, wie hier bey Neuholland, in paralleler Richtung mit den Küsten; oft stehen auch mehrere dergleichen Riefe hintereinander. Zwischen ihnen und dem Lande ist ein ruhiges Meer; denn die hereinrollende See bricht sich an der Schutzmauer, die ein Wurm ihrem Ungestüm entgegen zu setzen vermochte, und fließt entkräftet über sie hin, oder kömmt durch enge Brüche und Öfnungen hinein, welche zugleich den Schiffen zur Ein- und Ausfahrt dienen. [...] 
Mit Angst und Entsetzen sucht er einen Ausweg, durch den er wieder in die offene See gelangen, und sich von furchtbaren Syrten entfernen könne, wo ihn der Tod in tausend Gestalten umringt. Nicht also Cook, der Entdecker! Fünf Monate lang blieb er an dieser Küste, folgte allen ihren Krümmungen, nahm ihre Häfen und Bayen auf, bestimmte die Lage vieler hundert Untiefen und Klippen, und verließ sie nicht eher, als bis er sie vom acht und dreyßigsten bis zum zehnten Grade südlicher Breite durchaus entdeckt, und endlich zwischen ihrer Nordspitze und den Inseln von Neuguinea die Durchfahrt gefunden hatte, welche von seinem Schiffe, den Namen Endeavourstraße erhielt. Fast sollte man auf den Gedanken gerathen, daß auch der verwegenste Schwung einer romanhaften Einbildungskraft noch nicht an die wirklichen Thaten reicht, die hier dem hartnäckigen Ausharren, der unerreichbaren Kunst, und vor allem, dem Innern edlen Antrieb einer brennenden Ruhmbegierde möglich waren. Man muß die Geschichte dieser Fahrt selbst lesen, wenn man sich von den Schwierigkeiten, die Cook hier überwand, den Gefahren die ihm drohten, und dem standhaften Muth, womit er sich, das Senkbley in der Hand, zwischen den Felsenwänden und Ketten und Klippen durchtastete, einen vollständigen Begrif machen will. Alle seine Behutsamkeit konnte es jedoch nicht verhindern, daß sein Schiff auf einen verborgenen Felsen stieß wo es vier und zwanzig Stunden lang hangen blieb, indessen jedermann dem schrecklichen Augenblick seines Untergangs entgegen sah. Nur die glücklichen Umstände, daß der gewöhnliche Seewind still war und keine hohen Wellen erregte, daß ein Stück des Felsens in dem Schiffe stecken blieb, und die Wunde die er ihm gerissen hatte, beynahe ganz ausfüllte, daß einem Officier ein sonderbares Mittel den Leck zu verstopfen gelang, und endlich, daß sich ein zur Ausbesserung bequemer Hafen in der Nähe fand, bewirkten diesmal eine unerwartete Rettung.

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