Ein Interview mit Etgar Keret in der FR vom 12./13.5.18, S. 32/33
Darin heißt es u.a.:
"Für mich sind die Ultraorthodoxen im Land nicht das Hauptproblem, die Nationalreligiösen sind es. Die Orthodoxen wollen leben, wie sie es für richtig halten. Sie wollen mich nicht bekehren. Während die Rechten, die Nationalreligiösen [!] verlangen, dass alle das Gleiche sagen und man keine Kritik übt. Sie begründen das mit der Einheit israels, aber diese Gleichmacherei hat etwas faschistisches. [!] [...] An israelischen Universitäten soll jetzt eine Art ethischer Code eingeführt werden. Was nichts anderes heißt, dass man nicht seine politische Meinung sagen darf. Und die Orthodoxen machen das alles nicht mit."
"Privat geht vor Katastrophe – dieser Spruch funktioniert in diesem Land nicht. Das eigene Leben und das Unglück draußen sind miteinander verwoben, man kann nichts dagegen tun. Davon erzählen die autobiografischen Vater-und-Sohn-Geschichten Kerets in leichtem, ironisch-humorvollen Ton. „Sag mal“, fragt eine Mutter Etgar Keret auf dem Spielplatz, „wird Lev in die Armee eintreten, wenn er groß ist?“ Lev ist da zwei Jahre alt, und Keret kommt es ein bisschen früh vor, sich darüber Gedanken zu machen. Über anderes dagegen denkt Etgar Keret sehr wohl nach, etwa darüber, wie man die unvermeidbaren Unglücke und Katastrophen verbrämen, wie man sie für sein Kind verkleiden kann. Als eine Sirene erklingt, die vor den Raketen der Hisbollah warnt, spielen sie Pastrami-Sandwich, statt sich einfach auf den Boden zu werfen: Mama ist unten, Lev in der Mitte und Papa oben. Wie lustig! Und wie quälend!
Etgar Keret ist auch Sohn. Sein Vater hat Krebs, er wird sterben, und das ist traurig, aber es ist der Lauf der Welt. Doch in Israel ist selbst das ein wenig anders. Wer den Holocaust überlebt hat, für den ist am Leben zu sein ein Sieg, und das Sterben ist noch schwerer zu akzeptieren als für alle anderen. [...]" (Die Pastrami-Sandwich-Familie FR 11.4.16)
Etgar Keret: Die sieben guten Jahre. Mein Leben als Vater und Sohn. 2016.
"Da sitzt ein bärtiger Mann mit einer Pistole auf dem Sofa und verlangt nach einer Geschichte. Der Erzähler, der solcherart unter Druck gesetzt wird, beginnt vage damit, dass es an der Türe klopfe, was ziemlich komisch ist, weil es in dem Moment tatsächlich an der Türe klopft. Auch der Meinungsforscher, der nun eintritt, verlangt ultimativ nach einer Geschichte, bald schon gefolgt von einem Pizzaboten. Er solle endlich mit dem Erzählen anfangen, fordern die drei, wenn es sein müsse auch mit einem Türenklopfen.
Dann geht es Schlag auf Schlag. Die meisten Stories enden mit einem leisen oder lauten Paukenschlag, und eine beginnt mit dem Satz: „Diese Geschichte ist die beste im Buch.“ Das Wirkliche und das Surreale verbinden sich zu einem neuen Universum. Auch in „Lügenland“, mit 13 Seiten schon einer der langen Texte. An diesem eigentümlichen Flecken, bislang nur einem kleinen Kreis bekannt, kann man all die Menschen treffen, die in den eigenen Lügen vorgekommen sind: Der Junge, der angeblich geschlagen und gestohlen hat, oder der Verwandte, dem man eine schwere Krankheit angedichtet hat, um das eigene Fernbleiben da oder dort zu entschuldigen. Diese Personen schlagen nun tatsächlich zu oder leiden an einer schweren Krankheit." (Im sonnigen Lügenland FR 19.9. 2012)
Etgar Keret: Plötzlich klopft es an der Tür. Stories. Frankfurt am Main 2012.
Etgar Keret: Plötzlich klopft es an der Tür. Stories. Frankfurt am Main 2012.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen