Dieser Versuch mit einem Roman von Jean Paul (Die unsichtbare Loge)* schlug fehl. Zwar habe ich inzwischen einige Romane von ihm gelesen und hier dokumentiert; aber gerade der Roman, mit dem er seinen Durchbruch als Schriftsteller hatte, hat mich geschafft.
Gut, das zu erleben und Jugendlichen nachzufühlen, was literarische Werke für eine Zumutung sein können, wenn man sich nicht auf sie einlassen kann.
Gerade hatte ich mit Grausen festgestellt, dass der Autor von dem sich jemand auf gutefrage.net weitere Texte der Art wünscht, Sebastian Fitzek ist, der Psychothriller schreibt, hatte ich - gerade etwas angeschlagen - nach etwas Langweiligem gesucht und nun das.
Dabei wäre es völlig falsch, anzunehmen, ich hielte nichts von Jean Paul. Aber ähnlich wie Arno Schmidt verlangt er Lesern etwas ab, das sie ihm erst, wenn er sie für sich gewonnen hat, geben können. Sie müssen seine Schreibart genießen, und das ist mir auch nach mehreren Romanen nicht gelungen.
*"Die Reihe seiner schriftstellerischen Erfolge begann 1793 mit dem Roman Die unsichtbare Loge. Jean Paul hatte dem Schriftsteller Karl Philipp Moritz das Manuskript geschickt, und Moritz zeigte sich begeistert: „Ach nein, das ist noch über Goethe, das ist was ganz Neues!“, soll er gesagt haben, und durch seine Vermittlung fand das Buch rasch einen Verlag in Berlin. In Die unsichtbare Loge verwendete Jean Paul, der seine Arbeiten zuvor unter dem Pseudonym J. P. F. Hasus geschrieben hatte, aus Bewunderung für Jean-Jacques Rousseau erstmals den Namen Jean Paul. Doch Die unsichtbare Loge blieb ein Fragment, denn ..." (Wikipedia)
Zitate:
"Gewisse Schönheiten, wie gewisse Wahrheiten – wir Sterbliche halten beide noch für zweierlei – zu erblicken, muß man das Herz ebenso ausgeweitet und ausgereinigt haben wie den Kopf...". (S.23 in der Kindle-Ausgabe)
"Nach wenigen Schritten und Worten ist die Vorrede aus, auf die ich mich so lang gefreuet, und der Schneeberg da, auf dem ich mich erst freuen soll. – Es ist gut, wenn ein Mensch seine Lebensereignisse so wunderbar verflochten hat, daß er ganz widersprechende Wünsche haben kann, daß nämlich der Vorredner dauere und der Schneeberg doch komme." (S.26)
"Verlobung-Schach – graduierter Rekrut – Kopulier-Katze
Meines Erachtens war der Obristforstmeister von Knör bloß darum so unerhört aufs Schach erpicht, weil er das ganze Jahr nichts zu tun hatte als einmal darin der Gast, die Santa Hermandad und der teure Dispensationbullen-Macher der Wildmeister zu sein.
Der Leser wird freilich noch von keiner so unbändigen Liebhaberei gehört haben, als seine war. Das wenigste ist, daß er alle seine Bediente aus dem Dorfe Strehpenik verschrieb, wo man durch das Schach so gut Steuerfreiheit gewinnt als ein Edelmann durch einen sächsischen Landtag, damit er (obwohl in anderem als katonischen Sinne) ebenso viele Gegner als Diener hätte – oder daß er und ein oberysselscher Edelmann in Zwoll mehr Postgeld verschrieben als verreiseten, weil sie Schach auf 250 Meilen nicht mit Fingern, sondern Federn zogen (S.28)
"Aber ich und der Leser wollen über die ganze spielende Kompagnie wegspringen und uns neben den Rittmeister von Falkenberg stellen, der bei dem Vater steht und auch heiraten will. Dieser Offizier – ein Mann voll Mut und Gutherzigkeit, ohne alle Grundsätze als die der Ehre, der, um sich nichts hinter seine Ohren zu schreiben, die sonst bei einiger Länge das schwarze Brett und der Kerbstock empfangner Beleidigungen sind, lieber andre Christen hinter die ihrigen schlug, der feiner handelte, als er sprach, und dessen Kniestück ich nicht zwischen diesen zwei Gedankenstrichen ausbreiten kann – warb in dieser Gegend so lange Rekruten, bis er selber wollte angeworben sein von Ernestinen. Er haßte nichts so sehr als Schach und Herrnhutismus; indessen sagte Knör zu ihm: »abends um 12 Uhr fingen, weil er so wollte, die sieben Spiel-Turnierwochen an, und wenn er nach sieben Wochen um 12 Uhr die Spielerin nicht aus dem Schlachtfelde (S. 28)
" [...] Brautbette hineingeschlagen hätte: so tät' es ihm von Herzen leid, und aus der achtjährigen Erziehung brauchte dann ohnehin nichts zu werden.«
Die ersten 14 Tage wurd' in der Tat zu nachlässig gespielt und – geliebt. Allein damals hatten weder andre gescheite Leute noch ich selber jene hitzigen Romane geschrieben, wodurch wir (wir habens zu verantworten) die jungen Leute in knisternde, wehende Zirkulieröfen der Liebe umsetzen, welche darüber zerspringen und verkalken und nach der Trauung nicht mehr zu heizen sind. Ernestine gehörte unter die Töchter, die bei der Hand sind, wenn man ihnen befiehlt: »Künftigen Sonntag, so Gott will, werde um 4 Uhr in den Herrn A-Z, wenn er kommt, – verliebt.« Der Rittmeister biß im Artikel der Liebe überhaupt weder in den gärenden Pumpernickel der physischen – noch in das weiße kraftlose Weizenbrot der parisischen – noch in das Quitten- und Himmelbrot der platonischen, sondern in einen hübschen Schnitt Gesindebrot der ehelichen Liebe: er war 37 Jahre alt. Sechzehn Jahre früher hatt' er sich einen Bissen vom gedachten Pumpernickel abgeschnitten: seine Geliebte und sein und ihr Sohn wurden nachher vom ehrlichen Kommerzien-Agenten Röper geheiratet." (S.29)
"am Ende kehren Weiber und Ruderknechte allzeit eben den Rücken dem Ufer zu, an das sie anzurudern streben) " (S.31)
"Heute spielten wir oben im sinesischen Häuschen. Da die Abendröte, die gerade in sein Gesicht hineinfiel, verwirrte Schatten unter die Figuren warf und da mich sein rechter Zeigefinger dauerte, der von einem Säbelhiebe eine rote Linie hat und der auf der Schachbande auf lag: so kam ich aus Zerstreuung wahrhaftig um meine Königin, [...]" (S.45)
Dritter Sektor oder Ausschnitt
Unterirdisches Pädagogium – der beste Herrnhuter und Pudel Jetzo
(Norbert Miller (Hrsg.): Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Eine Lebensbeschreibung. Mumien. in: Jean Paul: Sämtliche Werke. Abteilung I. Erster Band, S.42)
"Ich weiß dein ganzes Leben voraus, darum beweget mich die klagende Stimme deiner ersten Minute so sehr; ich sehe an so manchen Jahren deines Lebens Tränentropfen stehen, darum erbarmet mich dein Auge so sehr, das noch trocken ist, weil dich bloß dein Körper schmerzet – ohne Lächeln kommt der Mensch, ohne Lächeln geht er, drei fliegende Minuten lang war er froh." (dito, S.42)
Und jetzt von Hedwig Storch für die Wikipedia ausgesuchte Aphorismen aus dem Buch:
Alles Große oder Wichtige bewegt sich langsam… – die Wolken bei schönem Wetter[37].
Der Mensch ist nie so schön, als wenn er um Verzeihung bittet oder selber verzeiht[38].
Der innere Mensch hat keine Zunge[39].
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