27 April 2016

Ein Gespräch von Don Quijote und Sancho Pansa

Indessen hatte sich Sancho Pansa, von den Burschen der Mönche etwas zerdroschen, aufgerichtet; er hatte der Schlacht seines Herrn Don Quixote aufmerksam zugeschaut und herzlich zu Gott gebetet, daß er ihm den Sieg verleihen und eine Insel gewinnen lassen möge, über welche er ihn, seinem Versprechen gemäß, zum Statthalter setzen könne. Da er nun merkte, daß der Kampf entschieden war und sein Herr wieder auf den Rozinante steigen wollte, kam er hinzu, ihm den Steigbügel zu halten, und ehe jener noch aufgestiegen war, warf er sich vor ihm nieder, ergriff seine Hand, küßte sie und sagte: »Erinnere sich mein gnädiger Herr Don Quixote nunmehr, mir die Regierung der Insula zu schenken, die in diesem hartnäckigen Kampfe gewonnen ist, sie sei auch noch so groß, ich fühle Tüchtigkeit in mir, sie zu regieren, trotz einem in der ganzen Welt, der nur je Inseln regiert hat.«
Hierauf erwiderte Don Quixote: »Sei wissend, Bruder Sancho, daß dieses Abenteuer, wie dem ähnliche, keine Inseln-, sondern nur Kreuzwegsabenteuer sind, in denen man nichts gewinnt als zerschlagene Köpfe und abgehauene Ohren. Fasse Geduld, es werden sich Abenteuer einstellen, die dir nicht nur eine Statthalterschaft, sondern wohl noch mehr eintragen sollen.«
Sancho war sehr erfreut und küßte wieder die Hand und den Harnisch, worauf er ihm auf seinen Rozinante half, selbst den Esel bestieg und seinem Herrn nachritt, der, ohne weiter mit denen in der Kutsche zu sprechen, sich eilig in ein nah gelegenes Gehölz wandte. Sancho folgte ihm im vollen Trabe seines Tieres, aber Rozinante war so behende, daß er weit zurückblieb und seinem Herrn laut zurufen mußte, er möchte auf ihn warten. Don Quixote tat es, er hielt den Rozinante so lange an, bis ihn sein Stallmeister eingeholt hatte, der darauf, als er nahe gekommen, sagte: »Es wäre wohl gut, Herr, wenn wir uns in eine Kirche flüchteten, denn da der so übel zugerichtet ist, mit dem Ihr Euch geschlagen habt, so ist er imstande, alles der Heiligen Brüderschaft zu klagen, daß sie uns fangen; haben die uns aber einmal hingesetzt, so kann wahrhaftig der Himmel darüber einfallen, ehe sie uns wieder aus dem Gefängnis lassen.«
»Sei ohne Sorge«, sagte Don Quixote, »wann hast du jemals gesehen oder gelesen, daß ein irrender Ritter vor Gericht geführt sei, wenn er auch tausend Homizidien begangen hätte.«
»Von den Omezilien versteh ich nichts«, antwortete Sancho, »habe mich auch zeitlebens auf keine eingelassen, aber das weiß ich, daß sich die Heilige Brüderschaft darum bekümmert, wer sich auf dem freien Felde rauft; alles übrige geht mich nichts an.«
»Du darfst nicht zweifeln, Freund«, antwortete Don Quixote, »daß ich dich aus den Händen der Chaldäer, geschweige der Brüderschaft erretten wollte. Aber sage mir aufrichtig, hast du wohl einen so tapfern Ritter, als ich bin, auf der ganzen bisher bekannten Erde gesehen? Hast du in den Historien von einem gelesen, der beweist oder bewiesen hat größere Kühnheit in Angriffen, mehr Festigkeit in der Ausdauer, mehr Geschicklichkeit zu verwunden und größere Behendigkeit niederzuwerfen?«
»Die Wahrheit ist«, antwortete Sancho, »daß ich niemals eine Historie gelesen habe, denn ich kann nicht lesen und schreiben, aber das will ich behaupten, daß ich einem so verwegnen Herrn als Euer Gnaden in meinem ganzen Leben noch nicht gedient habe, und Gott gebe nur, daß die Verwegenheit nicht so bezahlt wird, wie ich schon gesagt habe. Ich bitte aber Euer Gnaden, sich zu verbinden, denn aus dem Ohre läuft vieles Blut, ich habe Scharpie und etwas weiße Salbe im Schnappsacke.«

(Cervantes: Don Quijote 1. Teil 2. Buch 2. Kapitel)

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