4-teilige Fernsehserie
Wikipedia über die Badische Revolution
Zwar sind die beiden Frauengestalten, zwischen denen der (fiktive) Revolutionär Andreas Lenz schwankt, recht klischeehaft; aber die Schwierigkeiten, mit denen die Revolutionäre von 1848/49 zu kämpfen hatten, sind sehr eindrucksvoll und meiner Meinung nach auch realistisch gestaltet.
Die Interessengegensätze zwischen den Gruppen, die die Revolution mehr oder weniger engagiert betreiben: Da sind zum einen die Liberalen, in denen Großbürgertum (Handelsfreiheit), Bildungsbürgertum (Menschenrechte, Pressefreiheit) zwar Mitsprache anstreben, aber Angst vor einem sozialen Umsturz haben, und auf der anderen Seite die Demokraten (Handwerker, kleine Kaufleute) mit sozialen Forderungen, und dann die Armen (Tagelöhner, nur wenige Arbeiter), die sich kaum artikulieren, aber als unberechenbare Menge Volkszorn ausdrücken können, und die Soldaten, die einerseits den Fürsten als Instrument zur Revolutionsunterdrückung dienen, andererseits aber, wenn sie revoltieren, zur bewaffneten Macht der Revolution werden können, sowie die mehr oder minder idealistischen Berufsrevolutionäre. Die hier nur grob gekennzeichneten Gruppen werden von Heym durch verschiedene Charaktere recht differenziert dargestellt, die schier unüberwindbaren Schwierigkeiten, vor denen sie aufgrund ihrer Uneinigkeit stehen, sehr anschaulich gemacht.
Marx und Engels als Theoretiker und Praktiker der Revolution und Verfasser des Kommunistischen Manifests werden recht idealisiert dargestellt.
Der Vorsitzende der badischen Revolutionsregierung, Lorenz Brentano, wird in seiner vorsichtig zögerlichen Haltung sehr in die Nähe eines Verräters der Revolution gerückt.
Heym bezieht eine ganze Reihe von historischen Personen in die Romanhandlung ein. Wie weit die Darstellung historisch korrekt ist, ist ohne umfangreiches Quellenstudium kaum zu entscheiden.
Die Kennzeichnung ihrer Interessenlage und somit ihrer psychologischen Disposition innerhalb der Konflikte wirkt auf mich aber sehr überzeugend.
Zitate:
Marx zu Christoffel: "Wissen Sie irgend etwas über Klassen?"
Christoffel runzelte die Stirn.
"Klassen von Menschen!" Max war unnachgiebig.
"Da gibt es die Armen -", Christoffel überlegte einen Augenblick, "und die Reichen!"
"Das Prinzip der Sache hat er jedenfalls verstanden!" sagte Engels erfreut. "Davon geht alles aus!"
"Arbeiten die Armen?" Marx' Zeigefinger tippte Christoffel an.
"Die meisten ja ... sie müssen arbeiten!"
"Und die Reichen – arbeiten die?"
Christoffel, zuerst verwirrt durch das Frage-und-Antwort-Spiel, begann Methode darin zu sehen. "Die meisten reichen arbeiten nicht", erwiderte er, "wenigstens tun sie nicht das, was wir arbeiten nennen." (S.51/52)
[Brentano]:
"Welches höhere Ziel kann ein Mann haben", fragte er
sofort zurück, "als dem Willen des Volkes zu dienen? Und ist
nicht dies das Wesen der Freiheit, Mademoiselle?"
(S. 66)
(S. 66)
"Freiheit
für einen ist Freiheit für alle!" (S. 90)
"Lenz
hat gefordert – und seine Forderung wurde erfüllt. Wir müssen
weiter fordern. Mehr fordern, und mehr, und immer mehr!"
"Und wenn wir abgewiesen werden?" fragte jemand.
"Wir gewinnen dabei auf jeden Fall!" Comlossys kluge Augen zwinkerten. "Jede erfüllte Forderung bedeutet eine Schwächung der Regierungsautorität, bedeutet Ermutigung fürs Volk; jede abgelehnte Forderung bringt die Menschen auf und schart sie dichter um uns. Vor allem ist jede Forderung, die aus der Not und der Sehnsucht der Menschen erwächst, ein konkretes Ziel, für das man kämpfen kann ...!"
(S.94)
"Und wenn wir abgewiesen werden?" fragte jemand.
"Wir gewinnen dabei auf jeden Fall!" Comlossys kluge Augen zwinkerten. "Jede erfüllte Forderung bedeutet eine Schwächung der Regierungsautorität, bedeutet Ermutigung fürs Volk; jede abgelehnte Forderung bringt die Menschen auf und schart sie dichter um uns. Vor allem ist jede Forderung, die aus der Not und der Sehnsucht der Menschen erwächst, ein konkretes Ziel, für das man kämpfen kann ...!"
(S.94)
"Freiheit!
– Wir verlangen Wahl der Offiziere!" (S. 98)
Über Leonore: "Sie hatte sich einen Platz geschaffen in diesem Männerkrieg. Das war etwas Neues. Auch das gehörte ins Bild des Ganzen – die zukunftweisende Hoffnung, ganz gleich, wie eine Schlacht verlief oder ein Krieg endete." (S.449)
Quellen, aus denen in den Mottos zitiert wird*:
Johann Philipp Becker: Geschichte der süddeutschen Mai-Revolution des Jahres 1849
Lorenz Brentano: Ansprache an das badische Volk, Feuerthalen 1.7.1849, Stadtarchiv Freiburg.
Friedrich Engels: Die deutsche Reichsverfassungs-Campagne
Ludwig Häusser: Denkwürdigkeiten zur Geschichte der Badischen Revolution
Staroste: Tagebuch über die Ereignisse in der Pfalz und Baden im Jahre 1849: Ein Erinnerungsbuch für die Zeitgenossen und für Alle, welche Theil nahmen an der Unterdrückung jenes Aufstandes, Bände 1-2
Gustav Struve: Geschichte der drei Volkserhebungen in Baden
Rezension zu:
Franz Simon Meyer: Die ganze Geschichte meines gleichgültigen Lebens.
* Die ungekürzte Fassung des Buches hatte noch den Titel "Die Papiere des Andreas Lenz" und betonte damit die Fiktion des Prologs, dass das Buch auf der Grundlage des Nachlasses des (fiktiven) Andreas Lenz entstanden sei.
Quellenzitate:
Engels:
"Man könnte sich dabei beruhigen, daß Herr Brentano durch den gänzlichen Ruin seiner politischen Stellung, durch die allgemeine Verachtung aller Parteien für seinen Verrat genug gezüchtigt ist. An dem Untergang der badischen Bewegung liegt nicht viel. Der 13. Juni in Paris und die Weigerung Görgeys, auf Wien zu marschieren, vernichteten alle Chancen, die Baden und die Pfalz noch hatten, selbst wenn es gelungen wäre, die Bewegung nach Hessen, Württemberg und Franken zu verpflanzen. Man wäre ehrenvoller gefallen, aber gefallen wäre man. Was aber die revolutionäre Partei Herrn Brentano nie vergessen wird, was sie den feigen badischen Kleinbürgern, die ihn aufrechterhielten, nie vergessen wird, das ist, daß sie direkt schuld sind an dem Tode der in Karlsruhe, in Freiburg und in Rastatt Erschossenen und der zahllosen und namenlosen Opfer, die die Preußen vermittelst des Typhus in den Rastatter Kasematten im stillen hingerichtet haben." (S.145)
"Die Reichsverfassungskampagne ging zugrunde an ihrer eignen Halbheit und innern Misere. Seit der Juniniederlage 1848 steht die Frage für den zivilisierten Teil des europäischen Kontinents so: entweder Herrschaft des revolutionären Proletariats oder Herrschaft der Klassen, die vor dem Februar herrschten. Ein Mittelding ist nicht mehr möglich. In Deutschland namentlich hat sich die Bourgeoisie unfähig gezeigt zu herrschen; sie konnte ihre Herrschaft nur dadurch gegenüber dem Volk erhalten, daß sie sie an den Adel und die Bürokratie wieder abtrat. In der Reichsverfassung versuchte die Kleinbürgerschaft, verbündet mit der deutschen Ideologie, eine unmögliche Ausgleichung, die den Entscheidungskampf aufschieben sollte. Der Versuch mußte scheitern: denjenigen, denen es ernst war mit der Bewegung, war es nicht ernst mit der Reichsverfassung, und denen es ernst war mit der Reichsverfassung, war es nicht ernst mit der Bewegung.
Die Reichsverfassungskampagne hat aber darum nicht minder bedeutende Resultate gehabt. Sie hat vor allem die Situation vereinfacht. Sie hat eine endlose Reihe von Vermittlungsversuchen abgeschnitten; nachdem sie verloren ist, kann nur die etwas konstitutionalisierte feudal-bürokratische Monarchie siegen oder die wirkliche Revolution. Und die Revolution kann in Deutschland nicht eher mehr abgeschlossen werden als mit der vollständigen Herrschaft des Proletariats.
Die Reichsverfassungskampagne hat ferner in den deutschen Ländern, wo die Klassengegensätze noch nicht scharf entwickelt waren, zu ihrer Entwicklung bedeutend beigetragen. Namentlich in Baden. In Baden bestanden, wie wir sehen, vor der Insurrektion fast gar keine Klassengegensätze. Daher die anerkannte Herrschaft der Kleinbürger über alle Oppositionsklassen, daher die scheinbare Einstimmigkeit der Bevölkerung, daher die Raschheit, mit der die Badenser wie die Wiener von der Opposition in die Insurrektion übergehn, bei jeder Gelegenheit einen Aufstand versuchen und selbst den Kampf im offnen Feld mit einer regelmäßigen Armee nicht scheuen. Sobald aber die Insurrektion ausgebrochen war, traten die Klassen bestimmt hervor, schieden sich die Kleinbürger von den Arbeitern und Bauern. In ihrem Repräsentanten Brentano blamierten sie sich auf ewige Zeiten. Sie selbst sind durch die preußische Säbelherrschaft so zur Verzweiflung getrieben, daß sie jetzt jedes Regime, selbst das der Arbeiter, dem jetzigen Druck vorziehn; sie werden einen viel tätigeren Anteil an der nächsten Bewegung nehmen als an jeder bisherigen; aber glücklicherweise werden sie nie wieder die selbständige, herrschende Rolle spielen können wie unter der Diktatur Brentanos. Die Arbeiter und Bauern, die unter der jetzigen Säbelherrschaft ebensosehr leiden wie die Kleinbürger, haben die Erfahrung des letzten Aufstands nicht umsonst gemacht; sie, die außerdem ihre gefallenen und gemordeten Brüder zu rächen haben, werden schon dafür sorgen, daß bei der nächsten Insurrektion sie und nicht die Kleinbürger das Heft in die Hand bekommen. Und wenn auch keine insurrektionellen Erfahrungen die Klassenentwickelung ersetzen können, die nur durch einen langjährigen Betrieb der großen Industrie erreicht wird, so ist doch Baden durch seinen letzten Aufstand und dessen Folgen in die Reihe der deutschen Provinzen getreten, die bei der bevorstehenden Revolution eine der wichtigsten Stellen einnehmen werden.
Politisch betrachtet, war die Reichsverfassungskampagne von vornherein verfehlt. Militärisch betrachtet, war sie es ebenfalls. Die einzige Chance ihres Gelingens lag außerhalb Deutschlands, im Sieg der Republikaner in Paris am 13. Juni - und der 13. Juni schlug fehl. Nach diesem Ereignis konnte die Kampagne nichts mehr sein als eine mehr oder minder blutige Posse. Sie war weiter nichts. Dummheit und Verrat ruinierten sie vollends. Mit Ausnahme einiger weniger waren die militärischen Chefs Verräter oder unberufene, unwissende und feige Stellenjäger, und die wenigen Ausnahmen wurden überall von den übrigen wie von der Brentanoschen Regierung im Stich gelassen. Wer bei der bevorstehenden Erschütterung keine anderen Titel aufzuweisen hat als die, Heckerscher General oder Reichsverfassungsoffizier gewesen zu sein, verdient, sogleich die Tür gewiesen zu bekommen. Wie die Chefs, so die Soldaten. Das badische Volk hat die besten kriegerischen Elemente in sich; in der Insurrektion wurden diese Elemente von vornherein so verdorben und vernachlässigt, daß die Misere daraus entstand, die wir des breiteren geschildert haben. Die ganze "Revolution" löste sich in eine wahre Komödie auf, und es war nur der Trost dabei, daß der sechsmal stärkere Gegner selbst noch sechsmal weniger Mut hatte.
Aber diese Komödie hat ein tragisches Ende genommen, dank dem Blutdurst der Kontrerevolution. Dieselben Krieger, die auf dem Marsch oder dem Schlachtfelde mehr als einmal von panischem Schrecken ergriffen wurden - sie sind in den Gräben von Rastatt gestorben wie die Helden. Kein einziger hat gebettelt, kein einziger hat gezittert. Das deutsche Volk wird die Füsilladen und die Kasematten von Rastatt nicht vergessen; es wird die großen Herren nicht vergessen, die diese Infamien befohlen haben, aber auch nicht die Verräter, die sie durch ihre Feigheit verschuldeten: die Brentanos von Karlsruhe und von Frankfurt." (Engels, S.196/97)
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