48. Die orientalische Nacht
Hauptquartier Asbusu bei Malatia, den 2. September 1838
KleidungMeine Tracht zu Hause ist ein großer weißer Mantel von dünnem wollenem Zeug, wie er bei den Kurden üblich ist und wie ihn die Malteser-Ritter aus diesen Ländern nach Europa mitgebracht haben. Nichts Zweckmäßigeres und Angenehmeres als diese Tracht; man kann unter dem Mantel anhaben, so viel und so wenig man will, er schützt beim Reiten gegen Sonne wie gegen Regen; nachts dient er als Bettdecke und je nachdem man ihn umhängt, anzieht oder umbindet, ist er Mantel, Kleid, Gürtel oder Turban. Die Konstruktion dieses Gewandes ist die einfachste, nämlich die eines in der Mitte aufgeschlitzten Sackes; dessen ungeachtet drapiert er sehr gut und die irreguläre Reiterei mit solchen Mänteln, bunten Turbanen und langen Flinten sieht wirklich malerisch aus. Die Türken steigen in demselben Anzug zu Pferde, in dem sie schlafen, und brauchen weder Sprungriemen noch Sporen anzulegen. Niemand braucht ein anderes Kleid anzuziehen, weil er zu einem vornehmen Mann geht, ausgenommen die reichen Rajahs, welche sich zu diesem Anlass einen zerlumpten Rock borgen. Hier sieht man überall noch das schöne alte Kostüm; der Turban ist ebenso kleidsam wie zweckmäßig. Je nachdem man sich gegen die Sonne oder den Regen von der einen oder der anderen Seite schützen will, wird der Schal anders gewickelt, mit dem Hut hingegen liefe man beständig Gefahr einen Sonnenstich zu bekommen. Das Beinkleid ist ein oft neun Ellen weiter Sack, der um den Leib zusammengeschnürt wird und an dessen unteren Ecken zwei Löcher sind, aus denen die Füße mit bunt gestrickten Socken hervorkommen; zwei, drei, sechs oder acht Jacken von leichtem Zeug, oft reich gestickt, schützen den Körper nach Maßgabe des Bedürfnisses; ein breiter Gurt oder ein Schal um den Leib nimmt Geldkatze, Tabaksbeutel, Handschar, Messer, Pistolen und Schreibzeug auf; eine Pelzjacke und darüber ein langer Pelz vervollständigen den Anzug, und ein Mantel von Ziegenhaar oder Filz schützt gegen Unwetter und dient als Lager. Jede Bewegung des Mannes in diesem faltenreichen Anzug gibt ihm ein stattliches Ansehen und alle Augenblick sieht man eine Figur, die man zeichnen möchte. [...]
50. Reise nach Iconium – Der Erdschiesch und Cäsarea – Kara-Djehennah – Iconium – Die Kilikischen Pässe – Der Bischof von Tomarse – Der Awscharenfürst
Malatia, den 3. November 1838
Am 3. Oktober verließ ich Malatia, begleitet von einem Dragoman, einem türkischen Tschausch, einem Tataren und einem Seïs oder Pferdeknecht mit dem Handpferd. [...]
Malatia, den 3. November 1838
Am 3. Oktober verließ ich Malatia, begleitet von einem Dragoman, einem türkischen Tschausch, einem Tataren und einem Seïs oder Pferdeknecht mit dem Handpferd. [...]
Konieh liegt gegenwärtig außerhalb der alten Mauer und bildet eigentlich eine weite Vorstadt von einer Stadt, die nicht mehr existiert. Hadschi-Aly, der Gouverneur des ausgedehnten Sandschaks von Konieh, ein Pascha vom alten Schlag, hatte mich sehr freundlich empfanden und mir den Konak des Müsselims zur Wohnung angewiesen, der besser logiert war als Se. Exzellenz in ihrem Seraj aus Lehm; er wünschte, dass ich die Reise nach dem Külek-Boghas in Begleitung Ejub-Paschas, des Zivilgouverneurs der Provinz, machen sollte, und ich musste deshalb ein paar Tage in Konieh verweilen; zum Abschied schickte der alte Herr mir vier Beutel durch seinen armenischen Bankier. [...]
Die beiden Hanns neben der Brücke waren neu aufgebaut und dienten den Arbeitern zur Behausung; die Berge ertönen von der Axt der Holzhauer und dem Sturz der alten Pinienstämme. Aber in dieser Szene der Tätigkeit suchte ich den Urheber vergebens; ich fand meinen Kameraden in einem feuchten Stübchen des Hanns von einem heftigen Fieber geschüttelt. Bei einer so wichtigen Aufgabe war indes keine Zeit, krank zu sein, und noch am selben Tag beritt er mit mir die nächste Umgebung; wir kehrten erst bei dunkler Nacht heim, an den Thermen oder heißen Quellen vorüber, von denen schon Xenophon spricht. Am folgenden Morgen ritt Fischer mit dem Pascha und mir über Tagta-Köpry bis eine Stunde von Akköpry vor, wo die ägyptischen Grenzposten stehen; dann über hohe Berge nach Dschevisly-Hann, wo dieselbe Tätigkeit herrschte wie bei Tschifte-Hann, und tags darauf nach Maaden. Die Kraft des Willens siegte bei Fischer über die Schwäche des Körpers; wenn der Fieberanfall kam, so legte er sich eine Stunde unter einen Baum oder neben einer Fontäne nieder, wir machten ein Feuer aus Reisig und trockenem Gras, kochten einen Tee und setzten dann den Weg, so gut es gehen wollte, fort. In Maaden verließ ich meinen Kameraden und habe leider seit der Zeit noch keine Nachricht von ihm. [...]
Die vorhandenen Karten von Kleinasien vermögen durchaus keine Vorstellung von der wirklichen Beschaffenheit des Landes zu geben; ich hatte erwartet, von Ekrek aus über lauter hohe Gebirge fortzuziehen, und war nicht wenig überrascht, eine weite Ebene zwischen schneebedeckten Bergen in der Richtung von Westen nach Osten zu finden, eine Öffnung in diesem Hochgebirge, als ob die Natur selbst den Menschen einen Durchgang bahnen wollte. So geht es bis Albistan oder El-bostan fort, einem sehr hübschen Städtchen mit prächtigen Pappeln und Obstbäumen in einer Ebene, die mit zahlreichen Dörfern und Feldern bedeckt ist. Hinter dem Städtchen erhebt sich schroff der schöne Scherr-Dagh, an dessen schwarzen Wänden die weißen Minaretts und Kuppeln sich abzeichnen. Die besonderen Verhältnisse, unter denen ich reise, schließen mir Gegenden auf, die zu durchstreifen jedem Europäer bisher unmöglich war; Gegenden, die man noch heute zum Teil nicht ohne militärische Eskorte durchziehen oder, wie den Karsann-Dagh, nur im Gefolge eines Heeres betreten kann. So günstige Umstände vereinigen sich selten und ich benutze sie gewissenhaft; ich habe jetzt auf mehr als 700 geographischen Meilen dies Land durchkreuzt und von sämtlichen die Wegeaufnahmen gezeichnet.
51. Der Ramadan – Türkische Reiterkünste
Malatia, den 8. Dezember 1838
Wir befinden uns jetzt im Ramadan-scherif, d. h. in der edlen Fastenzeit; solange die Sonne am Himmel ist, dürfen wir weder essen noch trinken, der Geruch einer Blume, eine Prise Tabak, ein Trunk Wasser und, was schlimmer als alles, der Tschibuk sind verboten. Abends um 5 Uhr gehe ich in der Regel zum Kommandierenden, wo die Paschas versammelt sind, jeder mit der Uhr in der Hand; die große Messingscheibe ist schon mit Früchten, eingemachten Oliven, an der Sonne getrocknetem Rindfleisch, Käse, Scherbet usw. besetzt. Jetzt fehlt nur noch eine Minute an 12 (der türkischen Uhr), der Deckel wird von der Suppe aufgehoben und der verführerische Dampf steigert die Ungeduld aufs Höchste; endlich nach einer Minute, die gewiss 160 Sekunden hat, ruft der Imam sein »Lah-illah il Allah!« und mit einem »Bismillah« und »El ham d'illah!« fällt jeder über das, was ihm zunächst steht, her und rächt sich an Hammelfleisch und Pillaw für die lange Entbehrung. Da es unseren Freunden, den Türken, unmöglich ist, zu arbeiten, ohne zu rauchen, so geschehen jetzt alle Geschäfte des Nachts; die Kanzlei ist versammelt, Briefe werden gelesen und spediert, Meldungen angenommen, Geschäfte besprochen. Du kannst dir eine Vorstellung von der Wirtschaft machen, wenn ich dir sage, dass zwei Stunden nach Mitternacht dem Soldaten das zweite Essen verabreicht wird; gegen Morgen geht jedermann zu Bett und hat den folgenden Tag einen verdorbenen Magen und üble Laune.
(Moltke: Unter dem Halbmond Kapitel 48-51)
51. Der Ramadan – Türkische Reiterkünste
Malatia, den 8. Dezember 1838
Wir befinden uns jetzt im Ramadan-scherif, d. h. in der edlen Fastenzeit; solange die Sonne am Himmel ist, dürfen wir weder essen noch trinken, der Geruch einer Blume, eine Prise Tabak, ein Trunk Wasser und, was schlimmer als alles, der Tschibuk sind verboten. Abends um 5 Uhr gehe ich in der Regel zum Kommandierenden, wo die Paschas versammelt sind, jeder mit der Uhr in der Hand; die große Messingscheibe ist schon mit Früchten, eingemachten Oliven, an der Sonne getrocknetem Rindfleisch, Käse, Scherbet usw. besetzt. Jetzt fehlt nur noch eine Minute an 12 (der türkischen Uhr), der Deckel wird von der Suppe aufgehoben und der verführerische Dampf steigert die Ungeduld aufs Höchste; endlich nach einer Minute, die gewiss 160 Sekunden hat, ruft der Imam sein »Lah-illah il Allah!« und mit einem »Bismillah« und »El ham d'illah!« fällt jeder über das, was ihm zunächst steht, her und rächt sich an Hammelfleisch und Pillaw für die lange Entbehrung. Da es unseren Freunden, den Türken, unmöglich ist, zu arbeiten, ohne zu rauchen, so geschehen jetzt alle Geschäfte des Nachts; die Kanzlei ist versammelt, Briefe werden gelesen und spediert, Meldungen angenommen, Geschäfte besprochen. Du kannst dir eine Vorstellung von der Wirtschaft machen, wenn ich dir sage, dass zwei Stunden nach Mitternacht dem Soldaten das zweite Essen verabreicht wird; gegen Morgen geht jedermann zu Bett und hat den folgenden Tag einen verdorbenen Magen und üble Laune.
(Moltke: Unter dem Halbmond Kapitel 48-51)
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