25 Februar 2013

Apollonius an der Arbeit, Fritz in Eifersucht

Apollonius geht an die Arbeit, die ihm aufgetragen wird, und ahnt nicht, wie viel Ängste er auslöst.
Er dachte nicht, daß man beleidigen kann, ohne zu wissen und zu wollen, ja daß die Pflicht gebieten könne, zu beleidigen. Er dachte nicht, daß sein Bruder ihn beleidigt haben könnte. Er wußte nicht, man könne auch den hassen, den man beleidigt, nicht bloß den Beleidiger. (S.437)
Er hofft, durch Unterordnung seinen Bruder zu beruhigen  und den - vermeintlichen - Widerwillen seiner Schwägerin "durch Ausdauer redlichen Mühens" überwinden. Aber dessen Angst, dass er ihm die Frau ausspannen wolle, kann er damit nicht überwinden. Im Gegenteil, Fritz glaubt in seiner Eifersucht, ihn und seine Frau ständig überwachen zu müssen.
Ach, es war ein wunderlich schwüles Leben von da in dem Hause mit den grünen Fensterladen, tage-, wochenlang! Die junge Frau kam fast nicht [474] zum Vorschein, und mußte sie, so lag brennende Röte auf ihren Wangen. Apollonius saß vom ersten Morgenschein auf seinem Fahrzeug und hämmerte, bis die Nacht einbrach. Dann schlich er sich leise von der Hintergasse durch Schuppen und Gang auf sein Stübchen. Er wollte ihr nicht begegnen, die ihn floh. Fritz Nettenmair war wenig mehr daheim. Er saß von früh bis in die Nacht in einer Trinkstube, von wo man nach der Aussteigetür und dem Fahrzeug am Turmdache sehen konnte. Er war jovialer als je, traktierte alle Welt, um sich in ihrer lügenhaften Verehrung zu zerstreuen. Und doch, ob er lachte, ob er würfelte, ob er trank, sein Auge flog unablässig mit den Dohlen um das steile Turmdach. Und wie durch einen Zauber fügte es sich, nie schlich Apollonius durch den Schuppen, ohne daß fünf Minuten früher Fritz Nettenmair in die Haustür getreten war. (Otto Ludwig: Zwischen Himmel und Erde, S.473-474)


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