23 Mai 2013

Grossman: Eine Frau flieht vor einer Nachricht (erweiterter Artikel)

Gedanken und Gespräche auf der Flucht vor einer Todesnachricht.

FAZ: Grossman beschreibt  "den Versuch, die Angst mit tausend winzigen Erinnerungen zu überschreiben, wenn auch nie zum Verschwinden bringen zu können. [...]  Die Familie gibt es nur in diesem erzählerischen Rückblick, nur als Vergangenheit. [...] Niemals zuvor aber hat Grossman israelische Wirklichkeit und die intime Atmosphäre von Familienleben so zwingend erzählerisch aufeinander bezogen wie jetzt."

Grossman: "[...] dass sie in dem Moment, wo er verstaatlicht worden war, das Kind, das er gewesen war, für immer verloren hatte, und auch er selbst hatte es verloren" (S.109)

SZ: "Wie Szenen aus einem Album, das so intim ist, dass man es normalerweise keinem zeigt, entwirft David Grossman das Porträt einer Familie, deren Zusammenhalt ganz allmählich vom Schicksal ihres Landes unterminiert und zerstört wird." 

"Zerrissenheit des Landes und den Möglichkeiten des Lebens unter diesen Bedingungen" (FR)



2003 beginnt Grossman sein Buch und korrespondiert darüber mit seinem Sohn Uri, der im Libanonkrieg ist.
2006 erhält er die Nachricht selbst.

Grossmann: "dass er seine Rolle, hochmütig, jubelnd und kriegsbegeistert zu sein, dermaßen gut erfüllte" (S.116)  "wie dick die Kampfmischung ist, die in ihnen fließt, über ihre gut unterdrückte Angst" (S.118)
"wie kommt es, dass ich denen, die ihn dorthin schicken, so gehorche" (S.124)

So weit sind es Aussagen über eine Mutter (Ora)  und ihr Soldatenkind (Ofer), wie es sie in vielen Kriegen gibt.

Dagegen ist das "Gewimmel" der nächtlichen Schatten von illegalen Arabern wie ein geisterhafter Beweis, dass der Kampf ihres Sohnes keinen Sinn haben kann.
 Sie will nicht Abschied nehmen "Von diesem im Verborgenen Gutes tuenden Gewimmel hier." (Seite 163)

Die Begegnung mit ihrem durch Schlafmittel fast abgeschalteten früheren Geliebten Avram dagegen ist zunächst wie ein Albtraum.      [Ende der Erstfassung]

Doch diese Begegnung erlaubt der Mutter Ora, von ihrem Sohn zu sprechen, auch wenn Avram lange nicht hören will. Im Rückblick berichtet sie unter anderem:
Ofer schnitzt sich einen - verbotenen - Schlagstock. "Damit ich nicht schießen muss." [Kein wörtliches Zitat] 
Adam, Orams älterer Sohn, sagt: "Dazu bin ich doch da, dass der Selbstmordattentäter bei mir hochgeht und nicht in Tel Aviv."[Kein wörtliches Zitat] Und Ora ist geschockt.
Ofer, Oras Lieblingssohn, ist der Sohn ihres Freundes Avram, Adam, der Sohn ihres Mannes Ilan.
In der Nacht vor Ofers Geburt erzählt Ilan Ora, dass er sich unerlaubt von der Truppe entfernt hat, und allein durch die Wüste gezogen ist, um seinen Freund Avram zu retten, der nach dem Vormarsch der Ägypter allein als einziger Überlebender auf seinem Posten zurückgeblieben ist.
"Hast du ihm das nie erzählt? hatte sie Ilan gefragt.
Wenn ich es bis zu ihm geschafft hätte, hätte er es gewusst. Aber ich bin nicht durchgekommen, da hab ich's ihm auch nicht erzählt." (S.605)

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