17 November 2013

Nachruf auf Doris Lessing


Doris Lessing, gefeiert als Feministin, lange Zeit für den Kommunismus aufgeschlossen, war sie sehr selbständig in ihrem Urteil und setzte sich vom Kommunismus ab. Werke einer visionären Science Fiction und doch sehr matter of fact.
Mir gefiel der zweite Teil ihrer Autobiographie (Schritte im Schatten), uneitel, selbstkritisch, selbstbewusst:
Unerbittlich wird die Frage gestellt, warum die Suche nach dem privaten Glück und das Mitleid mit den Erniedrigten und Beleidigten über mehr als ein Jahrzehnt hinweg mit dem Glauben an die welterlösende Mission der Arbeiterklasse verschmolzen.
In der Analyse privater Illusionen entzaubert Doris Lessing das "Gralsrittertum" verblendeter Intellektueller und beschreibt mit unerhörter Genauigkeit die Spannungen, die biographischen Konstellationen und den Zusammenhalt eines zugleich literarischen und politischen Milieus. Es bot im Schatten des Kalten Krieges und im Vertrauen auf die Sowjetunion den "Dogmatismus" und die Lebenswärme einer säkularen Religionsgemeinschaft. In ihr schien die Grenze von Wahrheit und Lüge klar abgesteckt, und selbst noch das verlorenste Individuum konnte sich mit dem Mantel des linken Weltgeistes umhüllen. Es war ein Milieu, das, wie vorgeführt wird, nicht nur den Heuchlern und den Zynikern der Macht, nicht nur den pubertierenden Dauerprotestlern, sondern auch manchem gebildeten Idealisten und vielen Opfern schlimmer Verhältnisse Halt und Heimat bot. [...] Im atmosphärischen Kolorit ihrer Schilderungen, die alle Nöte der Häuslichkeit, alle Ängste vor der Schreibmaschine, alle Merkwürdigkeiten nächtlicher Streifzüge und auch die Phasen alkoholisierter Verzweiflung noch einmal aufleben lassen, schließen sich diese Erinnerungen an die "Dokumentation" an, die 1986 unter dem Titel "Auf der Suche" in deutscher Übersetzung erschien. (FAZ, 4.11.97)
Die Rezension der FAZ trifft recht genau, was auch ich in Erinnerung habe, auch im Verhältnis zu ihrer Mutter und in ihrer kritischen Sicht auf ihre eigene Rolle als Mutter. - Zu hart war die Selbständigkeit erkämpft und zu sehr sah sie sich auf ihre Schriftstellerei als finanzielle und selbstidentifikatorische Basis angewiesen, um ihre Ansprüche an ihre Mutterrolle erfüllen zu können.
Sie ist eine Schriftstellerin, deren Werk mir zu großen Teilen fremd bleibt, für die ich aber eine tiefe Sympathie empfinde.

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