20 Dezember 2014

Die Glashütten und Metas Ruh

Das Revier, das uns hier aufnahm, war das Revier der Glashütten, die wie Squatteransiedlungen am Waldsaume lagen. Hütte neben Hütte; sonst nichts sichtbar als der Rauch, der über die Dächer zog. Nur bei der Globsower Glashütte, die (hart an einer Buchtung des Großen Stechlin gelegen) einen weitverzweigten Handel treibt mit Retorten und Glaskolben, nur hier herrschte Leben, am meisten in der schattigen Allee, die, von den Wohn- und Arbeitshütten her, zur Ladestelle hinunterführte. Hier spielten Kinder Krieg und fochten ihre Fehde mit Kastanien aus, die zahlreich in halbaufgeplatzten Schalen unter den Bäume lagen. Die einen retirierten eben auf den See zu und suchten Deckung hinter den großen Salzsäureballons, die hier dichtgereiht am Ufer des Stechlin hin standen, aber der Feind gab seinen Angriff nicht auf, und die Kastanien fielen hageldicht auf die gläserne Mauer nieder.
Tausend Schritte weiter südwärts, da wo sich ein paar Wege kreuzen und das ansteigende Terrain einen Überblick über eine Lichtung und ein inmitten derselben gelegenes Wasserbecken gestattet, fiel uns eine parkartige, von alten Eichen überragte Einfriedigung auf, an deren Front wir, als wir hielten und abgestiegen waren, die Worte »Metas Ruh« lasen und leicht erkannten, daß wir uns hier auf dem Friedhofe der Glashüttenaristokratie dieser Gegenden befinden müßten. Aber »Metas Ruh« (soviel leuchtete kaum weniger ein) konnte nicht wohl die Bezeichnung für diesen Begräbnisplatz überhaupt, sondern der Name für jenen seltsamen Bau sein, der sich inmitten dieses Eichenkampes erhob. Hohlwegartig, die Seitenwände gemauert, lief in leiser Schrägung ein absteigender Gang auf eine Gittertüre zu, hinter der wir leidlich bequem in das Dunkel einer rundgewölbten Gruft blicken konnten. Drei, vier Särge waren sichtbar. Über diesen Tatbestand hinaus aber schien unsere Neugier nicht befriedigt werden zu sollen.
Wir hatten uns auch bereits darin ergeben, als ein Alter, den wir von Dagow her des Weges kommen sahen, unsere Hoffnung neu belebte. »Der wird es wissen.« Und jetzt war er dicht heran.
Guten Tag, Papa.
»Goden Dag ook.«
Was bedeutet dies »Metas Ruh«? Wer ist Meta?
»Meta wihr sien' ihrste Fru.«
Die Sache schien sich hiernach nicht allzu rasch entwickeln zu sollen, weshalb wir uns setzten und den Alten einluden, auch Platz zu nehmen. Er blieb aber stehen und erzählte.
»Meta, as ick Se all seggt hebb', wihr sien' ihrste Fru. Un as se nu starven deih, doa wihr he ganz van een und bugte ehr disse Gruft. Awers, as dat so geit, int dritte Joar, doa hädd he wedder ne Fru, un noch dato een', de he sien besten Frünn wegnoamen hädd. Na, he leevde joa so wiet ganz goat mit ehr, man blot dat he keen Roh nich hädd un nich sloapen künn, und de Lüd' hier herümmer – he wihr dunn in Strelitz – de seggten: »Dat wihr man bloot, wiel sien' ihrste Fru nich richtig begroaben wihr. De Doden, de möten in de Ihrd, seggten se, un nich in so'n Keller.«
Und wer war es denn? Wie hieß er?
»Da weet ick nich. Awers da weet ick, dat he eens Dags hier ankoamen un to sien Verwann'n seggen deih: ›Kinnings, wi wüll'n dat Dings nu inriten und hunnert Fuhren Ihrd upschüdden.‹  Awers dat wullen joa nu siene Verwann'n nich. ›Dat kannste nich dohn‹, seggten se, ›wi hebben joa nu ook all en poar von uns' mit in. Und denn, wat wühren de Lüd seggen, wenn du dien eegen ›Meta's Ruh‹ wedder inriten deist?‹«
Und was wurde?
»Nu, he seggte joa vörihrst wieder nix un woahr man bloot noch so veer or fiew Doag hier rümmer; awers as nu sülwigen Harwst wedder een in de Gruft rinn süll, doa wihr joa Meta nich mihr in. Un nu frögten se so lang, bis et rut kam. Een von de Globsower Glashüttenlüd', de all Nacht um Klock een up Arbeit güng, de wiehr niglig west und hädd öwern Tuhn kuckt, und doa hädd he joa siehn, dat Een een' Sark uttrecken un dat Sark inn' Graff insetten deih, dat he all vörher moakt hädd. Und nu seggen's, dat is he west. Ick weet et nich. Awers dat heww ick immer hührt, dat he von dunu an sloapen künn.«
Wir dankten dem Alten und weiter ging es in den bereits dunkelnden Forst hinein. Willkommen waren uns jetzt die lichten Stellen, wo gerodet war, oder aber auf graugelben Sandstrecken nichts anderes wuchs, als niederes, aus dem Samen windverschlagener Kiehnäpfel aufgeschossenes Buschwerk.
Theodor Fontane:  Die Ruppiner Schweiz, Die Menzer Forst und der große Stechlin S.316 - 318

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