21 Dezember 2014

Oberamtmann Fromme berichtet über eine Inspektionsreise Friedichs II. im Dossebruch

Etwa bei Wusterhausen, wenn wir dem Lauf des Flusses folgen, beginnt das Dossebruch. Es hatte vordem so ziemlich denselben Sumpfcharakter wie das Oderbruch, alles lag wüst und befand sich in einem Urzustande. Werftweiden, Elsen und anderes Gebüsch bedeckten den größten Teil der Niederung, und nur hier und da lagen Stellen über dem Wasser, die nun als Wiesen und Weide dienten. Dreetz und Sieversdorf, mitten im Bruch auf zwei Sandschollen erbaut, hatten ungeheure Feldmarken, ohne sie recht benutzen zu können, weil das Vieh im Sumpfe steckenblieb. Schon die Namen der einzelnen Örtlichkeiten hatten schlimmen Klang: Dolenbusch, Brand und der Tarterwinkel.
Kolonisationsversuche wurden ziemlich früh gemacht. Bereits der Landgraf von Hessen-Homburg begann Abzugsgräben zu ziehen; später suchte König Friedrich Wilhelm I. (und zwar nach Entwässerung des Havelländischen Luches) auch hier die Kanalisierung in ein System zu bringen. Aber erst unter dem großen Könige kamen die Dossebrucharbeiten zu verhältnismäßigem Abschluß. An Widerstand hatten es die Nächstbeteiligten nicht fehlen lassen; ihrer Auflehnungen indes war man bald Herr geworden. Wo nicht freier Wille zu Hilfe kam, erfolgte Zwang.
1778 endigten die Vorarbeiten: 15000 Morgen Land waren gewonnen, 25 neue Dörfer und Ortschaften gegründet, 1500 Ansiedler angesetzt. Der König wollte nunmehr mit eigenen Augen sehen, was hier geschaffen worden sei.
Den 23. Juli 1779 brach er zu diesem Behufe fünf Uhr morgens von Potsdam auf, und ging zunächst über Fahrland, Dyrotz, Wustermark, Nauen und Königshorst bis Seelenhorst.
Hier, in Seelenhorst, trat der König in den Fehrbelliner Amtsbezirk ein, und statt des Königshorster Amtsrats, der auf der Fahrt durch's Havelländische Luch den Führer gemacht hatte, erschien nunmehr der Oberamtmann Fromme neben dem Wagen des Königs, um Seine Majestät durch das Fehrbelliner Revier hin zu geleiten. Der König fand Wohlgefallen an ihm, stellte viele Fragen und behielt ihn mehrere Stunden lang an seiner Seite.
Fromme hat in einem Schreiben an den alten Vater Gleim, der sein Onkel war, alles aufgezeichnet, was er in diesen denkwürdigen Stunden erlebt oder aus dem Munde des Königs vernommen hat, und es ist nunmehr Fromme, den ich in nachstehendem sprechen lasse.

Frommes Berich ist bei der ersten (leider auch bei der zweiten) Lektüre ziemlich ermüdend, weil Fromme nicht zusammenfasst, sondern protokollartig (mitschreiben konnte er zu Pferde schwerlich) von seinem Gespräch mit Friedrich II. berichtet.

So ermüdend das ist, so aufschlussreich ist es auch. Friedrich prüft seinen Oberamtmann, teilweise stellt er ein Verhör an, durchweg versucht er zu lernen und sich nichts vormachen zu lassen. Er versucht durchaus, dem Amtmann durch seine Sach- und Personenkenntnis zu imponieren, zeigt aber nichts von der freundlichen Aufgeschlossenheit, die ein demokratischer Politiker (notgedrungen?) an den Tag legen würde. Der hier vorliegende Abschnitt besteht nur aus Teilen des Gesprächs, das Fontane wiedergibt. Man kann es im Original der Wanderungen vollständig lesen. (S.361 - 377)

Friedrichs 11. Besuch im Rhin- und Dossebruch

Um acht Uhr morgens kamen Ihro Majestät auf Seelenhorst an und hatten den Herrn General Grafen von Görtz im Wagen bei sich. Ihro Majestät sprachen bei der Umspannung mit den Zietenschen Husaren-Offiziers, die auf den umliegenden Dörfern auf Grasung standen, und bemerkten mich nicht. Weil die Dämme zu schmal sind, konnte ich neben dem Wagen nicht reiten. (Fromme ritt also vorauf oder hinterher.) In Dechtow bekamen Ihro Majestät den Herrn Rittmeister von Zieten, dem Dechtow gehört, zu sehen, und behielten ihn – der Weg war hier breiter – neben sich, bis dahin, wo die Dechtowsche Feldmark zu Ende geht. [...]
Nun kamen Ihro Majestät zu Fehrbellin an, sprachen daselbst mit dem Lieutenant Probst vom Zieten'schen Husaren-Regiment (Schon sein Vater stand als Rittmeister bei den Zieten'schen.) und mit dem Fehrbellinischen Postmeister Hauptmann von Mosch. Als angespannt war, wurde die Reise fortgesetzt, und da Ihro Majestät gleich danach an meinen Gräben, die im Fehrbellinischen Luch auf königliche Kosten gemacht sind, vorbei fuhren, so ritt ich an den Wagen und sagte: Ihro Majestät, das sind schon zwei neue Gräben, die wir durch Ihro Majestät Gnade hier erhalten haben, und die das Luch uns trocken erhalten.
König. So so; das ist mir lieb! Wer seid Ihr.
Fromme. Ihro Majestät, ich bin der Beamte hier von Fehrbellin.
König. Wie heißt Ihr?
Fromme. Fromme.
König. Ha ha! Ihr seid ein Sohn von dem Landrath Fromme.
Fromme. Ihro Majestät halten zu Gnaden, mein Vater ist Amtsrath im Amte Lähme gewesen.
König. Amtsrath! Amtsrath! Das ist nicht wahr! Euer Vater ist Landrath gewesen. Ich habe ihn recht gut gekannt. Sagt mir einmal, hat Euch die Abgrabung des Luchs hier viel geholfen?
Fromme. O ja, Ihro Majestät!
König. Haltet Ihr mehr Vieh als Euer Vorfahr?
Fromme, Ja, Ihro Majestät! Auf diesem Vorwerk halt' ich vierzig, auf allen Vorwerken siebenzig Kühe mehr!
König. Das ist gut. Die Viehseuche ist doch nicht hier in der Gegend?
Fromme. Nein, Ihro Majestät.
König. Habt ihr die Viehseuche hier gehabt?
Fromme. Ja!
König. Braucht nur fein fleißig Steinsalz, dann werdet Ihr die Viehseuche nicht wieder bekommen.
Fromme. Ja, Ihro Majestät, das brauch' ich auch; aber Küchensalz thut beinah eben die Dienste.
König. Nein, das glaubt nicht! Ihr müßt das Steinsalz nicht klein stoßen, sondern es dem Vieh so hinhangen, daß es dran lecken kann.
Fromme. Ja, es soll geschehen. [...]
König. Warum ist aber der Alte nicht geblieben?
Fromme. Ist gestorben.
König. So hätte doch die Wittwe das Amt behalten können.
Fromme. Ist in Armuth gerathen.
König. Durch Frauenwirthschaft?
Fromme. Ihro Majestät verzeihen, sie wirthschaftete gut, allein die vielen Unglücksfälle haben sie zu Grunde gerichtet; die können den besten Wirth zurücksetzen. Ich selber habe vor zwei Jahren das Viehsterben gehabt, und habe keine Remission erhalten; ich kann auch nicht wieder vorwärts kommen.
König. Mein Sohn, heut hab' ich Schaden am linken Ohr, ich kann nicht gut hören.
Fromme. Das ist schon eben ein Unglück, daß der geheimde Rath Michaelis den Schaden auch hat! (Nun blieb ich ein wenig vom Wagen zurück: ich glaubte, Ihro Majestät würden die Antwort ungnädig nehmen.)
König. Na! Amtmann, vorwärts! bleibt beim Wagen, aber nehmt Euch in Acht, daß Ihr nicht unglücklich seid. Sprecht nur laut, ich verstehe recht gut. (Diese Worte wiederholten Ihro Majestät wenigstens zehnmal auf der Reise.) Sagt mir mal, wie heißt das Dorf da? rechts.
Fromme. Langen.
König. Wem gehörts?
Fromme. Ein Drittel Ihro Majestät, unter dem Amte Alten-Ruppin; ein Drittel dem Herrn von Hagen; und dann hat der Dom zu Berlin auch Unterthanen darin.
König. Ihr irrt Euch, der Dom zu Magdeburg!
Fromme. Ihro Majestät halten zu Gnaden, der Dom zu Berlin.
[365] König. Es ist aber nicht wahr, der Dom zu Berlin hat keine Unterthanen.
Fromme. Ihro Majestät halten zu Gnaden, der Dom zu Berlin hat in meinem Amtsdorfe Carwesee drei Unterthanen.
König. Ihr irrt Euch, das ist der Dom zu Magdeburg.
Fromme. Ihro Majestät, ich müßte ein schlechter Beamter sein, wenn ich nicht wüßte, was in meinen Amtsdörfern für Obrigkeiten sind.
König. Ja, dann habt Ihr Recht! Sagt mir einmal: hier rechts muß ein Gut liegen, ich kann mich nicht auf den Namen besinnen, nennt mir die Güter, die hier rechts liegen.
Fromme. Buskow, Radensleben, Sommerfeld, Beetz, Karwe.
König. Recht! Karwe. Wem gehört das Gut?
Fromme. Dem Herrn von Knesebeck.
König. Ist er in Diensten gewesen?
Fromme. Ja! Lieutenant oder Fähnrich unter der Garde.
König. Unter der Garde? (An den Fingern zählend.) Ihr habt recht, er ist Lieutenant unter der Garde gewesen! Das freut mich sehr, daß das Gut noch in Knesebeck'schen Händen ist. – Na! sagt mir einmal, der Weg, der hier den Berg hinauf geht, geht nach Ruppin, und hier links ist die große Straße nach Hamburg?
Fromme. Ja, Ihro Majestät!
König. Wißt Ihr, wie lang es ist, daß ich nicht bin hier gewesen?
Fromme. Nein!
König. Das sind dreiundvierzig Jahr! Kann ich Ruppin liegen sehen?
Fromme. Ja, Ihro Majestät, der Thurm, so hier rechts über die Tannen herüber sieht, ist Ruppin!
König (mit dem Glas aus dem Wagen lehnend). Ja, ja, das ist er, ich kenn' ihn noch. – Kann ich Tramnitz liegen sehen?
Fromme. Nein, Ihro Majestät. Tramnitz liegt zu weit links, dicht an Kyritz.
König. Werden wir's nicht sehen, wenn wir besser hinkommen?
Fromme. Es könnte sein, bei Neustadt, aber ich zweifle.
König. Das ist schade! Kann ich Bechlin liegen sehen?
Fromme. Jetzt nicht, Ihro Majestät; es liegt zu sehr im Grunde. Wer weiß, ob es Ihro Majestät gar werden sehen können?
König. Na! gebt Achtung, und wenn Ihr's seht, so sagts! – Wo ist der Beamte von Alten-Ruppin?
Fromme. In Protzen beim Vorspann wird er sein!
[366] König. Können wir noch nicht Bechlin68 liegen sehn?
Fromme. Nein!
König. Wem gehört's itzo?
Fromme. Einem gewissen Schönermark.
König. Ist er von Adel?
Fromme. Nein!
König. Wer hat's vor ihm gehabt?
Fromme. Der Feldjäger Ahrens; der hat's von seinem Vater ererbt. Das Gut ist immer in bürgerlicher Familie gewesen.
König. Das weiß ich! Wie heißt das Dorf hier vor uns?
Fromme. Walchow.
König. Wem gehört's?
Fromme. Ihnen, Ihro Majestät, unter dem Amte Alten-Ruppin.
König. Wie heißt das Dorf hier vor uns?
Fromme. Protzen.
König. Wem gehört's?
Fromme. Dem Herrn von Kleist.
König. Was ist das für ein Kleist?
Fromme. Ein Sohn vom General Kleist.
König. Von welchem General Kleist?
Fromme. Der Bruder von ihm ist Flügeladjutant bei Ihro Majestät gewesen, und steht itzt zu Magdeburg beim Kalkstein'schen Regiment, als Obristlieutenant.
König. Ha ha! von dem? die Kleiste kenn' ich recht gut. Ist dieser Kleist auch in Diensten gewesen?
Fromme: Ja, Ihro Majestät; er ist Fähnrich gewesen unter dem Prinz Ferdinand'schen Regiment.
König. Warum hat der Mann seinen Abschied genommen?
Fromme. Das weiß ich nicht!
König. Ihr könnt's mir sagen; ich suche nichts darunter. Warum hat der Mann seinen Abschied genommen?
Fromme. Ihro Majestät, ich kann's wirklich nicht sagen. –
Nun waren wir an Protzen heran. Ich wurde gewahr, daß der alte General von Zieten in Protzen vor dem Edelhofe stand. Ich ritt an den Wagen heran und sagte: Ihro Majestät, der Herr General von Zieten sind auch hier.
[367] König. Wo? wo? o reitet vor, und sagt's den Leuten, sie sollen still halten; ich will aussteigen. –
Nun stiegen Ihro Majestät hier aus, und freuten sich außerordentlich über die Anwesenheit des Herrn Generals von Zieten, sprachen mit ihm und dem Herrn von Kleist über mancherlei Sachen, ob ihm die Abgrabung des Luchs geholfen? ob er die Viehseuche gehabt? und empfahl das Steinsalz gegen die Viehseuche. Mit einemmal gingen Ihro Majestät bei Seite, kamen wieder und riefen: Amtmann! (Dicht am Ohr.) »Wer ist der dicke Mann da mit dem weißen Rock?« (Ich ebenfalls dicht am Ohr.) »Ihro Majestät, es ist der Landrath von Quast auf Radensleben vom Ruppinischen Kreise.«
König. Schon gut!
Nun gingen Ihro Majestät wieder zum General von Zieten und Herrn von Kleist, und sprachen von verschiedenen Sachen. Herr von Kleist präsentirte Seiner Majestät sehr schöne Früchte. Sie bedankten sich; mit einemmal drehten Sie sich um und sagten: »Serviteur, Herr Landrath!« Als nun selbiger auf Ihro Majestät zugehen wollte, sagten Ihro Majestät: »Bleib er nur da, ich kenn' ihn, er ist der Landrath von Quast!«
Nun war angespannt. Ihro Majestät nahmen recht zärtlichen Abschied von dem alten General von Zieten, empfahlen sich den übrigen, und fuhren fort. [...]
König. Oh, es ist unstreitig eine gute Ernte. – Aber sagt mir doch, warum hat der Kleist aus Protzen seinen Abschied genommen?
Fromme. Ihro Majestät, ich weiß es nicht! Mir deucht, er hat vom Vater müssen die Güter annehmen. Ein andre Ursach weiß ich nicht.
König. Wie heißt das Dorf hier vor uns?
Fromme. Garz.
König. Wem gehört's?
Fromme. Dem Kriegsrath von Quast.
König. Wem gehört's?
Fromme. Dem Kriegsrath von Quast.
König. Ei was! Ich will von keinem Kriegsrath was wissen! Wem gehört das Gut?
Fromme. Dem Herrn von Quast.
König. Na! das ist recht geantwortet. –
Nun kamen Ihro Majestät in Garz an! Die Umspannung besorgte Herr von Lüderitz aus Nakel, als erster Deputirter des Ruppin'schen Kreises. Dieser hatte einen Hut auf mit einer weißen Feder! Als nun die Anspannung geschehen war, ging die Reise gleich fort.
König. Wem gehört das Gut hier links?
Fromme. Dem Herrn von Lüderitz; es heißt Nakel.
König. Was ist das für ein Lüderitz?
Fromme. Ihro Majestät, der in Garz beim Vorspann war.
König. Haha! der Herr mit der weißen Feder. – Säet Ihr auch Weizen?
Fromme. Ja, Ihro Majestät.
König. Wie viel habt Ihr ausgesäet?
Fromme. Drei Wispel, zwölf Scheffel.
König. Wie viel hat Euer Vorfahr ausgesäet?
[369] Fromme. Vier Scheffel.
König. Wie geht das zu, daß Ihr so viel mehr säet, als Euer Vorfahr?
Fromme. Wie ich schon die Gnade gehabt, Ihro Majestät zu sagen, daß ich siebenzig Stück Kühe mehr halte, als mein Vorfahr, mithin meinen Acker besser in Stand setzen und Weizen säen kann!
König. Aber warum bauet Ihr keinen Hanf?
Fromme. Er geräth hier nicht. In kaltem Klima geräth er besser. Unsere Seiler können den russischen Hanf in Lübeck wohfeiler kaufen, und besser, als ich ihn bauen kann.
König. Was säet Ihr denn dahin, wo Ihr sonst Hanf hinsäet?
Fromme. Weizen!
König. Warum bauet Ihr aber kein Färbekraut, keinen Krapp?
Fromme. Er will nicht fort, der Boden ist nicht gut genug.
König. Das sagt Ihr nur so: Ihr hättet sollen die Probe machen.
Fromme. Das hab' ich gethan; allein sie ist mir fehlgeschlagen, und als Beamter kann ich viel Proben nicht machen; denn wenn sie fehlschlagen, muß doch die Pacht bezahlt sein.
König. Was säet Ihr denn dahin, wo Ihr würdet Färbekraut hinbringen?
Fromme. Weizen!
König. Na! so bleibt beim Weizen! Eure Unterthanen müssen recht gut im Stande sein?
Fromme. Ja, Ihro Majestät! Ich kann aus dem Hypothekenbuche beweisen, daß sie an fünfzigtausend Thaler-Kapital haben.
König. Das ist gut!
Fromme. Vor drei Jahren starb ein Bauer, der hatte eilf tausend Thaler in der Bank.
König. Wie viel?
Fromme. Eilf tausend Thaler.
König. So müßt Ihr sie auch immer erhalten!
Fromme. Ja! es ist recht gut, Ihro Majestät, daß der Unterthan Geld hat; aber er wird auch übermüthig wie die hiesigen Unterthanen, welche mich schon siebenmal bei Ihro Majestät verklagt haben, um vom Hofedienst frei zu sein.
König. Sie werden auch wohl Ursach dazu gehabt haben.
Fromme. Sie werden gnädigst verzeihen: es ist eine Untersuchung gewesen, und ist befunden, daß ich die Unterthanen nicht gedrückt, sondern immer Recht gehabt, und sie nur zu ihrer[370] Schuldigkeit angehalten habe! dennoch bleibt die Sache, wie sie ist: die Bauern werden nicht bestraft; Ihro Majestät geben den Unterthanen immer Recht, und der arme Beamte muß Unrecht haben!
König. Ja! daß Ihr Recht bekommt, mein Sohn, das glaub' ich wohl: Ihr werdet Euerm Departementsrath brav viel Butter, Kapaunen und Puters schicken.
Fromme. Nein, Ihro Majestät, das kann man nicht; das Getreide gilt nichts. Wenn man für andre Sachen nicht einen Groschen Geld einnähme, wovon sollte man die Pacht bezahlen?
König. Wohin verkauft Ihre eure Butter, Kapaunen und Puters?
Fromme. Nach Berlin.
König. Warum nicht nach Ruppin?
Fromme. Die mehrsten Bürger halten Kühe, so viel als sie zu ihrem Aufwand brauchen! Der Soldat ißt alte Butter; der kann die frische nicht bezahlen!
König. Was bekommt Ihr für die Butter in Berlin?
Fromme. Vier Groschen für das Pfund. Der ruppinische Soldat aber kauft die alte Butter für zwei das Pfund.
König. Aber eure Kapaunen und Puter könnt Ihr doch nach Ruppin bringen?
Fromme. Beim ganzen Regiment sind nur vier Stabsoffiziere, die gebrauchen nicht viel! und die Bürger leben nicht delicat; die danken Gott, wenn sie Schweinefleisch haben.
König. Ja, da habt Ihr Recht! die Berliner essen gern was Delicates. – Na! macht mit den Unterthanen, was Ihr wollt; nur drückt sie nicht!
Fromme. Ihro Majestät, das wird mir nicht einfallen, und keinem rechtschaffnen Beamten.
König. Sagt mir einmal, wo liegt hier Stölln?
Fromme. Stölln können Ihro Majestät nicht sehen. Die großen Berge dort links sind die Berge bei Stölln, auf welchen Ihro Majestät alle Kolonien übersehen können!
König. So? das ist gut! dann reitet mit bis dahin. –
Nun kamen Ihro Majestät an eine Menge Bauern, die Roggen mäheten, zwei Glieder machten, die Sensen strichen, und Ihro Majestät so durchfahren ließen.
König. Was Teufel wollen die Leute? die wollen wohl gar Geld von mir haben?
Fromme. O nein, Ihro Majestät! Sie sind voll Freuden, daß Sie so gnädig sind, und die hiesige Gegend bereisen.
[371] König. Ich werd' ihnen auch nichts geben! Wie heißt das Dorf hier vorn?
Fromme. Barsikow.
König. Wem gehört's?
Fromme. Dem Herrn von Mütschefall.
König. Was ist das für ein Mütschefall?
Fromme. Er ist Major gewesen unter dem Regiment, das Ihro Majestät als Kronprinz gehabt haben. [...]
König. [...] Macht Ihr sonst noch Proben mit ausländischem Getreide?
[372] Fromme. O ja! Dieses Jahr habe ich spanische Gerste gesäet. Allein sie will nicht recht einschlagen; ich gehe wieder ab. Aber den holsteinischen Staudenroggen find' ich gut!
König. Was ist das für Roggen?
Fromme. Er wächst im Holsteinischen in der Niederung. Unterm zehnten Korn hab ich ihn noch nie gehabt!
König. Nu, nu! nicht gleich das zehnte Korn!
Fromme. Das ist nicht viel! Belieben Ihro Majestät den Herrn General von Görz zu fragen, die werden Ihnen sagen, daß dies im Holsteinischen nicht viel ist. –
Nun sprachen Sie in dem Wagen eine Weile von dem Roggen. Mit einemmal riefen Ihro Majestät aus dem Wagen: Na! so bleibt bei den Holsteinischen Staudenroggen, und gebt den Unterthanen auch welchen.
Fromme. Ja, Ihro Majestät!
König. Aber macht mir einmal eine Idee: wie hat das Luch ausgesehen, ehe es abgegraben war?
Fromme. Es waren lauter hohe Hüllen, dazwischen setzte sich das Wasser. Bei den trockensten Jahren konnten wir das Heu nicht herausfahren, sondern wir mußten's in großen Miethen setzen. Im Winter nur, wenn's scharf gefroren hatte, konnten wir's herausfahren. Nun aber haben wir die Hüllen herausgehauen, und die Gräben, die Ihro Majestät machen lassen, ziehen das Wasser ab. Nun ist das Luch so trocken, wie Ihro Majestät sehen, und wir können unser Heu herausfahren, wann wir wollen.
König. Das ist gut! Halten Eure Unterthanen auch mehr Vieh wie sonst?
Fromme. Ja!
König. Wie viel wohl mehr?
Fromme. Mancher eine Kuh, mancher zwo, nachdem es sein Vermögen verstattet.
König. Aber wie viel halten sie wohl sämmtlich mehr? ohngefähr nur!
Fromme. Bis einhundert und zwanzig Stück!
Nun mußten Ihro Majestät wohl den Herrn General von Görz gefragt haben, woher ich ihn kennte? weil ich wegen des holsteinischen Roggens zu Ihro Majestät sagte: Sie möchten nur den General nach dem Roggen fragen; und hat der Herr General vermuthlich, der Wahrheit gemäß, geantwortet: daß er mich im Holsteinischen kennengelernt, und daß ich daselbst Pferde gekauft hätte, auch in Potsdam mit Pferden gewesen wäre. Mit einemmal sagten Ihro Majestät:[373]
Hört! Ich weiß, Ihr seid ein Liebhaber von Pferden. Geht aber ab davon und zieht Euch Kühe dafür; Ihr werdet Eure Rechnung besser dabei finden.
Fromme. Ihro Majestät, ich handle nicht mehr mit Pferden. Ich ziehe mir nur etliche Füllen alle Jahr.
König. Zieht Euch Kälber dafür, das ist besser!
Fromme. Oh, Ihro Majestät, wenn man sich Mühe giebt, ist kein Schade bei der Pferdezucht. Ich kenne jemand, welcher vor zwei Jahren tausend Thaler für einen Hengst von seinem Zuwachs bekam.
König. Der ist ein Narr gewesen, der sie gegeben hat!
Fromme. Ihro Majestät, es war ein Mecklenburgischer Edelmann.
König. Er ist aber doch ein Narr gewesen. –
Nun kamen wir auf das Territorium des Amts Neustadt, wo der Amtsrath Klausius, der das Amt in Pacht hat, auf der Grenze hielt, und Ihro Majestät vorbeireisen ließ. Weil mir aber das Sprechen schon sehr sauer wurde, Ihro Majestät immer nach den Dörfern fragte, so hier in Menge sind, und ich immer den Gutsbesitzer mit nennen und sagen mußte, welche von ihnen Söhne im K. Dienst hätten, so holt' ich den Herrn Amtsrath Klausius an den Wagen heran und sagte: Ihro Majestät, das ist der Amtsrath Klausius vom Amt Neustadt, unter dessen Jurisdiktion die Kolonien stehen.
König. So, so! das ist mir lieb! Laßt ihn herkommen!69 – Wie heißt Ihr?
Amtsrath. Klausius!
König. Klau-si-us. Na, habt Ihr viel Vieh hier auf den Kolonien?
Amtsrath: Achtzehnhundert sieben und achtzig Stück Kühe. Ihro Majestät! Es würden weit über dreitausend sein, wenn nicht die Viehseuche gewesen wäre.
König. Vermehren sich auch die Menschen gut? giebt's brav Kinder?
Amtsrath: O ja, Ihro Majestät; es sind itzt funfzehnhundert sechs und siebenzig Seelen auf den Kolonien!
König. Seid Ihr auch verheirathet?
Amtsrath: Ja, Ihro Majestät!
[374] König. Habt Ihr auch Kinder?
Amtsrath: Stiefkinder, Ihro Majestät!
König: Warum nicht eigene?
Amtsrath. Das weiß ich nicht, Ihro Majestät, wie das zugeht.
König (zu mir). Hört: ist die Mecklenburgische Grenze noch weit von hier?
Fromme. Nur eine kleine Meile. Es sind aber nur etliche Dörfer, die mitten im Brandenburgischen liegen. Sie heißen Netzeband und Rossow.
König. Ja, ja! sie sind mir bekannt. Das hätt' ich aber doch nicht geglaubt, daß wir so nah am Mecklenburgischen wären. (Zum Herrn Amtsrath Klausisus.) Wo seid Ihr geboren?
Amtsrath. Zu Neustadt an der Dosse.
König: Was ist Euer Vater gewesen?
Amtsrath. Prediger.
König. Sind's gute Leute, die Kolonisten? die erste Generation pflegt nicht viel zu taugen!
Amtsrath: Es geht noch an.
König: Wirthschaften sie gut?
Amtsrath. O ja, Ihro Majestät! Ihro Excellenz, der Minister von Derschau, haben mir auch eine Kolonie von fünf und siebenzig Morgen gegeben, um den andern Kolonisten mit gutem Exempel vorzugehen.
König (lächelnd). Haha! mit gutem Exempel! Aber sagt mir, ich sehe ja hier kein Holz; wo holen die Kolonisten ihr Holz her?
Amtsrath: Aus dem Ruppinischen.
König. Wie weit ist das?
Amtsrath. Drei Meilen.
König. Das ist doch sehr weit! da hätte müssen gesorgt werden, daß sie's näher hätten! (Zu mir.) Was ist das für ein Mensch, der da rechts?
Fromme. Der Bauinspector Menzelius, der hier die Bauten in Aufsicht gehabt hat.
König. Bin ich denn hier in Rom? es sind ja lauter lateinische Namen! Warum ist das hier so hoch eingezäunt? [...]
Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Das Dossebruch. Friedrichs 11. Besuch im Rhin- und Dossebruch, S.361 - 373

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