52. Die Winterquartiere
Malatia, den 23. Dezember 1838
Nichts von dem fröhlichen Treiben, das bei uns eine große Truppenversammlung bezeichnet, darfst du hier suchen. Es ist, als ob diese Leute den kriegerischen Geist ihrer Väter ganz abgestreift hätten; vor ein paar Tagen haben wir einen Tschausch erschossen, der sechs Schildwachen von ihrem Posten mitgenommen hat und mit ihnen desertiert ist, die anderen sahen zu und dachten: »Armer Teufel!« Der Pascha zahlt 250 Piaster für jeden eingebrachten Deserteur.
Täglich erblicke ich zwei, drei traurige Gestalten an einem Halfterstrick, die Hände auf den Rücken gebunden, geduldig von irgendeinem Kurden hergetrieben.
Ich habe sie zuweilen gefragt: »Eure Nahrung ist reichlich, eure Wohnung gut, eure Kleidung ist warm, ihr werdet nicht misshandelt, wenig angestrengt, gut bezahlt... Warum desertiert ihr?« – »Ischte beule olmüsch.« – »So ist es gekommen.« – »Ne japalym!« – »Was können wir tun!« Der Mann nimmt seine zweihundert Schläge seufzend hin und desertiert bei der nächsten Gelegenheit wieder. Von dem Regiment Boli sind auf dem Hermarsch dreihundertundvierundsechzig Mann ausgerissen. [...]
53. Reise nach Orfa – Das Dscheridwerfen – Die Höhlen – Das Schloss des Nimrod
Biradschik, den 27. Januar 1839
Am 19. verließ ich Malatia und war recht froh, dass ich das Städtchen einmal im Rücken hatte. Ich reiste mit eigenen Pferden, da aber der Weg sehr schwierig und mein Tschausch mir eines meiner besten Tiere gleich auf dem ersten Marsch lahm geritten hatte, so schickte ich meinen Seïs zurück und nahm Postpferde. [...]
Biradschik, den 27. Januar 1839
Am 19. verließ ich Malatia und war recht froh, dass ich das Städtchen einmal im Rücken hatte. Ich reiste mit eigenen Pferden, da aber der Weg sehr schwierig und mein Tschausch mir eines meiner besten Tiere gleich auf dem ersten Marsch lahm geritten hatte, so schickte ich meinen Seïs zurück und nahm Postpferde. [...]
Nach einem mühsamen Marsch erreichte ich, über Adiaman und Samsat, Orfa am Abend des fünften Tages. Diese Stadt liegt am Abhang eines niedrigen, finster und seltsam aussehenden Gebirges und am Anfang der Tschöll oder Wüste, auf der Grenze der kurdischen und der arabischen Bevölkerung. Innerhalb der Ringmauern erheben sich eine Menge Kuppeln, Minaretts, Zypressen und Platanen, und die aus Steinen sehr zierlich erbauten Häuser mit dünnen Säulen, Spitzbögen und Fontänen erinnern an das, was die Araber einst waren, als sie, durch Mohammeds Lehre begeistert, die Eroberer eines Teils der gesitteten Welt und selbst die Bewahrer der Gesittung, der Wissenschaft und Künste wurden. [...]
In Orfa stehen jetzt die meisten der Truppen, mit denen ich im Sommer gegen die Kurden gezogen war; hier wurde ich als alter Bekannter empfangen und die Aufnahme, die mir zuteil wurde, macht mir in der Tat viel Freude; Mehmed-Pascha, der Gouverneur von Orfa geworden ist, behielt mich gleich bei sich und hat mir Zimmer im Seraj eingeräumt, welches eine Art Zitadelle bildet; Pferde, Dienerschaft und gute Mahlzeiten, Ehrenbezeugungen und Komplimente, kurz, alles, was man in diesem Land anbieten kann, stehen zu meinem Dienste. [...]
54. Konzentrierung der Taurus-Armee
Malatia, den 5. April 1839
Unser Hauptquartier bricht in acht bis zehn Tagen von hier auf und sämtliche Truppen des Korps vereinen sich in einem Übungslager am Südfuß des Taurus, unweit Samsat. Durch die lange Anwesenheit beträchtlicher Massen sind die Vorräte in den bisherigen Unterkünften aufgezehrt und der Mangel an Fourage macht es nötig, eine wärmere Gegend aufzusuchen, wo die Pferde bereits Grasung vorfinden. [...]
Malatia, den 5. April 1839
Unser Hauptquartier bricht in acht bis zehn Tagen von hier auf und sämtliche Truppen des Korps vereinen sich in einem Übungslager am Südfuß des Taurus, unweit Samsat. Durch die lange Anwesenheit beträchtlicher Massen sind die Vorräte in den bisherigen Unterkünften aufgezehrt und der Mangel an Fourage macht es nötig, eine wärmere Gegend aufzusuchen, wo die Pferde bereits Grasung vorfinden. [...]
Nach allem, was ich sehe, muss ich glauben, dass man in Konstantinopel ernstlich entschlossen ist, es auf die Waffenentscheidung ankommen zu lassen, und wirklich kann der gegenwärtige Zustand unmöglich noch fortdauern.
55. Reise nach Egin an den Frat
Malatia, den 8. April 1839
Ich bin vor ein paar Tagen von einer kleinen Reise zurückgekehrt, die ich diesmal auf eigene Faust und einzig für den Zweck unternommen habe das Terrain zwischen den beiden Armen des Euphrat kennen zu lernen, das noch von keiner Karte auch nur ungefähr richtig dargestellt wird. [...]
55. Reise nach Egin an den Frat
Malatia, den 8. April 1839
Ich bin vor ein paar Tagen von einer kleinen Reise zurückgekehrt, die ich diesmal auf eigene Faust und einzig für den Zweck unternommen habe das Terrain zwischen den beiden Armen des Euphrat kennen zu lernen, das noch von keiner Karte auch nur ungefähr richtig dargestellt wird. [...]
Die Sonne schoss glühende Strahlen auf die endlos scheinende Schneefläche, was die Augen, besonders bei der türkischen Kopfbedeckung, schrecklich blendet; ich folgte dem Gebrauch der Tataren, Schießpulver unter die Augen zu schmieren, was eine große Erleichterung gewährt.
[...] sobald man den schroffen Kamm erreicht hat, erblickt man vor sich wieder das Tal des Frat und tief unten die Stadt Egin; diese Stadt und Amasia sind das Schönste, was ich in Asien gesehen. Amasia ist seltsamer und merkwürdiger, Egin aber großartiger und schöner, die Berge sind hier gewaltiger, der Strom bedeutender. Egin besteht eigentlich aus einer Gruppe aneinander stoßender Dörfer; da alle Häuser mitten in Gärten liegen, die von Nuss- und Maulbeerbäumen, Pappeln und Platanen überschattet sind, so bedeckt die Stadt einen sehr großen Flächenraum.
(Moltke: Unter dem Halbmond, Kapitel 52-55)
(Moltke: Unter dem Halbmond, Kapitel 52-55)
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