09 Februar 2012

Gustav Freytag: Die Ahnen

Gustav Freytag war Literaturwissenschaftler, politischer Journalist, Liberaler und insofern Bismarckkritiker, Dramatiker, Dramentheoretiker, Romancier mit seinem Kaufmannsroman "Soll und Haben", Kulturhistoriker ("Bilder aus der deutschen Vergangenheit") und hat es unternommen, in seinem historischen Roman "Die Ahnen" die germanisch-deutsche Geschichte am Beispiel der Mitglieder einer Familie von der Zeit der Völkerwanderung bis nahe an seine Gegenwart darzustellen.

Dabei beginnt er mit dem Vandalen Ingo aus königlicher Familie, der in Thüringen ein kleines Königreich gründet und endet im bürgerlichen Milieu.
"Freytag beschreibt eine eindeutige historische Entwicklung von der Völkerwanderung bis hin zum "bürgerlich-patriarchalischen Idyll" (Jahn, Werner: Der geschichtliche Fortschritt im bürgerlichen historischen Roman des zwanzigsten Jahrhunderts; Rostock 1958, S.39). Für ihn ist es nur konsequent, wenn die Handlung vor der Revolution von 1848 endet. Der Bürger im wilhelminischen Deutschland ist zufrieden. Man darf allerdings nicht die Rolle dieses Bürgers dem Adel gegenüber unterschätzen. Selbstbewußt und fast gleichgestellt verhandelt der Kaufmann Markus König mit dem Hochmeister des deutschen Ritterordens, Albrecht von Brandenburg. Und gerade mit den "Ahnen" erstellt Freytag seinen bürgerlichen Helden des 19.Jahrhunderts einen Stammbaum bis hin zum vandalischen Königshaus; auf eine derartig lange und noble Ahnenreihe können weder Hohenzollern noch Habsburg zurückblicken (Hartmut Eggert ("Studien zur Wirkungsgeschichte des deutschen historischen Romans 1850-1875, S.202f.) kritisiert gerade die Demonstration des historischen Fortschritts an der Entwicklung eines Geschlechts). [...]
Ein Ergebnis dieser versuchten Objektivierung ist, daß Freytag fast ganz auf die übliche Schwarz-Weiß-Malerei verzichtet; die Feinde, ob es sich um arabische Moslems während der Kreuzzüge oder um einen napoleonischen Offizier handelt, werden mit viel Verständnis und auch Sympathie beschrieben. Dem Roman fehlt völlig die Aggressivität die spätere völkisch-konservative Romane auszeichnet." Frank Westenfelder: "Genese, Problematik und Wirkung nationalsozialistischer Literatur am Beispiel des historischen Romans zwischen 1890 und 1945" Frankfurt, Bern, New York, Paris 1989 - Abschnitt II,2 zu Freytag: Die Ahnen

Die Einzelerzählungen oder -romane des Gesamtromans sind auf diesem Blog schon früher vorgestellt worden und können unter dem zusammenfassenden Link "Die Ahnen" aufgerufen werden.
Recht ausführliche Selbstzeugnisse Freytags zu den "Ahnen" findet man in seinen Lebenserinnerungen.

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