23 Februar 2012

Himmel und Erde

Der Traum der Wahrheit

»Aphrodite, Aglaja, Euphrosyne und Thalia sahen einst in das irdische Helldunkel hernieder und, müde des ewig heitern, aber kalten Olympos, sehnten sie sich herein unter die Wolken unserer Erde, wo die Seele mehr liebt, weil sie mehr leidet, und wo sie trüber, aber wärmer ist. Sie hörten die heiligen Töne heraufsteigen, mit welchen Polyhymnia unsichtbar die tiefe bange Erde durchwandelt, um uns zu erquicken und zu erheben; und sie trauerten, daß ihr Thron so weit abstehe von den Seufzern der Hülflosen.
Da beschlossen sie, den Erdenschleier zu nehmen und sich einzukleiden in unsere Gestalt. Sie gingen von dem Olympos herab; Amor und Amorinen und kleine Genien flogen ihnen spielend nach, und unsere Nachtigallen flatterten ihnen aus dem Mai entgegen.
– Aber als sie die ersten Blumen der Erde berührten und nur Strahlen und keine Schatten warfen: so hob die ernste Königin der Götter und Menschen, das Schicksal, den ewigen Zepter auf und sagte: der Unsterbliche wird sterblich auf der Erde, und jeder Geist wird ein Mensch ! –
Da wurden sie Menschen und Schwestern und nannten sich Luise, Charlotte, Therese, Friederike; die Genien und Amorinen verwandelten sich in ihre Kinder und flogen ihnen in die Mutterarme, und die mütterlichen und schwesterlichen Herzen schlugen voll neuer Liebe in einer großen Umarmung. Und als die weiße Fahne des blühenden Frühlings flatterte – und menschlichere Thronen vor ihnen standen – und als sie, von der Liebe, der Harmonika des Lebens, selig-erweicht, sich und die glücklichen Kinder anblickten und verstummten vor Lieb' und Seligkeit: so schwebte unsichtbar Polyhymnia vorüber und erkannte sie und gab ihnen Töne, womit das Herz Lieb' und Freude sagt und gibt....«
[…]
1. Jobelpriode 1. Zykel
An einem schönen Frühlingsabend kam der junge spanische Graf von Cäsara mit seinen Begleitern Schoppe und Dian nach Sesto, um den andern Morgen nach der borromäischen Insel Isola bella im Lago maggiore überzufahren. Der stolz-aufblühende Jüngling glühte von der Reise und von dem Gedanken an den künftigen Morgen, wo er die Insel, diesen geschmückten Thron des Frühlings, und auf ihr einen Menschen sehen sollte, der ihm zwanzig Jahre lang versprochen worden. 

[...]
35. Jobelperiode 146. Zykel
»Ich kenne dich, heiliges Wesen«, sagte Albano und drückte Schwester und Braut an eine Brust. – Und aus allen weinte nur ein freudetrunknes Herz. »O ihr Eltern,« (betete die Schwester) »o du Gott, so segne sie beide und mich, damit es so bleibe!« Und da sie gen Himmel sah, als die Liebenden im kurzen heiligen Elysium des ersten Kusses wohnten, so blickten unzählige Unsterbliche aus der blauen tiefen Ewigkeit – die fernen Töne und die milden Strahlen verwoben sich ineinander – und das schlummernde Reich des Mondes erklang – »schauet auf zum schönen Himmel,« (rief die freudentrunkne Schwester den Liebenden zu) »der Regenbogen des ewigen Friedens blüht an ihm, und die Gewitter sind vorüber, und die Welt ist so hell und grün – wacht auf, meine Geschwister!« –

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