08 März 2013

Jostein Gaarder: Das Leben ist kurz

Schon der Titel: "Das Leben ist kurz. Vita brevis" spielt mit dem Leser, da Gaarder seinen Text aus dem 20. Jahrhundert mit einem lateinischen Untertitel versieht.
Die Erzählung tut es noch mehr. Jetzt gebe ich dem Wikipediaartikel das Wort.
In dem Text geht es:  "um einen alten lateinischen Brief, den der Icherzähler in einem Antiquariat in Buenos Aires entdeckt hat. Unterschrieben ist der Brief von einer gewissen Floria, und gerichtet ist er an ihren ehemaligen Geliebten, den Kirchenlehrer und Philosophen Augustinus.
Floria klagt Augustinus an und hinterfragt seine religiösen Überzeugungen, aufgrund derer er sie verlassen und ihr den gemeinsamen Sohn genommen habe. Sie stellt damit zugleich eine frauenverachtende kirchliche Ethik und Moral in Frage. Der Text arbeitet mit vielen Zitaten aus Augustinus Confessiones und Zitaten antiker Philosophen.
Ob der Brief echt ist, dessen Abschrift der Erzähler auf das Ende des 16. Jahrhunderts datiert und der seiner Meinung nach auf Vorlagen aus dem 4. Jahrhundert beruhen könnte, bleibt im Text offen. Gaarder spielt dabei mit seinen bildungsbeflissenen Lesern, wenn er immer wieder in den Anmerkungen lateinische Formulierungen des angeblichen Originals anführt. Die einen können stolz sein, dass sie die lateinische "Originalfassung" aus der Übersetzung erschlossen haben, die anderen darauf, dass sie das Original als Fiktion erkannt haben.
Der Realitätsbezug des Textes ist, dass Augustinus nach Ausweis seiner "Bekenntnisse" tatsächlich zwölf Jahre lang eine uneheliche Verbindung eingegangen war und mit dieser Frau einen Sohn hatte, bevor von seiner Mutter zur Ehe gedrängt wurde und sich dann entschloss, kontemplativ zu leben und sich schließlich zum Bischof wählen ließ."

Augustinus im 6. Buch seiner "Bekenntnisse" über sein Verhältnis zu seiner ersten Geliebten:

Und da Sie, ein Hinderniß gegen meine Vermählung, von meiner Seite gerißen wurde, mit welcher ich mein Lager zu theilen gewöhnt war, wurde mein ihr anhängliches Herz getroffen, verwundert und wollte in Schmerzen verbluten. Sie aber war nach Afrika zurückgekehrt und hatte dir [A. schreibt seine Bekenntnisse in der Form einer Anrede an Gott] gelobt, nie mehr von einem andern Manne zu wißen. Mir wurde von ihr ein natürlicher Sohn zurückgelassen. Ich Elender aber konnte nicht einmal eines Weibes Nachahmer werden, und den Aufschub nicht ertragen, durch welchen ich die Verlobte erst nach zwei Jahren heimführen sollte; denn ich war nicht ein Freund der Ehe, ein Knecht der Lust war ich; und so nahm ich eine Andere zu mir, ohne sie zum Weibe zu nehmen. (S.137)

* Burkhard Scherer: ''Mein stolzer Bettpfosten''. In: FAZ Nr. 238, 14. Oktober 1997 (eine recht kritische Rezension)

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