28 Januar 2021

Homer: Odyssee - Bei den Phäaken: Ares und Aphrodite

Und die rosige Frühe entstieg des edlen Tithonos

Lager und brachte das Licht den Göttern und sterblichen Menschen.

Aber die Götter saßen zum Rate versammelt; mit ihnen

Saß der Donnerer Zeus, der alle Dinge beherrschet.

Und Athene gedachte der vielen Leiden Odysseus',

Welchen Kalypso hielt, und sprach zu der Götter Versammlung:

Vater Zeus und ihr andern unsterblichen seligen Götter,

Künftig befleißige sich keiner der zepterführenden Herrscher,

Huldreich, mild und gnädig zu sein und die Rechte zu schützen,

Sondern er wüte nur stets und frevle mit grausamer Seele!

Niemand erinnert sich ja des göttergleichen Odysseus

Von den Völkern, die er mit Vaterliebe beherrschte!

Sondern er liegt in der Insel, mit großem Kummer belastet,

In dem Hause der Nymphe Kalypso, die mit Gewalt ihn

Hält, und wünschet umsonst, die Heimat wiederzusehen;

Denn es gebricht ihm dort an Ruderschiffen und Männern,

Über den breiten Rücken des Meeres ihn zu geleiten.

Jetzo beschlossen sie gar des einzigen Sohnes Ermordung,

Wann er zur Heimat kehrt; er forscht nach Kunde vom Vater

In der göttlichen Pylos und Lakedaimon der großen.

Ihr antwortete drauf der Wolkenversammler Kronion:

Welche Rede, mein Kind, ist deinen Lippen entflohen?[502]

Hast du nicht selber den Rat in deinem Herzen ersonnen,

Daß heimkehrend jenen Odysseus Rache vergelte?

Aber Telemachos führe mit Sorgfalt, denn du vermagst es,

Daß er ohne Gefahr sein heimisches Ufer erreiche

Und die Freier im Schiffe vergebens wieder zurückziehn.

Sprach's und redete drauf zu seinem Sohne Hermeias:

Hermes, meiner Gebote Verkündiger, melde der Nymphe

Mit schönwallenden Locken der Götter heiligen Ratschluß

Über den leidengeübten Odysseus! Er kehre von dannen

Ohne der Götter Geleit und ohne der sterblichen Menschen!

Einsam, im vielgebundenen Floß, von Schrecken umstürmet,

Komm er am zwanzigsten Tage zu Scherias fruchtbaren Auen,

In das glückliche Land der götternahen Phaiaken!

Diese werden ihn hoch wie einen Unsterblichen ehren,

Und ihn senden im Schiffe zur lieben heimischen Insel,

Reichlich mit Erz und Golde beschenkt und prächtigen Kleidern,

Mehr als jemals der Held von Ilion hätte geführet,

Wär er auch ohne Schaden mit seiner Beute gekommen.

Also gebeut ihm das Schicksal, die Freunde wiederzuschauen,

Und den hohen Palast und seiner Väter Gefilde!

Also sprach Kronion. Der rüstige Argosbesieger

Eilte sofort und band sich unter die Füße die schönen

Goldnen ambrosischen Sohlen, womit er über die Wasser

Und das unendliche Land im Hauche des Windes einherschwebt.

Hierauf nahm er den Stab, womit er die Augen der Menschen

Zuschließt, welcher er will, und wieder vom Schlummer erwecket. [...]

(Homer: Odyssee 5. Gesang)


Auf den Befehl von Zeus hat Kalypso nach sieben Jahren, die er bei ihr verbracht hat, ungern Odysseus freigegeben und ihn dabei unterstützt, sich ein Floß zu bauen. 
Als Poseidon bemerkt hat, dass Odysseus unterwegs ist, akzeptiert er notgedrungen Zeus' Entscheidung, beschließt aber, es Odysseus möglichst schwer zu machen und erweckt fürchterliche Stürme, so dass das Floß untergeht und Odysseus sich nur schwimmend unter Zurücklassung seiner Kleidung an den Strand retten kann. Dort legt er sich in einem Gebüsch zum Schlafen.
Nausikaa, die Tochter des Königs der Phäaken, wird von Athene im Traum dazu bestimmt, mit ihren Gefährtinnen an den Strand zu gehen, um dort Wäsche zu waschen.

Aber da sie nunmehr sich rüstete, wieder zur Heimfahrt

Anzuspannen die Mäuler und ihre Gewande zu falten,

Da ratschlagete Zeus' blauäugichte Tochter Athene,

Wie Odysseus erwachte und sähe die liebliche Jungfrau,

Daß sie den Weg ihn führte zur Stadt der phaiakischen Männer.

Und Nausikaa warf den Ball auf eine der Dirnen;

Dieser verfehlte die Dirn und fiel in die wirbelnde Tiefe,

Und laut kreischten sie auf. Da erwachte der edle Odysseus,

Sitzend dacht er umher im zweifelnden Herzen und sagte:

Weh mir! zu welchem Volke bin ich nun wieder gekommen?

Sind's unmenschliche Räuber und sittenlose Barbaren

Oder Diener der Götter und Freunde des heiligen Gastrechts?

Eben umtönte mich ein Weibergekreisch, wie der Nymphen,

Welche die steilen Häupter der Felsengebirge bewohnen

Und die Quellen der Flüsse und grasbewachsenen Täler!

Bin ich hier etwa nahe bei redenden Menschenkindern?

Auf! ich selber will hin und zusehn, was es bedeute!

Also sprach er und kroch aus dem Dickicht, der edle Odysseus,

Brach mit der starken Faust sich aus dem dichten Gebüsche

Einen laubichten Zweig, des Mannes Blöße zu decken,

Ging dann einher wie ein Leu des Gebirgs, voll Kühnheit und Stärke,

Welcher durch Regen und Sturm hinwandelt; die Augen im Haupte

Brennen ihm; furchtbar geht er zu Rindern oder zu Schafen

Oder zu flüchtigen Hirschen des Waldes; ihn spornet der Hunger

Selbst in verschlossene Höf', ein kleines Vieh zu erhaschen:

Also ging der Held, in den Kreis schönlockiger Jungfraun

Sich zu mischen, so nackend er war; ihn spornte die Not an.


Nausikaa wagt sich als einzige, mit Odysseus zu sprechen, sie gewährt ihm Gastfreundschaft, versorgt ihn mit Kleidung und lädt ihn ein, in den Palast der Königs der Phäaken zu kommen. Dort wird er eingeladen, an dem Festmahl teilzunehmen, bei dem ein Sänger auftritt.

Daß wir den Fremdling zuvor in meinem Saale bewirten.

Niemand weigere sich! Ruft auch den göttlichen Sänger,

Unsern Demodokos her; denn ihm gab Gott überschwenglich

Süßen Gesang, wovon auch sein Herz zu singen ihn antreibt.

Also sprach er und ging. Die Zeptertragenden alle

Folgten ihm; und der Herold enteilte zum göttlichen Sänger. [...]

Jetzo kam auch der Herold und führte den lieblichen Sänger,

Diesen Vertrauten der Muse, dem Gutes und Böses verliehn ward;

Denn sie nahm ihm die Augen und gab ihm süße Gesänge.

Und Pontonoos setzt' ihm den silberbeschlagenen Sessel

Mitten unter den Gästen an eine ragende Säule,

Hängte darauf an den Nagel die lieblichklingende Harfe

Über des Sängers Haupt und führt' ihm die Hand, sie zu finden.

Vor ihn stellte der Herold den schönen Tisch und den Eßkorb

Und den Becher voll Weins, zu trinken, wann ihm beliebte.

Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle. [...]

Lieblich rauschte die Harfe; dann hub der schöne Gesang an.

Ares' Liebe besang und Aphroditens der Meister,

Wie sich beide zuerst in Hephaistos' prächtiger Wohnung

Heimlich vermischt. Viel schenkte der Gott und entehrte des hohen

Feuerbeherrschers Lager. Doch plötzlich bracht ihm die Botschaft

Helios, der sie gesehn in ihrer geheimen Umarmung.

Aber sobald Hephaistos die kränkende Rede vernommen,

Eilet' er schnell in die Esse, mit rachevollen Entwürfen,

Stellt' auf den Block den gewaltigen Amboß und schmiedete starke,

Unauflösliche Ketten, um fest und auf ewig zu binden.

Und nachdem er das trügliche Werk im Zorne vollendet,

Ging er in das Gemach, wo sein Hochzeitbette geschmückt war,

Und verbreitete rings um die Pfosten kreisende Bande;

Viele spannt' er auch oben herab vom Gebälke der Kammer,

Zart wie Spinnengewebe, die keiner zu sehen vermöchte

Selbst von den seligen Göttern, so wunderfein war die Arbeit!

Und nachdem er den ganzen Betrug um das Lager verbreitet,

Ging er gleichsam zur Stadt der schöngebaueten Lemnos,

Die er am meisten liebt' von allen Ländern der Erde.

Ares schlummerte nicht, der Gott mit goldenen Zügeln,

Als er verreisen sahe den kunstberühmten Hephaistos.

Eilend ging er zum Hause des klugen Feuerbeherrschers,

Hingerissen von Liebe zu seiner schönen Gemahlin.

Aphrodite war eben vom mächtigen Vater Kronion

Heimgekehrt und saß. Er aber ging in die Wohnung,

Faßte der Göttin Hand und sprach mit freundlicher Stimme:

Komm, Geliebte, zu Bette, der süßen Ruhe zu pflegen!

Denn Hephaistos ist nicht daheim; er wandert vermutlich

Zu den Sintiern jetzt, den rauhen Barbaren in Lemnos.

Also sprach er, und ihr war sehr willkommen die Ruhe.

Und sie bestiegen das Lager und schlummerten. Plötzlich umschlangen

Sie die künstlichen Bande des klugen Erfinders Hephaistos,

Und sie vermochten kein Glied zu bewegen oder zu heben.

Aber sie merkten es erst, da ihnen die Flucht schon gehemmt war.

Jetzo nahte sich ihnen der hinkende Feuerbeherrscher.

Dieser kehrte zurück, bevor er Lemnos erreichte;

Denn der lauschende Gott der Sonne sagt' ihm die Tat an.

Eilend ging er zu Hause mit tief bekümmerter Seele,

Stand in dem Vorsaal still, und der rasende Eifer ergriff ihn.

Fürchterlich ruft' er aus, und alle Götter vernahmen's:

Vater Zeus und ihr andern unsterblichen seligen Götter,

Kommt und schaut den abscheulichen unausstehlichen Frevel,

Wie mich lahmen Mann die Tochter Zeus', Aphrodite,

Jetzo auf immer beschimpft und Ares den Bösewicht herzet;

Darum, weil jener schön ist und grade von Beinen, ich aber

Solche Krüppelgestalt! Doch keiner ist schuld an der Lähmung

Als die Eltern allein! O hätten sie nimmer gezeuget!

Aber seht doch, wie beid in meinem eigenen Bette

Ruhn und der Wollust pflegen! Das Herz zerspringt mir beim Anblick!

Künftig möchten sie zwar auch nicht ein Weilchen so liegen!

Wie verbuhlt sie auch sind, sie werden nicht wieder verlangen,

So zu ruhn! Allein ich halte sie fest in der Schlinge,

Bis der Vater zuvor mir alle Geschenke zurückgibt,

Die ich als Bräutigam gab für sein schamloses Gezüchte!

Seine Tochter ist schön, allein unbändigen Herzens!

Also sprach er. Da eilten zum ehernen Hause die Götter:

Poseidaon kam, der Erdumgürter; und Hermes

Kam, der Bringer des Heils; es kam der Schütze Apollon.

Aber die Göttinnen blieben vor Scham in ihren Gemächern.

Jetzo standen die Götter, die Geber des Guten, im Vorsaal,

Und ein langes Gelächter erscholl bei den seligen Göttern,

Als sie die Künste sahn des klugen Erfinders Hephaistos.

Und man wendete sich zu seinem Nachbar und sagte:

Böses gedeihet doch nicht; der Langsame haschet den Schnellen!

Also ertappt Hephaistos, der Langsame, jetzo den Ares,

Welcher am hurtigsten ist von den Göttern des hohen Olympos,

Er, der Lahme, durch Kunst. Nun büßt ihm der Ehebrecher!

Also besprachen sich die Himmlischen untereinander.

Aber zu Hermes sprach Zeus' Sohn, der Herrscher Apollon:

Hermes, Zeus' Gesandter und Sohn, du Geber des Guten,

Hättest du auch wohl Lust, von so starken Banden gefesselt,

In dem Bette zu ruhn bei der goldenen Aphrodite?

Ihm erwiderte darauf der geschäftige Argosbesieger:

O geschähe doch das, ferntreffender Herrscher Apollon!

Fesselten mich auch dreimal so viel unendliche Bande,

Und ihr Götter sähet es an und die Göttinnen alle,

Siehe, so schlief' ich doch bei der goldenen Aphrodite!

Also sprach er; da lachten laut die unsterblichen Götter.

Nur Poseidon lachte nicht mit; er wandte sich bittend

Zum kunstreichen Hephaistos, den Kriegsgott wieder zu lösen.

Und er redet' ihn an und sprach die geflügelten Worte:

Lös ihn! Ich stehe dafür: er soll, wie du es verlangest,

Vor den unsterblichen Göttern dir alles bezahlen, was recht ist.

Drauf antwortete jenem der hinkende Feuerbeherrscher:

Fordere solches nicht, du Erdumgürter Poseidon!

Elende Sicherheit gibt von Elenden selber die Bürgschaft.

Sage, wie könnt ich dich vor den ewigen Göttern verbinden,

Flöhe nun Ares fort, der Schuld und den Banden entrinnend?

Ihm erwiderte drauf der Erderschüttrer Poseidon:

Nun, Hephaistos, wofern denn auch Ares fliehend hinwegeilt,

Um der Schuld zu entgehn, ich selbst will dir dieses bezahlen!

Drauf antwortete jenem der hinkende Feuerbeherrscher:

Unrecht wär es und grob, dir deine Bitte zu weigern.

Also sprach er und löste das Band, der starke Hephaistos.

Und kaum fühlten sich beide der mächtigen Fessel entledigt,

Sprangen sie hurtig empor. Der Kriegsgott eilte gen Thrake.

Aber nach Kypros ging Aphrodite, die Freundin des Lächelns,

In den paphischen Hain, zum weihrauchduftenden Altar.

Allda badeten sie die Charitinnen und salbten

Sie mit ambrosischem Öle, das ewige Götter verherrlicht;

Schmückten sie dann mit schönen und wundervollen Gewanden.

Also sang der berühmte Demodokos. Aber Odysseus

Freute sich des Gesangs von Herzen; es freuten sich mit ihm

Alle Phaiaken, die Führer der langberuderten Schiffe.

(Homer: Odyssee 8. Gesang)


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