10 Januar 2021

Robert L. Kelly: Warum es normal ist, dass die Welt untergeht.

 Robert L. Kelly: Warum es normal ist, dass die Welt untergeht. (engl. Originaltitel: The Fifth Beginning. What Six Million Years of Human History Can Tell Us About Our Future)

Zusammenfassung der Hauptaussagen:

"Ich habe gestern gesehen. Ich kenne morgen." Diese Inschrift in Tutanchamuns Grab fasst The Fifth Beginning zusammen. Hier erklärt der Archäologe Robert L. Kelly, wie das Studium unserer kulturellen Vergangenheit die Zukunft der Menschheit vorhersagen kann. In einem hervorragend lesbaren Stil identifiziert Kelly vier zentrale Dreh- und Angelpunkte in der sechs Millionen Jahre alten Geschichte der menschlichen Entwicklung: die Entstehung der Technologie, Kultur, Landwirtschaft und Staat. In jedem Beispiel untersucht der Autor die langfristigen Prozesse, die zu einer endgültigen, nicht umkehrbaren Veränderung für die Organisation der Gesellschaft geführt haben. Kelly blickt dann nach vorne und gibt uns Beweise für das, was er als fünften Anfang bezeichnet, der um 1500 n. Chr. begann. Einige mögen es "Globalisierung" nennen, aber der Autor stellt es in seinen größeren Kontext: ein fünftausendjähriges Wettrüsten, das Ausgreifen des Kapitalismus über die ganze Welt und die kulturellen Auswirkungen eines weltweiten Kommunikationsnetzwerks. Kelly sagt voraus, dass die aufkommenden Phänomene dieses fünften Beginns das Ende des Krieges als einen tragfähigen Weg zur Beilegung von Streitigkeiten, das Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen, eine weitreichende Entwicklung hin zu Weltbürgerschaft und zum Aufstieg von Formen der Zusammenarbeit umfassen werden, die den nahezu heiligen Status der Nationalstaaten beenden werden. Es ist das Ende des Lebens, wie wir es kennen. Der Autor ist jedoch vorsichtig optimistisch: Er geht nicht auf das kommende Chaos ein, sondern auf das große Potenzial der Menschheit."

Originaltext der Zusammenfassung:

"I have seen yesterday. I know tomorrow." This inscription in Tutankhamun's tomb summarizesThe Fifth Beginning. Here, archaeologist Robert L. Kelly explains how the study of our cultural past can predict the future of humanity.In an eminently readable style, Kelly identifies four key pivot points in the six-million-year history of human development: the emergence of technology, culture, agriculture, and the state. In each example, the author examines the long-term processes that resulted in a definitive,no-turning-back change for the organization of society. Kelly then looks ahead, giving us evidence for what he calls afifth beginning, one that started about AD 1500. Some might call it "globalization," but the author places it in its larger context: a five-thousand-year arms race, capitalism's global reach, and the cultural effects of a worldwide communication network. Kelly predicts that the emergent phenomena of this fifth beginning will include the end of war as a viable way to resolve disputes, the end of capitalism as we know it, the widespread shift toward world citizenship, and the rise of forms of cooperation that will end the near-sacred status of nation-states. It's the end of life as we have known it. However, the author is cautiously optimistic: he dwells not on the coming chaos, but on humanity's great potential." (Description of The Fifth Beginning)

Zu S.154 ff:

Die Zukunft ist so unsicher, wie die meisten von uns es sich gar nicht vorstellen können. Sehr gut möglich, dass es schon in wenigen 100 Jahren keine Archäologen mehr gibt. Aber was bleiben wird, sind Fundsachen, die für potentielle Archäologen hoch interessant sind: im Meer Schiffswracks, die seit 1500 deutlich zunehmen und anderer Art sind.  Ein Kennzeichen das Schiffe seit dem 19. Jahrhundert charakterisiert, ist, dass sie aus Metall sind.

Von schriftlichen Zeugnissen aus der Zeit ab etwa 1970 wird es erstaunlich wenig zu finden geben, weil sehr vieles nur elektronisch aufbewahrt wurde und nicht mehr recht zu rekonstruieren ist. Allerdings wird es eine Höhle in Österreich geben, wo auf Keramikplatten viele Bild- und Schriftzeugnisse zu finden sind. Andererseits wird eine neue Stufe von Archäologie im Weltraum zu betreiben sein: Dort werden Spuren von menschlichen Artefakten zu finden sein, soweit sie nicht auf die Erde zurück gestürzt sind oder von einem schwarzen Loch eingefangen.

Zitate:

"Die ältesten menschlichen Artefakte im Weltraum datieren auf das früher 21. Jahrhundert. Vielleicht werden die Archäologen auch in zehntausend Jahren noch Artefakte finden, die die Erde umkreisen. Laut NASA gibt es im Orbit derzeit mehr als 21.000 Objekte mit einer Größe von über zehn Zentimeter, etwa eine halbe Million Objekte, die zwischen einem und zehn Zentimeter groß sind, und 100 Billionen kleinere Objekte wie Farbpartikel. Und selbst wenn all diese Objekte bis dahin in der Atmosphäre verbrannt sind, werden Archäologen noch zahlreiche Artefakte auf dem Mond finden, unter anderem die sowjetische Raumsonde Lunik 2 und mehrere Landeplätze, Mondfahrzeuge und elektronische Geräte der NASA. Zweifellos werden sie den Kopf schütteln, wenn sie dort Flaggen, Kameras und Raumanzüge vorfinden, Hämmer und Zangen, Beutel mit Kot, Urin und Erbrochenem, ein Uhrenarmband und eine Krawatte, eine Bibel, eine Falkenfeder, einen Speer, 2-Dollar-Scheine, Golfbälle und eine sieben Zentimeter große Statuette. Menschliche Artefakte gibt es nicht nur auf dem Mond, sondern auch auf dem Mars und sogar auf einem Kometen." (S.154)

"Archäologen werden die Überreste der Transporttechnologie (Flugzeuge, Züge, Schiffe) und der dazugehörigen Hilfstechnologien (Häfen, Bahnhöfe, Flughäfen) finden. Sie werden feststellen, dass diese Technologie die Kontinente wirtschaftlich miteinander vernetzte, und sie werden feststellen, dass die Kontinente buchstäblich mit Kabeln miteinander verbunden waren.
Wenn sie auf Friedhöfen die Skelette untersuchen, werden die Archäologen die menschlichen Gene (beispielsweise für die Hautfarbe) bis 1500 ziemlich genau einzelnen Regionen zuordnen können – dunkelhäutige Menschen lebten näher am Äquator, wo sie der hohe Melaningehalt der Haut vor der Sonne schützt. Nach 1500 findet man von Ushuaia (Argentinien) bis Tromsö (Norwegen) Überreste aller möglichen Menschen – ein Beweis für ein Ausmaß menschlicher Migration, wie es die Welt nicht mehr erlebt hatte, seit sie zehntausend Jahre vorher von Jägern und Sammlern besiedelt worden war.

Bei einer Analyse der Isotopischen Zusammensetzung menschlicher Skelette werden die Forscher für die Zeit ab 1500 ein ähnliches Phänomen entdecken: Man ist, was man ist, und bis 1500 aßen die Menschen die Nahrung ihrer unmittelbaren Umgebung, daher enthielten ihre Knochen die Isotopensignaturen des Kohlenstoffs, Stickstoffs und Strontiums ihrer unmittelbaren Umgebung (anhand solcher Daten konnte man ermitteln, wo Ötzi zu Hause war). Doch seit Nahrungsmittel importiert werden, essen viele Menschen täglich Produkte aus aller Herren Länder. An dem Morgen, an dem ich hier in Wyoming diese Zeilen schreibe, habe ich bereits eine Banane aus Ecuador gegessen, Müsli aus schottischen Haferflocken, Joghurt aus der Milch von Kühen, die in der Nähe von New York City Weiden, mit Vanille, die wahrscheinlich aus Madagaskar stammt, und ich habe Kaffee getrunken, der in Kolumbien angebaut wurde. Die Isotopensignaturen in meinem Skelett spiegeln nicht Wyoming wieder, sondern die ganze Welt." (S. 155)

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