04 Januar 2013

Wen will Oppermann mit seinem Text ansprechen?


Inzwischen bin ich wohl eine Erklärung schuldig bin, weshalb ich ständig aus Heinrich Oppermann "Hundert Jahre" Zitate einstelle und nie erkläre, wie die Handlung verläuft.
Ich versuche immer noch, mir klar zu machen, was denn der Handlungsverlauf ist. Denn er ist so verschlungen und es tauchen so viele Personen auf, dass ich immer noch keinen Überblick gewonnen habe. Da ich das Buch mit einem E-Reader lese, weiß ich nicht, wie viele Seiten ich bisher gelesen habe. Erst vor kurzem habe ich herausgefunden, dass der Text neun Bände umfasst. Wir sind jetzt im Band sieben und Oppermann erklärt, worauf es ihm bei diesem Text ankommt.
"Wer die Poesie der Weltgeschichte in dem Umschwunge nicht erkennt, daß der Freund und Rathgeber Baumann's, der kleine, verkrüppelte Advocat Detmold, jüdischer Abkunft, der 1840 in Hannover confinirt war, der keinen Schritt und Tritt thun durfte, ohne von Gensdarmen begleitet zu sein, der in seinen Kindermärchen den König als einen Kater darstellte, welcher die Mäuschen zum Frühstück verspeise, und den Hannoveraner-Mäuschen die Lehre gab: daß niemand gefressen wird, der sich nicht fressen lassen will – daß dieser Mann Reichsminister wurde und nach Wiederauflebung des Bundestags Bundestagsgesandter Ernst August's, wie er, angeblich gegen den Willen des Ministeriums, aber mit Willen des Königs, den Austritt aus dem Dreikönigsbündniß und den Beschluß des Bundestags vom 23. August 1850 beförderte, und dadurch den zweiten Schritt that, den Untergang Hannovers anzubahnen – für den sind diese Zeilen nicht geschrieben. Wer aus einem Roman lieber erfahren will, ob Wilhelm seine erstgeliebte Luise zur Frau, oder Melitta ihren Gardekapitän zum Manne bekommt, oder wie Ottilie dazu gekommen, dem einst geliebten Gatten untreu zu werden, wer das lieber will als einen Einblick gewinnen, wie es geschehen konnte, daß eine Dynastie, die über achthundert Jahre im niedersächsischen Boden gewurzelt, depossedirt werden konnte, und wie ein Königreich von beinahe zwei Millionen von der Landkarte verschwand, der lasse die folgenden Blätter ungelesen. Denn schildern diese auch Leben und Treiben, Freuden und Leiden der Kinder und Enkel unserer bisherigen Helden, so bedingte eben der Charakter der Zeit, wie der Charakter dieser Helden, daß die Lebensschicksale derselben zum großen Theile durch die Tagesereignisse bestimmt wurden."
Heinrich Oppermann "Hundert Jahre", 7. Buch, 6. Kapitel 

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