31. Der Turm von Galata
Bujukdere, den 14. September 1837
Zu meiner großen Freude trafen am 28. August drei meiner Kameraden, die Hauptleute Baron von Vincke und Fischer vom Generalstab und von Mühlbuch vom Ingenieurkorps in Konstantinopel ein. Das Dampfschiff wurde aus Triest erwartet und ich bestieg einmal über das andere den gewaltigen runden Turm von Galata, von dem ich über das Gewimmel des Hafens, über Konstantinopel und die Bogen des Valens fort in den flimmernden Propontis hinausspähte. [...]
32. Reise durch Rumelien, Bulgarien und die Dobrudscha – Der Trajanswall
Varna, den 2. November 1837
Nach kurzem Aufenthalt in Bujukdere wurden meine Kameraden und ich dem Großherrn vorgestellt, der uns zu Beglerbey sehr gnädig empfing; bald darauf erhielten wir den Befehl zu einer Reise zur Donau. Bei uns würde man sich auf die Schnellpost setzen und wäre in zwei bis drei Tagen da; hier macht das etwas mehr Umstände; unser Gefolge bildet eine kleine Karawane von einigen vierzig Pferden und als wir über die Brücke von Konstantinopel ritten, sah der Zug ganz stattlich aus: Voraus eilte ein Tatar in seinem roten Anzug mit Pistolen und Handschar, der die Quartiere macht und die Pferde auf den nächsten Posten zusammentreibt; zwei andere Tataren schließen den Zug, um alles zu überblicken und die Nachzügler vorwärts zu treiben. Die militärische Bedeckung bilden drei Kawassen oder Gendarmen; außer ihnen folgen zwei armenische Dolmetscher, zwei griechische Bediente, ein Koch, drei türkische Offiziere, vierzehn Packpferde, vier oder fünf Surudschi oder Pferdejungen und ein paar Reservepferde. [...]
In diese öde Gegenwart ragen die Trümmer einer fast zweitausendjährigen Vergangenheit hinein. Auch hier sind es die Römer, die ihren Namen mit unverlöschlichen Zügen dem Erdboden eingegraben haben. Der doppelte, an einigen Stellen dreifache Wall, den Kaiser Trajan von Czernawoda an der Donau hinter der Seereihe von Karasu weg, nach Küstendsche, dem alten Constantiana, am Schwarzen Meer zog, ist überall noch 8 bis 10 Fuß hoch erhalten.
33. Altertümer in Konstantinopel – Die St. Sophia – Der Hippodrom – Das Forum Constantinum – Säulen und Kirchen – Die Stadtmauer
Konstantinopel, den 28. Dezember 1837
Solche Fluten von Verheerungen sind über Konstantinopel zusammengeschlagen, dass fast jede Spur ihres Altertums verwischt worden ist. Dennoch ragen einige Denkmäler aus der Vorzeit und ich will dich an ihnen vorüberführen. Die meisten Erinnerungen haften an dem Tempel, den Konstantin der göttlichen Weisheit errichtete, und dessen Kalkwände und Bleikuppeln, durch vier riesenhafte Strebepfeiler gestützt, sich noch heute hoch über den letzten Hügel, zwischen dem Propontis und dem Goldenen Horn erheben. Dort steht noch immer die alte Sophia, wie eine ehrwürdige Matrone im weißen Gewand mit grauem Haupt auf ihre mächtigen Krücken gestützt und schaut über das nahe Gedränge der Gegenwart weit hinaus über Land und Meer in die Ferne. Feuersbrünste und Belagerungen, Aufruhr, Bürgerkrieg und fanatische Zerstörungswut, Erdbeben, Stürme und Ungewitter haben ihre Macht gegen diese Mauern gebrochen, welche christliche, heidnische und mohammedanische Kaiser unter ihre Wölbung aufnahm.
[...] obwohl fast alle Reiseschriftsteller über den Anblick der Aya Sophia in Bewunderung ausbrechen, so will ich dir nur gestehen, dass sie auf mich weder den Eindruck eines großen noch eines schönen Bauwerks gemacht hat, bis ich hineintrat. Die Sophia ist darin das Gegenteil der türkischen Moscheen überhaupt, welche von außen gesehen durch ihre geschmackvolle Bauart überraschen, deren Inneres aber keinen Ehrfurcht erweckenden Eindruck macht. Sie entbehrt eine der größten Zierden jener Moscheen, des Vorhofes, und man findet nirgends einen günstigen Punkt, um sie zu beschauen. Aber wenn man durch den Nartek oder Portikus, unter welchem die Büßenden zurückblieben, unter die weite Hauptkuppel tritt und einen Raum von 115 Fuß im Durchmesser ganz frei, ohne Säulen und Stützen vor sich sieht, über dem 180 Fuß hoch eine steinerne Wölbung in der Luft zu schweben scheint, dann staunt man über die Kühnheit des Gedankens, über die Größe der Ausführung eines solchen Baues. Die breiten Hauptkuppeln an den Seiten enthalten zwei geräumige Tribünen, getragen durch die acht Riesensäulen, die Konstantin aus Ephesus, Athen und Rom zusammenbrachte. Die Tempel Europas, Asiens und Afrikas wurden geplündert, um diese christliche Kirche zu schmücken, und du findest auf der zweiten Tribüne einen Wald von Säulen aus Porphyr, Gallo antico, Granit, Jaspis und Marmor.
34. Reise nach Samsun – Die Häfen des Schwarzen Meeres – Dampfschifffahrt
Tokat in Asien, den 8. März 1838
Kaum finde ich Zeit, dir einige Zeilen zu schreiben, so schnell geht unsere Reise vorwärts; heute erst machen wir einen halben Tag Halt und ich setze mich sogleich neben ein loderndes Kaminfeuer, schichte eine Menge Sofakissen übereinander, um ein hier unbekanntes Möbel, einen Tisch zu konstruieren, und fange an meine Reiseschicksale zu erzählen; aber da kommt alle Augenblick ein Besuch, ein Oberst aus Konstantinopel, der mein alter Reisegefährte in Rumelien war und jetzt Kommandeur der Landwehr ist, ein Imam, ein Jude mit alten Münzen usw. [...]
Der Anblick von Samsum ist höchst angenehm; ein altes genuesisches Kastell, mehrere gut gebaute türkische Konaks, einige steinerne Moscheen und Hanns zeichnen sich schon in der Ferne ab. Das ganze Städtchen ist von einem Olivenwäldchen umgeben, welches das Bergamphitheater bekleidet und aus dem freundliche Kiosks und Gartenhäuser hervorblicken; die Gipfel der Hügel krönt ein griechisches Dorf und dahinter ragen Waldkuppen, die ihre 3000 Fuß Höhe haben mögen. Ich benutzte den Abend, um einen Plan dieses Orts, des Hafens und der Umgebungen aufzunehmen, und es kam mir wirklich seltsam genug vor, in Pontus, im Lande Mithridats, meinen englischen Patentmesstisch aufzustellen. [...]
Es hat sich so getroffen, dass ich nun fast alle Häfen des Schwarzen Meeres von der Mündung der Donau bis zum Kisil-Irmak genauer kennen gelernt habe; sie sind alle schlecht. Das schon von alters her so verrufene Schwarze Meer ist weder stürmischer noch so oft mit Nebel bedeckt wie unsere Ostsee und Untiefen und Klippen, wie jene, hat es gar nicht; die große Gefahr besteht hauptsächlich in dem Mangel an geschützten Reeden und gesicherten Häfen. Der ostindische Handel nahm früher seinen Weg durch die Levante. Die Genueser waren Herren aller Hafenplätze an der kleinasiatischen Küste, wie an so vielen anderen Punkten des Osmanischen Reiches. Überall haben sie dauernde Spuren ihrer Herrschaft hinterlassen; ihre Anlagen zeichnen sich durch Solidität und Tüchtigkeit aus; ihre alten Schlösser stehen noch jetzt und verspotten durch ihr Profil die späteren türkischen Anlagen. Persische Kaufleute besuchten auch früher schon die Leipziger Messe, von wo sie Fabrikwaren und Pelzwerk holten. Die Reise dauerte gewöhnlich fünfzehn Monate und war zahllosen Gefahren und Beschwerden ausgesetzt. Heute geht derselbe Handelsmann von Trapezunt mit den Dampfschiffen in vierunddreißig Tagen über Konstantinopel und Wien nach Leipzig und kehrt in zwanzig Tagen zurück. [...]
35. Amasia –Die Felsenkammern
Sivas, den 10. März 1838
Unser erster Marsch von Samsun betrug vierzehn Stunden; es gab mehrere Höhen und Täler zu überschreiten, die von Schnee eben erst entblößt, doppelt mühsam zu passieren waren; auch kamen wir spät in der Dunkelheit und von Regen durchnässe in Ladika an. Dieser Ort hat, wie wir am folgenden Morgen von den hohen schneebedeckten Bergen sahen, eine schöne Lage; wir stiegen nach einigen Stunden in ein breites angebautes Tal hinab, dessen Wände sich immer mehr näherten, bis sie dicht zusammentrafen und eine tiefe enge Schlucht bildeten. Schroff und fast ganz ohne Vegetation erhoben sich wohl 100 Fuß die Felslehnen zu beiden Seiten, während die enge Sohle des Tals zwei Stunden weit einen fortlaufenden Garten bildete, bedeckt mit Häusern und Maulbeerpflanzungen. In dem Augenblick, als wir über eine kleine Anhöhe hervortraten, entfaltete sich plötzlich der eigentümlichste und schönste Anblick, den ich je gesehen – die uralte Stadt Amasia. Der Zusammenfluss zweier beträchtlicher Gebirgswasser aus ganz entgegengesetzten Richtungen, welche dann vereint nordostwärts abfließen, bildet einen tiefen Gebirgskessel, in den Kuppeln, Minaretts und Wohnungen von 20 000 bis 30 000 Menschen zusammengedrängt sind. Schöne Gärten und Maulbeerplantagen, die der rauschende Strom durchteilt, sind ringsum von hohen Felswänden umschlossen, und rechts auf einer hervorragenden Klippe thront ein uraltes, seltsam gestaltetes Kastell. Was aber den befremdendsten Eindruck hervorbringt, sind die wunderbaren Felsenkammern, die in den senkrechten Steinwänden eingemeißelt sind; lange betrachtete ich diese kolossalen Nischen, Gänge und Treppen, ohne mir eine Vorstellung davon machen zu können, was der Zweck einer so mühevollen, vieljährigen Arbeit sein könne. Fünf große Felsenkammern befinden sich nahe aneinander und sind durch Galerien und Treppen verbunden, die mit ihren Balustraden in die Felswand eingehauen sind. Wahrscheinlich waren es Gräber der Könige von Pontus. Obwohl über 2000 Jahre alt, sind die Linien so scharf erhalten, als wenn sie eben fertig geworden. Der Anblick von der Zitadelle herab ist prachtvoll; es war eben Beiram, der größte Feiertag der Türken. Überall war Leben und sämtliche Frauen, in ihren grellen bunten Gewändern, kamen aus den Bädern. Von der Zitadelle wurde mit Böllern geschossen, die in den Tälern prächtig widerhallten, auch wir feuerten unsere Pistolen ab, um nach Kräften zu dieser Feierlichkeit beizutragen. [...]
36. Tokat – Siwas
Siwas, den 11. März 1838 Der Pascha dieses Orts ist gestern mit achtzig Pferden von hier fortgezogen, sodass die Post keine mehr hat und wir genötigt sind einen Ruhetag zu machen; ich fahre daher in meiner Erzählung fort. Die acht Wegstunden nach Tokat machten wir am 8. im weiten Tal des Tusanly, fast im beständigen Galopp; Tokat liegt in einer Schlucht, die aus hohen Bergen hervortritt. Eine scharfe Klippenwand schneidet beide Täler voneinander ab und auf dem letzten schroffen Gipfel ist kühn ein altes Schloss erbaut und durch einen unterirdischen Gang mit der Stadt verbunden; diese ist von bedeutender Größe und kann 30 000 bis 40 000 Einwohner haben. Sie liegt schön, aber doch nicht so schön wie Amasia. [...]
38. Der Euphrat – Kieban-Maaden
Kieban-Maaden am Euphrat, den 16. März 1838
Durch die einförmige Schnee-Einöde ging es am 14. fort bis Hassan-Tscheleby; die Häuser dieses Dorfes sind mit flachen Erdterrassen eingedeckt und liegen mit dem Rücken gegen eine Anhöhe, sodass, wenn man von dieser Seite kommt, man sie fast gar nicht gewahr wird. So geschah es mir, dass ich auf das Dach eines Hauses hinaufritt und beinahe durch den Rauchfang in den Salon der unterirdischen Familie gefallen wäre. Ich war sehr bestürzt über diesen Vorfall, als wir aber nach dem Frühstück weiterritten, ging die ganze Karawane über die gesamten Dächer der Ortschaft im fröhlichen Trabe fort. Je langweiliger die Gegend, je mühsamer der Weg bisher gewesen, umso erfreulicher war es jetzt, im raschen Galopp durch ein tiefes Felstal längs eines schäumenden Gebirgsbachs hinzueilen; das Wetter war sehr frisch, aber heiter, die Luft hatte schon die schöne blaue Farbe der italienischen Landschaft und die Felsen von rötlichem und blauem Gestein mit schroffen kühnen Abhängen waren malerisch schön. Im Hintergrund erhoben sich zu beiden Seiten mächtige Berge mit Schnee hoch überlagert, von der Abendsonne purpurn gemalt. So aus der Ferne sah der Schnee wundervoll aus, wir waren aber herzlich froh, ihn von unserem Wege vorerst los zu sein; die Nacht brachten wir in Hekimhann zu, eine Palanka oder Festung; der Hof des Hanns nämlich ist von einer Mauer umschlossen und enthält einige Dutzend Hütten, eine Moschee und ein Bad. [...] Der alte Herr trank aus Gefälligkeit eine Flasche Xeres mit mir aus; nur darüber war er erstaunt, dass ich mit dem Degen äße, so nannte er meine Gabel. [...]
Das Städtchen Kleban-Maaden wird erst jetzt unten sichtbar; es liegt am Fuß einer schmalen Reihe von zackigen Bergen, die den Fluss zu einer weiten Windung nötigen. In seltsam geformten Booten setzten wir über; das Städtchen ist ganz gut gebaut und lebt von dem Ertrag der Silberminen, die sich in dieser schroffen Bergwand finden. Eine Stunde oberhalb fließen die beiden Wasser, der Murad vom Ararat kommend und der eigentliche Frat von Erzerum her, zusammen und bilden nun einen auch im Sommer nicht mehr zu durchwatenden Strom, der hier etwa 120 Schritt breit und überaus reißend ist. Sobald die Fähre in die Mitte des Flusses kam, glitt sie, mit Menschen und Pferden angefüllt, pfeilschnell abwärts und es schien, als ob sie unmöglich das andere Ufer erreichen könne, aber ein Gegenstrom erfasst sie bald und führt sie genau an die Landestelle. Zur größten Freude unseres Effendis gab's keine Pferde auf der Post. Der Pascha gibt uns morgen dreißig von seinen eigenen. Wir benutzten den Aufenthalt uns hier umzusehen und ins Bad zu gehen, denn ein verdächtiges Jucken erinnerte uns daran, dass wir in Asien reisten, und ich benutzte die Ruhe, um diese Zeilen auf meinem Knie niederzuschreiben.
39. Ankunft im Hauptquartier der Taurus-Armee Messre
bei Karput, den 19. März 1838
Von Kleban-Maaden stiegen wir durch ein tiefes Gebirgstal drei Stunden aufwärts und erreichten dann ein flaches, aber hohes Hügelland, auf dem einzelne Kurdendörfer zerstreut liegen. [...]
Wir hielten eine halbe Stunde vor der Stadt in dem Dorf Messre an, wo das Hauptquartier sich gegenwärtig befindet. Ein weitläufiges Gebäude aus Lehm mit flachem Dach, wie ich es eben beschrieben, war die Wohnung des kommandierenden Generals; eine kleine Wache und zahlreiche Dienerschaft, Kawassen, Tataren, Seymen und Hausoffizianten füllten den Hof. Ich fand den Pascha in einem hohen, mit Balken eingedeckten Zimmer, dessen Fußboden und Diwan mit grauem Tuch überzogen und dessen Fenster mit Papier verklebt waren. An den Wänden hingen Waffen und auf den Sofas lagen eine Menge von Briefen in Stückchen Musselin eingewickelt und mit rotem Wachs versiegelt; Tische, Stühle, Kommoden, Spiegel, Gardinen oder anderes Gerät, welches wir für unentbehrlich halten, war so wenig hier wie in anderen türkischen Gemächern vorhanden; dagegen stand eine große Zahl von Dienern und Offizieren mit vor den Leib verschränkten Armen ehrerbietig schweigend da. Der Pascha saß mit untergeschlagenen Beinen auf einer Tigerhaut an der Erde; er war in einen blauen Mantelkragen mit Zobelbesatz gekleidet, den Fes auf dem Kopf. Se. Exzellenz empfingen uns mit einer leichten Bewegung des Kopfes, winkten uns niederzusitzen und sagten nach einer Pause, dass wir willkommen seien. Hafiz-Pascha ist ein geborener Tscherkesse und wurde für das Serail des Großherrn gekauft, er hat daher eine bessere Bildung erhalten als die meisten seiner Kollegen; er liest und schreibt, kennt etwas von der persischen und arabischen Sprache, hat einige Kenntnisse und viel Interesse für die ältere Geschichte des Landes; er begleitete die Gesandtschaft, die vor fünf Jahren nach Russland ging; in Skodra in Albanien leistete er einen dreizehnmonatigen Widerstand gegen die ihn belagernden Arnauten und als Reschid-Pascha in Diarbekir starb, gab der Großherr ihm das Kommando über die damals mit den Kurden im Krieg begriffene Armee, deren Hauptauftrag jedoch die Beobachtung der ägyptisch-syrischen Armee war. Anders als die meisten seiner Kollegen ist der Pascha blass und mager; der Fes, den er zuweilen zurückschiebt, bedeckt eine hohe, tief gefurchte Stirn. Wenige Wochen, bevor wir ankamen, hatte er eine Tochter und einen Sohn verloren. Obgleich gewiss nicht unempfindlich, beachtete er doch die ruhige, gelassene Haltung, die überall, aber besonders hier, einen Mann von Stande bezeichnet. Nach einigen Fragen über unsere Reise und nachdem wir Kaffee getrunken hatten, waren wir entlassen. Der Diwan-Effendi, unser Begleiter, blieb aber zurück, um seine Briefe und mündlichen Aufträge mitzuteilen. Man führte uns in ein großes Zimmer, ganz dem des Paschas ähnlich; obgleich noch niemand eigentlich wusste, was aus uns zu machen sei, empfingen uns die Leute doch freundlich; der Pascha schickte Betten aus seinem Harem und wir ruhten von den Beschwerden der Reise bis spät den folgenden Morgen. Wir waren noch nicht lange wach, als man vier prächtige arabische Hengste in den Hof führte; ein Geschenk des Paschas für uns. [...]
In Is-oglu überschritten wir den Strom und kamen mittags nach Malatia, einer bedeutenden Stadt von 5000 aus Lehm erbauten Häusern, mit Terrassen statt Dächern; selbst die Kuppeln der Moscheen und Bäder sind mit Lehm überzogen, alle Höfe mit Lehmmauern umgeben und die ganze Stadt von derselben umformen grauen Farbe. Die Erfindung der Fensterscheiben ist für diesen Teil des Erdballs noch nicht gemacht. [...]
Am 26. waren wir genötigt, Maulesel zu besteigen; die Tiere gehen sehr gut, nur muss man ihnen gestatten am äußersten Rand der Abgründe zu spazieren und sie nicht mit Zügel oder Sporen inkommodieren. Wir erkletterten an einer sehr steilen Berglehne den Kamm des Taurus und über ein Geröll von Steinen hinunter, welches in der Tat halsbrecherisch genug aussah. In einer wundervoll wilden Felsschlucht klebt an einer Berglehne das Dörfchen Erkeneh, tief unten schäumt ein Bach von Klippe zu Klippe und die schwarzen Felswände scheinen jedes Hinabsteigen unmöglich zu machen. Im Dorf Belveren bildet ein flacher Rücken die Wasserscheide zwischen den Zuflüssen des Arabischen und denen des Mittelländischen Meeres.
Gestern hatten wir einen mühsamen Ritt über hohe Gebirge, es schneite und regnete; als wir aber abends in das weite, prachtvolle Tal von Marasch hinabstiegen, änderte sich die Szene: Die Weide sprosste ihre ersten Blätter, das saftigste Grün färbte die breiten Felder und Wiesenflächen, in welchen sich zwei silberne Flüsse schlängeln, und Allahs goldene Sonne funkelte über der Stadt, während dicke schwere Wolken an den Schneegipfeln des Giaur-Gebirges hingen.
Heute war Ruhetag nach fünfundsechzig Stunden Ritt. Schon gestern Abend, durchnässt und halb erstarrt an dem südlichsten Punkte, den ich je erreicht, erquickte ich mich im heißen türkischen Bade; heute ordnete ich meine Papiere, ritt mit dem Pascha, der mir seine Rediff-Bataillone zeigte, und schreibe dir dies im Hofe eines armenischen Bankiers an einer sprudelnden Fontäne unter blühenden Mandelbäumen. (Kapitel 40)
41. Das turkmenische Lager – Der mittlere Lauf des Euphrats – Rumkaleh – Biradschik – Orfa
Orfa, den 6. April 1838 [...]
Nach mehrstündigem Ritt über grüne Reisfelder und flache Hügel und nachdem wir den Fluss Akdere durchfurtet, sahen wir uns zwischen einer Menge von Zelten, die in kleine Dorfschaften an den Berglehnen und auf der Ebene gruppiert waren. Wir hatten einige Mühe die Residenz des Kurdenfürsten zu finden, und endlich entdeckten wir in einem kleinen Tal ein Zelt, das wohl 100 Fuß lang und halb so breit war. Der Aga, ein Greis mit schönem grauen Bart, von ehrwürdigem Aussehen, aber in ganz einfacher Tracht, empfing mich am Eingang. Das Innere des Zeltes (wie alle übrigen aus schwarzem Ziegenhaar) war durch niedrige Schilfwände in mehrere Gemächer abgeteilt, in denen die Fremden, die Frauen, die Pferde, Kamele, Kühe, Ziegen, jedes seinen Platz fand; ein mächtiges Feuer brannte in der Mitte. Die Kurden halten sich immer in der Nähe des Waldes auf, sonst wäre es auch fast unmöglich, im Winter, der mindestens ebenso streng und länger als der unsrige ist, in einer solchen Wohnung auszuhalten. Die Wirtschaft des Agas hatte ein ganz patriarchalisches Aussehen; er setzte mir Brot, Milch, Honig und Käse vor, er selbst aber ließ sich erst nieder, nachdem ich ihn dazu aufgefordert hatte. Nirgends war ein Anschein von Macht und Herrlichkeit und doch gebietet dieser Mann über 600 Familien.
(Kapitel 31 - 41)