Theodor Storm / Theodor Fontane: Der Briefwechsel von litteratur.ch, 5.8.18
"[...] Vereinfacht gesagt, gibt es zwei Gründe dafür, dass die beiden nicht zusammen kommen konnten. Da war der Unterschied zwischen dem (Gross-)Stadtmenschen Fontane, der sich zu jener Zeit in Städten wie Berlin oder auch London pudelwohl fühlte, und der Provinzpflanze Storm, der, von den Dänen aus Husum vertrieben, zwangsläufig in Potsdam ansiedeln musste, das ihm zu gross war und dessen Gärten ihm zu gepflegt erschienen. [...]
Fontane war Großstadtmensch, er war Umgang mit Adeligen gewohnt und hatte Verbindungen zum königlichen Hof und achtete die Etikette. Im Alter aber meinte er, dass vom vierten Stand eine Erneuerung kommen müsse und begrüßte begeistert die Naturalisten. Nichts mehr von 'äußerer rechter Ecke'.
Aber der gesellschaftliche Umgang mit Storm und dessen Bürgerstolz vor Fürstenthronen war ihm peinlich.
Wenn er wie Keller nie persönlich mit Storm zusammengetroffen wäre, mag sein, der Respekt vor dem großen Poeten hätte überwogen, so aber stimmte die Chemie nicht.
35 Jahre lang die Verbindung aufrechterhalten zu haben und dies Lob für Storm formuliert zu haben, scheint mir aber der Beweis, dass Fontane es gern anders erlebt hätte.
Aus einem Brief von Storm:
»Sie haben, liebster Fontane, neulich einen Stein zwischen uns geworfen, und ich – mit Ihrer Erlaubnis – habe Sie zu lieb, um meinerseits nicht den Versuch zu machen, ihn aus dem Wege zu bringen.
Schon mehrfach hatte ich früher erfahren, und ich meine, ich habe es wenigstens halbwegs gegen Sie ausgesprochen, wie Sie über manches meinem Gefühle nach Unantastbare, z. B. über Verhältnisse zu Ihrer Frau, sich gegen Dritte nicht allein äußerten, sondern auch in einer Weise, die ich anfänglich mit Ihrem edlen getragenen Wesen nicht vereinigen konnte.
Ich habe oft darüber gedacht; ich brachte es unwillkürlich mit einer Äußerung über Sie in Verbindung, wo einer, als gesagt wurde: 'Fontane hat eine vornehme Persönlichkeit', erwiderte: 'Nein, er hat die Persönlichkeit eines feinen Schauspielers'. Mißverstehen Sie das nicht; es war nichts Unlauteres dabei.« (Theodor Storm. Brief an Fontane, Potsdam am 24. Juli 1854)
Besprechung von Der Briefwechsel Theodor Storm - Theodor Fontane, 9.9.2018
Auf der andern Seite stand wohl die jeweilige politische Weltanschauung einem tieferen Verhältnis im Weg. Fontane stand in der äusseren rechten Ecke, war Redaktions-Mitglied der konservativ-reaktionären, unter pietistischem Einfluss stehenden Kreuz-Zeitung; Storm, als Deutscher, hatte sich der Schleswig-Holsteinischen Bewegung von 1848 angeschlossen, also dem Aufstand gegen die dänische Herrschaft, die auch Teil der bürgerlichen Revolution von 1848 war. Dänemark obsiegte 1848, und Storm musste, wie sein Freund Theodor Mommsen, Husum verlassen. Er blieb aber in gewissem Sinn ein Freiheitskämpfer und sah wohl die tatsächlichen Interessen Preussens, das im Deutsch-Dänischen Krieg von 1867 [! korrekt wäre: 1864] dann tatsächlich erreichte, dass Schleswig-Holstein preussisch wurde, in allzu rosigem Licht. Immerhin durfte er danach in die geliebte Heimat zurück kehren – was das Band zu Fontane definitiv lockerte.
Last but not least war Storm von den beiden literarisch der Bodenständigere, mehr auf Heimat und Tradition Wert Legende, was sich in seiner Verehrung der letzten noch lebenden Dichter der romantischen Generation zeigte, Mörikes und Eichendorffs. Fontanes Haltung gegenüber den beiden bleibt, bei aller Verehrung, die auch er zum Ausdruck bringt, doch kritischer. [...]"
Fontane schätzte Storms Lyrik sehr, kam aber mit dem Menschen Storm nicht zurecht.
In Von Zwanzig bis Dreißig schreibt Fontane im Abschnitt Der Tunnel über der Spree im 4. Kapitel über Storm:
"[...] so glaubte Storm ganz ernsthaft, dass eine wirkliche Tasse Tee nur aus seiner Husumer Kanne kommen könne. Die Provinzialsimpelei steigert sich mitunter bis zum Großartigen."
"[...] so glaubte Storm ganz ernsthaft, dass eine wirkliche Tasse Tee nur aus seiner Husumer Kanne kommen könne. Die Provinzialsimpelei steigert sich mitunter bis zum Großartigen."
Doch das Kapitel schließt:
"Als er 70 wurde, ward ihm von allen Seiten her gehuldigt, und auch Berlin, als er es im selben Jahre noch besuchte, veranstaltete ihm eine Feier. Die besten nahmen teil, an ihrer Spitze seinen Landsmann und Freund Theodor Mommsen. Man empfing von ihm einen reinen, schönen Poeteneindruck. In allem Guten war eher der alte geblieben, und was von kleinen Schwächen im angehangen, das war abgefallen. Alt und jung hatten eine herzliche Freude an ihm und bezeugten Ihm die Verehrung auf die er so reichen Anspruch hatte. Als Lyriker ist er, das mindeste zu sagen, unter den drei, vier besten, die nach Goethe kommen. Dem Menschen aber, trotz allem, was uns trennte, durch Jahre hin nahe gestanden zu haben, zählt zu den glücklichsten Fügungen meines Lebens."Fontane war Großstadtmensch, er war Umgang mit Adeligen gewohnt und hatte Verbindungen zum königlichen Hof und achtete die Etikette. Im Alter aber meinte er, dass vom vierten Stand eine Erneuerung kommen müsse und begrüßte begeistert die Naturalisten. Nichts mehr von 'äußerer rechter Ecke'.
Aber der gesellschaftliche Umgang mit Storm und dessen Bürgerstolz vor Fürstenthronen war ihm peinlich.
Wenn er wie Keller nie persönlich mit Storm zusammengetroffen wäre, mag sein, der Respekt vor dem großen Poeten hätte überwogen, so aber stimmte die Chemie nicht.
35 Jahre lang die Verbindung aufrechterhalten zu haben und dies Lob für Storm formuliert zu haben, scheint mir aber der Beweis, dass Fontane es gern anders erlebt hätte.
Aus einem Brief von Storm:
»Sie haben, liebster Fontane, neulich einen Stein zwischen uns geworfen, und ich – mit Ihrer Erlaubnis – habe Sie zu lieb, um meinerseits nicht den Versuch zu machen, ihn aus dem Wege zu bringen.
Schon mehrfach hatte ich früher erfahren, und ich meine, ich habe es wenigstens halbwegs gegen Sie ausgesprochen, wie Sie über manches meinem Gefühle nach Unantastbare, z. B. über Verhältnisse zu Ihrer Frau, sich gegen Dritte nicht allein äußerten, sondern auch in einer Weise, die ich anfänglich mit Ihrem edlen getragenen Wesen nicht vereinigen konnte.
Ich habe oft darüber gedacht; ich brachte es unwillkürlich mit einer Äußerung über Sie in Verbindung, wo einer, als gesagt wurde: 'Fontane hat eine vornehme Persönlichkeit', erwiderte: 'Nein, er hat die Persönlichkeit eines feinen Schauspielers'. Mißverstehen Sie das nicht; es war nichts Unlauteres dabei.« (Theodor Storm. Brief an Fontane, Potsdam am 24. Juli 1854)
Besprechung von Der Briefwechsel Theodor Storm - Theodor Fontane, 9.9.2018
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