02 Februar 2016

Wieland: Geschichte des Agathon I

Geschichte des Agathon (Wikipedia)

Zitate:

"Weil nach unserm Plan der Charakter unsers Helden auf verschiedene Proben gestellt werden sollte, durch welche seine Denkensart und seine Tugend erläutert, und dasjenige, was darin übertrieben, und unecht war, nach und nach abgesondert würde;[...]"
"Nein, wahre Liebe kann so wenig eifersüchtig sein, als sich selbst fühlende Stärke zittern kann."
"Meine neue Gebieterin war von der guten Art von Geschöpfen, die gemacht sind sich selbst zu gefallen, und sich alles gefallen zu lassen. Ich wurde zu der Ehre bestimmt, den Aufputz ihres schönen Kopfes zu besorgen; und die Art, wie ich dieses Amt verwaltete, erwarb mir ihre Gunst so sehr, daß sie mich beinahe so viel liebte, als ihren Schoßhund."
"Die aufgehende Sonne, die von der rosenfingrichten Aurora angekündiget, das Jonische Meer mit ihren ersten Strahlen vergoldete, fand alle diejenigen, mit dem Virgil zu reden, von Wein und Schlaf begraben, welche die Nacht durch dem Bacchus und seiner Göttin Schwester geopfert hatten. Nur Agathon, der gewohnt war mit der Morgenröte zu erwachen, wurde von den ersten Strahlen geweckt, die in horizontalen Linien an seiner Stirne hinschlüpften."

"Wie begierig hätte ich vor wenigen Stunden einen Augenblick wie diesen mit meinem Leben erkauft! Indem sie dieses sagte, umarmte sie den glücklichen Agathon mit einer so rührenden Zärtlichkeit, daß die Entzückung, die ihre Herzen einander mitteilten, eine zweite sprachlose Stille hervorbrachte; und wie sollten wir beschreiben können, was sie empfanden, da der Mund der Liebe selbst nicht beredt genug war, es auszudrucken?"

"Wie kannst du Verlust nennen, dessen Besitz kein Gut war? Ist es ein übel, deines Ansehens, deines Vermögens, deines Vaterlandes beraubt zu sein? Alles dessen beraubt warst du in Delphi glücklich, und vermißtest es nicht. Und warum nennest du Dinge dein, die nicht zu dir selbst gehören, die der Zufall gibt und nimmt, ohne daß es in deiner Willkür steht sie zu erlangen oder zu erhalten? Wie ruhig, wie heiter und glücklich floß mein Leben in Delphi hin, ehe ich die Welt, ihre Geschäfte, ihre Sorgen, ihre Freuden und ihre Abwechselungen kannte; eh ich genötiget war, mit den Leidenschaften andrer Menschen, oder mit meinen eigenen zu kämpfen, mich selbst und den Genuß meines Daseins einem undankbaren Volke aufzuopfern, und unter der vergeblichen Bemühung, Toren oder Lasterhafte glücklich zu machen, selbst unglücklich zu sein!" [...]
[...] ich genoß die Glückseligkeit, welche Tagen die Schnelligkeit der Augenblicke, und Augenblicken den Wert von Jahrhunderten gibt. [...]"

"Ihre [der Sklavenhändler] erste Sorge war, sie in eines der öffentlichen Bäder zu führen, wo man nichts vergaß, was dazu dienen konnte, sie den folgenden Tag verkäuflicher zu machen. Agathon war noch zu sehr von allem demjenigen, was mit ihm vorgegangen war, eingenommen, als daß er auf das gegenwärtige aufmerksam sein konnte. Er wurde gebadet, abgerieben, mit Salben und wohlriechenden Wassern begossen, mit einem Sklaven-Kleid von vielfarbichter Seide angetan, mit allem was seine Gestalt erheben konnte, ausgeschmückt, und von allen, die ihn sahen, bewundert; ohne daß ihn etwas aus der vollkommnen Unempfindlichkeit erwecken konnte, welche in gewissen Umständen eine Folge der übermäßigen Empfindlichkeit ist".

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