22 Juli 2020

Fontane lobt und kritisiert Raabe

Wilhelm Raabe war etwa 11 Jahre jünger als Fontane. Über seine Erzählung "Das Horn von Wanza" (1881) schreibt Fontane im Juni 1881:
"Mich haben die ersten Szenen [...] am meisten entzückt. All diese Dinge sind ganz ersten Ranges, und weder Dickens noch andere Humoristen, die ich kenne, haben das geleistet.
Hätte Raabe mehr Kritik, so wäre er absolut No.1; aber freilich - 'wär er besonnen, wär er nicht der Tell'." (vgl. auch Fontane und Raabe)

"[...] »Wie die alte Tante ausfallen wird, soll mich wundern. An mir soll's nicht liegen, wenn sie mich nicht zum Haupterben einsetzt oder doch ein angenehmes Kodizill an ihr Testament meinetwegen hängt«, sagte der Student. »Was aber das ›alte Haus‹ sagen wird, darauf bin ich wirklich gespannt. Wenn sie den alten Knaben auch dort den weisen Seneka nennen und ihn seiner Weisheit wegen bei sich zum Bürgermeister gemacht haben, so ist das in der Idylle dort die einzige Philisterbande, die jemals eine vernünftige Idee gehabt und sie in die Erscheinung geführt hat. Ganz riesig ist's aber unter allen Umständen von ihr.«
Damit war er abwärts gesprungen vom Rabenskopfe durch den Tannenwald und den frischen, sonnigen Septembermorgen, dem ihm augenblicklich noch so wenig bekannten Ziel seiner Wanderschaft entgegen. Es ist aber jedenfalls immer sehr hübsch und herzerfreuend, wenn einem ein solches Ziel so – bald nach Sonnenaufgang – in einer so bunten, flimmernden, schimmernden, taublitzenden Ferne gezeigt wird und noch dazu mit dem Wort:
»Sie werden einen schönen Tag behalten, Herr Student.«
Es war ein erkleckliches Stück weiter gegen Norden hin, wo dieser Studiosus der Philologie, Herr Bernhard Grünhage, zu Hause war. Zum erstenmal hatte er am gestrigen Abend von den südlichen Harzbergen in die Gegend zwischen dem Kyffhäuser und der Porta Eichsfeldika hinausgesehen, und wie es eigentlich kam, daß er heute diese Gegend nunmehr durchwanderte, das muß jetzt vor allen Dingen erzählt werden. Die alte Tante läuft weder dem Studenten noch uns weg. [...]" (Wilhelm Raabe: Das Horn von Wanza")

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