09 Juni 2020

Ingo Schulze: Die rechtschaffenen Mörder

Wo es Schulze gelingt, Sympathie für den monomanischen Antiquar zu wecken, ist es großartig und hilft es zum Verständnis von Susanne Dagen, deren Kreis sich Uwe Tellkamp zugeneigt hat. Da zeigt sich bei Schulze wie andererseits bei Johnson, dass die Zuordnung zu "Erklärer der DDR-Psyche" eine wichtige Funktion des Autors trifft, obwohl beide damit in eine Schublade eingeordnet werden, für die sie viel zu groß sind. 
Auf Seite 99, wo er nicht an der sanften Revolution von 1989 teilnimmt, habe ich das Buch erst einmal auf die Seite gelegt. Der Blick in Rezensionen bestätigt mir, dass es eine passende Stelle war. Großartig ist noch einmal die Darstellung der Geschichtsvergessenheit, mit der zusammen mit einseitig Ideologischem auch eine Unmenge wertvoller Beispiele hervorragender Editionstätigkeit auf die Müllhalde geworfen wurden, um die westdeutschen Verlage nicht einer Billigkonkurrenz auszusetzen. (Ein Parallelbeispiel zu der Abwicklung von Betrieben, die mehr wert waren, als die eine Mark, für die sie gekauft wurden.)

Doch die Teile 2 und 3 des Romans, so gut sie sich lesen, fallen doch stark ab.
Freilich, meine persönliche Abneigung gegen Whodunit-Spannung und der Ergründung der Psychologie von Mördern mag dabei eine Rolle spielen. 

Wenn Cornelia Geissler in der FR vom 4.3.2020 formuliert: "Der Roman lässt - getreu dem Motto - anfangs nicht ahnen, in welchem Maße er die Leser am Ende mit Fragen beunruhigt", so muss ich gestehen: Die Frage nach den Mördern interessiert mich nicht. 

Die Frage, die sie vorher nennt: "Wie konnte die gewonnene Freiheit viele Menschen im Osten zu einer Haltung führen, die Unfreiheit für andere fordert?", interessiert mich eher,  insbesondere die Frage: Wie können Autoren wie Tellkamp, die DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld und Cora Stephan zu der Aussage kommen: „Mit wachsendem Befremden beobachten wir, wie Deutschland durch die illegale Masseneinwanderung beschädigt wird. Wir solidarisieren uns mit denjenigen, die friedlich dafür demonstrieren, dass die rechtsstaatliche Ordnung an den Grenzen unseres Landes wiederhergestellt wird.“ (15.3.2018(Sächsische Zeitung 17.3.2018)
Diese Frage wird für mich aber durch den Whodunit-Schluss verdeckt. 

Was Cornelia Geissler auf die Formel bringt, eine Haltung, "die Unfreiheit für andere fordert" (Fluchtabwehr), ist nämlich zu vereinfacht gestellt.

Zum historisch-politischen Hintergrund:
Susanne Dagen Leiterin des Kulturhauses Loschwitz
https://www.dnn.de/Nachrichten/Kultur/Regional/Lingnerpodium-Meinungsgraeben-muessen-kein-Unglueck-sein

Das Massenunglück, das zur Flucht der vielen führt, die traumatisiert in Europa ankommen:
Verelendung: Fluchtgründe, Beispiele für die Situation in einzelnen Ländern
Fluchtwege
Traumatisierung: Flüchtlingsschicksale 
Gründe für Fluchtabwehr: Münkler: Die neuen Deutschen


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