Vorrede zum zweiten, dritten und vierten Bändchen
[143] "Es hat mich oft verdrüßlich gemacht, daß ich jeder Vorrede, die ich schreibe, ein Buch anhängen muß als Allonge eines Wechselbriefes, als Beilage sub litt. A-Z. Andern privatisierenden Gelehrten werden schon ganze Bücher fertig und lebendig aus der Wiege zugeschickt, und sie brauchen nichts daran zu hängen als das goldene Stirnblatt der Vorrede und nichts mehr an der Sonne zu machen als die Aurora. Aber mich hat noch kein einziger Autor um eine Vorerinnerung ersucht, ob ich gleich schon seit einigen Jahren mehre Vorreden im voraus verfasse und auf den Kauf ausarbeite, worin ich künftige Werke nach Vermögen erhebe. Ja, ein ganzes Münzkabinett von solchen Preismedaillen und Huldigungmünzen, die ich für fremde Verdienste mit den besten Rändelmaschinen ausprägte, steht mir immer vor Augen und läuft täglich höher an; daher schlag' ich das Kabinett am Ende – es ist kaum anders zu machen – im ganzen los und gebe ein Buch voll bloßer präexistierender Vorreden – zu gedenklichen Werken – heraus.
Gleichwohl will man noch bis zur Ostermesse die Vorberichte einzeln abstehen; und Schriftsteller, die sich am ersten melden, können sich, da man ihnen den ganzen präludierenden Faszikel zuschickt, die Vorerinnerung ausklauben, in der ich, wie sie glauben, ein Buch am meisten lobe. Nachher aber, bei der Herausgabe der Vor- oder Lobreden im ganzen, die ich mit dem Meßkatalog durchschießen lasse, werden bloß die Gelehrten auf einmal in corpore, in coro verherrlicht, und ich biete sozusagen – wie 1775, die Königin Kaiserin der ganzen Wiener Kaufmannschaft – der ganzen Gelehrtenrepublik in Pausch und Bogen den Adel an; wiewohl ich an den armen Rezensenten, die sich das ganze Jahr an Tempeln des Ruhms und an Ehrenbogen krumm und arm mauern und leimen, die betrübten Belege vor[143] mir habe, daß weniger dabei herauskommt, wenn man die gelehrte Republik in sechs Folianten erhebt, als wenn man mit Sannazaro die venezianische in ebenso vielen Zeilen rühmt, deren jede ein Schenkbrief von 100 Fünftalerstücken für den Dichter ward.
Zur Probe will ich eine von jenen Vorreden in diese einschichten und mich stellen, als hätte mit ihr der berühmte Verfasser mein Buch auf Ersuchen versehen, welches noch dazu auch wirklich so ist. Ich lasse leicht mein Wesen oder Substratum in zwei Personen zerfallen, in den Blumenmaler und in den Vorberichtmacher. Ich les' aber mit Fleiß – denn ganz ohne Bescheidenheit kann keiner leben – für mich die allerelendeste Vorerinnerung aus, in der wahrhaftig mäßig genug gepriesen wird, und die den Autor des nachstehenden Werks mehr auf einen Leichen- als Triumphwagen hinaufhebt, den noch dazu nichts zieht; die andern Vorreden hingegen schirren die Nachwelt an, diese und die Lesewelt werden darin vor den Himmel- und Eliaswagen der Unsterblichkeit eingespannt und fahren die Verfasser...."
(Jean Paul: Siebenkäs 2. Bändchen, Vorrede ...)
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