Hermanns Oheim erläutert, wie er sein umfangreiches Geschäftswesen im Griff behält.
Deshalb entschloß ich mich, aus meinen Dienern und Faktoren, welche zum Glück sich in meiner Schule tüchtig herangebildet hatten, selbständige Herrn zu machen, ihnen als Gesellschaftern die Kapitalien, welche ich für die verschiedenen Geschäftszweige bestimmt hatte, vorzustrecken, und einen jeden übrigens auf eigne Gefahr sein Departement verwalten zu lassen. Bis jetzt habe ich mich bei dieser Einrichtung sehr wohl befunden. Die Direktoren treiben das Geschäft zu eigner Ehre und Vorteil, und bringen deshalb einen weit lebhafteren Schwung hinein, als wenn sie nur meine Handlanger wären, die wöchentlichen Konferenzen erhalten mich mit dem Ganzen im Zusammenhange, und da in den Hauptsachen doch immer auf meinen Rat gehört wird, so lenke ich im Grunde alles nach wie vor.« »Eins fiel mir auf«, sagte Hermann. »Warum lassen Sie von Anleihen, welche ein Institut von dem andern macht, Zinsen geben, da doch das gesamte Betriebskapital Ihnen gehört? Sie scheinen solchergestalt sich selbst die Interessen zu entrichten.« »Nicht so ganz«, versetzte der Oheim. »Die Direktoren haben nur von den reinen Überschüssen ihren Anteil. Sie müssen sich daher bestreben, die Zinsen durch vorteilhafte Spekulationen einzubringen; und da dies in den meisten Fällen gelingt, so gewinnt die Anleihe ihre Interessen in der Tat und nicht bloß zum Schein.« [...]
Man habe von fernher geschickte Leute des Fachs kommen lassen, welche ihre Kunststücke anfangs wie zum Scherz auf Tanzböden und in Schenkstuben vorgewiesen hätten. Alsobald sei der Nachahmungstrieb, besonders bei den jüngeren Leuten, rege geworden, da man denn hauptsächlich auf die zweiten und dritten Söhne der Hofesbesitzer Augenmerk genommen habe, welche, zum Dienen bestimmt, unzufriednen Geistes, sehr froh gewesen wären, einen lohnenderen und ehrenvolleren Erwerb zu finden. [...]
Es ist zugleich hier ein neues Geschlecht entstanden, ein Mittelstand neben der bäuerlichen Aristokratie, ähnlich den englischen Verhältnissen. Der Erstgeborne erbt den Hof, und wird nach dem Hofe benannt, setzt also auch eigentlich allein die Familie fort, die andern Söhne und die Töchter gehn in die Fabriken, und legen sich in der Regel von ihrer Beschäftigung neue Namen bei, gegen das Zeugnis des Kirchenbuchs, und ohne daß die Verbote der Obrigkeit, welche daraus allerhand Verwirrungen befürchtet, etwas fruchten wollen.« [...]
Abschreckend war die kränkliche Gesichtsfarbe der Arbeiter. Jener zweite Stand, von welchem die Vorsteher geredet hatten, unterschied sich auch dadurch von den dem Ackerbau Treugebliebenen, daß seine Genossen bei Feuer und Erz oder hinter dem Webstuhle nicht nur sich selbst bereits den Keim des Todes eingeimpft, sondern denselben auch schon ihren Kindern vermacht hatten, welche, bleich und aufgedunsen, auf Wegen und Stegen umherkrochen. Wie die beiden Beschäftigungen, die natürliche und die künstliche, dem Menschen zuschlagen, sah Hermann in diesem Gebirge oft im härtesten Gegensatze. Während er hinter den Pflügen Gesichter erblickte, die von Wohlsein strotzten, nahm er bei den Maschinen andre mit eingefallenen Wangen und hohlen Augen wahr, deren Ähnlichkeit die Brüder oder Vettern jener Gesunden erkennen ließ. [...]
Entschieden war es ihm: wenn diese Bestrebungen weiter um sich griffen, so war es in ihrem Umkreise um alles getan, weswegen ein Mensch, der nicht rechnet, leben mag. Der Sinn für Schönheit fehlte hier ganz. Die Stunde regierte und die Glocke; nach deren Schlage füllten und leerten sich die Arbeitsplätze, traten die Träger ihre täglichen Wege immer in der nämlichen Richtung an, versammelten sich die Hausgenossen zu den gemeinschaftlichen Mahlzeiten. Bei diesen griff ein jeder nach englischer Manier zu, wo es ihm beliebte; der Reihenfolge der Speisen achtete man wenig, da sie fast sämtlich zu gleicher Zeit aufgesetzt wurden.
Immermann: Die Epigonen,
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