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16 Mai 2020

Klepper: Der König und die Stillen im Lande

Jochen Klepper schreibt: "Von seiner frühen wilden, ungestümen Knabenzeit an bis in die qualvolle Nächte seines Sterbens hinein hielt Friedrich Wilhelm bange Ausschau nach den wenigen, bei denen er 'tätiges Christentum' zu finden hoffte, und das hieß für ihn: bezeugten und gelebten Glauben der 'Stillen im Lande', die – um ein Wort Luthers zu gebrauchen – 
"in die offene Mauerlücken" eines von innen und außen dauernd bedrohten Landes 'ihr Gebet zu werfen hatten' "(S.5)

Zinzendorf schreibt Friedrich Wilhelm I. von Preußen auf dessen Aussage, er habe seinen Feinden vergeben: "Ich hätte meinen Feinden nicht nur vergeben, sondern mich auch sehnlich danach umgesehen, wie ichs anstellte, daß sie mir vergäben."

Eine bemerkenswerte Aussage, weil der Soldatenkönig wohl schwerlich imstande war, einen Versuch zu machen, dass sein Sohn Friedrich ihm vergäbe. Dafür war es 1740 sicher zu spät.
Aber dass Zinzendorf (nach einem vorherigen untertänigen Schreiben, ob der König wirklich seine Meinung hören wolle, so geantwortet hat und dass er darüber das Wohlwollen des Königs nicht verloren hat, hat mich beeindruckt.
Auch der Gedanke, dass Gott nicht die Sünden strafe, sondern die Sünden selbst die Strafe sind (die man sich zufügt).

Klepper hat sich freilich in seinem Buch "Der Vater" über den Soldatenkönig in Sachen Versöhnung von Vater und Sohn optimistischer gezeigt. Im letzten Kapitel des Buches heißt es da: 
"Erst allmählich wandte sich der König seinem Sohne zu. Seine Blicke füllten sich mit letztem Leben, letzter Nähe. Er streckte die Arme weit aus, hilflose, abgemagerte, zitternde Arme im zu weiten Rock: der Sohn war noch so fern! Friedrich stürzte auf den Vater zu, und das Gesicht des Vaters begann von aufsteigendem Weinen zu zucken. Er mühte sich sehr, sich zu dem Sohn zu erheben. Der neigte sich tief zu ihm herab. Sie hielten sich ganz nahe umschlungen, Herz an Herz, nur noch Liebende, nur noch Leidende: der verletzten Majestät des Vaterherzens war genügt. Sie sprachen nicht. Die Tränen des Sohnes fielen auf die Hände des Vaters, und er vermochte noch immer keine Worte zu finden; der dann das Schweigen brach, war der König. Denn auch die Ärzte und die Offiziere um den Rollstuhl waren verstummt. "

Kleppers Buch besteht weitgehend aus Dokumenten: Den Aufzeichnungen August Hermann Franckes, seines Schwiegersohns Johann Anastasius Freylinghausen sowie seines Sohnes  Gotthilf August Francke sowie dem Briefwechsel zwischen Friedrich Wilhelm I. und Zinzendorf.
Bemerkenswert: Die 5-jährige Prinz Wilhelm küsst seinen Vater, bis der ihn fragt, was er wolle. Darauf hin sagt er, er wolle, dass der gefangene Deserteur nicht gehängt werde. Der König geht zunächst nicht darauf ein, schließlich gewährt er es. Freylinghausen berichtet weiter, Prinz Wilhelm habe im Auftrag der Königin gehandelt. Bei seinem ersten Versuch habe er den Vater zwar liebkost, aber nicht gewagt, seine Bitte vorzubringen. Daraufhin habe die Königin mit der Rute gedroht mit dem Erfolg, dass er sich dann traute. [Wie doch Leben gerettet werden.] Die Königin musste offenkundig damit rechnen, dass ihre Bitte abgeschlagen worden wäre. Da musste das Kind herhalten.
Als der König den Prinz fragte, was der Deserteur statt dessen als Strafe haben solle, sagte er "die Rute". (Der König und die Stillen im Lande, S.55)

Gotthilf August Francke erscheint mir aufgrund seines Berichts recht selbstgerecht; aber vielleicht stören mich auch nur die streng pietistischen Vorstellungen zu sehr.

Schon 2009 hat mich bei der Lektüre die Szene mit dem bittenden Prinzen besonders berührt. Damals hatte ich auch geschrieben: "Im übrigen wird Freylinghausen immer wieder gefragt, ob Jagd und Komödie erlaubt seien. Jagd, die Leidenschaft des Königs, Komödie, das Bedürfnis der Königin." 
Bei diesem ehelichen Konflikt stellt er sich auf die Seite des Königs. Komödie sei sündhaft, weil sie die Gedanken von Gott ablenke. Bei der Frage der Bestrafung der Deserteurs unterstützte er die Bitte des Kindes (also den Wunsch der Königin).
Diesmal ist mir Zinzendorf wichtiger geworden. 

22 Januar 2012

Gustav Freytag: Die Geschwister (aus: Die Ahnen)

Der Rittmeister von Alt-Rosen

Den Dreißigjährigen Krieg führt Gustav Freytag am Beispiel des Rittmeisters Bernhard König von Alt-Rosen und seiner Schwester Regina vor, Anlass genug, die Erzählung mit der folgenden (Der Freikorporal bei Markgraf-Albrecht) unter dem Titel "Die Geschwister" zu vereinigen.
Wir erleben das Lagerleben von Regimentern, die sich vom Marschall Turenne getrennt haben, um die evangelische Sache nicht verraten zu müssen, das Schicksal der in den Wald flüchtenden Bauern, den Privatbereich Herzog Ernsts des Frommen (einem Vorfahr von Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha, dem Maezen Gustav Freytags) und schließlich auch eine Hexenverfolgung, deren Opfer Judith, die Geliebte Bernhard Königs, wird.
Bernhards Beitrag zum Kriegsrat der einen obersten Führer suchenden Regimenter:
Ansehnliche Herren und lieben Brüder! Da ich einer der jüngsten bin, ziemt mir mehr zu hören als zu raten. Was dem Heere am vorteilhaftesten ist für Sold, Quartiere und Ruhm, darüber haben viele unter uns mehr Erfahrung als ich. Ich aber will sagen, was uns allen während unserer Händel mit den Franzosen am Herzen gelegen hat: Wir haben uns von dem Marschall darum geschieden, weil wir Deutsche sind und unser Blut nicht länger für den Eigennutz fremder Potentaten vergießen wollen. Wir hören viel von der alten Herrlichkeit des deutschen Landes, wo ist sie hingeschwunden? Ich kenne manchen unter euch, der mitten in Brand und Plünderung aus tiefem Herzen erseufzte über das Unglück, welches wir ertragen und anderen zufügen, und ich hörte manchen Kriegsmann mit grauem Haar einen Fluch ausstoßen gegen die vornehmen Perücken, welche Frieden im Munde führen und den Krieg im Herzen begehren. Fünf Jahre verhandeln die Schreiber über den Frieden, und wir sind weiter davon entfernt als je. Ich aber lebe des Glaubens, daß der römische Kaiser als der hartnäckigste und diffizilste Gegner des Friedens gegen uns steht. Er fühlt in seinen Erblanden wenig von der Kriegsnot und ist wohl zufrieden, wenn die Dörfer und Städte der evangelischen Landesherren verwüstet werden. Und ich sage euch, ihr Herren und Brüder, nicht eher wird er sich einem billigen Vertrage zuneigen, als bis ein deutsches Heer über seine Berge zieht und seine Hofburgen ausbrennt. Darum, wenn die Großen üblen Willen haben, das deutsche Land in einen besseren Zustand zu bringen, so meine ich, sollen wir Kleinen dazu helfen. Habt ihr den Mut und den Willen, euch als Helden zu erweisen und den Kaiser zum Frieden zu zwingen, so wählt euch einen kühnen Kriegsobersten, dem ihr zutraut, daß er sich mit eurer Hilfe hoher Anschläge vermesse. Und in diesem Falle rate ich, daß ihr den General Königsmark zuzieht, obgleich er den Schweden dient. Denn wir wissen, daß er von allen großen Befehlshabern am fröhlichsten schlägt und in seinen Reiterstiefeln weder Tod noch Teufel fürchtet. Wollt ihr jedoch so hohes Wagnis nicht auf euch nehmen, so wahrt wenigstens euer Gewissen, auf daß ihr nicht ferner an der Zerstörung teilhabt, und sucht einen gerechten protestantischen Landesherrn, dem ihr euch zum Schutz seines Landes anbietet und der vielleicht, wenn er die Regimenter entlassen will, mit unseren Völkern, ihren Weibern und Kindern die leeren Bauernhöfe seines Landes besetzt. Wollt ihr in solcher Weise für das Heil des gemeinen Reiters sorgen, so fragt den Herzog Ernestus, den Bruder unseres seligen Kriegsherrn, ob er die Regimenter auf billige Bedingungen in seine Gewalt aufnimmt. (G.Freytag: Die Ahnen, Der Rittmeister von Alt-Rosen, Kapitel "Der Kriegsrat", S.974)

Der Freikorporal bei Markgraf Albrecht (1721)

Um ein möglichst umfassendes Bild  der von ihm in den vorhergehenden Erzählungen behandelten Gebiete, in denen Deutsche siedelten, zu bieten,  verbindet Gustav Freytag einen Bericht aus dem Sachsen und Polen Augusts des Starken mit einem aus dem Preußen des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I..
Dabei setzt er, um das Interesse des Lesers und die Dramatik des Geschehens zu erhöhen, nicht nur zwei Liebesgeschichten, sondern auch das Motiv der unbedingten Opferbereitschaft für den Freund ein, wie wir es aus Schillers Bürgschaft kennen. Nur sind es hier Brüder, die beide bereit sind, sich für den anderen zu opfern, nicht zwei Freunde und zusätzlich bestand vorher eine ganze Zeit lang eine Rivalität zwischen ihnen.

Um die negativen Seiten der Herrschaft des Soldatenkönigs zu zeigen, lässt er den Sachsen August König freiwillig in preußische Dienste treten und dabei die Schrecken absoluter militärischer Unterordnung und des Rekrutierungssystems kennen lernen. Doch gerade als August höchst negative Erfahrungen mit dem System gemacht hat, trifft er auf einen hilfreichen Zivilisten, der seine Vorzüge herausstellt:
»Ich glaub's wohl«, sagte der Wirt, »denn manchen trifft es hart und grausam. Jedoch dazu sind wir alle da, die einen zahlen die Steuern, während die anderen marschieren, damit die Fremden Respekt vor uns behalten. Als mein Großvater jung war, hausten die fremden Kriegsvölker hier am Orte wie Mordbrenner und Kannibalen, und die Bürger wurden wie die Hunde erschlagen, von den Weibern und Kindern gar nicht zu reden. Als aber mein Vater jung war, hieben wir Brandenburger den Schweden, der sich noch einmal ins Land gewagt hatte, mit unseren Fäusten hin aus; seitdem haben wir Sicherheit, unsern Weibern wird keine Schmach mehr angetan, und unsere kleinen Kinder werden nicht mehr unter die Hufe der Pferde geworfen. Wenn nur von den Herren Offizieren Billigkeit geübt wird, so ist die Last für das Volk zu ertragen. Unsere Landeskinder, soweit sie wirklich eingezogen werden, dienen nicht gar lange und kommen klüger nach Hause zurück, als sie gegangen sind. Ich denke, es ist bei uns in Stadt und Land, obgleich wir viele Soldaten unterhalten, mit der Nahrung und mit dem Verdienst nicht schlechter bestellt als bei Ihnen in Sachsen oder anderswo in Deutschland. Denn unser König führt einen schweren Stock, aber er sorgt auch wie ein Vater für die Blauen und für uns andere in Hemdsärmeln.«
August freute sich über die kluge Rede, denn auch er fühlte zuweilen [1120] wieder den Stolz eines Preußen, ... (G. Freytag: Der Freikorporal bei Markgraf-Albrecht, Kapitel Alles verwandelt", S.1119/20)
Die Verhältnisse in Polen lässt Freytag den Kandidaten der Theologie Friedrich König erleben und das bietet dem Erzähler die Möglichkeit, seinen Helden darüber dem Soldatenkönig berichten zu lassen:

»Was habt Ihr sonst in Thorn gesehen?« fragte der König. »Erzählt geradeaus und ehrlich.«
Friedrich begann seinen Bericht über die Standhaftigkeit und die letzten Stunden des Konsuls Roesner und der übrigen Gerichteten. Der König setzte sich und hörte mit gespannter Aufmerksamkeit zu, bis der Erzähler mit den Worten schloß: »Königliche Majestät, in diesen schrecklichen Tagen habe ich das Größte erlebt, was einem Diener des heiligen Amtes zuteil werden kann, denn ich sah fromme deutsche Männer, welche mit Gottvertrauen mutig in einen elenden Tod gingen. Jeder von den zehn Gerichteten konnte sich Leben und Freiheit retten, wenn er seinen Glauben abschwor. Aber nur einer von elfen wurde schwach, die anderen zehn blieben treu bis zum Tode.« Da faltete der König die Hände: »Was sagtet Ihr vorhin über eine Hilfe, die sie von mir begehrt haben?«
(G. Freytag: Der Freikorporal bei Markgraf-Albrecht, Kapitel Von Thorn nach Berlin, S.1138)
Freilich, da der Theologe groß ist, hilft es ihm nichts, dass er die protestantische Seite im Soldatenkönig anspricht. Dieser will ihn behalten und lässt ihn nur gehen, als er versprochen hat, sich wieder zum Dienst zu stellen, falls sein Bruder nicht aus seinem Diensturlaub zurückkehrt. Damit beginnt die Geschichte des Edelmuts der Brüder ...

30 Juni 2009

Klepper: Der König und die Stillen im Land

Wie ein Deserteur Pardon erhält

Der Lieblingssohn Friedrich Wilelms I., August Wilhelm, etwa fünf Jahre alt, kommt beim Essen zum König und küsst und streichelt ihn, bis dieser ihn fragt, was er den wolle. "Lass doch den Langen Kerl, der weggelaufen ist, nicht anhängen." - Auf die zusätzlich Fürsprache zweier Generäle und des Leiters der Franckeschen Anstalten Freylinghausen lässt sich der König schließlich dazu überreden.
Am Vortag hatte August Wilhem den König auch schon umschmeichelt, sich aber trotz Einrede von Generälen nicht getraut, etwas zu sagen. Erst als die Königin ihm gedroht hatte, ihn mit der Rute schlagen zu lassen, hatte er es getan.

Königin, Kind und Geistlicher waren nötig für das Erreichen des Pardons. Und dem Kind musste die Rute angedroht werden.

Im übrigen wird Freylinghausen immer wieder gefragt, ob Jagd und Komödie erlaubt seien. Jagd, die Leidenschaft des Königs, Komödie, das Bedürfnis der Königin. Der Geistliche soll die Position der Ehepartner gegeneinander stärken.

Wenn der Soldatenkönig nicht anwesend ist, spricht die Königin Französisch und der 16jährige Kronprinz, der spätere Friedrich II., der in Anwesenheit der Königs stumm ist, geht aus sich heraus.